Es darf geklatscht werden! ... ?

  • Das kann auch sehr gut sein - Du sprichst ein Thema an, das mich sehr beschäftigt. Ich möchte das aber hier nicht zu weit ausführen. Nüchtern betrachtet, lebt der Mensch in Deutschland immer langweiliger und risikoloser. Nun bauen darauf Industrien auf - sie leben davon, dass so viel nicht passiert in einem deutschen Menschenleben. Medien schaffen Sensationen ("Juli viel zu warm", Einführung der "gefühlten Temperatur"), Organisationen der guten Seite erklären uns, woran wir ganz sicher bald alle versterben werden. Vogelgrippe, Kinderschänder, kein Radhelm, vergiftetes Essen, AIDS usw. usw. Ich kenne das alles! Aus dem Fernsehen. Zahlen zählen nicht, denn da gibt es eherne Axiome: "Jedes Schicksal zählt" oder "wehret den Anfängen".


    Wir sind nichts mehr gewohnt, und deshalb bekam auch die Optik bezüglich der Sensation einen Knick. Ich empfehle da immer mal einen Monat Praktikum in einer Kongolesischen Diamantenmine ;).

  • Nüchtern betrachtet, lebt der Mensch in Deutschland immer langweiliger und risikoloser.


    Hallo Tapio,


    ich für mich würde in Deinen Satz einfügen, "lebt...eine gewisse Gruppe von...Menschen".
    Zu den Diamantminen habe ich mangels Kenntnissen keine Meinung.


    Hallo MSchenk,
    Dein Beitrag Nr. 30 :jubel: und was Du da beschreibst ist für mich zugleich an Anzeichen der (gewollten und gesteuerten, weil leichter manipulierbar) Vermassung der Gesellschaft.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich war auch lange Zeit unsicher was das Applaudieren anbelangt. Habe mich immer orientiert was die anderen machen und gewartet bis alle applaudiert haben.


    Was mir immer wieder auffällt häufig auch im Theater, dass Sänger oder Schauspieler ganz in ihrer Rolle versunken sind und einen Moment brauchen da raus zukommen. Und da empfinde ich zu frühen Applaus extrem störend.
    Das zweite ist, wenn Stücke in einem piano bzw. pianissmo enden. Da möchte ich bitte auch wirklich dem letzten Ton nachspüren können. Und dann erst applaudieren.


    Ich glaube es liegt auch daran, dass es eine Klientel gibt, die in Opern oder Konzerte geht, weil es en vogue ist und man zu bestimmtem Kreisen dazugehören will. Oder zeigen will man ist kulturelle interessiert, obwohl man eigentlich mit der klassischen Musik und ihrem Zauber so gar nichts anfangen kann. Das ist dann schade für die Künstler und die wirklich Interessierten.

  • Bartolifan


    Wie recht Du hast, meine Liebe. Ausserdem begrüße ich Dich herzlich in unserem Forum! (Wir Bartolifans müssen ja zusammenhalten!)

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Hallo Bartolifan,


    auch von mir ein herzliches Willkommen hier im Forum :hello:


    Ich glaube es liegt auch daran, dass es eine Klientel gibt, die in Opern oder Konzerte geht, weil es en vogue ist und man zu bestimmtem Kreisen dazugehören will. Oder zeigen will man ist kulturelle interessiert, obwohl man eigentlich mit der klassischen Musik und ihrem Zauber so gar nichts anfangen kann. Das ist dann schade für die Künstler und die wirklich Interessierten.


    Bartolifan


    Wie recht Du hast, meine Liebe. Ausserdem begrüße ich Dich herzlich in unserem Forum! (Wir Bartolifans müssen ja zusammenhalten!)


    Die These vom "Show"-Publikum hört man ja immer wieder und auch ich bin nicht frei von diesem Vorurteil(?). Allerdings - wie das Fragezeichen schon andeutet - frage ich mich, ob es sich hierbei nicht um eine "cultural legend" handelt? Gibt es wirklich eine nennenswerte Anzahl von Personen, welche die (intellektuellen und manchmal auch körperlichen) "Anstrengungen" eines Opernbesuches auf sich nehmen, nur um zu sehen und gesehen zu werden? - Wohlgemerkt: Ich habe hier die ganz normale Repertoire-Aufführung an einem Dienstagabend im Blick und nicht die Eröffnungsvorstellung der Münchner Opernfestspiele.


