Mendelssohn-Bartholdy: Lieder ohne Worte

  • Liebe Forianer



    Felix Mendselssohn-Bartoldy war zu Lebzeiten eine Berühmtheit. Sein früher Tod erregte Aufsehen in der Musikwelk "als sei die Sonne vom Himmel gefallen"
    Davon ist heute allerdings kaum etwas zu bemerken, gemessen an Mendelssohns Quantität und Qualität der Kompositionen ist er heute weitgehend unbekannt, von einigen Zugpferden abgesehen.


    Daher wollen wir veruichen in den nächsten Monaten diesesn Komponisten wieder ein wenig in den Mittelpunkt des Interesses zu holen, und zwar nicht aus "Mitleid" sondern aus purem Egoismus, damit man seine Werke wieder häufiger aufnimmt und somit hören kann


    Die "Lieder ohne Worte" sind ein populäres Werk - sollte man glauben.
    Ich selbst verfüge lediglich über eine einzige Aufnahme davon, und die bietet lediglich eine Auswahl an (Als ich sie kaufte, hab ich sie vorher nie gehört, und fürchtete, was gelegentlich behauptet wird, sie wären langweilig) Das Gegenteil ist der Fall. Natürlich handelt es sich um Werke der Frühromantik, sie erinnern tatsächlich im weitesten Sinne an Schubertlieder, uind zwar an die weniger "dramatischen", sind also eher "gefällig", manche wecken auch Erinnerungen an Chopin-Walzer in mir. Die meisten haben assoziative Titel.
    Die "Lieder ohne Worte" sind jedoch kein einheitliches Werk, vielmehr hat Mendelssohn lebenslang für dieses von ihm selbst geschaffene Genre komponiert, es besteht aus mehrerern Einzelzyklen, die mit separaten Opuszahlen versehen sind.


    Ich bin gespannt wer von Euch Einspielungen davon kennt.
    Naxos bietet eine geradezu optimale Möglichkeit in diese Sammlung "hineinzuschnuppern" interpretiert von Peter Nagy.
    Ich finde die Aufnahme sehr entspannt und melodiös, Vergleichsaufnahmen standen mir wie gesagt, leider nicht zur Verfügung.



    Übrigens ist, wie ich gerade sehe, die Ausgabe mit den Ausgewählten "Liedern" bereits gestrichen, es gibt sie jetzt nur mehr komplett, oder als VOL 1 und VOL 2 einzeln zu haben (in gleicher Besetzung)


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zwar habe auch ich nicht so viele Vergleichsmöglichkeiten, trotzdem habe ich mich in eine - wie ich finde - höchst musikalische Deutung einiger der Lieder verliebt:

    Eine Aufnahme, die man immer und immer wieder hören kann und stets Neues entdeckt.


    Liebe Grüße,


    Spatz.

  • Hallihallo,


    eigentlich wollte ich schon lange auf den Thread antworten. Ich hatte schon meine Einschätzung über die mir vorhandene Aufnahme, aber wie das so ist, packt einen der Ehrgeiz :rolleyes: und man will die komplette Aufnahme noch einmal hören. Ich habe leider nur die erste CD geschafft, denn zu solcher Musik braucht man auch als Hörer Muße, und die habe ich zur Zeit nicht :(D.
    Die Lieder ohne Worte sind ja Salonstücke ähnlich z.B. den Kinderszenen von Schumann, aufzuführen im kleinen Kreis der hausmusikalischen Freunde. Diese Ansicht legt sich für mich zum einen durch Umstände von Mendelssohns Zeit, Biedermeyer und Vormärz, und der gleichnamigen Kunst- und Gesellschaftsrichtung (erstgenannte) wie auch durch den klassizistisch-romantischen Geist der Lieder dar. Sie setzen an den Pianisten trotz überschaubarer technischer Hürden höchste Ansprüche in Einfühlungsvermögen von Melodik, Harmonik und Zeitmaß, um eine gute Interpretation zu gewährleisten.
    Bevor der Herr Kaiser die Aufnahmen von Herrn Barenboim hoch lobte und in Ausschnitten veröffentlichte, durfte ich sie mein Eigen nennen. Sie sind ingesamt sehr gut gelungen, in einigen Liedern wird der Charakter des Stückes vorzüglich getroffen. Aber es gibt auch Stellen wo ich nicht vollkommen einverstanden bin. Ein zu schnell weggerissener Schlussakkord eines Abschnitts im Werk oder ein allzu schnelles Presto oder ein Schimmer von Langeweile stören manchmal den vollendeten Genuss. Alles in allem also tolle Aufnahmen, die aber nicht der Weisheit bzw. Interpretation letzter Schluss sind.


