BACH, Johann Sebastian: OSTER-ORATORIUM

  • Johann Sebastian Bach (1685-1750):


    OSTER-ORATORIUM
    Untertitel:
    (Kommt, eilet und laufet)
    Oratorium in Festo Paschali für Soli (SATB), Chor (SATB) und Orchester, BWV 249


    Erstaufführung am 1. April 1725


    Gesangssolisten:


    MARIA JACOBI - Sopran
    MARIA MAGDALENA - Alt
    PETRUS - Tenor
    JOHANNES - Baß
    CHOR DER GLÄUBIGEN



    ZUM INHALT


    Das Werk wird mit einer Sinfonia und einem anschließenden Adagio eingeleitet und weist damit auf italienische Vorbilder hin. In der Musikwissenschaft wird die Vermutung geäußert, daß es sich bei diesem rein instrumentalen Satzpaar um ein verloren gegangenes Konzert aus Bachs Köthener Zeit handeln könnte.


    Die festliche D-Dur-Sinfonia fällt auf durch den kontrastreichen Klang des groß besetzten Barock-Orchesters mit drei Trompeten und Pauken und kleinteiligen Episoden, die von Holzbläsern und Streichern sowie den Solopartien der ersten Violine und des Fagott bestritten werden. Im h-Moll-Adagio dominiert das ausfigurierte Kantilenenspiel der Oboe über der rhythmisch gleich bleibenden Streicherbegleitung, die wiederum auf streng gehaltenen „Lamentobass-Figuren“ alle Stufen der h-Moll - Tonleiter durchläuft.


    Der mit großer Wahrscheinlichkeit von „Picander“ verfaßte Text orientiert sich an den Berichten von der Auferstehung Jesu in den vier Evangelien, in erster Linie aber am Johannes-Evangelium, weil nur in ihm die vier Personen vorkommen, von denen in Bachs Komposition die Rede ist.



    Kommt, eilet und laufet, ihr flüchtigen Füße, erreichet die Höhle, die Jesum bedeckt!
    Lachen und Scherzen begleiten die Herzen, denn unser Heil ist auferweckt.



    So singen zu Beginn Petrus und Johannes zunächst im Duett, ehe der Chor in den Jubel einstimmt. Die Musik ist so beschwingt, daß der Hörer den eiligen Lauf der Jünger Petrus und Johannes zum leeren Grab Christi mizuerleben glaubt. Der Satz greift auf die im Mittelalter praktizierte liturgische Darstellung des Osterlaufs in den Gottesdiensten zurück und bekommt damit eine Entsprechung zum weihnachtlichen „Kindleswiegen“.


    Zu den beiden Jüngern treten zwei Marien, Maria Magdalena (Alt) und „die andere Maria“ (Sopran), die hier „Maria Jakobi“ heißt. Diese vier Gesangssolisten äußern sich im Rezitativ rückblickend über den Kreuzestod Jesu. Maria Jakobi denkt in ihrer weit ausladenden Arie „Seele, deine Spezereien“ an das durch Jesu Leiden und Sterben jedem Menschen zu jeder Zeit zuteil werdende Seelenheil. Die Instrumentierung mit Solovioline und Continuo als Begleitung der Sopranstimme ruft eine beruhigende Wirkung hervor; das musikalisch-thematische Material bildet Bach aus Vorhalten und Triolenfiguren.


    Das folgende Rezitativ, von Petrus, Johannes und Maria Magdalena gestaltet, berichtet von der Entdeckung des leeren Grabes und hat für sie Folgen: Wo eben noch der Leichnam Jesu gelegen hat, liegt nun das Schweißtuch. Und das heißt doch: Wo gerade noch Tod war, ist nun Leben; wo eben noch Dunkelheit herrschte, ist nun Licht. Die typisch barocke Ausdrucksweise „Hier seh' ich mit Vergnügen das Schweißtuch abgewickelt liegen“ vermag ein freudiges Lachen zu erzeugen und dürfte ganz im Sinne des Osterfestes sein: „Lachen und Scherzen begleiten die Herzen“ hieß es am Anfang des Oratoriums.


    In der Tenor-Arie „Sanfte soll mein Todeskummer“ wird der pastorale Charakter durch die Besetzung mit zwei Blockflöten und Streichern bei einer hochliegenden Tenorstimme erzielt. Auch hier wieder dringt musikalisch die Freude über Jesu Sieg über den Tod aus jeder Bachschen Note. Die Alt-Arie der Maria Magdalena „Saget, saget mir geschwinde“ mit einer solistisch geführten Oboe d'amore, die mit der Altstimme in einen Dialog tritt, läßt deutlich die innere Ungeduld des nach Jesus suchenden Menschen erkennen.


    Vor dem Schlußchor verkündet der Solo-Baß in einem Rezitativ nicht nur die Auferstehung Jesu, sondern ruft auch die Menschen zu „Freudenliedern“ auf. Der abschließende strahlende D-Dur-Satz „Preis und Dank bleibe, Herr, dein Lobgesang“ wird vom vollen Tutti begleitet, darunter wieder die drei Trompeten und die Pauken. Bach findet für die musikalische Ausdeutung des Textes, der vom Sieg über „Hölle und Teufel“ und dem Einzug Jesu als „Löwe von Juda“ in das himmlische Jerusalem spricht, eine glanzvolle Instrumentierung.