    Wenn ein solches Publikum wirklich in nennenswertem Umfang existiert, so würde ich es eher z.B. in Musical-Aufführungen vermuten (eine relativ typische Einlassung auf mein Bekenntnis, seit Jahren bzw. häufig in die Oper zu gehen: "Ach, ja! Ich war ja (wahlweise zu ergänzen: mit meiner Mutter / meinen Eltern / meinen Schwiegereltern) auch schon mal im König der Löwen ..."). Bekanntlich - ich hoffe, wenigstens dies läßt sich wirklich statistisch belegen - leidet die Oper und wohl auch das klassische Konzert an der Überalterung des Publikums. Warum nehmen dann offensichtlich alte und zum Teil auch gebrechliche Menschen die Anstrengungen eines Opernbesuches auf sich? Reisen etwa auch von weit her und in Bussen an (Volksbühnen) um an einem ganz banalen Wochentag eine "Allerwelts-(womöglich auch Regietheater-)Vorstellung" eines vielleicht schon zig mal gesehen Otello mit nicht einmal besonderer Ensemble-Besetzung beizuwohnen? - Das hört sich nicht sehr en vogue an!


    Es gibt zu diesem Themenfeld ja auch den Thread Wer geht eigentlich in die Oper - und warum?, der aber auch nicht in der Lage ist, dass eine oder sein Gegenteil zu beweisen.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • Hallo MSchenk,

    Ich habe hier die ganz normale Repertoire-Aufführung an einem Dienstagabend im Blick und nicht die Eröffnungsvorstellung der Münchner Opernfestspiele.


    Da muss ich Dir schon auch recht geben. Aber trotzdem beantwortet das nicht die Frage, warum es so schwierig für viele ist ein Gefühl dafür zu bekommen, wann sie klatschen können/dürfen/sollen.


    Ich erlebe es auch gerade ganz oft im Theater (ich bin dort Abonnent), dass es eine große Unsicherheit gibt. Obwohl allen klar ist, das Stück ist jetzt zu Ende, wenn das Licht noch kurz an bleibt, traut sich fast keiner zu klatschen. In der Oper oder im Konzert erlebe ich es dagegen viel öfter, das eben nicht der letzte Ton abgewartet wird, sondern gleich drauf los geklatscht, gejohlt und getrampelt wird.


    Wenn jetzt nur Interessierte und Kundige sich das antun, dann würde ich schon vermuten, dass sie das Stück bis zum Schluß auskosten wollen.


    Viele Grüße aus Berlin
    Anita

  • Ich erlebe es auch gerade ganz oft im Theater (ich bin dort Abonnent), dass es eine große Unsicherheit gibt. Obwohl allen klar ist, das Stück ist jetzt zu Ende, wenn das Licht noch kurz an bleibt, traut sich fast keiner zu klatschen. In der Oper oder im Konzert erlebe ich es dagegen viel öfter, das eben nicht der letzte Ton abgewartet wird, sondern gleich drauf los geklatscht, gejohlt und getrampelt wird.


    Liebe bartolifan, liebe Anita, auch von mir ein herzliches "Willkommen im Club!"


    Meine Wahrnehmung in Theatervorstellungen, lang, lang ist's her, war nie so extrem. Johlen und Trampeln habe ich in der Zeit meines Abos, sei es in Hagen oder an der DOR, nie erlebt. Auch in Berlin, in den frühen Sechzigern oder später in Wien, dann Salzburg 1970 ist mir das nicht untergekommen. Aber freilich, bei besonders gelungenen Inszenierungen, bei besonders guten interpretatorischen Leistungen, sei es aus dem Graben oder von der Bühne her, da wurde oft genug der letzte Ton nicht abgewartet.