    Viele Grüße
    nubar

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  • Auf Anregung von Alfred hier noch eine kleine Ergänzung zu dem eben Gesagtem.


    Die Barenboim-Doppel-CD ist bei der Deutschen Grammophon erschienen in der Serie 2DG. Die Aufnahmen stammen, glaube ich :rolleyes:, von 1976. Der Steinway-D-Flügel ist, wie nicht anders zu erwarten, nicht schlecht, hat aber etwas zu aggressive hohe Töne und klingt zu transparent und brilliant. Da hätte ich, wenn man denn beim gleichen Klangbild bleiben will, einen B-Flügel von Steingräber genommen - passt auch besser zum Kammermusikcharakter der Werke, oder ansonsten einen Bechstein, Blüthner oder Bösendorfer. Letzterer wäre meine erste Wahl.


    MfG
    nubar

  • Eine Aufnahme für die ich hier noch eine Lanze brechen möchte: András Schiff Auswahl der Lieder. Der intime Charakter dieser Miniaturen kommt Schiff´s Temperament ausgesprochen entgegen:




    Herzliche Grüße,:hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Ja, Schiff ist toll! Ein bisschen besser finde ich noch die kleine Mendelssoh-Auswahl auf der hier schon ausführlich gelobten Perahia-Scheibe. (was nicht heißen soll, dass ich mit Perahias hocheleganter Fluffigkeit nicht auch meine Problemchen hätte...) Barenboim ist wie immer natürlich-unaffektiert, aber auch 'n bisschen schlapp.


    Es gibt beim Label Hypérion wohl eine ungarische Lady namens Livia Rév. Sie hat die "Lieder ohne Worte" (und die Chopin-Nocturnes) eingespielt. Und das sogar zum Midprice.


    Wer kann mir sagen, ob sich die Dame (oder vielmehr: ihr Klavierspiel) lohnt?


    Merci!
    Daniel

  • Hallo,
    wer hätte gedacht, daß Glenn Gould 5 Lieder 1970 ganz wunderbar eingespielt hat und damit - entgegen seinen sonstigen Aussagen - sein höchst sensibles Einfühlungsvermögen in die Romantik bewiesen hat?
    Gruß
    Niels

  • Zitat

    Original von archos
    Hallo,
    wer hätte gedacht, daß Glenn Gould 5 Lieder 1970 ganz wunderbar eingespielt hat und damit - entgegen seinen sonstigen Aussagen - sein höchst sensibles Einfühlungsvermögen in die Romantik bewiesen hat?
    Gruß
    Niels



    GG war zweifellos viel zu intelligent, um nur auf Bach, Gibbons, Schönberg, Strauss usw reduziert zu werden. Hör Dir seinen Brahms an und Du wirst begeistert sein. Was mich bei Gould/Mendelssohn etwas verwirrt hat, war, daß er ausgerechnet "Lieder ohne Worte" eingespielt hat, nicht jedoch einige der Präludien und Fugen für Tasteninstrumente solo, die Mendelssohn dankenswerterweise auch, auf der Grundlage seiner Bacherkenntnisse, komponiert hat.

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  • Bisher kenne ich lediglich 13 Lieder ohne Worte, die A. Schiff aufgenommen hat und die mit den beiden Klavierkonzerten auf einer Doppel - CD erschienen sind:




    Hat denn schon jemand Erfahrungen mit der folgenden Gesamtaufnahme gemacht und kann darüber berichten?


  • schiff präsentiert auf der genannten scheibe meines wissens lediglich eine auswahl.


    komplett ist die mit herrn barenboim, bietet dazu noch ein paar klavierwerke extra und kostet bei den drei buchstaben derzeit moderate 18,99 euronen.



    aber taugt sie auch was ???

