Die Band, der Produzent, und der Sound

  • Ja, gleich drei Begriffe, die hier etwas fehl am Platze klingen, ich gebe es zu.


    Doch reizen sie mich auch zu Fragen:


    Sind es nur Hervorbringungen einer auf Kommerz getrimmten Unterhaltungsindustrie, Entartungen kleiner Geister die alleine nichts zustande brächten bzw. Vertuschung von allzu grosser Simpelheit?


    Gibt es Werke, die in Zusammenarbeit mehrerer Komponisten entstanden? Ich persönlich kenne keines (was nichts zu sagen hat). Irgendwie mutet mir allerdings die Vorstellung, das z.B. Bach und Händel gemeinschaftlich ein Flötenkonzert zu komponieren sich angeschickt hätten, eigenartig an. Aber warum eigentlich?


    Gibt es Komponisten, die sich in ihre Kompositionen “hineinreden” lassen? Ich meine nicht Hinweise von Freunden, Lehrern, Kollegen, oder Kritikern, sondern von einer professionellen Instanz, im Optimalfalle eines verständigen und wohlgesonnenen Geistes, dem es (zumindest in anderen musikalischen Gefilden) auch oft gelingt, der ganzen Sache einen letzten, oder überhaupt den Schliff zu verpassen – und der genau dazu da ist? Wäre das ehrrührig für einen Komponisten? Oder gibt es auch auch für Komponisten Produzenten, und ich weiss es nur nicht?


    Nun, der Sound. Ein schwammiger Begriff, der aufgrund seiner Schwammigkeit auch einschliesst was ich meine: in einer Kantate z.B. kann jeder ausgebildeter Sänger auch eine Stimme seiner Tonlage übernehmen, ohne dass die Kantate dadurch zwangsläufig farblos klingen würde. Im Gegensatz gibt es sehr viel Musik, die genau von der Stimme des Sängers lebt. Elvis Lieder wären ohne seine Stimme nie so bekannt geworden, oder? Diese Musik lebt von dem Klang seiner Stimme. Ist es eine Schwäche dieser Musik, auf das Charisma einer Stimme angewiesen zu sein? Vielleicht, wenn sie nur darauf angewiesen ist, und auf Rumgehampel und Skandalgeschichtchen drumherum? Andererseits, gibts in der Oper nicht zuweilen sachte und natürlich sittlichere Andeutungen in diese Richtung?


    Das sind Fragen die ich mir manchmal stelle.


    Wenn hier doch ganz fehl am Platz: Bitte um Entschuldigung.

    Julius

  • Gibt es Werke, die in Zusammenarbeit mehrerer Komponisten entstanden? Ich persönlich kenne keines (was nichts zu sagen hat).

    Das gibt es durchaus in verschiedenen Formen. Im17./18. Jhd. war es völlig üblich, zB Opern bei Neuaufführungen mit zusätzlichen Arien zu versehen, oft auch um auf geänderte Sänger einzugehen, so dass dann zumindest einzelne Stücke von einem anderen Komponisten stammten. Süssmayr hat für Mozarts Titus die Rezitative komponiert, weil Mozart keine Zeit hatte und das wohl als eher Routine-Arbeit angesehen wurden. Dann gibt es Fälle, bei denen aus unterschiedlichen Gründen mehrere Komponisten Stücke zu einem Werk beisteuerten, etwa bei der "Messa per Rossini", die von 13 ital. Komponisten als Requiem komponiert wurde oder bei der "f-a-e"-Sonate, die Brahms, Schumann und Dietrich für Joseph Joachim komponierten (als Geburtstagsgeschenk, er musste dann raten, wer welchen Satz geschrieben hatte).
    Es gibt auch einige Kammermusik, bei der man vermutet, dass sie von Söhnen Bachs als "Übungsstücke" bzw. in enger Kollaboration mit dem Vater ausgeführt wurde.


    Ferner gab es schon im 19. Jhd. Fälle, in denen ein Mitarbeiter oder anderer Komponist die Instrumentation eines Stücks übernommen hat und verbreitet üblich war diese Praxis wohl im Musical der ersten Hälfte des 20. Jhd. Einer schrieb die Songs und ein anderer die orchestralen Arrangements.


    Ähnlich die vielen Bearbeitungen von bereits vorliegenden Werken für andere Besetzungen, entweder Reduktionen als Klavier- oder Kammerfassung oder Orchestrierungen. Da gibt es sehr viele Beispiele.