    Ich persönlich habe mich früher, vielleicht als Ansteckung, auch daran beteiligt. Was hier im Thread von einigen so bemängelt wird, hat mich nie "Überwindung" gekostet, wenn es Klasse war, dann habe ich ordentlich feste mitgemacht. Der Beifall ist des Künstlers Brot, das darf dann auch schon mal vor der "Klappe" gereicht werden...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Ich habe auch schon meinen feststellen zu können, das das Verhalten der Zuschauer während einer Aufführung von Stadt zu Stadt anders ist. Am Aalto Theater iin Essen kommt so gut wie überhaupt keine Stimmung auf und zum Schluss gibt es zwar einen starken aber doch sehr kurzen Schlussapplaus. An der Rhienoper kommt es darauf an, was für Stücke gespielt werden. Bei Wagners Walküre mit Herrn Voigt als Siegmund ist das Publikum beim ersten Aktapplaus beine ausgerastet und auch beim Schlussapplaus gab es minutenlange Ovationen. Alles zusammen, Gepfeife getrampel und standing Ovations habe ich an der Rheinoper anfang der 90 Jahre bei den Premieren von Manon und Lucia di Lammermoor erlebt. Da dauerte die Aufführung eine halbe Stunde länger, weil wir einfach nicht mit dem Klatschen auffhören wollten. Und nach der Arie der Manon im dritten AKt gesungen von Alexandra von der Weerth gab es ebenfalls solche Ovationen, dass sie die Arie wiederholt hat. Und selbst da gab es zum Applaus standing Ovation. Auch sehr begeisterungsfähig ist man in Gelsenkirchen, selbst bei Stücken die nicht so bekannt sind. Oder ich kann mich in Duisburg an Rigoletto und Cenerentola Aufführungen erinnern , wo es auch zu Begeisterungsstürmen kam. Aber in letzter Zeit ist es hab ich zumindestens die Meinung, ruhiger geworden .

  • das das Verhalten der Zuschauer während einer Aufführung von Stadt zu Stadt anders ist.

    Dem kann ich auch zustimmen. Ich habe z.B. in Budapest erlebt, dass das Publikum ganz anders klatscht. Sowohl in Oper/Operette als auch im Konzert wurde dort geklatscht als wenn man sofort eine Zugabe haben möchte. Wirklich das richtig rhythmische Klatschen, dass ich bei uns nur kenne, wenn das Publikum eine Zugabe einfordert. In Budapest oder vielleicht ganz Ungarn scheint das der normale Applaus zu sein. War für mich jedenfalls gewöhnungsbedürftig. Aber ich habe mich anstecken lassen.


    Bartolifan

  • Gelegentlich wird über die Wiener Staatsoper süffisant gemeint, sie sei ein Touristen-Durchhaus. Das ist Unsinn, denn obwohl viele Touristen (gottseidank!) das Haus frequentieren, ist das Staatsopernpublikum - von gelegentlichen Ausreißern abgesehen - sehr diszipliniert, aber durchaus leidenschaftlich.


    Ich habe unlängst eine "Pagliacci"-Aufnahme mit Corelli aus der Met gehört, und da muß man sich schon sehr über die gefühllosen Horden ärgern. Nicht nur, dass sie in jeden Arien- oder Aktschluß hineindröhnen, ohne die Nachspiele abzuwarten, hat man auch im Prolog (A. Colzani) in einer Generalpause hineingeklatscht, so dass die Arie unterbrochen werden mußte. Dass diese Unbedarften den Prolog nicht einmal kennen, sagt doch wirklich alles. Diese Horden vermiesen unsereins oft den Genuß einer Met-Übertragung. Leider ist es in Italien auch nicht besser.

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  • Ich habe unlängst eine "Pagliacci"-Aufnahme mit Corelli aus der Met gehört, und da muß man sich schon sehr über die gefühllosen Horden ärgern. (...) Leider ist es in Italien auch nicht besser.

    Bei den Italienern, lieber Fritz, war ich immer geneigt, viel, viel Nachsicht zu üben. Sie haben eine völlig andere Mentalität und die Berichte über entsprechende Begleiterscheinungen (sowohl bei überschäumender Zustimmung als auch bei rabiater Ablehnung des Gebotenen) gehen doch in die Tausende. Und was Du aus der Met berichtest, bedarf keines Kommentars.