    "Der moderne Komponist darf seine Werke einzig und allein auf der Grundlage der Wahrheit schreiben."
    Claudio Monteverdi


    "Der Komponist komponiert erstens für sich selbst und zweitens für das Publikum; aber für ein ideales Publikum und nicht für das...welches real existiert"
    Nikolai Rimski-Korsakow


    "Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche."
    Gustav Mahler

  • Barenboim hat mir da gar nicht gefallen. Ich empfehlen, einmal bei Rena Kyriakou, der großartigen, klangfärbigen griechischen Pianistin, die Ohren zu spitzen, die auch so eine großartige Ibéria von Albéniz oder sehr gutes von Emmanuel Chabrier aufgenommen hat!
    Preiswert sind ihre Aufnahmen überdies...

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Ich bin kein Klaviermusikspezialist und habe deshalb auch keinen Vergleich, aber diese schon vor drei Jahren von Caesar 873 ausgesprochene Empfehlung der recht umfangreichen Sammlung von 22 "Liedern ohne Worte" mit Andras Schiff kann ich nur unterstreichen. Sie hat mir nämlich so gut gefallen, dass ich sie immer wieder höre:



    Ich gestehe aber auch, dass mir, wenn ich die alle gehört habe, auch nicht mehr der Sinn nach noch mehr davon steht. Dann steige ich lieber auf Schumanns KINDERSZENEN um. Die mag ich sogar mit Barenboim.


    Von Mendelssohn fehlen mir da nämlich noch ganz andere Sachen.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Anlässlich des Mendelssohn Jahres 2009 habe ich mir vor wenigen Tagen meine zweite Aufnahme mit "Liedern ohne Worte" von Felix Mendelssohn-Bartholdy angeschafft.



    Eigentlich sind diese Aufnahmen ja stets ein Torso (im speziellen Falle 15 Lieder - ergänzt durch 4 Werke von Bach/Busoni und weitere 4 von Schubert/Liszt) weil eigentlich gibt es ja 48 Lieder ohne Worte von Mendelssohn, einige allerdings erst posthum zusammengestellt und veröffentlicht...


    Perahia ist kein Gipfelstürmer, sondern ein sensibler Gestalter am Klavier, tendenziel weich und cantabel, er bringt sogar einen Steinway zum blühen.
    Also eine Empfehlung für alle, die es nicht aggressiv mögen.


    Dennoch lockt mich die Gesamtaufnahme aller Lieder ohne Worte unter Barenboim schon sehr, ich habe Barenboim immer mehr als Pianist, denn als Dirigent geschätzt.....


    Mal sehen, das Mendelssohn Jahr ist ja noch nicht zu Ende...



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Die Einspielung von Barenboim mag ich auch nicht besondes. Indes wundert mich, dass die Aufnahme von Ilse von Alpenheim noch nicht erwähnt wurde. Zugegeben, die Dame war in dem Sinne kein Star. Dennoch verdient sie erheblich mehr Aufmerksamkeit als die, die ihr gegenwärtig zuteil wird. Allerlei Haydn hat sie eingespielt (ihr Gatte war Antal Dorati, der ein GA der Haydn-Sinfonien vorgelegt hatte).


    Ihre Einspielung der "Lieder ohne Worte" ist meisterlich. Das Oszillieren zwischen Larmoyanz und Pathos wie bei Barenboim kommt bei ihr nicht vor.Eine absolut exzellente Einspielung.



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Seit einigen Jahren gilt in Ungarn Lívia Rév als "wieder entdeckte" große Pianistin. Die Lieder ohne Worte sind in ihrer Interpretation für mich sehr schön.