    Der zu späterer Zeit willkürlich angehängte und nicht von Bach autorisierte Choral der Gläubigen nimmt die Lehre aus Christi Leiden und Pein bestätigend auf:


    Es hat mit uns nun keine Not, nichts schadet uns der ewig Tod:
    Christus, der hat in dieser Schlacht gesieget und uns frei gemacht.



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Bis zu dem Zeitpunkt, als der Musikwissenschaftler Alfred Dürr nachweisen konnte, daß die Erst-Aufführung des OSTER-ORATORIUMS in seiner Urfassung als Oster-Kantate am 1. Osterfeiertag 1725 (1. April) stattfand, wurde die Entstehung von BWV 249 auf das Jahr 1736 datiert. Von den neu komponierten Rezitativen einmal abgesehen ist das Oratorium aber eine geistliche Parodie der 1725 für Herzog Christian von Sachsen-Weißenfels komponierten Geburtstags-Kantate „Entfliehet, verschwindet, entweichet ihr Sorgen“ (BWV 249a), die allgemein unter dem Namen „Schäferkantate“ bekannt ist.


    Von diesem Werk Bachs gibt es zwei weltliche und vier geistliche Fassungen. Zunächst ist als Original-Komposition die schon genannte „Tafel-Music“ zum Geburtstags des Herzogs Christain von Sachsen-Werißenfels zu nennen (BWV 249a, 23.02.1725). Dann arbeitete Bach diese Kantate erstmals zu einer Osterkantate mit dem Titel „Kommt, gehet und eilet
    overo Kommt, fliehet und eilet“ um und gab den Solisten Rollenbezeichnungen, BWV 249 vom 1.04.1725. Die nächste Version war das „Dramma per musica“ BWV 249b vom 25.08.1726 mit dem Titel „Abend-Musice“- Die Feier des Genius „Verjaget, zerstreute, zerrüttet ihr Sterne“.


    Als dritte und zweite geistliche Fassung entstand um 1738 das „Oratorio in Festo Paschatos“ mit dem Titel „Kommt eilet und laufet“, das vermutlich die Rollenbezeichnungen aus der ersten „Osterkantate“ beibehielt. Die von Bach selbst stammende Zuordnung als Oratorium erscheint gerechtfertigt, weil dem Werk ein erzählender Bibeltext zu Grunde liegt, der aber, abweichend von der sonst im Oratorium üblichen Form, nicht einem Evangelisten übertragen ist, sondern in freier Nachdichtung von allen Solisten gesungen wird.


    Zu einer unbestimmbaren Zeit zwischen 1743 und 1746 hat Bach sein Werk nochmals überarbeitet, wobei die Rollenbezeichnungen entfielen, der lateinische Titel jedoch blieb. Außerdem wurde das bisherige Eingangsduett um einen vierstimmigen Chorsatz auf den Text des Duetts erweitert. Die letzte Bearbeitung erfolgte dann zwischen dem 6.04.1749 und Bachs Tod im Juli 1750.


    © Manfred Rückert für Tamino-Oratorienführer 2012
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Textvorlagen der verschiedenen Versionen BWV 249, BWV 249a, BWV 249b
    Oratorienführer von Pahlen, Harenberg, Leopold
    Die Musik in Geschichte und Gegenwart

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    MUSIKWANDERER

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  • Das OSTER-ORATORIUM ist auf dem Plattenmarkt aus jener „Nische“ heraus, die es im Konzertleben führt; da hat es jedenfalls die große Beliebtheit der Passionen oder des Weihnachts-Oratoriums nie erreicht. Die Tamino-Werbepartner jpc und Amazon halten eine große Anzahl von empfohlenen Aufnahmen bereit:



    dieser Box wurden als Ergänzungen das "Himmelfahrts-Oratorium" und mehrere Kantaten beigegeben; die Ausführenden sind Barbara Schlick, Kai Wessel, James Taylor, Jan Kobow, Christoph Pregardien, Johannette Zomer, Ingeborg Danz; Collegium Vocale Gent, Leitung Philippe Herreweghe.


    Frans Brüggen füllt diese Einspielung mit einem Orgelkonzert nach Sinfonias aus BWV 35 und 156. Die Interpreten des Oratoriums sind Ilse Eerens, Michael Chance, Markus Schäfer, David Wilson- Johnson, Pieter-Jan Belder; Cappella Amsterdam, 18th Century Orchestra.


    mit Christine Brenk, Anne Greiling, Frank Bossert, Thomas Pfeiffer; der Motettenchor Pforzheim, das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim, Leitung Rolf Schweizer.


    nebenstehend eine Aufnahme mit dem unvergessenen Fritz Wunderlich, Friederike Sailer, Margarete Bence, August Messthaler; Stuttgarter Bach-Chor & Orchester, Leitung Marcel Couraud.


    mit Joanne Lunn, Elisabeth Jansson, Jan Kobow, Gotthold Schwarz; der Kammerchor Stuttgart, das Barockorchester Stuttgart, Leitung Frieder Bernius. Angefügt sind zwei bekannte Werke von Carl Philipp Emanuel Bach.

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