BEETHOVEN, Ludwig van: Symphonie No. 2 D-dur op. 36

  • Meine Beispiel aus der Finalpassage in Beitrag 58 war eines von vielen herausragenden Beispielen aus der Sinfonie Nr.2 , die die Karajan-Aufnahmen auszeichnen.
    :rolleyes: Blödsinn, dass man nur darauf warten muss und vorher Langeweile erleben würde. Willi und ich würden mit Sicherheit keine Aufnahmen ganz oben ansiedlen, wenn diese langweilig wären. Langeweile ist nämlich mein größter Feind in der klassischen Musik. Darauf weiter einzugehen ist wirklich unnötig, da unsere Sichtweisen halt absolut konträr sind. Deine "HIPpi- und Anti-Karajan-Meinungen" hast du nun hinreichend kundgetan.


    :angel: Ich habe heute den letzten Satz der beiden angesprochenen Karajan-Aufnahme (DG,1962) und (DG, 1977) verglichen. Große Klasse ! Die DG, 1962 zeichnet sich dadurch aus, dass Karajan noch feiner, ja präziser dynamisch abstuft. Ein Punkt in dem er ohnehin ein großer Meister war.


    @ Willi
    Ich habe die GA DG,1962 und die Aufnahmen DG,1977 als Einzel-CD´s.
    Bei mir ist die DG-Galleria-CD auch mit den Sinfonien Nr.2 und 7.
    :thumbup: Ich bin jedenfalls froh beide Analog-Karajan-Aufnahmen zu besitzen. Auf die dritte GA DG, 1984 in DDD könnte ich verzichten, wenngleich diese natürlich auch nicht zu verachten ist (die Sinfonie Nr.6 ist dort der Knüller, wie alle objektiven Karajan-Hörer wissen).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die 60er-Aufnahmen Karajans sind wirklich nicht zu verachten. Vorhin hörte ich nach langem mal wieder in die 9. von 1962, u. a. mit Kmentt und Berry. Wie zupackend Karajan in dieser Zeit noch dirigierte, das ist sicherlich nicht mit dem (abgenudelten) Wörtchen "Schönklang" (heute negativ konnotiert) zu beschreiben. Vielmehr handelt es sich hier um Aufnahmen großer Spontaneität und sehr vorwärtsdrängender Tempi. Langeweile kommt hier auch bei mir nicht auf.


    Zur 2., die ich lange nicht unter Karajan hörte, kann ich speziell z. Zt. nichts sagen. Ich fand seinerzeit nur, daß er auch die frühen Symphonien gut interpretiert hat. Ob es nun "die" definitive Aufnahme der 2. ist, sei dahingestellt. Furtwänglers Verhältnis zu dieser Symphonie wurde bereits beleuchtet (er schätzte sie am wenigsten von allen neun), die einzige existente Aufnahme ist klanglich leider ruinös. Klemperer habe ich bei der 2. nicht im Ohr. Knappertsbuschs Bremer Aufnahme von 1952 sollte auch erwähnt werden. Er zog übrigens die 2. offenbar der 1. vor: er führte sie häufiger auf, auch liegen zwei Aufnahmen vor, während der Münchner Mitschnitt der 1. von 1948 nicht einmal Eingang in die offiziellen Diskographien fand. Keilberth nahm die 2. auch auf (wie alle anderen), das würde mich mal interessieren.


    LG
    Joseph
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Blödsinn, dass man nur darauf warten muss und vorher Langeweile erleben würde. Willi und ich würden mit Sicherheit keine Aufnahmen ganz oben ansiedlen, wenn diese langweilig wären. Langeweile ist nämlich mein größter Feind in der klassischen Musik. Darauf weiter einzugehen ist wirklich unnötig, da unsere Sichtweisen halt absolut konträr sind. Deine "HIPpi- und Anti-Karajan-Meinungen" hast du nun hinreichend kundgetan.


    Blödsinn, ich bin nicht "Anti-Karajan"! Er hat mit Glenn Gould ein wunderbares 3. Klavierkonzert live aufgenommen. Hier läßt er mal einen Feinsinn spüren, den er später seinem Bombastklang opfert.


    Habt ihr euch eigentlich mal Kammermusik Beethoven`s angehört? Oder dröhnt ihr euch nur diese Klanggewalten rein? Warum hat denn Beethoven diesen feinen Übergänge komponiert, bestimmt, damit diese Riesenorchester mit dem Generalmusikdiktator über sie hinwegspielen konnten. Gott sei Dank sind diese Zeiten vorbei. Und ewig Gestrige gibt es in jedem Bereich.

