Quo vadis Klassik ?

  • Zitat

    Original von Ulli
    Salut,


    bemerkenswert fand ich die zu Beginn des Jahres [?] erfolgte Umstellung des jpc courier: Vor der Umstellung war die Klassik m. W. an erster Stelle, nun beginnt der Katalog mit POP, gefolgt von Jazz, dann erst Klassik und zum Schluß Film...


    :kotz:


    Interessant zu erfahren, da ich den jpc-courier seit etwa Anfang des Jahres bekomme.
    Hieß vielleicht jpc vorher auch cpj? :baeh01:



    Gruß, Peter.

  • Salut,


    genau weiß ich nicht mehr, wann umgestellt wurde... ich glaube aber kaum, dass ich mich irre. Die farbige Einteilung am Rande hat es meines Wissen auch nicht geben [positiv verändert], aber einige Kataloge habe ich ja noch, ich kann das mal eruieren.


    Zitat

    Hieß vielleicht jpc vorher auch cpj?


    Dann müsste es jetzt pjcf heißen...


    :baeh01:


    Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, dass hier das klassische Segment eindeutig nach weiter hinten verdrängt wurde. Ich erinnere mich, als meine Sekretärin im vergangenen Jahr einmal bei Ankunft des Couriers sagte: "Oh, klasse! Lieder, die die Welt nicht braucht..." - Wir haben sie mittlerweile ersetzt.


    :hello:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo,


    ich habe die sehr interessante Diskussion hier im Thread gelesen und würde diesen gerne ein bissel wiederbeleben.


    Vor ein paar Tagen (14.06.2006) habe ich im "KlassikAkzente"-Newsletter (also der virtuellen "Hauspostille" von Universal Classics) ein wirklich interessantes -ungewöhnlicherweise längeres (!)- Interview (oder war es jetzt die Wiedergabe eines Vortrags?) des weiter oben bereits zitierten Herrn Kellersmann gelesen - und ich denke und hoffe, seine Ansichten könnten hier für ein paar neue Diskussions-Impulse sorgen:


    Zitat

    Klassik ist die neue Popmusik
    Jammern kann jeder. Und die Schuldigen der Krise sind auch schnell ausgemacht. Doch ganz so einfach ist die Situation nun wieder nicht. Die globalen Umwälzungen mit ihren netzwerkartigen Strukturen haben ihre Spuren im Musikbusiness hinterlassen und es grundlegend verändert. Christian Kellersmann, Leiter der Abteilung Classics & Jazz der Universal Music Group in Deutschland, hat daher ein wenig näher hingesehen und für die Musikfachtagung der Konrad-Adenauer-Stiftung die Entwicklungen der vergangenen Jahre nachgezeichnet. Hier ist sein Resümee:


    Der klassische Musikbetrieb arbeitete über Jahre - über Jahrzehnte - daran, dass die Klassik radikal an kultureller und gesellschaftlicher Bedeutung verlor. In der Schule ging es los: Klassik war stets verknüpft mit musiktheoretischem Wissen - nur wer in der Lage war, eine Partitur zu lesen, konnte auch die klassische Musik verstehen. Die sinnliche und emotionale Komponente der Musik wurde ausgeklammert. Auch die mediale Aufmerksamkeit verschwand: Während in den 70er Jahren noch die Zeitungen und Zeitschriften fast täglich über das Leben und Lieben des Herrn von Karajan und anderen Stars aus der Klassikszene berichteten, gab es in den 80er Jahren gerade mal zwei neue Gesichter: Nigel Kennedy und Anne-Sophie Mutter. In den 90ern gab es dann niemanden mehr, der auf wirklich breiter Front den klassischen Musikmarkt medial präsentierte.


    Ok- der Mann wiederholt sich. Sein Argument mit Mutter und Kennedy wurde weiter oben schon mal (von Theophilus) zitiert, es ist halt ein "Klassiker" - und leider ist wohl auch was dran.
    Ich kann mich gut erinnern, welche Namen Anfang der 90er Jahre von den Majors in den Himmel gehoben wurden (wieviele neue "Callas" gab es da schon), z. B. Vesselina Kasarova, Luba Orgonosova, Cheryl Studer, Dmitri Hvorostovsky, Bo Skovhus - oder im Instrumentalbereich Hakan Hardenberger, Patrick Gallois, Hubertus Baumann, etc.
    Jahrelang erschienen teure Neu-Aufnahmen mit diesen Künstlern - dann plötzlich Schweigen im Walde!
    Neuaufnahmen mit Gallois und Skovhus habe ich beispielsweise neulich bei NAXOS entdeckt - hmmm...
    "In Wirklichkeit" waren diese Künstler ja nie "weg vom Fenster", die meisten von ihnen konzertieren nach wie vor erfolgreich, aber die Gunst der (großen) Labels wurde ihnen mitterweile wieder entzogen - irgendwie inkonsequent diese "Gunstgewährung auf Zeit".

    Aus den 80ern z. B. scheinen tatsächlich "nur" noch Herr Kennedy und -natürlich- Frau Mutter übrig geblieben zu sein und das nach über 20 Jahren...


    Zitat

    Somit fand Klassik nicht mehr in der Breite statt: TV-Ausstrahlungen wurden in nächtliche Spartensendungen gedrängt, öffentlich-rechtliche Klassiksender verloren konsequent an Quote und Finanzierung. Klassik existierte eigentlich nur noch im Zeitungs-Feuilleton.
    Verdeutlichen lässt sich diese Entwicklung anhand einiger Zahlen: Beispiel Tonträgermarkt - seit 1994 gab es einen Rückgang des Klassikmarktanteils am Gesamtmarkt um 25%. Noch dramatischer - von 1994 bis 2003 hat sich der Verkauf von Klassik-Tonträgern halbiert; von 20,1 Millionen auf exakt 10,1 Millionen Einheiten. Mit anderen Worten: Im Jahr 2003 gab es 50% weniger Klassik-Käufer als im Jahr 1994. Ein weiteres Beispiel ist die Bühnenlandschaft. 1994 kauften die Bundesbürger 5,1 Millionen Opern-Karten, 2004 nur noch 4,3 Millionen. Und besuchten 1994 noch 33% aller 18-34jährigen mindestens ein klassisches Konzert oder eine Oper im Jahr, sind es heute nur noch 20%. Bei den 35-49jährigen ist die Bereitschaft, ein klassisches Konzert zu erleben, noch stärker geschrumpft - von 41 auf 28 Prozent.


    Jaja - auch die Zahlen hat Herr Kellersmann anscheinend öfters parat, wie ich Euren Postings aus 2005 entnehmen kann.... :rolleyes:


    Zitat

    Das hatte natürlich Konsequenzen. Öffentliche Gelder wurden und werden in Frage gestellt und sogar gestrichen, bei den Schallplattenfirmen wurden die Aktivitäten drastisch gekürzt und z.T. sogar komplett eingestellt (Beispiel: Warner Music). Erschwerend kommt hinzu, dass mittlerweile mehrere Generationen konsequent pop- und rocksozialisiert sind - bis hoch zu den 60jährigen. Der Generation Rolling Stones.
    Diese Generationen treffen jetzt die Entscheidungen, in welche Kanäle öffentliche Gelder zur Kulturförderung fließen oder welcher Künstler zur nächsten Automobil-Präsentation eingeladen wird - früher gehörte ein Klassikkünstler zum guten Ton, heute wird es eher die Loge beim Robbie Williams Konzert oder das VIP-Ticket zum WM-Spiel sein, die gesellschaftlichen Respekt versprechen.
    Ob Politik oder Musikwirtschaft selbst - man schmückt sich lieber mit Popthemen: ob das die Deutsch-Quote im Rundfunk war, die "Pop"komm oder gar die hiesige Musikfachtagung, die in der Vergangenheit ausschließlich zu Themen der Popmusik zusammenkam: das Interesse hat sich in Richtung Pop verlagert.


    Zumindest ein interessanter Aspekt - und "trendy" ist es auch, ständig neue "Generations-Titel" zu kreieren, jetzt ist es also die "Generation Rolling Stones" - yeah! :wacky:


    Zitat

    Aber vielleicht musste die Klassik an diesen Punkt kommen, denn so waren wir gezwungen, uns der Herausforderung zu stellen, die Klassik zu erneuern.
    Und - um es vorweg zu nehmen - wir können die ersten Erfolge vermelden. Dabei erhält die klassische Musikkultur paradoxerweise Unterstützung durch die gesellschaftliche Entwicklung. Seit fünf Jahren arbeiten wir bei Universal Music Classics an dem Konzept "Yellow Lounge".
    Wir gehen in Clubs, die normalerweise das übliche Großstadt-Clubprogramm anbieten: House, Techno und Electro. Wir nutzen diese Clubs als neue Location, um Klassik zu präsentieren. Mit DJs, VJs und mit Live-Auftrittten erstklassiger, auch international renommierter Künstler.