    :hello: kp

  • Seit einigen Tagen nenne ich die Neuaufnahme von Mendelssohns "Lieder ohne Worte" mit Michael Korstick am Klavier mein Eigen. Sie ist meiner Meinung nach sehr geglückt und unterscheidet sich von anderen Lesarten durch einen sehr individuellen , teilweise auch dramatischen Zugriff. Korstick führt somit durch seine Interpretation den von mir verwendeten Beisatz "sind also eher gefällig" ad Absurdum. Nein, keine Angst, Korstick bringt den Flügel durchaus zum Blühen, aber er setzt auch dramatische Akzente wo er es für angezeigt hält, scheinbar stets im Hinterkopf habend, daß sich Mendelssohn gegen zu langsame Tempi bei diesen Werken aussprach, ja daß er sogar in Rage geriet, wenn er nur daran dachte.


    Eigentlich hatte ich zu den Liedern ohne Worte einen neuen Thread im Auge, aber dieser hier ist noch nicht totgeschrieben, also eignet er sich vorzüglich, fortgesetzt zu werden. Dennoch soll dieser Relaunch (wir haben eine Pause von immerhin drei Jahren) ein wenig Struktur in den Thread bringen:


    Wie im Falle von "wirklichen" Liedern stellt jedes der hier vorgestellten Klavierstücke eine eigene kleine Welt dar. Also handeln wir auch danach.
    Mendelssohn hat zu Lebzeiten 6 Heft mit je sechs Liedern verfasst - zwei weitere wurden posthum aus vohandenen Kompositionen zusammengestellt.


    Op 19 b - Op 30 - Op.38 - Op 53 - Op 62 - Op 67 -Op 85 - Op 102
    Einigen Liedern hat Mendelssohn eigene Titel gegeben, andere wurden ohne seine Zustimmung mit Namen versehen..


    Ich schlage also Vor, daß wir durchaus Gesmtaufnahmen vorstellen, oder empfehlen, jedoch für die nächsten beiden Monate (Mai/Juni 2012) und auf die Lieder des Opus 19b beschränken - und dann im zweimonatigen Zyklus - jeweils die folgende Opuszahl mit je 6 Werken näher betrachten. Hiezu sind - wie ich diesen Thread verstehe - keine musiktheoretischen Kenntnisse notwendig, es kann durchaus ein oder das ander dieser sechs Stücke in der Form besprochen werden, daß man seine persönlichen Eindrücke widergibt.


    Ich bitte diesen Thread ernst zu nehmen, auch wenn diese Stücke zeitweise der Salonmusik zugeordnet wurden. Robert Schumann - er war gewiss kein milder Kritiker - soll Mendelssohn für diese Werkgruppe persönlich gratuliert haben.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Thomas Papes Wertschätzung dieser Aufnahme möchte ich mich unbedingt anschließen. Die völlig unprätentiöse Deutung der vielen Miniaturen, die keineswegs so leicht zu spielen sind, wie sie sich bisweilen anhören, haben auch mich von der Vorstellung, es handle sich nur um nach dem Parfum älterer Damen duftende Salonmusik, weitgehend freigemacht.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Die neue Korstick-Aufnahme von Mendelssohns Liedern ohne Worte ist schon sehr interessant! Allerdings neigt er in einigen Stücken, z.B den Gondelliedern aus Op. 19 und 30, dazu zu viel Rubato zu verwenden. Das passt meiner Meinung nach nicht wirklich zu Mendelssohn und unterbricht auch den Fluss dieser Lieder, die ja rhytmisch möglichst gleichmäßig sein sollten (Wasserbewegung!). Ein kleines Wunder hingegen ist das a-moll Gondellied aus Op. 62, das Korstick in seiner Interpretation vom "hässlichen Entlein" der drei Gondellieder zum prächtigen Schwan mutieren lässt. Herrlich wie er die harmonischen Ambiguitäten dieses Liedes in den Vordergrund rückt - man glaubt fast einen späten Chopin zu hören.
    Sehr positiv aufgefallen ist mir auch der e-moll Trauermarsch, ebenfalls Op. 62., der meistens irgendwie runtergespielt wird, aber hier seine Wirkung voll entfaltet.


    Empfehlenswerte Aufnahmen sind weiters die von Roberto Prosseda bei Decca, welche auch nicht publizierte Lieder ohne Worte enthält (darunter das geniale Reiterlied), und die Gesamtaufnahme von Brigitte Meyer bei Jecklin (einem kleinen aber feinen Schweizer Label - vergleichbar mit der Wiener Gramola).