  • *** Vor kurzem hatte Swjatoslaw in einem anderen Beitrag ein wunderschönes Zitat geschrieben, aus dem hervorging, dass er bei einer Haydn-Sinfonie noch HIP gelten lies, ab Beethoven (und Mozart) man aber auf unsere heutigen wunderbaren Sinfonioeorchester nicht mehr verzichten sollte. Das ging mir runter wie Öl, da ich diesen Satz 1000% mit ihm teile !

    Danke für die netten Worte, lieber Wolfgang. Ich habe das in diesem Posting:
    Was hört Ihr gerade jetzt? (Klassik 2011)
    geschrieben und bezog mich auf Harnoncourts Aufnahmen zahlreicher Haydn-Sinfonien, die er von 1987 bis 1993 zum Teil mit dem Concentus musicus Wien (auf historischen Instrumenten) und zum Teil mit dem Concertgebouworkest Amsterdam (also einem Sinfonieorchester mit "normalem" Instrumentarium) gemacht hat. Für die früheren Sinfonien wählte er den Concentus, bei den mittleren Sinfonien ist das Bild gemischt (Nr. 53, 59, 60, 69 und 73 mit dem Concentus; Nr. 68 mit dem Concertgebouworkest) und bei den späten Sinfonien ist bei ihm allein das Concertgebouworkest zuständig. Das finde ich bezeichnend. Haydn ist also irgendwo die Wende, nach welcher dann auch "Schluss sein sollte" mit historischer Aufführungspraxis. Von mir aus mag man nun streiten, ob nicht der frühe oder vielleicht sogar der mittlere Mozart ebenfalls noch angemessenes Repertoire für Originalinstrumente früherer Jahrhunderte ist (der späte ist es m.E. definitiv nicht), aber bei Beethoven, der erst 15 bzw. 16 war, als Haydn seine "Pariser Sinfonien" (Nr. 82 bis 87) komponierte, ist nun endgültig (für mich) der Punkt erreicht, an welchem es keinen Spaß mehr macht, irgendetwas anderes zu hören als das Sinfonieorchester heutiger Prägung. Um zum Thema dieses Threads zu kommen: auch Beethovens Sinfonien Nr. 1 (aus den Jahren 1799/1800) und Nr. 2 (aus dem Jahr 1802) sollten somit von einem solchen Orchester gespielt werden.


    Bitte: alles nur meine ganz persönliche Meinung und mein individueller Geschmack (das habe ich in meinem oben verlinkten Posting aus dem "Was hört Ihr gerade"-Thread auch deutlich geschrieben). Ich will niemandem etwas mies machen: jeder soll das hören, was er schön findet.

  • Werte Leser,


    ich habe mit dem vierten Satz der Zweiten mal ein Experiment gemacht. Ich habe ein Programm aus dem Internet geladen, das die Musik in Diagrammform sichtbar macht. Mit ihm kann man Parameter wie Dauer verschiedener Passagen und die DB-Ausschläge sichtbar machen und vergleichen.


    Auf den ersten Blick waren gravierende Unterschiede der verschiedenen Interpretationen zu sehen. Besonders in der Differenzierung, praktisch der Zerklüftung des Diagrammes, sind gewaltige Schwankungen sichtbar.


    Ich habe natürlich Karajan und Hogwood verglichen. Zuerst das Tempo: Wer in diesem Satz einen Unterschied im Tempo ausmachen zu glaubt, muss ein Wunderknabe sein. 5sec. ist der Unterschied zwischen beiden Protagonisten.


    Dann die Frequenzgänge. In den Passagen mit vielen Instrumenten ist der Ausschlag der "Spitzen" bei Hogwood viel feiner, während Karajan praktisch ein Gebirgsmassiv mit Gipfeln auftürmt.


    Natürlich ist das nur eine Spielerei, sollte mal zur Eigenkontrolle dienen. Besonders zu Empfehlen für Vergleichshörer.


    Viele Grüße Thomas

  • :D:D:D Superklasse ! Ich schmeisse jetzt jedesmal mein Oszi zum Vergleichshören an und schliesse es an den 2.CD-Out-Ausgang an.
    :no: Oh Mann .....


    Aber abgesehen davon ist das eine Bestätigung.
    Bei HIP (Namen sind jetzt mal egal) fehlt was - es sind nur schwache lasche Auslenkungen zu sehen, die mich als Hörer nicht berühren. (Ich übertreibe jetzt auch mal!)