    Die Idee, die der Yellow Lounge zugrunde lag, war recht einfach: es muss doch möglich sein, klassische Musik auf moderne und attraktive aber ungewohnte Weise öffentlich zu machen und dadurch neue, jüngere Hörer an ihre Schönheit heranzuführen. Ohne Besserwisserei und Belehrung, sondern selbstverständlich und emotional in geselliger Inszenierung - einfach trinken, rauchen, reden zu klassischer Musik, so wie es vor 200 Jahren ganz normal war.


    Klingt zumindest interessant - wer hätte gedacht, dass sich die unverkrampftere Art, klassische Musik zu "konsumieren", wie man es bis ins 19. Jahrhundert üblicherweise tat, mal wieder als salonfähig erweisen würde.... eigentlich kein sooo schlechter Gedanke :]
    Gerade die SängerInnen, die hier auftreten, sollten aber auch selber RaucherInnen sein, denn sonst dürfte die Stimme doch arg schnell weg sein... :D


    Zitat

    Die Künstler, die wir für diese Veranstaltungen gewinnen konnten, zeigten sich alle hellauf begeistert. Zu den illustren Gästen zählten bisher Hélène Grimaud, Andreas Scholl, Anne Sofie von Otter, Mischa Maisky, Hilary Hahn und sogar ein komplettes Orchester: die "Junge Deutsche Philharmonie". Als DJs konnten wir bereits die Pet Shop Boys - ausgewiesene Klassikfans - und Matthew Herbert gewinnen.


    Das war zu erwarten, dass hier die Riege der "allgemeinen Verdächtigen" aufgezählt werden würde - der Mann kommt halt von Universal Classics - aber wenn's Gäste anzieht, bitteschön...


    Zitat

    Regelmäßig finden sich zwischen 600 und 2000 Gäste ein, die Klassik auf eine ganz andere Weise erleben. Die Kreation eines Phänomens wie die Yellow Lounge wäre vor 20 Jahren nicht möglich gewesen. Klassik wurde damals noch auf traditionelle Weise als Mittel der Abgrenzung im Kampf um gesellschaftlichen Status genutzt. Auf dem grünen Hügel und anderswo war man eben unter sich.


    ... von diesen "Yellow Lounges" habe ich zwar schon gelesen, aber außer der zitierten YL in Berlin ist mir keine andere bekannt (hier in Köln schon gar nicht!) - das Ganze scheint also mal wieder ein Gimmick für verwöhnte Hauptstädter zu sein ;) - nur, wo bitteschön soll dann die Breitenwirkung sein? Das ist doch lediglich ein Event für ein paar wenige "Schickimickis"... :yes:
    War einer von unseren Berlinern schon mal bei einer solchen Veranstaltung?


    Zitat

    Diese Rolle muss Klassik heutzutage nicht mehr erfüllen. Wenn sich Spitzenpolitiker als Rockfans zeigen und Vorstandsvorsitzende in den Büroregalen Bob Marley-CD-Boxen stehen haben, kann sich die Klassik neuen Aufgaben zuwenden. Klassik ist mittlerweile für eine neue, junge Szene der neue Underground.
    Mit Klassik lässt es sich auf elegante Weise von den berufsjugendlichen, ewig rockenden 68ern abgrenzen. Klassik erhält auf diese Weise eine neue Rolle. Klassik ist die neue Popmusik.
    Der musikhistorische Hintergrund ist recht einfach: Popmusik ist ausentwickelt und wird zunehmend zur selbstreferentiellen Spielwiese. Aktuelle Popbands wie Franz Ferdinand, die Strokes, Bloc Party oder die Arctic Monkeys kopieren eindeutig und ungeniert historische Größen wie The Who, Led Zeppelin, Roxy Music, David Bowie und andere. Die Erneuerungs-Zyklen haben sich in der Popmusik extrem verlangsamt oder sind ganz zum Stillstand gekommen - weiteres Zeichen für eine gewisse Stagnation des Genres: von den 40ern, dem Swing, zu den 50ern, der Rock'n'Roll-Ära, ist eine grundlegende Veränderung zu erkennen. Dann weiter zu den 60ern - der Beat-Ära, dem Rock, der Psychedelik - eine weitere grundlegende Erneuerung. Zu den 70ern - der Politisierung von Popmusik, zu den 80ern - dem Punk, zu den 90ern - der Elektronik oder Techno. Das waren tiefe Einschnitte, die sich heute nicht mehr finden lassen. Heute erleben wir einen Hype nach dem anderen, eine große Aufregung um einzelne Künstler oder Band - das ist jedoch wenig innovativ, kann kurzfristig Umsätze generieren, schafft aber keine haltbaren musikalischen Werte, keine Veränderung.
    Ein Vergleich: ein heutiger Vater würde bei einem Konzert von Franz Ferdinand, wenn er das mit seiner Tochter besucht, nett mitwippen. Bei meinem Vater wäre das früher undenkbar gewesen, hätte ich ihn zu einem Punk-Konzert mitgeschleppt. Popmusik kommt mir manchmal - aus einer musealen Betrachtung heraus - wie Musical vor. Ganz anders klassische Musik: wer auch immer momentan mit klassischer Musik arbeitet - und sich in einer kulturellen Verantwortung gegenüber den Werten klassischer Musikkultur sieht - muss die Chance nutzen und innovative Zugänge für eine neue Hörergeneration eröffnen, die von Popmusik gelangweilt ist. Die Yellow Lounge oder vergleichbare Formate sind nur eine Möglichkeit.


    Den gerne gebrachten Vergleich mit Popmusik finde ich hier zwar originell (vor allem die These vom "Stillstand", der "Ausentwicklung" der Popmusik), aber auch gefährlich - das ist doch wie "Äpfel mit Birnen vergleichen"...
    Es bestätigt die weiter oben im Thread geäußerte Befürchtung, dass diese Musikmanager bei den Majors wirklich ständig Gesetzmäßigkeiten des Popmusikmarktes auf den Klassikbereich übertragen - die lernen es wohl nie :motz:


    Und dann die Motivation, Klassik lediglich aus "Protest" und zum Zwecke der "Abgrenzung" zu hören - meint der Mann das jetzt wirklich ernst? ?(?(
    Mir tun die Leute leid, die -so sie denn tatsächlich existieren sollten- das als einzigen Grund haben, statt Madonna jetzt Mozart zu bevorzugen: "PROTEST!!!" ;( :kotz:


    Dann kommt wieder die "Wir-brauchen-mehr-Stars"-Nummer:


    Zitat

    Eine besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Etablierung neuer Klassik-Stars wie Anna Netrebko, Rolando Villazón, Cecilia Bartoli oder Lang Lang. In einem Mediensystem wie dem unseren braucht es Leuchtturm-Projekte, die den Weg weisen. Stars zeigen auf glamouröse Weise, was mit Klassik möglich ist - wenn das dann auch noch auf künstlerisch überzeugende Weise geschieht, umso besser. Das Ziel hinter der erfolgreichen Kampagne für Anna Netrebko war es immer, Klassik auf selbstverständlich modern inszenierte Weise in das Mainstream-Bewusstsein zu tragen.
    Wenn dann nach einem "Wetten, dass..?" Auftritt von Anna Netrebko innerhalb weniger Tage über 70.000 Tonträger verkauft werden und das Album in die Media Control Top Ten einzieht, ist das Ziel erreicht. Doch ein spektakulärer Auftritt bei "Wetten, dass ..?" kann nur der Höhepunkt einer Gesamtkampagne sein - letztlich geht es um die Entstehung neuer Medienflächen für Klassik.
    Quasi als Pendant zur neuen Eventfläche, wie wir es mit der Yellow Lounge geschaffen haben. Wir müssen deshalb weiterhin Möglichkeiten und Chancen erarbeiten und nutzen, neue Präsentationsformen im Fernsehen und im Rundfunk zu schaffen. Eine positive Entwicklung entstand in den letzten Jahren auch durch eine verbesserte, professionellere Zusammenarbeit zwischen Künstlern, Künstlermanagements, Agenturen, Konzertveranstaltern und Schallplattenfirmen.
    Gezielte Promotion- und Marketingaktivitäten, die jahrelang im Klassikbereich eine Tabuthema waren, sind jetzt wieder erlaubt und verhelfen der Klassik zu einem neuen, modernen Image. Plötzlich ist der Künstler nicht nur Teil des Abo-Konzert-Zyklus drei Jahre nach der Veröffentlichung einer CD-Produktion, sondern CD, Promotion- und Konzertaktivitäten laufen Hand in Hand und sind so auch interessant für die mediale Berichterstattung.
    So wie es bei einer Buchveröffentlichung oder bei einer Filmpremiere selbstverständlich ist, wo der Künstler für PR-Aktivitäten zur Verfügung steht. Aber es gibt auch weitere Beispiele, wie Klassik heutzutage anders und erfrischend präsentiert werden kann: die Berliner Philharmoniker starteten mit ihrer Kampagne "Wilde Klassik" eine Kammermusik-Offensive, die mittlerweile ein gesamtes Merchandising-Paket beinhaltet.