    Und schließlich Werke, die nach dem Tod eines Komponisten von jemand anderem fertiggestellt wurden, oft instrumentiert, manchmal auch komponiert: Mozarts Requiem, Puccinis Turandot, Bartoks Bratschenkonzert u.a.



    Zitat

    Gibt es Komponisten, die sich in ihre Kompositionen “hineinreden” lassen? Ich meine nicht Hinweise von Freunden, Lehrern, Kollegen, oder Kritikern, sondern von einer professionellen Instanz, im Optimalfalle eines verständigen und wohlgesonnenen Geistes, dem es (zumindest in anderen musikalischen Gefilden) auch oft gelingt, der ganzen Sache einen letzten, oder überhaupt den Schliff zu verpassen – und der genau dazu da ist?

    Warum wären (wohlgesonnene) Lehrer oder befreundete Komponisten keine professionellen Instanzen? Brahms hat sich zB bei der Violinstimme seines Violinkonzerts (und vereinzelt auch bei anderen Werken für Streicher) von dem befreundeten Geiger Joachim entsprechend beraten lassen.



    Zitat

    Nun, der Sound. Ein schwammiger Begriff, der aufgrund seiner Schwammigkeit auch einschliesst was ich meine: in einer Kantate z.B. kann jeder ausgebildeter Sänger auch eine Stimme seiner Tonlage übernehmen, ohne dass die Kantate dadurch zwangsläufig farblos klingen würde. Im Gegensatz gibt es sehr viel Musik, die genau von der Stimme des Sängers lebt. Elvis Lieder wären ohne seine Stimme nie so bekannt geworden, oder? Diese Musik lebt von dem Klang seiner Stimme. Ist es eine Schwäche dieser Musik, auf das Charisma einer Stimme angewiesen zu sein? Vielleicht, wenn sie nur darauf angewiesen ist, und auf Rumgehampel und Skandalgeschichtchen drumherum? Andererseits, gibts in der Oper nicht zuweilen sachte und natürlich sittlichere Andeutungen in diese Richtung?

    Es gab auch zu Zeiten der klassischen Musik oft eine ähnlich enge Identifizierung von Stücken mit bestimmten Interpreten, wenn auch selten in dem extremen Maße wie in mancher Popmusik. Arien wurden zuweilen Sängern auf den Leib geschrieben, bei neuen Aufführungen aber natürlich oft von anderen Sängern gesungen. Klar, dass es nicht so gehen kann wie im Platten- und Radio-Zeitalter.
    Komponisten, die zugleich auch Virtuosen waren, schrieben Konzerte für sich selbst und behielten manchmal über einige Jahre die "Exklusivrechte", d.h. sie veröffentlichten die Werke nicht. Paganini soll die Orchesterstimmen seiner Violinkonzerte nur für einzelne Proben und Aufführungen rausgerückt haben, die Solostimme behielt er ohnehin für sich. Auch Beethoven hat zB seine ersten beiden Klavierkonzerte mit etlichen Jahren Verzögerung drucken lassen, weil er sie vorher exklusiv selber aufführte.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Gibt es Werke, die in Zusammenarbeit mehrerer Komponisten entstanden? Ich persönlich kenne keines (was nichts zu sagen hat).


    Aber sicher kennst du solche Werke!


    Was viele nicht wissen, ist die Tatsache, dass die Operette Die Fledermaus großteils nur thematisch von Johann Strauß Sohn stammt. Die Instrumentierung stammt überwiegend von Richard Genée. Er nimmt im Laufe der Musikforschung eine immer größere Rolle in diesem Prozess ein. Weiters ist die Operette Wiener Blut in Wirklichkeit nicht von Strauß (er fühlte sich bereits zu alt für ein weiteres Werk), sondern eine von Strauß genehmigte Kompilation früherer Werke, zusammengestellt und arrangiert von Adolf Müller jun. Strauß erlebte die Uraufführung dieses Werkes auch nicht mehr.


    Ein anderer - ähnlicher - Fall ist die Rhapsody in Blue. Unter teilweise recht ulkigen Umständen war George Gershwin bei ihrer Komposition unter höchstem Zeitdruck. Er ist lediglich der Komponist der Fassung für zwei Klaviere (ein Klavier übernimmt den Solopart, das andere "spielt" das Orchester, dazu gibt es noch Instrumentationshinweise von Gershwin). Die Instrumentierung erfolgte vollständig durch den Arrangeur Ferde Gofré.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Bei der Zusammenarbeit zweier bedeutender Musiker fallen mir sofort Felix Mendelssohn-Bartholdy und Ignaz Moscheles ein.