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  • Meinen Beitrag wollte ich eigentlich unter dem Interpreten "Amir Katz" einstellen, aber ich denke, er paßt doch besser hierher.
    Um es gleich zu sagen, meine Vergleichsmöglichkeiten der Lieder ohne Worte sind nicht allzu groß, ich habe bisher immer die Aufnahme von András Schiff gehört. Aber nachdem ich Katz 2011 einmal live gehört habe und er u. a. einige der "Lieder ohne Worte" spielte, habe ich nun auch diese Aufnahme erworben. Eine Charakterisierung aller Stücke vorzunehmen, ist angesichts der großen Anzahl ein Ding der Unmöglichkeit (vielleicht widme ich in Zukunft einmal dem ein oder anderen Lied einen ausführlicheren Bericht). Zudem habe ich erst einen "Hördurchgang" hinter mir. Aber es werden sicher weitere dazukommen :) . Zunächst kurz einige technische Daten zur Aufnahme:
    Aufgenommen wurden die Stücke am 13. und 25. Juli 2008 an der Hochschule für Musik und Theater in München
    Katz spielt die Lieder auf einem Steinway-Flügel neueren Datum, für den er sich nach dem booklet ganz bewußt entschieden hat, weil er ihm "frisch" klang. Mir scheint dieser Flügel durch die Brillanz seines Klangs Katz’s Verständnis von den Stücken entgegenzukommen.


    Nach meinem ersten Eindruck versteht Katz die so unterschiedlichen kleinen Stücke ganz wörtlich als "Lied" und verwendet daher höchste Sorgfalt darauf, die in vielen Fällen ja nicht allzu komplexen Melodiefolgen, auf dem Klavier wie eine Stimme zu gestalten (er selbst nannte es das "Potenzial des Kantablen bei Mendelssohn", daß er ausschöpfen wolle), ohne dabei in Sentimentalitäten zu versinken. Das gelingt ihm imO wirklich wunderbar. Er gestaltet nicht nur die virtuosen Stücke (z. B. op. 53:4, op. 53:6) technisch brillant und transparent, sondern legt etwa in den Gondelliedern (op. 19b:6 oder op 30:6) höchsten Wert auf eine gleichmäßige, fließende Rhythmik. Sein Anschlag ist auch in den gefühlvollen Liedern mitunter etwas kerniger als ich Schiff im Ohr habe, zum andern entfaltet er z. B. in op 53:5 eine mitreißende Dramatik. In seinem Spiel kommt also sowohl die Vielfalt der in den "Liedern" eingefangenen Stimmungen als auch ihr verbindendes, kantables Element zum Ausdruck. So bahnen sich über das Spiel die unterschiedlichen Nuancen der Mendelssohnschen Tonsprache ihren Weg. Auch wenn es ja bereits einige Einspielungen dieser Lieder gibt, ich empfinde diese CD als eine große Bereicherung meiner Sammlung und sie ist auf dem besten Weg zu meinem zweiten best buy des 3. Quartals.

    Beste Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Lieber JLang,


    danke für die Einschätzung! Den Tonbeispielen nach zu urteilen, welche ich mir angehört habe, ist Katz' Interpretation doch eher auf der weichen Seite - die LoW von Schiff habe ich hingegen ehrlich gesagt als ziemlich steif in Erinnerung. Meiner Meinung nach setzen gerade die großen Painisten diese Musik nicht so um, wie ich sie gerne höre. Meine Lieblingsgesamteinspielung ist denn auch eine von einer weitgehend

    unbekannten Pianistin:


    Anthologien gibt es mehrere hervorragende. Ganz besonders empfehlenswert finde ich folgende CD:



    Die neue Mendelssohn-Gesamtinspielung bei Hyperion von Howard Shelley verspricht aber Referenzstatus zu erlangen. Zur Zeit liegen von den LoW aber nur Op. 19 vor:

  • Zitat von Felix Meritis

    die LoW von Schiff habe ich hingegen ehrlich gesagt als ziemlich steif in Erinnerung