    Ach so, ja, das wollte ich noch nachschieben: Ich erinnere mich an eine Schilderung einer Aufführung von Rossinis "Tancredi" (es ist mir wirklich entfallen, ob es die Premiere war oder irgendeine Reprise). Jedenfalls soll die Arie "I tanti palpiti" einen solchen Begeisterungssturm ausgelöst haben, daß lange Zeit nicht weitergespielt werden konnte. Das muß sich irgendwie bis in unsere Zeit gerettet haben: Im Thread über Opernführer schrieb ich von einem (leider verstorbenen) Bekannten mit großem Wissen über Opern und Konzerte: Der hatte in den 1960ern in Palermo eben jenes besagte tumultartige Erlebnis bei einer Aufführung des "Tancredi" und bei jener Arie.


    Das für mich merkwürdige: Als ich "I tanti palpiti" erstmals hörte, war ich gespannt wie ein Flitzebogen, und es passierte - nichts! Es riß mich weder vom Hocker, noch trug es mich in irgendwelche Lüfte... ?(?(?(

    .


    MUSIKWANDERER

  • Was mir immer wieder auffällt, dass Sänger ganz in ihrer Rolle versunken sind und einen Moment brauchen da raus zukommen. Und da empfinde ich zu frühen Applaus extrem störend.
    Das zweite ist, wenn Stücke in einem piano bzw. pianissmo enden. Da möchte ich bitte auch wirklich dem letzten Ton nachspüren können. Und dann erst applaudieren.

    Völlig richtig. Dieser Aussage möchte ich vollinhaltlich zustimmen.
    Aus aktuellem Anlaß möchte ich dieses Thema nochmal aufgreifen. Ich habe nämlich passend zu obiger Aussage zufällig ein entsprechendes ganz negatives Beispiel gefunden. Wie ich mich schon geäußert habe, bin ich grundsätzlich dafür, daß der jeweilige Sänger nach außergewöhnlicher und hervorragender Leistung mit Beifall, auch mit Jubel und Bravo- Rufen, belohnt wird. Aber doch erst nach wirklichem Schluß der Arie! Wen das hier von mir erwähnte negative Beispiel interessiert, schaue sich bitte den freundlicherweise von Jolanthe reingestellten Link an. Auch wenn der Tenor diese Arie so schön und toll wie kein anderer singt und ihm sein "hohes C" live keiner auch nur ansatzweise nachmacht, ist es aber nicht nur unangebracht, sondern sogar total störend, wenn bereits nach diesem Ton der Beifall und der Jubel ausbricht. Auch wenn es einen nach diesem hohen C kaum noch auf dem Sitz hält..., die paar Sekunden bis zum wirklichen Schluß sollte man aber doch abwarten können! Danach darf man auch"richtig toben".
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Lieber chrissy, hier:


    Liebe Jolanthe


    Ganz herzlichen Dank für Deine freundliche und spontane Hilfe.
    Dir ein wunderschönes WE bei hoffentlich schönem Spätsommerwetter.


    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Der Beitrag 43 ist bei mir nicht gekommen, nur ein leeres Viereck. Was stimmt hier nicht, bin ich zu doof?


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Was stimmt hier nicht, bin ich zu doof?


    Bist Du bestimmt nicht, lieber La Roche. Ich habe ihn und hoffentlich ist er auch bei allen anderen sichtbar, und da kann es wohl nur an Deinem PC liegen. Schade, daß Du ihn nicht hast. Das mit dem an falscher, weil zu zeitiger Stelle klatschen, ist mal ganz interessant.
    Außerdem entgeht Dir eine einmalig schön gesungene Arie. Wenn es Dich aber ganz sehr interessiert gib mal ein:
    you tube La Boheme Pavarotti Che gelida manina Fiamma Izzo d´Amico
    Steht dann wohl gleich oben an erster Stelle.
    Viel Erfolg und herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...