    Bei Karajan (und nicht nur bei ihm) höre und sehe ich in diesem Falle sogar wie packend er rüberkommt. :thumbup: Umwerfende Ausschläge, wie ein "Gebirgsmassiv mit Gipfeln" reisst er den Klassikhörer vom Hocker. So soll es sein!
    ;) Eines ist sicher; als Ingenieur weis ich wovon ich schreibe: An den Oszilloskopausschlägen kann man nicht sehen, wie detailreich auch das große Sinfonieorchester tatsächlich für den Hörer klingt. Man kann nur sehen, dass durch den dichteren Frequenzgang weit mehr gebacken ist!


    :hello: Aber Bitte, jetzt lasst uns mit diesem Blödsinn aufhören. Ich will Musik hörend erleben und nicht auf dem Oszi verfolgen!

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo teleton,


    keine laschen Auslenkungen bei Hogwood.


    Karajan hat für mich nichts Packendes.


    Natürlich ist der subjektive Höreindruck ausschlaggebend. Für einen Laien ist es aber faszinierend zu sehen, das subjektive Eindrücke auch durch die Technik bestätigt werden. Wenn dann jemand mit vermeintlich objektiven Aussagen kommt, starte ich das Programm und höre mir das Stück einfach mal mit einer gleichzeitigen bildlichen Darstellung an. Das hat nichts mit stundenlangem Starren auf ein Osziilogramm zu tun.


    Hogwood schafft einfach einen super "Spagat" zwischen Durchhörbarkeit auch in den großen Orchesterblöcken und der Wucht eines Großorchesters. Somit bleibt er meine persönliche Referenz auch für all jene, die eine möglichst große Bandbreite in einer klassischen Orchesteraufnahme suchen.


    Viele Grüße Thomas

  • Nicht dass ich etwas gegen Hogwoods Beethoven hätte, im Gegenteil, manche der Symphonien finde ich richtig gut.


    Aber ihn - und nur ihn - als Dauerargument gegen jegliche Non-HIP Aufnahme ins Feld zu führen, ist wohl ziemlich einseitig und unsinnig. :thumbdown:


    Wie soll man verschiedene Ansätze diskutieren, wenn man selbst nur einen zum Vergleich bezieht (beiziehen kann)?


    Das erklärt vielleicht auch zum Teil die fruchtlose Auseinandersetzung, die sich mittlerweile in allen Beethoven-Threads breit gemacht hat. Die Furtwängler/Klemperer/Karajan/etc.-Fraktion (ich werfe diese höchst unterschiedlichen Ansätze nur deshalb in einen Topf, weil genau das hier geschehen ist, es mag ein weiteres Indiz für fehlende Sinnahftigkeit an mancher Stelle sein) muss mittlerweile verbissen ihre Referenzen loben, nur um sogleich wieder mit erhobenem Zeigefinger auf den wahren und einzig richtigen Beethoven verwiesen zu werden, der dann stets von Hogwood repräsentiert wird. :sleeping:


    Und warum immer Hogwood ?(


    Zitat

    Original von Thomas Sternberg
    Mich interessieren nur noch Aufnahmen dieses Jahrhunderts.


    Also wäre Hogwood ja wohl genauso out und uninteressant wie Furtwängler. Alles aus dem letzten Jahrhundert...


    Zitat

    Original von Thomas Sternberg
    Habt ihr euch eigentlich mal Kammermusik Beethoven`s angehört? Oder dröhnt ihr euch nur diese Klanggewalten rein? Warum hat denn Beethoven diesen feinen Übergänge komponiert, bestimmt, damit diese Riesenorchester mit dem Generalmusikdiktator über sie hinwegspielen konnten. Gott sei Dank sind diese Zeiten vorbei. Und ewig Gestrige gibt es in jedem Bereich.


    Wie dem auch sei, ich "dröhne" mich einfach als "ewig Gestriger" weiter mit dem undifferenzierten, detailarmen "Klanggewalten" zu, die ich in meiner Ignoranz für Beethoven halte, der ja alles ganz anders haben wollte, nämlich so, wie es in modernen Zeiten - respektive doch wiederum einzig und allein von Hogwood - gemacht wird, in denen ich leider noch nicht angekommen bin. :jubel:

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Hallo novecento,


    gerade Hogwood führe ich an, weil er die beste Aufnahmetechnik hat.