    ...ganz wie Theophilus schon anmerkte: Ob es einem Klassikfreund passt oder nicht - die modernen Marktmechanismen (ich sag nur "Merchandising"!) gelten auch für den Klassikmarkt der Majorlabels. Der Ausgang dieses "Spiels" ist allerdings ungewiss... :stumm:


    Zitat

    Mut geben darüber hinaus diverse Education-Programme, wie sie seit über drei Jahrzehnten beispielhaft in mit der Jungen Philharmonie Venezuela umgesetzt werden. 1975 starteten 11 Musiker ein Jugendorchester - aufgrund eines einzigartigen Programms existieren heute 200 dieser Orchester im Land Venezuela. Und die Junge Philharmonie Venezuela reist durch die ganze Welt und reißt das Klassikpublikum von ihren Sitzen - dank einer ungeheuren Energie. Auch in Berlin wurde ein breites Publikum - dank der "Rhythm Is It"-Dokumentation - Zeuge eines aufregenden Education-Programms. Der Schlüssel zum Erfolg dieser Konzepte liegt zu einem großen Teil darin, dass klassische Musik emotional und sinnlich vermittelt und erlebt wird. Der althergebrachte aber verstaubte Anspruch "Bildung = Klassik" ist vorbei. Heute erlebe ich erst die Musik und lerne dann, was eine Subdominante ist. Wenn überhaupt.


    Auch das ist ja ein Trend: Alles ist heutzutage plötzlich "sinnlich" - vom Saunagang übers Duschbad bis hin zum Kaffee...
    Immerhin hier scheint mir Musik nicht ganz falsch platziert zu sein.
    Und dass die nüchtern-wissenschaftliche, oft arg theorielastige Attitüde, die klassischer Musik (und deren Liebhabern) so gerne nachgesagt wird und vielen potentiell Interessierten den Zugang zur Klassik verbaut, mal wegfällt und stattdessen wieder mehr betont wird, das Musik an sich eine zu 100% sinnliche Erfahrung ist, die -wenn überhaupt- die ganze dranhängende Theorie erst im 2. Schritt nötig hat- scheint mir wirklich überfällig! :yes::jubel:



    Das klingt alles sehr löblich und ungemein idealistisch - aber ist es auch realistisch?? Letztendlich zählen für Universal Classics (und andere) doch nur nackte Zahlen und wenn die in diesem Sektor nicht in (möglichst kürzester Frist) erbracht werden, wird man in ein, zwei Jahren von diesen hochtrabenden Plänen wahrscheinlich nie wieder etwas hören - in diesem Punkt würde ich mich allerdings gerne mal irren...


    Ach ja - was bitte ist die "Donaueschingen-Clique"??? Noch nie was von gehört.... klingt aber eher provinziell als gefährlich :D



    Soweit Christian Kellersmann.
    Ich bin gespannt auf Eure Meinungen hierzu! :hello:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Zitat

    Ach ja - was bitte ist die "Donaueschingen-Clique"??? Noch nie was von gehört.... klingt aber eher provinziell als gefährlich :D


    Ja, ich frag mich auch, ob die heute noch gefährlich ist. Im Laufe der 80er ist dort - denke ich - einiges gebröckelt. Und außerdem gilt Donaueschingen wohl nicht mehr als "die Instanz" für gutes Komponieren, oder?


    Interessant, dass der Autor bei der neuen ernsten Musik gleich mal sagt, wie sie sein muß und einen Großteil gleich mal ausklammert. Ich halte das für extrem feig. Letztenendes würde unter diesen Vorzeichen keine neue klassische Musik sondern ein neuer Pop-Zweig herauskommen, der vielleicht etwas mehr nach Alter Musik klingt als Udo Jürgens aber mit ernster Musik der Gegenwart wenig zu tun hat.

  • Hallo Kurzstueckmeister,


    ich meinte die Frage wirklich ernst - ich habe tatsächlich keine Ahnung, was sich da in Donaueschingen abspielt(e)??? War/ ist da ein Kompositions-Centrum?


    Deine Äußerung

    Zitat

    Ja, ich frag mich auch, ob die heute noch gefährlich ist. Im Laufe der 80er ist dort - denke ich - einiges gebröckelt. Und außerdem gilt Donaueschingen wohl nicht mehr als "die Instanz" für gutes Komponieren, oder?


    lässt mich zumndest hoffen, dass Du mir da eine kurze Erklärung zu geben kannst? :hello:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

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  • Hallo Marc,


    Ganz zufällig sah ich die Sendung "Wetten dass" am Samstag, 28.1.2006. Darin sang Cecilia Bartoli das Papagena - Papageno - Duett mit dem Gottschalk.
    In meinem Rätselforum hatte ich darüber eine schwere Diskussion, denn ich stand ganz allein in meiner Auffassung.


    Da schrieb ich

    Zitat

    Ich habe die Sendung gesehen und mich fast totgelacht. Besonders am Ende, als Sie sowohl Papageno als Papagena sang.
    Das war HUMOR!!!
    So etwas würde Mozart zweifelsohne schätzen.


    Mann soll ja von klassischer Musik keinen Totenschrein machen. Sie lebt und rührt noch immer Menschen.
    Es liegt nicht an der Musik. Nein, es liegt eher am fehlenden musikalischen Unterricht.
    Zu beklagen sind Menschen die nie diese Musik kennengelernt haben, und deshalb nicht können urteilen über ihren Verlust.


    Gibt es Menschen die durch solche Veranstaltungen zu Klassikliebhaber werden? Das glaube ich nicht so direkt. Aber wenn bereits Verständnis für UNSERE Musik aufgebracht wird, ist dem Pfade bereits ein wenig geebnet.


    Auch die Ausführenden solcher Sendungen wurden verketzert.


    Da gehe ich weiter und jetzt füge ich zwei Quotes zu einem zusammen:

    Zitat

    Es gibt, glaube ich, eine Wasserscheide.
    An der eine Seite findet man Leute die aus Leidenschaft ihre Musik machen z.B. Johann Strauß (Vater verbot es), André Rieu (Vater = Dirigent und riet es seinen Sohn ab) oder sogar (leider, Schluchz) Popartisten.
    Man findet auch Menschen die aus Spaß oder wegen eine Sendung um Geld zu spenden oder weiß Gott was noch mehr zu bedenken ist, etwas tun daß nicht ihre normale Berufstätigkeit ist. In diesen letzten Fälle hab ich dagegen gar nichts, denn es sind und bleiben Ausnahmen.
    Auf der andere Seite gibt es Leute die es um das nur um das "schmutzige" (wortwörtlich gemeint in diesen Fall) Geld tun (die 3 Tenöre). Sie hatten auch im Oper das Geld verdienen können. Aber nicht so etwas billiges, daß fast eine Beleidigung ihrer Profession ist. Und diese Einstellung verabscheue ich, aber kein Mensch zwingt mir ihnen zu besuchen. Das einzige gute an der Sache ist - hoffentlich - daß sie die ahnungslose Menge Verständnis für schöne Musik beibringen.
    Ein Sonderfall sind Leute wie Borge und Liberg. Das würde ich eher Kabarett nennen.


    Aber auch Borge und Liberg können das Publikum Verständnis und hoffentlich Gefühl für diese so unglaublich schöne (??, oh Edwin!!) Musik beibrengen.


    Es wird deutlich sein, daß ich solche Veranstaltungen nicht ablehne.
    Warum werden große Festen - an erster Stelle die Promenadekonzerte der BBC in England aber auch die viele Nachfolger - ohne weiteres akzeptiert?
    "The Last Night of the Proms" ist ja eine Weltsensation. Jedes Jahr. Und jedes Jahr genieße ich davon. Nicht umsonst kaufte ich mir eine CD mit den traditionellen Kompositionen der zweiten Hälfte.


    Ich bin also ein Verfechter der Werbetrommel. Nur darf es nicht in Kitsch entarten. Aber da reden wir von einem anderen Kapittel.


    LG, Paul

  • Hallo MarcCologne,


    ich habe diesen Artikel vor ein paar Tagen auch gelesen. Auf die Gefahr hin, den Zyniker zu mimen, auf mich wirkt das wie eine Durchhalteparole für Werbeabteilungen.


    Von diesem Yellow Lounge-Konzept halte ich nichts. Für mich ist das der klägliche Versuch sich einem Publikum anzubiedern, welches extrem unbeständig agiert. Was heute angesagt ist, kann morgen schon wieder Schnee von gestern sein. Schnell ein Partybild per SMS verschickt und auf zur nächsten Örtlichkeit. Ständig in Bewegung, nur nicht den Anschluß verlieren. Wer im Auge des Event-Hurrikans verweilt ist bereits abgehängt.
    Klassik in mundgerechten Häppchen für diejenigen, deren Aufmerksamkeitsspanne gerade noch ausreicht den nächsten Party-Flyer wahrzunehmen, den man ihnen unter die Nase halt? Sich davon nennenswerte Impulse für den Klassikmarkt zu versprechen halte ich für gelbäugig, pardon, blauäugig.