    Lieber Felix Meritis,


    ich müßte Schiff noch einmal hören, ich hatte es vielleicht auch nicht mehr recht im Ohr.
    Gestern habe ich die Aufnahme von Katz noch ein zweites mal vollständig gehört und ich entdecke immer neue Facetten.
    Sein Zugriff ist imO nicht durchgängig weich, sondern bei bestimmten Liedern auch etwas kräftiger, aber immer bleiben es wirklich Lieder. Katz stellt die Melodiefolgen an erste Stelle: Dieses Verständnis ist natürlich nichts revolutionär Neues, überzeugt mich aber. Aber er hat wirklich ein großes Gespür für diese Melodien, ihre Rhythmik und arbeitet viele Nuancen des Klangs heraus. Wenn man schon über gute Aufnahmen der LoW verfügt, dann muß man die Einspielung vielleicht nicht unbedingt kaufen, aber sollte sich jemand eine erste Gesamteinspielung kaufen wollen, dann würde ich ihm nach meinen bisherigen Hördurchgängen durchaus Katz ans Herz legen.


    Mit Shelley habe ich – nicht zuletzt Dank Deiner Einschätzung – auch schon geliebäugelt, wollte aber Katz nun unbedingt haben und bin auf jeden Fall sehr glücklich damit. Aber: Shelley folgt bestimmt noch.


    Beste Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Ich bin sicher, dass die Einspielung von Katz durchaus gut ist, denn die kurzen Tonschnipsel bei jpc liefern oft ein teilweise verfälschtes Bild. Die Tempi kamen mir allerdings bei einigen "Andante"-Stücken etwas zu langsam vor, und das ist etwas, was Mendelssohn (zumindest auf den Klavieren seiner Zeit) nicht wollte. Generell kann aber ein 2CD Zyklus von 48 Stücken nicht in jedem einzelnen Stück überzeugend sein - zumindest ist es mir noch nicht gelungen einen solchen zu finden.

  • Ich finde, daß die Korstick Aufnahme (die ich besitze) meinem persönlichen Geschmack näher kommt als jene von Amir Katz (die ich nur von Soundsamples her kenne) - Aber die Katz Aufnahme ist dennoch gut und sie wird bei meiner übernächsten Bestellung mit dabei sein - denn ich möchte den Pianisten näher kennenlernen......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Zitat von Alfred Schmidt

    Ich finde, daß die Korstick Aufnahme (die ich besitze) meinem persönlichen Geschmack näher kommt als jene von Amir Katz (die ich nur von Soundsamples her kenne) - Aber die Katz Aufnahme ist dennoch gut und sie wird bei meiner übernächsten Bestellung mit dabei sein - denn ich möchte den Pianisten näher kennenlernen......

    Korstick kenne ich nicht, werde ich mir aber sicher auch noch anhören. Wenn Du Katz gehört hast, würde ich natürlich Deine Meinung sehr interessieren. Bezüglich des Kennenlernens: ich denke, Katz lohnt auf jeden Fall ein näheres Kennenlernen, auch im Konzert. Mal sehen, wohin sein weiterer Weg ihn führt.



    Zitat von Felix Meritis

    Generell kann aber ein 2CD Zyklus von 48 Stücken nicht in jedem einzelnen Stück überzeugend sein - zumindest ist es mir noch nicht gelungen einen solchen zu finden.

    Das ist in der Tat auch wirklich schwierig. Gerade weil die Stücke einen so unterschiedlichen Charakter haben, verbindet man mit den einzelnen Stücken einen ganz speziellen Klang: daß da der Interpret da bei jedem Stück die persönlichen Vorlieben trifft ist nahezu unmöglich. Ähnliches gilt ja für andere Zyklen (Beethoven etc. auch). Aber es ist eigentlich auch ganz wunderbar, weil es nämlich den Erwerb der ein oder anderen Aufnahme mehr rechtfertigt :D



    Herzliche Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)