    Ignaz (Isaak/Isack) Moscheles (* 23. Mai 1794 in Prag; † 10. März 1870 in Leipzig) war ein böhmisch-österreichischer Komponist, Pianist und Musikpädagoge.
    Mendelssohn und Moscheles waren seit 1824 eng befreundet und haben mehrere Werke für 2 Klaviere bzw für Klavier vierhändig zusammen geschrieben - Moscheles galt als einer der besten Klavierspieler seiner Zeit.



    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Wo mir direkt etwas einfällt ist das Hineinreden. Bei Bruckner ist das ganz gravierend gewesen. Er hat etwas geschrieben, andere haben ihm gesagt, was er zu ändern habe, er tat dies. Oder aber vor den Aufführungen haben andere tatsächlich geändert. Insofern ist hier regelrechtes Teamwork geschehen (Das klingt jetzt allerdings deutlich positiver als ich es gemeint habe).


    Ansonsten weiß ich, dass Komponisten die Übertragung z.B. auf Klavier an andere übergeben haben, oder es wurden Werke uminstrumentiert z.B. von Kammer- auf großes Orchester.


    Auch unvollendete WErke wurden und werden zu Ende komponiert, auch das erscheint mir als eine Art der Zusammenarbeit.


    Der Sound: Hier ist doch die Arbeit des Dirigenten angesprochen, oder?


    Aber eine interessante Herangehensweise, finde ich.


    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

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  • Insofern ist hier regelrechtes Teamwork geschehen (Das klingt jetzt allerdings deutlich positiver als ich es gemeint habe).


    Nein, das kann man meines Erachtens nicht so sagen. Bruckner hat auf Einwände reagiert, aber alles ist original Bruckner. Die Änderungen Bruckners kann man in zwei Gruppen aufteilen, zum Einen formale Änderungen, wo er auf allgemeine Einwände reagierte und strukturell umarbeitete und zum Anderen spieltechnische Änderungen, wo er Passagen umarbeitete, die spieltechnisch damals zu hohe Anforderungen an die Orchester stellten.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Interessant! Und an Bearbeitungen hatte ich gar nicht gedacht.


    Dann ist mir selber noch etwas dazu eingefallen: Giacinto Scelsi. Er hatte seine Kompositionen (Improvisationen) auf einem etwas ausgefallenen Instrument (Ondioline) eingespielt und auf Tonband aufgenommen und diese Aufnahmen dann Musikern zum späteren Notieren und Ausarbeiten überlassen. Er selber hatte wohl keine Lust dazu oder zu viel neue Inspiration, um darein Zeit zu investieren.
    Und ob sie, diese oft ungenannten späteren Bearbeiter/Umsetzer, was daraus machten! Ich mag seine Musik ja sehr, aber ich kann auch verstehen, dass einige, die sie arrangierten, sich übergangen fühlten und es auch zu Urheberrechtsstreitigkeiten kam.


    Da sind auch seine Stücke für eine japanische Sängerin, ihre Stimme fasste er als "Instrument" auf.



    Aber weil ich gerade diese CD nun nicht besonders mag, noch eine meiner Lieblinge:


    Julius

  • Was die Produzenten angeht, sehe ich insbesondere im italienischen Opernbereich die Musikverleger als solche. Giulio Ricordi für z.B. Verdi + Puccini und Sonzogno für z.B. Pietro Mascagni. Insbesondere Ricordi hat als "väterlicher" Freund und eben Verleger ("legt das Geld vor") durchaus klare Vorstellungen (besonders nach seiner Arbeit mit Verdi), wie eine Oper beschaffen sein muss und hat auch so dann auf seine Komponisten eingewirkt.
    Das nennt man heute landläufig einen Produzenten. Liege ich da falsch?

  • Um noch mal auf die Gemeinschaftskompositionen zu kommen:



    Bei einem (oder mehreren) Treffen im Café Zimmermann in Leipzig sind wohl Gemeinschaftskompositionen von Silvius Leopold Weiss und Johann Sebastian Bach entstanden. Oder ist das nur eine Legende?

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)