    Zitat

    Momentan versuchen wir unsere verschiedenen Aktivitäten, Veröffentlichungen und aufwendigen Veranstaltungen wie die Yellow Lounge zu vernetzen - mit einem Ziel: die Klassik ernst zu nehmen, ihre Schätze zu hegen und pflegen, indem man sie entstaubt und zeitgemäße Formen der Darstellung findet.


    Das gelbe Foyer mag vielleicht zeitgemäß wirken, die Klassik ernst nehmen tut es ganz sicher nicht.


    Aber mich soll es nicht stören. Die von Theophilus angesprochenen modernen Marktmechanismen treffen in der Tat auch auf den Klassikmarkt zu: bereits morgen kann die Yellow Lounge schon wieder Schnee von gestern sein. :D


    Grüße,
    Gentilhombre

    "Das ist zeitgenössische klassische Musik. Dann unterstelle ich, daß da kein intellektueller Zugang..."
    Miroslaw Lem, Tenor

  • Hallo Marc,


    für mich ist das nichts weiter als das typische Dampfgeplaudere eines sich selbst allzu wichtig nehmenden Marketinglümmels, der glaubt, das Rad neu erfinden zu können. An der ganzen Sprache merkt man doch, wohin die Reise gehen soll: Klassik als Dudelmusik mit feelgood factor, alles ganz "sinnlich" und bitte nicht zu "kofpig", denn das stört doch nur das Wohlbefinden, denn wir wollen doch alle ganz groovy drauf sein. Alles Sperrige, Widerständige und auch Anstrengende im Klassikbereich wird unter dem Sandstrahlgebläse des "Happy Classic"-Marketings wegretuschiert, am Ende soll eine homogen eingeebnete, leicht vermarktbare Einheitslandschaft im Cross-Over-Stil stehen, in der Topmodels mit ihren ebenso dünnen Stimmchen Travestien von Opernarien zu vorverdauten Melodiensamples auf die Festplatte hauchen.


    Der Klassikliebhaber alter Prägung, wie er hier im Forum wohl hauptsächlich vertreten ist, soll jedenfalls nicht mehr angesprochen werden, das ist offensichtlich. Ob sich die Herren Koofmichs da mal nicht ins eigene Fleisch schneiden. Die politischen Parteien haben ja auch alle versucht, die "Neue Mitte" zu besetzen und dabei viele ihrer Stammwähler vergrault...


    Speziell zur DG-CD "Recomposed" gibt es auch folgenden Thread:


    "Recomposed" oder "Deutsche Grammophon feat. DJ HERBIE"

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Auch in Berlin wurde ein breites Publikum - dank der "Rhythm Is It"-Dokumentation - Zeuge eines aufregenden Education-Programms.


    Ob Strawinskys Sacre (der wird doch in "Rhythm Is It" besprochen, oder?) in der Yellow Lounge unter den tonal komponierenden jungen Komponisten seinen Platz hat?


    Vielleicht sollte man eine Yellow Lounge in Donaueschingen installieren und Lachenmann spielt dort sein "Kinderspiel".

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  • Zitat

    Original von MarcCologne


    [Kellersmann]


    Insbesondere verpennte die Musikindustrie seit den 60ern, bei der später so genannten "Rolling Stones" Generation etwa durch großzügige Spenden von Schallplatten aan Schulen oder durch ein aktives Eintreten (Öffentlichkeitsarbeit und Sponsoring) für mehr und bessere Musikerziehung mitzuwirken. Sie ist also ganz wesentlich mitverantwortlich an der angeblichen Misere.


    Zitat


    In der Schule ging es los: Klassik war stets verknüpft mit musiktheoretischem Wissen - nur wer in der Lage war, eine Partitur zu lesen, konnte auch die klassische Musik verstehen. Die sinnliche und emotionale Komponente der Musik wurde ausgeklammert. Auch die mediale Aufmerksamkeit verschwand: Während in den 70er Jahren noch die Zeitungen und Zeitschriften fast täglich über das Leben und Lieben des Herrn von Karajan und anderen Stars aus der Klassikszene berichteten, gab es in den 80er Jahren gerade mal zwei neue Gesichter: Nigel Kennedy und Anne-Sophie Mutter. In den 90ern gab es dann niemanden mehr, der auf wirklich breiter Front den klassischen Musikmarkt medial präsentierte.


    Die "Ausklammerung" der "sinnlichen" Komponente, läßt die sich belgen, oder ist das nur ein Klischee? Könnte es vielleicht sein, dass die Industrie noch immer ncoh verstande hat, was das Besondere an Klassischer Musik ist, dass sie eben etwas bietet, was weit mehr als Starrummel ist? Wenn man versucht sie als Popmusik zu behandeln, wird sie häufig die schlechter Popmusik sein, ähnlich wie Thomas Mann der schlechtere Thriller-Autor ist, sofern man ihn als solchen anpreist...


    Zitat

    Somit fand Klassik nicht mehr in der Breite statt: TV-Ausstrahlungen wurden in nächtliche Spartensendungen gedrängt, öffentlich-rechtliche Klassiksender verloren konsequent an Quote und Finanzierung. Klassik existierte eigentlich nur noch im Zeitungs-Feuilleton.


    wie schon mehrfach gesagt, halte ich die angebliche Breite vorher weitgehend für eine Chimäre. Wieder kann man jedoch fragen, warum wurde die Marktmacht, als sie noch bestand nicht genutzt?


    Zitat


    Verdeutlichen lässt sich diese Entwicklung anhand einiger Zahlen: Beispiel Tonträgermarkt - seit 1994 gab es einen Rückgang des Klassikmarktanteils am Gesamtmarkt um 25%. Noch dramatischer - von 1994 bis 2003 hat sich der Verkauf von Klassik-Tonträgern halbiert; von 20,1 Millionen auf exakt 10,1 Millionen Einheiten.


    Das ist der Sättigunseffekt nach den 10 Boomjahren seit Einführung der CD. Mich würde ein Vergleich mit 1979 interessieren, die damalige "Krise wurde nämlich gerade so durch die Markteinführung der CD abgewendet... Ebenso sollte man vielleicht berücksichtigen, dass in D seit ziemlich genau dieser Zeit die Reallöhne stagnieren oder sogar leicht sinken (anders als die Gewinneinkünfte bekanntlich)


    Zitat


    Mit anderen Worten: Im Jahr 2003 gab es 50% weniger Klassik-Käufer als im Jahr 1994.


    Mit anderen Worten ist das einfach Quatsch. Es könnte auch ebensoviele Käufer, die jedoch durchschnittlich nur halb so viel gekauft haben, gegeben und ncoh beliebig viel ander Kombinationen von N(Käufer) und n(gekaufte CDs/Käufer). Was lernt man eigentlich im BWL-Studium....ich dachte u. auch elementare Statistik...


    Zitat

    Zumindest ein interessanter Aspekt - und "trendy" ist es auch, ständig neue "Generations-Titel" zu kreieren, jetzt ist es also die "Generation Rolling Stones" - yeah! :wacky:


    Das mag wohl stimmen. Erklärbar durch ein gemeinsames Versagen von "Klassik-Estabishment" und Politik, hauptsächlich im Erziehungswesen, aber auch im öffentlichen Rundfunk, der sich zumindest im TV seit einigen Jahren den Verdummungstendenzen des Privatfernsehens (das wie wir uns erinnern kurz nach der "geistig-moralischen Wende" des Dicken, eingeführt wurde, Wende zum Tutti-Frutti-TV, in der Tat :kotz: ) annähert, also versucht, denn durch vergleichbar dümmliche Sendungen auszustechen, anstatt eine Alternative zu bieten...


    Zitat

    Klingt zumindest interessant - wer hätte gedacht, dass sich die unverkrampftere Art, klassische Musik zu "konsumieren", wie man es bis ins 19. Jahrhundert üblicherweise tat, mal wieder als salonfähig erweisen würde.... eigentlich kein sooo schlechter Gedanke :]


    M.E. ist das zum einen eine grob einseitige Sichtweise des Musikbetriebs vor 200 Jahren, zum anderen kann man nicht einfach die Entwicklung seitdem leugnen, etwa, dass ein gewisser Louis van Beethoven pflegte türenschlagend den Salon zu verlassen, falls Prinz von Piepmatz zu laut mit Baroness Busserl tuschelte.
    Der Vorschlag ist schlicht eine Reduktion von Klassik auf eine Ebene noch unterhalb der Popmusik, auf Fahrstuhl und Hintergrundsmusik. D.h. das Wesen der Musik, dass was sie gegenüber Popmusik auszeichnet, wird einfach verleugnet. Weil Klassik meistens die schlechtere Popmusik ist, kann das auf Dauer nicht gutgehen (s.o.)