  • Liebe Freunde und Kenner von Mendelssohn! Was ist von der oben abgebildeten Aufnahme zu halten? Was hat es in diesem Falle mit der Originalversion, die von Barenboim eingespielt wurde, auf sich? Ich hörte dieser Tage einen kurzen Ausschnitte aus den "Liedern ohne Worte" (Duetto) mit einem Pianisten, der nicht angesagt wurde :( und war einfach hingerissen vom Einfallsreichtum dieser Musik. :) Eine eigene Aufnahme besitze ich nicht. Das muss sich ganz schnell ändern. Viele der verfügbaren Produktionen sind nur Auszüge. Wenn schon, dann möchte ich alles haben, auf jeden Fall das Duetto. Und Gesamteinspielungen sind aktuelle gar nicht so häufig. Wer kann mir über das, was im Thread zu lesen ist, hinaus ein paar Empfehlungen geben? Ich liebäugele auch mit der von Alfred vorgestellten cpo-Aufnahme mit Michael Korstick am Klavier.

    Gruß und Dank im Voraus!
    Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingolg1876,


    Felix Meritis könnte hier sicher viel detaillierter und kenntnisreicher antworten als ich, aber ich versuche es dennoch, weil die LoW zu meinen Lieblingsstücken auf dem Klavier zählen, dieser Kosmos kleiner Welten, die sich vor dem Ohr auftun ist wirklich bezaubernd. Die Aufnahme von Barenboim (1970er Jahre, wenn ich nicht irre, mittlerweile remastered) ist ein Klassiker, aber sehr weich gespielt, Michael Korsticks Ansatz ist dagegen etwas kerniger und imO nach den Soundschnipseln, die ich gehört habe, auf jeden Fall empfehlenswert (zudem ist die CD grade im Angebot). Katz liegt zwischen diesen beiden: ein sehr singender Ansatz, in dem die Liedform der Miniaturen schön hervortritt.
    Über das, was hier im thread geäußert wurde hinaus, habe ich leider nicht allzu viel beizusteuern. Vielleicht würde es sich aber lohnen, einmal in die Einspielung von Roberto Prosseda hineinzuhören oder wenn es ein historisches (bzw. nachgebautes historisches) Instrument sein soll in Ronald Brautigam



    Mit herzlichem Gruß
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Lieber JLang, herzlichen Dank für die so gut begründeten Hinweise. Zunächst haben ich mich für Barenboim und Kostick entschieden - wegen der Unterschiedlichkeit. Prosseda kommt danach.


    Beste Grüße von Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent


  • Liebe Freunde und Kenner von Mendelssohn! Was ist von der oben abgebildeten Aufnahme zu halten? Was hat es in diesem Falle mit der Originalversion, die von Barenboim eingespielt wurde, auf sich? Ich hörte dieser Tage einen kurzen Ausschnitte aus den "Liedern ohne Worte" (Duetto) mit einem Pianisten, der nicht angesagt wurde :( und war einfach hingerissen vom Einfallsreichtum dieser Musik. :) Eine eigene Aufnahme besitze ich nicht. Das muss sich ganz schnell ändern. Viele der verfügbaren Produktionen sind nur Auszüge. Wenn schon, dann möchte ich alles haben, auf jeden Fall das Duetto. Und Gesamteinspielungen sind aktuelle gar nicht so häufig. Wer kann mir über das, was im Thread zu lesen ist, hinaus ein paar Empfehlungen geben? Ich liebäugele auch mit der von Alfred vorgestellten cpo-Aufnahme mit Michael Korstick am Klavier.

    Gruß und Dank im Voraus!
    Rheingold


    Lieber Rheingold,


    ich besitze auch die Aufnahme mit Barenboim und halte sie für sehr gelungen. Teilweise ablehnende Meinungen, die oben zu lesen sind, enthalten leider keine Begründung, so dass ich nicht zu sagen vermag, was konkret an Barenboims Lesart missfällt. Ich empfinde seine Deutung als sensibel, klangschön und elegant. Mir fehlen auch keine dramatischeren Akzente o.ä., ich halte diese Aufnahme für durchaus ausgewogen, trotz aller empfindsamen Klangfarben bietet Barenboim auch einen zupackenden, kristallinen Anschlag, wo es notwendig ist.
    Auch die Klangqualität scheint mir, dank remastering, sehr gut zu sein; alle Nuancen und Klangschattierungen werden sehr plastisch eingefangen.

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