    Eben. Der Ausgang ist aber ziemlich wahrscheinlich: Denn vermutlich siegt die Musik, die von vornherein im Hinblick auf Vermarktbarkeit an ein Massenpublikum und schnelles Geld, angelegt war, nicht die eigenständige, die etwas Unabhängiges und Alternatives zum leichten Konsum bietet.


    Zitat

    Mut geben darüber hinaus diverse Education-Programme, wie sie seit über drei Jahrzehnten beispielhaft in mit der Jungen Philharmonie Venezuela umgesetzt werden. 1975 starteten 11 Musiker ein Jugendorchester - aufgrund eines einzigartigen Programms existieren heute 200 dieser Orchester im Land Venezuela. Und die Junge Philharmonie Venezuela reist durch die ganze Welt und reißt das Klassikpublikum von ihren Sitzen - dank einer ungeheuren Energie. Auch in Berlin wurde ein breites Publikum - dank der "Rhythm Is It"-Dokumentation - Zeuge eines aufregenden Education-Programms. Der Schlüssel zum Erfolg dieser Konzepte liegt zu einem großen Teil darin, dass klassische Musik emotional und sinnlich vermittelt und erlebt wird. Der althergebrachte aber verstaubte Anspruch "Bildung = Klassik" ist vorbei. Heute erlebe ich erst die Musik und lerne dann, was eine Subdominante ist. Wenn überhaupt.


    Unmut meldet sich indes, wenn solche "Education-Programme" anscheinend in Schwellenländern schon länger und besser funktionieren als bei uns (wobei ich da nicht sicher bin, es gibt ja viele Jugendorchester in D), wiederum eine Hinweis auf o.g. Versagen. Und die meisten in diesen Orchestern dürften wissen, was eine Subdominante ist (Bratscherwitz: Was ist die Subdominante von F-Dur? Häh, F-Dur ist doch die Subdominante?!)


    Zitat


    Auch das ist ja ein Trend: Alles ist heutzutage plötzlich "sinnlich" - vom Saunagang übers Duschbad bis hin zum Kaffee...
    Immerhin hier scheint mir Musik nicht ganz falsch platziert zu sein.
    Und dass die nüchtern-wissenschaftliche, oft arg theorielastige Attitüde, die klassischer Musik (und deren Liebhabern) so gerne nachgesagt wird und vielen potentiell Interessierten den Zugang zur Klassik verbaut, mal wegfällt und stattdessen wieder mehr betont wird, das Musik an sich eine zu 100% sinnliche Erfahrung ist, die -wenn überhaupt- die ganze dranhängende Theorie erst im 2. Schritt nötig hat- scheint mir wirklich überfällig! :yes::jubel:


    Aber diese böse Theorielastigkeit ist doch ein ziemlich dummes Klischee, das in dieser Form wohl kaum je (vielleicht von Adorno) vertreten wurde, jedenfalls nicht massenwirksam war. Andererseits ist die "rein-sinnliche Erfahrung" zweifellos eine Reduktion, die wiederum einiges davon ausklammert, was Klassik gegenüber Pop auszeichnet


    Zitat


    Zum Anderen auch das Experimentieren mit klassischer Musik, wie wir es gerade im Falle einer Serie unter dem Titel "Recomposed" starten. Gefragte Pop-Musiker und Produzenten bearbeiten, verfremden und befassen sich auf respektvolle und neuartige Weise mit klassischen Werken und Einspielungen - ähnlich wie es in der klassischen Musikgeschichte auf unterschiedliche Art und Weise praktiziert wurde.


    Ich habe aus dieser Reihe noch nichts gehört; indes macht sich Skeptizismus breit. Es gibt seit 40 Jahren Bearbeitungen, die häufig, dem was heutige gefragte Pop-Produzenten so basteln, weit überlegen sein dürften (Loussier, Modern Jazz Quartet, W. Carlos usw.), mit offenbar nur mäßigem Einfluß auf die eigentliche Klassik. Mein Verdacht ist, dass hier entweder der Unterschied zur Klassik zu groß ist, daher mag es dem Jazz- oder Popfan zusagen, aber es "führt" ihn nicht zur Klassik. Oder es ist zu weit von dem bevorzugten Pop etc. entfernt, dann wird es eher von interessierten Klassikhörern, die das Original kennen, gehört.


    Zitat


    Das Resultat ist erfreulicherweise mittlerweile auch in Marktzahlen erkennbar: Der Klassik-Markt wächst wahrnehmbar: um 17 Prozent von 2005 auf 2006.


    Wenn solche Schwankungen normal sind, relativieren sich auch die Krokodilstränen. Drei konsekutive Jahre mit 17% Steigerung entsprechen 60% gegenüber dem Anfang, da wären seine (angeblichen) 50% Einbruch in 10 Jahren schnell wieder eingeholt.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von mir:
    Klingt zumindest interessant - wer hätte gedacht, dass sich die unverkrampftere Art, klassische Musik zu "konsumieren", wie man es bis ins 19. Jahrhundert üblicherweise tat, mal wieder als salonfähig erweisen würde.... eigentlich kein sooo schlechter Gedanke


    Zitat

    Dito:
    Und dass die nüchtern-wissenschaftliche, oft arg theorielastige Attitüde, die klassischer Musik (und deren Liebhabern) so gerne nachgesagt wird und vielen potentiell Interessierten den Zugang zur Klassik verbaut, mal wegfällt und stattdessen wieder mehr betont wird, das Musik an sich eine zu 100% sinnliche Erfahrung ist, die -wenn überhaupt- die ganze dranhängende Theorie erst im 2. Schritt nötig hat- scheint mir wirklich überfällig!


    Dabei geht es mir im Kern um die Herabsetzung imaginärer "Hemmschwellen", die ich immer wieder von Bekannten zu hören bekomme, wenn sie begründen sollen (oder sich aus eigenem Antrieb dazu bemüßigt fühlen), warum sie sich nicht mit klassischer Musik beschäftigen wollen oder können.
    Dann kommt immer diese mit leichtem "schlechtes Gewissen-Unterton" vorgetragene "Ich weiß, man müsste ja eigentlich mal, ABER...."


    Und dann bekomme ich immer wieder zu hören, dass im Bereich der Klassik alles so kompliziert und so steif-förmlich sei und man ja auch gar keine Ahnung von der ganzen Sache habe, usw.


    Daher finde ich Bemühungen/ Initiativen grundsätzlich nicht schlecht, die zeigen, dass man sich auch ohne jedes Hintergrundwissen und ohne jede falsch verstandene Förmlichkeit völlig unvoreingenommen auf klassische Musik einlassen kann und TROTZDEM dabei Spaß/ angenehme Empfindungen haben kann.


    Wer dann wirklich "Feuer" gefangen hat, wird sich zwangsläufig auch für Hintergründe, Stile und Theoretisches interessieren - aber zu diesem "Feuer" fangen muss man erstmal kommen *zündel*
    Bei vielen Bekannten scheint das mit dem "Nicht-Wissen" ein bequemer Vorwand zu sein, sich nicht mit Klassik beschäftigen zu "müssen" - als ob irgendwer jemanden dazu zwingen wollte :rolleyes:
    Aber viele Andere wiederum scheinen interessiert zu sein - sie wissen einfach nur nicht, wo und wie ansetzen/ einsteigen, der berühmte "Wald vor lauter Bäumen" zwischen all den Namen, Interpreten, Gattungen....
    Und da sollten "Hemmschwellensenker" (wie die erwähnten "Events") zumindest den Versuch wert sein, hier neue Klassik-Freunde zu finden, finde ich. Wer sowas nur als "Häppchen-" oder "In-Event" ansieht, das gerade im Trend liegt, dem kann sowieso nicht geholfen werden, egal mit welcher Art Veranstaltung :wacky:


    Hier im Forum ist es ja auch ab und an zu lesen unter "Mitglieder stellen sich vor": Viele Neuzugänge schreiben da ja immer schon fast entschuldigend, dass sie sich zwar sehr für Klassik interessieren, aber keine (oder nur wenig) Informationen und Hintergrundwissen haben - viele Alt-Taminos greifen dann immer schnell "beruhigend" ein und posten, dass das ja nun wirklich nicht das entscheidende Kriterium für Freude an klassischer Musik wäre :yes::hello:


    Und das ist halt genau der Punkt, auf den es mir ankäme (und den ich in dem obigen Artikel nicht schlecht finde):
    Klassische Musik als -zunächst- rein sinnliches, emotionales Erlebnis für unbefangene, vorurteilsfreie und nicht "vorbelastete" Zuhörer, das in der Konsequenz dann ganz schnell neugierig macht auf "Mehr" :]

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Zitat


    Hier im Forum ist es ja auch ab und an zu lesen unter "Mitglieder stellen sich vor": Viele Neuzugänge schreiben da ja immer schon fast entschuldigend, dass sie sich zwar sehr für Klassik interessieren, aber keine (oder nur wenig) Informationen und Hintergrundwissen haben - viele Alt-Taminos greifen dann immer schnell "beruhigend" ein und posten, dass das ja nun wirklich nicht das entscheidende Kriterium für Freude an klassischer Musik wäre Jasager gruss


    Und das ist halt genau der Punkt, auf den es mir ankäme (und den ich in dem obigen Artikel nicht schlecht finde):
    Klassische Musik als -zunächst- rein sinnliches, emotionales Erlebnis für unbefangene, vorurteilsfreie und nicht "vorbelastete" Zuhörer, das in der Konsequenz dann ganz schnell neugierig macht auf "Mehr" Freude


    Aber natürlich ist es ein Hindernis, wenn man ein Thema gehört hat (manche Leute sagen "Lied" dazu !!!) und man hat keinen blassen Schimmer von wem das sein könnte - und auch nicht welcehm Genre das zuzuardnen sei. Der fiktive Ahnungslose betritt nun schweren Herzens einen Klassikladen und fragt "unbeholfen" nach.
    Entweder er trifft auf einen Verkäufer, der ihn ironisch lächelnd "abkanzelt" - ODER (und das ist die wahrscheinlichere Version) auf einen der ebenso ahnungslos ist wie der Kunde selbst.


    Kommen wir zurück zum Ausgangspunkt dieses Threads:


    WARUM meinen die meisten Menschen - daß klassische Musik nicht das richtige Lebensgefühl für sie wäre - und warum hängen in etw 5 Prozent mit geradezu beispiellosem Fanatismus gerade an dieser Musikrichtung.


    In Wahrheit gibt es ja (von Ausnahmen mal abgesehen) kaum "Klassische Musik" Was wir landläufig als solche bezeichnen ist ja lediglich ein Mix von verschiedenen Stilen und Epochen, von der Renaissance bis zur Moderne, welche wenig bis keine Gemeinsamkeiten aufzuweisen haben.



    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    In Wahrheit gibt es ja (von Ausnahmen mal abgesehen) kaum "Klassische Musik" Was wir landläufig als solche bezeichnen ist ja lediglich ein Mix von verschiedenen Stilen und Epochen, von der Renaissance bis zur Moderne, welche wenig bis keine Gemeinsamkeiten aufzuweisen haben.


    Wenn man es "von außen" betrachtet, gibt es natürlich Gemeinsamkeiten:
    An Kammermusik denkt man sowieso nicht als erstes, dementsprechend werden die meisten Klassik mit Orchestermusik (v.a. Symphonien) und Oper in Verbindung bringen. Dementsprechend ist gegenüber moderner Unterhaltungsmusik weitgehend eine Abgrenzung in der Wahl der Instrumente gegeben.
    Wenn das das einzige ist, was man über klassische Musik weiß, dann ist es natürlich einfach, alles in einen Topf zu schmeißen, und dann kommen auch Behauptungen wie "Klassik ist immer das gleiche" auf.



    Gruß,
    Spradow.


  • wie heißt es schon bei Loriot: das geht eben nicht so leicht ein wie Peter Alexander....


    Nun ja, auf heutige Zeiten bezogen, sollte man evtl Peter Alexander durch Herbert Grönemeyer, Xavier Naidoo oder meinetwegen Andrea Berg ersetzen.


    Aber ich denke, daß ist der Punkt.
    Den meisten bleibt "klassische Musik" aber auch Jazz !! schlicht und ergreifend deswegen verschlossen, weil der Konsum dieser Musik doch ein gewisses Innehalten abfordert.
    Eine Innehalten, zu dem die meisten Menschen heute einfach nicht mehr bereit sind - zuwenig Zeit, zuviele Medien, zuviel Desinteresse...


    Wenn man dann aber den Weg zu dieser Musik gefunden, öffnen sich völlig neue Horizonte. Wenn....

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  • So unerträglich ich die Sendung "Eine große Nachtmusik" mit Götz Altzmann (denn ich ansonsten schätze) zu Beginn beim letzten mal fand, umso freudiger wurde für mich das Auftreten von Thomas Quasthoff, der Jazz zum Besten gab und eine Kohl/Schröder-Parodie als auch das Auftreten Nathali Dessays, obwohl ich Bernsteins "Glitter Be Gay" vor Monaten in einem Open-Air-Spektakel mit einer mir unbekannten Sängerin deutlich besser empfunden habe. Egal. Lange Rede, kurzer Sinn:


    Quasthoff und Altzmann kamen ins Gespräch über Klassik und ihren Status und Götz Altzmann sagte dann etwas IMO absolut richtiges - in der Art:


    "Klassische Musik muß man immer etwas mittragen; während man bei Swingmusik auf einer Welle reitet und sich tragen lässt."


    Man muß mittragen - und da könnte was dran liegen. Es geht nicht ums Verstehen - die Aussage, man würde Klassik nicht verstehen ist dann nur das unbekannte Gefühl, daß man sich von klassischer Musik meist(!) nicht einfach tragen lassen kann, man muß "mittragen" - das Schöne an Klassischer Musik ist, daß ihr Gewicht kleiner wird, je besser man sie kennt...


    :hello:
    Wulf

  • Ich habe den Thread durchgelesen und mir ist aufgefallen, dass eine mögliche Erklärung für den schwierigen Stand der klassischen Musik im weitesten Sinn noch nicht gekommen ist.


    Das Image der klassischen Musik ist doch auch, dass das eine bürgerliche oder gar bildungsbürgerliche Veranstaltung sei. Wer will schon so ein verzopfter Bürger sein? In der "Zeit" gab es vor kurzem einen Artikel zum Bau des Konzertsaales der Wr. Sängerknaben im Augarten. Die Ablehnung der Bevölkerung wurde mit einer antibürgerlichen Einstellung/Attitüde erklärt.


    Viele Veranstaltungen im Bereich Klassik haben in der Wahrnehmung etwas Elitäres und wenn Eintrittspreise genannt werden, die oft den Monatslohn eines Arbeiters übertreffen, wird die Wahrnehmung noch scheinbar bestättigt.
    Mancher fühlt sich ev. daher von dieser Veranstaltung ausgeschlossen und reagiert wie der Fuchs auf die süssen Trauben, mit Ablehnung.


    Es ist auch notwendig, das einem Menschen ein anderer diese Musik als wertvoll vermittelt, damit man sich gegen den Spott derer, die sich für diese Musik nicht interessiern wollen, aushalten. Für einen jungen Menschen, der auf seine Altersgenossen und seine Gruppe angewiesen ist, ist das wichtig. Es ist nicht einfach sich gegen die Gruppe zu stellen, wo sich über die Musik doch auch die Gruppen definieren(Guppen die von Skatern, Sufern usw. bevorzugt werden).


    Bin ich mit diesen Überlegungen auf dem Holzweg, oder haben sie doch etwas für sich?


    Freue mich schon auf Eure Reaktionen.


    lg,
    Franz

    Sagt nicht:"Ich habe die Wahrheit gefunden", sondern:"Ich habe eine Wahrheit gefunden." (Khalil Gibran; Der Prophet, dtv, 2002)

  • Hallo Franz,


    hierzu kann man auch keine Erklärung finden. Die von Alfred angesprochenen 5 Prozent sind schon richtig. Die Begründung liegt jedoch weniger im Freizeitverhalten der heutigen Gesellschaft und Ablenkung durch andere Medien. Auch spielen finanzielle Erwägungen keine große Rolle, sonst wären Rock- und Pop-Konzerte nicht ausverkauft. Ich glaube auch nicht, dass eine gewisse Schwellenangst vorliegt. Meines Erachtens wird klassische Musik von der Mehrheit ganz einfach als langweilig empfunden. Man kann ja beim erstmaligen Hören nicht mitsingen. Das geht durch alle Alters- und Gesellschaftsgruppen.


    Leider ist dies jedoch keine Zeiterscheinung. In meiner Jugend war es nicht anders, obwohl zur damaligen Zeit unser Lehrkörper großen Wert auch auf musische Bildung legte. Wirkliches Interesse hatten, siehe oben, nicht einmal 5 Prozent.


    Man sollte dennoch die Hoffnung nicht aufgeben


    Gruß


    Emotione

  • Zitat

    Original von Emotione


    Meines Erachtens wird klassische Musik von der Mehrheit ganz einfach als langweilig empfunden.


    Einverstanden. Man muss nur einmal feststellen, warum eine Musik als langweilig empfunden wird. In dem entsprechenden Thread gibt es erstaunliche Trouvaillen, die auszuwerten ich mir hier versage. Meiner langen (auch musik-) pädagogischen Erfahrung nach wird als langweilig das empfunden, was man nicht versteht. Es kommt das gesellschaftliche Element dazu, dass man sich nur da um Verständnis bemüht, wo es in irgendeiner Form gesellschaftlich anerkannt wird.


    Zitat

    Man kann ja beim erstmaligen Hören nicht mitsingen. Das geht durch alle Alters- und Gesellschaftsgruppen.


    Da outest du dich als jemand - der so wie ich - vor doch geraumer Zeit eine andere Kultur kennengelernt hat. Für uns gehörte das Singen von Kindesbeinen an zum Grundbestand menschlicher Äußerung. Die heutige Öde lässt mich sagen: Früher wurde überall und bei jeder Gelegenheit gesungen. Da gab es einen leichteren Zugang zur klassischen Musik.


    Bei meinen Kindern kann ich feststellen, wie das Singen aus der Schule und der Freizeit ganz verschwunden ist. Nur ein (nebensächliches aber dafür vielleicht auch typisches) Beispiel. Auf einem Judo-Wochenende draußen auf dem Lande gab es ein umfangreiches Sport- und Freizeitprogramm. Am Abend saß man rund um ein großes Feuer. Wenn es dabei überhaupt Musik gab, dann dudelte sie auch irgendeiner Anlage. Gesungen wurde am ganzen Wochenende kein einziges Mal.


    Zitat

    Leider ist dies jedoch keine Zeiterscheinung. In meiner Jugend war es nicht anders, obwohl zur damaligen Zeit unser Lehrkörper großen Wert auch auf musische Bildung legte. Wirkliches Interesse hatten, siehe oben, nicht einmal 5 Prozent.


    Das gilt sicher für den Kernbereich klassischer Musik. Aber der lebt auch nur, wenn es das Umfeld der Musikliebe an sich ist, ob es nun Populärmusik, Rockmusik oder Gesellschaftsmusik (darunter zähle ich auch das gemeinsame Singen) ist.


    Zitat

    Man sollte dennoch die Hoffnung nicht aufgeben


    Stimmt. Einen Einstieg habe ich nicht genannt, der für meine Kinder am Ende eben doch auch der Einstieg in die Liebe zur klassischen Musik wurde - der Instrumentalunterricht. So lange es bei den Musikschulen noch Wartelisten gibt, ist mehr als Hoffnung da ...


    LG Peter

  • Lieber Franz, an den Eintrittspreisen kann es meines Erachten kaum liegen!
    Wenn Du Dir ansiehst, was eine Karte für eine Musical oder Pop-Veranstaltung kostet, so ist das im Vergleich zur(subventionierten) Oper eher noch teurer.


    Was mir hier in Frankreich sehr auffällt, ist der hohe Anteil junger und SEHR junger Opern/Konzertbesucher. Das hat mich umsomehr überrascht, als allgemein das positive Vorurteil herrscht, dass Deutschland Musikland Nummer 1 eins, dort alle Kinder von der Pike auf ihre Klassik kennen und in derSchule bereits guten Unterricht darin bekommen. Wenn ich dann die Relaitäten im Ausland und aus der Sicht des Auslands betrachte, sieht das LEIDER ganz anders aus. :(
    Hier steht deutsche Musik in höchstem Ansehen und es wird automatisch davon ausgegangen, dass die Deutschen sich dieses Schatzes so bewusst sind wie die Franzosen ihrer Literatur und Cinematographie.
    Das dem offenbar nicht(mehr?) so ist,empfinde ich als serh traurig.


    Den spiessigen /bildungsbürgerlcihen Geschmack der Klassik gibt es hier natürlcih auch.
    Aber die Dririgenten und Regisseure haben ein sehr grosses pädagogisches Interesse und die (Musik-)Schulen sind aktiv in lokale Klassik-Ereignisse eingebunden und marschieren auch mit ganzen Klassen auf. Unser hiesiger Chefdirigent Jean-Claude Casadeus ist da ein Paradebeispiel. Er besucht mit seinem Orchestre National de Lille Schulen, Gefängnisse, Krankenhäuser und bringt die Musik Unters Volk. Auch die ZEITGENÖSSISCHE. Mir scheinen die Berührungsängste einfach geringer zu sein und die intellektuelle "Arroganz" auch. Auch bemühen sich serh viele Regisseure die ich hier erlebe, aus einer Oper wirklich ein Fest zu machen. Tanz, Kostüme, Schauspiel, schön Anzusehendes und Anzuhörendes hat vieleleciht in anderer Weise Leichtigkeit und Zugänglcihkeit. Ich denke da serh an eine Tradition, die unser Lullist ja auch auf seinen Fahnen hat und die ganz anders als bei Wagner eben ein Gesamtkunstwerk ist. Das macht einfach Freude und die Musik wird weniger elitär als in ieinem "Weihrauchtempel" empfunden.
    Mit der von deutschen Intellektuellen oft zu schnell angeführten "Oberflächlichkeit" hat das meines Erachtens NULL zu tun. Viel mehr mit Sinnlchkeit und Eingebundensein .


    Das sind ein paar Denkanstösse, die vieelleciht erstmal nciht so geordnet erscheinen, aus dem Ausland.
    Ich habe zugegebenermassen nur die letzten Posts dieses Threads gelesen und vieleleciht mich nun wiederholt.


    Fairy Queen :angel:

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  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Liebe Fairy Qeen!


    Mit den Preisen hast Du natürlich recht. Ich bezog mich auf die in den Medien verbreiteten Festivalpreise und da werden nur jene der höchsten Kategorien genannt. Das hat mit den objektiven Preisen und den Preisen mit Veranstaltungen anderer Genres nichts zu tun. Das hat eher mit Wahrnehmung zu tun, die sich nicht immer mit der Realität decken muss.



    Wenn ich einen Vergleich wagen darf: Die Begeisterung für Mathematik ist hier in Österreich nicht besonders hoch. Aussagen der Eltern zu mathematischen Lösungen von mathematischen Problem die über die Grundrechnungsarten hinausgehen werden oft kommentiert mit:"Wozu soll das gut sein?" Es besteht keine Wertschätzung der Mathmatik, wie der Schule im Allgemeinen. Diese ist wird von vielen eher als notwendiges Übel oder als Verwahrstelle gesehen.
    Die Schule und die klassische Musik werden eher von Menschen geschätz, für die Bildung in einem sehr umfassenden Sinn wichtig ist und Bildung nicht mit Ausbildung verwechseln.
    Warum es dazu kam, weiss ich nicht, aber es scheint so zu sein, das für etliche Menschen alles was mit "Hochkultur" zu tun hat, ein Abwehrhaltung auslöst. Hat wer eine Erklärung dazu? Vielleicht auch so etwas wie die Parole:"Unter den Talaren der Mief von 1000 Jahren!"?



    lg,
    Franz

    Sagt nicht:"Ich habe die Wahrheit gefunden", sondern:"Ich habe eine Wahrheit gefunden." (Khalil Gibran; Der Prophet, dtv, 2002)

  • Zitat

    Original von Franz Laier
    Warum es dazu kam, weiss ich nicht, aber es scheint so zu sein, das für etliche Menschen alles was mit "Hochkultur" zu tun hat, ein Abwehrhaltung auslöst. Hat wer eine Erklärung dazu? Vielleicht auch so etwas wie die Parole:"Unter den Talaren der Mief von 1000 Jahren!"?


    Lieber Franz,


    wo es eine solche Abwehrhaltung gibt, hat sie meiner Meinung etwas damit zu tun, dass man sich dagegen wehrt, gefordert zu werden. Gefordert wird man schon genug im Beruf - für die Freizeit verlangt man sportive Entspannung und viel Spaß. Dass "Hochkultur" Spaß vermitteln kann, ist nicht bekannt - wenigstens nicht in den deutschsprachigen Ländern (da finde ich den Einwurf von Fairy Queen richtig & wichtig - ähnliche Erfahrungen habe ich übrigens in England gemacht). Das wird bei uns von beiden "Seiten" bestritten, von der "Hochkultur"-Front wie von den "Hochkultur"-Verweigerern.


    LG Peter

  • Zitat

    Original von pbrixius
    ...
    Gefordert wird man schon genug im Beruf - für die Freizeit verlangt man sportive Entspannung und viel Spaß.
    ...


    Also ich weiß nicht. Das mit der Entspannung in der Freizeit will ich nicht so recht glauben, gibt es heute doch in nie gekanntem Ausmaß den Zug zu Extremsportarten, wo von Entspannung keine Rede sein kann. Und auch "herkömmliche" Freizeitbetätigungen können dank rühriger Sportartikelindustrie von Jedermann in halbprofessioneller Form betrieben werden. Aber "Spass" muss alles machen, da hast du Recht!


    Es wird auch allgemein akzeptiert, welch lustvoller Gewinn aus verschiedensten körperlichen Betätigungen gezogen werden kann, jedoch ist es ein vergleichsweise unbekanntes Wissen, dass auch intellektuelle (Freizeit-)Betätigungen höchstes Vergnügen bereiten können. Der Hauptgrund dürfte darin liegen, dass man das nicht sehen und damit auch niemanden beeindrucken kann. Damit ist es auch werbemäßig nicht bedienbar und es muss jeder für sich draufkommen. Das bedeutet aber wieder unattraktive Eigeninitiative....


    ;)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus
    Also ich weiß nicht. Das mit der Entspannung in der Freizeit will ich nicht so recht glauben, gibt es heute doch in nie gekanntem Ausmaß den Zug zu Extremsportarten, wo von Entspannung keine Rede sein kann. Und auch "herkömmliche" Freizeitbetätigungen können dank rühriger Sportartikelindustrie von Jedermann in halbprofessioneller Form betrieben werden. Aber "Spass" muss alles machen, da hast du Recht!


    Über die Art der sportiven Betätigung brauchen wir hier Gottlob nicht zu streiten, es ging mir vor allem um die zweite Komponente, nämlich Spaß


    Zitat

    ... jedoch ist es ein vergleichsweise unbekanntes Wissen, dass auch intellektuelle (Freizeit-)Betätigungen höchstes Vergnügen bereiten können.


    Wobei ich mit Spaß ja noch volkstümlich bescheiden blieb - Vergnügen verlangt schon wieder ein Quäntchen mehr, gar Intellektuelles - da ist man schnell zur Hand mit "Elitärem", als müsste man die intellektuelle Grundversorgung auf Fast-food-Basis stellen, damit sie demokratisch-gemographisch korrekt ist. Es gilt nicht klug, es gilt clever zu sein - dazwischen liegen bekanntlicherweise Welten.


    Zitat

    Der Hauptgrund dürfte darin liegen, dass man das nicht sehen und damit auch niemanden beeindrucken kann.


    Da liegt meines Erachtens tatsächlich auch der tiefere Grund. Wenn man die Gehirntätigkeit auf Mindestversorgung umgestellt hat, landet man am Ende bei gesellschaftlich überbackenem Biologischen.


    Zitat

    Damit ist es auch werbemäßig nicht bedienbar und es muss jeder für sich draufkommen.


    Wenn du heute noch mit Rachmaninow Marilyn Monroe in dein Appartement bewegen könntest ...


    Zitat

    Das bedeutet aber wieder unattraktive Eigeninitiative....


    Eben eine, die sich kurzfristig nicht rechnet. Wir sind ja alle nur noch in kurzfrisitg begrenzten Kästchen erfassbar, von Lebensabschnittsgemeinschaften bis zu den Lebensabschnittszielen - womit man beides zu Recht verfehlt. Wie sollte man da noch über den kurzfristigen Genuss harmonisch geformter Klangpakete hinausschauen können? Ein sinfonischer Satz, der mehr als fünf Minuten dauert, ist doch schon eine seelische Grausamkeit. Webern hat tatsächlich die Musik unserer Zeit geschrieben :angel:


    LG Peter

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  • Otto Brusatti hat heute im Radio ganz beinhart die These aufgestellt, dass wohl ein großteil der Menschen zu dumm sein, und daher für die klassische Musik nicht zu begeistern ist. Wenn man sich den Erfolg der privaten Fernsehsender und die Zeitungen ansieht, die die meisten Leser haben, könnte man geneigt sein, ihm zuzustimmen.


    Politisch korrekt ist eine derartige Aussage wahrscheinlich nicht. Ein anderer meinte auf die Aussage, dass 95% der Bücher Ausschuss seien, dass man als Zyniker wohl feststellen könnte, dass das auch auf 95% der Menschen zuträfe.


    Es kommt eben immer auf den Maßstab an, den man an den Menschen anlegt.


    lg,
    Franz

    Sagt nicht:"Ich habe die Wahrheit gefunden", sondern:"Ich habe eine Wahrheit gefunden." (Khalil Gibran; Der Prophet, dtv, 2002)

  • Zitat von Alfred_Schmidt

    Aber natürlich ist es ein Hindernis, wenn man ein Thema gehört hat (manche Leute sagen "Lied" dazu !!!) und man hat keinen blassen Schimmer von wem das sein könnte - und auch nicht welchem Genre das zuzuordnen sei. Der fiktive Ahnungslose betritt nun schweren Herzens einen Klassikladen und fragt "unbeholfen" nach.
    Entweder er trifft auf einen Verkäufer, der ihn ironisch lächelnd "abkanzelt" - ODER (und das ist die wahrscheinlichere Version) auf einen der ebenso ahnungslos ist wie der Kunde selbst.

    Dazu nur kurz:
    Mein Vorgänger hier im Laden hatte ein unglaubliches Wissen über die klassische Musik - und eine ebenso unglaublich festgefahrene Meinung. Nun sei ihm sein persönlicher Geschmack gelassen, aber er war genau wie der Verkäufer, den Du als erstes Beispiel aufgeführt hast. Selbstherrlich bis zum geht nicht mehr. Z.B. kamen Sätze wie "Damit beschäftige ich mich nicht - wir streben hier nur nach dem Höchsten", dabei wollte die Kundin etwas für die musikalische Bildung ihrer Kinder tun und fragte nach seiner Meinung über Herrn Simsa.
    Ich gebe zu, daß ich eher Kategorie 2 angehöre - aber: ich versuche wenigstens, den Menschen, die sich klassischer Musik erstmals annähern, nicht direkt das Gefühl zu vermitteln, völlig unterbemittelt zu sein. Meiner Erfahrung nach kommen nur solche Kunden wieder, die auch mal nach einem "Lied" fragen oder mir "Werbemelodien" vorpfeifen können!
    Ehrlich: die Drei Ausrufezeichen hinter "Lied" lassen mich vermuten, daß Du zwar sehr gerne viel mehr Klassikhörer hättest, diese aber direkt mit dem nötigen Wissen ausgerüstet sein müssen.



    Zitat

    WARUM meinen die meisten Menschen - daß klassische Musik nicht das richtige Lebensgefühl für sie wäre - und warum hängen in etw 5 Prozent mit geradezu beispiellosem Fanatismus gerade an dieser Musikrichtung.

    Weil die Schwellenangst tatsächlich sehr hoch ist. Siehe das Verhalten der meisten Verkäufer und diverser "Klassikliebhaber". Klassische Musik wird nur von Menschen gehört, die sich nicht direkt minderbemittelt vorkommen, wenn sie eine Anfängerfrage stellen. Glücklicherweise darf man in diesem Forum auch solche Fragen stellen, ohne direkt abgekanzelt zu werden - für mich ist Tamino mit die beste Werbung, die Klassische Musik haben kann.


    :hello:Jürgen

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

  • „Zu dumm“ scheint mir etwas hart gesagt.
    Ich denke es geht zunächst mal um die heutige Wertestellung, Quote und so.


    Ferner wird von Experten schon auch bemängelt, dass heute Singen in Schulen und daheim so gar nicht mehr gepflegt werde. Und wenn man in eine Familie hineingeboren wird, wo Musik schon einen großen Stellenwert hat, man dann einen wesentlich leichteren Zugang zu Klassik hat.


    Ferner denke ich, dass früher die Masse der Menschen arm war, und Klassik der Mittelschicht aufwärts vorbehalten war. Heute ist dies sicher nicht mehr so, da eine allgemeine Hektik vorherrscht, die dies behndert, wie auch die vielen Angebote, seine Zeit zu verbringen.


    Ich kann mich noch erinnern, dass mein Vater darauf bestand, dass kein Fernseher ins Haus kam, bis nicht der letzte Sohn (Schwestern habe ich keine) sein Abi gemacht hatte, und meine Mutter dafür sorgte, dass jeder ein eigenes Zimmer zum Lernen hatte. Und vor allem „Ruhe“.


    LG Michael :hello:

  • Zitat

    Otto Brusatti hat heute im Radio ganz beinhart die These aufgestellt, dass wohl ein Großteil der Menschen zu dumm sein, und daher für die klassische Musik nicht begeistern ist. Wenn man sich den Erfolg der privaten Fernsehsender und die Zeitungen ansieht, die die meisten Leser haben, könnte man geneigt sein, ihm zuzustimmen.

    Prinzipiell vertrete ich auch diese Meinung. Die Anzahl der Mitglieder in Klassikforen, verglichen mit Bla Bla- Foren ist schon signifikant.
    Aber die Liebe zu Musik ist nicht unbedingt an "Intelligenz" gekoppelt - eher an guten Geschmack. Und hier ist die Sache sogar noch schlimmer. Wenn man die Konstrujktionen moderner Architekten, moderner Maler und die Speisezettel zahlreicher Leute in den Chefetagen betrachtet, dann kann man ermessen, wie schlecht es heute um den guten Geschmack bestellt ist....


    Ach ja....
    ...beinahe hätte ich das Regietheater vergessen


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wie wahr, wie wahr. Das erlebe ich auch immer wieder. Durchaus intelligente Menschen, die aber nicht auch nur den Hauch des guten Geschmacks haben. Häufig gerade bei "Neureichen" zu beobachten. Heute ist es bei dieser sog. "Elite" ja schon kein Problem mehr, Klassik nicht nur nicht zu kennen, sondern als überholt oder unnötig abzutun.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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