    Was soll ich mich an einer Diskursion über verschiedene Ansätze beteiligen, die schon hunderfach geführt wurde? Was ich von Klemperer halte und mit dieser Meinung nicht alleine da stehe, wie Kritken auch aus seiner Zeit beweisen, habe ich schon erzählt.


    Und jetzt kommen wir an einem wichtigen Punkt: Du willst mir die Verbissenheit Hogwood zu loben absprechen, aber natürlich der Karajan-Fraktion das Lobpreisen ihrer Lieblinge als Selbstverständlichkeit belassen.


    Läßt tief blicken...


    Hogwood ist meine Referenz aus dem letzten Jahrhundert. Gerade weil er die Schwächen dieser Riesenorchester und ihrer Dompteure gnadenlos mit seiner Interpretation offen legt. Natürlich hat er auch Schwächen, die sich die Herren der Karajan-Fraktion aber nur in Ausnahmefällen mal vornehmen und den Interpreten im Detail kritisieren. Halten wir es nicht für nötig, mal Hogwood auseinander zu nehmen?


    Meine Frage nach der Kammermusik sollte auch provokativ aufgefasst werden. Die Symphonien Beethoven`s sind sehr wohl äußerst detailreich komponiert, mit Feinheiten, die er auch in der Kammermusik anwendet. Diese Feinheiten gehen in den Riesenorchestern verloren, aber dafür haben wir unseren Klemperer, gelle :thumbdown:


    Danke novecento für deinen Beitrag. Genau so etwas wollte ich mal lesen. Natürlich lasse ich euch euren Karajan, Furtwängler, Klemperer und Co. Und werde auch nicht weiter mit Hogwood provozieren. Er hat mir dazu gedient, die einseitige Sicht auf Beethoven deinerseits offen zu legen, eine "Vogelstraußmentalität" , der ich mich nicht anschließen werde.


    Viele Grüße Thomas

  • Und jetzt kommen wir an einem wichtigen Punkt: Du willst mir die Verbissenheit Hogwood zu loben absprechen, aber natürlich der Karajan-Fraktion das Lobpreisen ihrer Lieblinge als Selbstverständlichkeit belassen.


    Hmm...


    Ich will niemandem irgendetwas absprechen. Aber im Vergleich zu dem renitenten Beharren auf Hogwood - scheinbar alternativlos - sind selbst gewisse Furtwängler- oder Klemperer-Anhänger in diesem Forum als dezent zu bezeichnen.


    Die Quintessenz fast jeden Beitrags in den Beethoven Threads ist: Hogwood ist viel besser und detailgenauer als diese grobschlächtigen Alten mit ihren riesigen Haudrauforchestern, die gar nicht wussten, wie man Beethoven spielt...
    Dies haben wir nun alle zur Kenntnis genommen.


    Auch der Karajan-Fraktion will ich exzessive Einseitigkeit nicht zugestehen - zumal ich mit Karajans Beethoven nur wenig anfangen kann...


    Ich finde nur, es ist ein Unterschied, ob jemand aus der Begeisterung, die eine Interpretation bei ihm ausgelöst hat, diese Aufnahme hier im Forum lobt - vielleicht übertrieben, aber so ist das eben, wenn man von etwa begeitert ist.
    Oder ob ein eine einzige Aufnahme ständig dazu benutzt, um andere schlechtzureden und darauf hinzuweisen, dass diese ja völlig falsch und unzeitgemäß sind.


    Auch das lässt tief blicken!



    Musik ist etwas Schönes, Begeisterndes, Positives. Warum also stets Vergleiche mit negativer Beurteilung des einen Objekts?


    Da ist bedingungsloses Loben doch angenehmer!


    Eine derart Begeisterte Lobeshymne auf Hogwood, wie man sie etwa von Swjatoslav auf Furtwängler gewohnt ist, würde bei mir wesentlich mehr Interesse an dieser Beethove-Sichtweise erwecken als die Aussage, dass ich bislang nur schlechte Interpretationen hörte und Hogwoods Leistung darin besteht, all diese Fehler der Schlechten nicht zu begehen.




    P.S. Was Feinheiten im "Riesenorchester" angeht, werde ich mich demnächst über eine Aufnahme von Knappertsbusch äußern, wenngleich dessen Art, Details auszumusizieren auch eher auf Ablehnung stoßen dürfte...

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

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  • Vielleicht ist es ja in der Tat so, lieber novecento, dass erst das 21. Jahrhundert dasjenige ist, in dem der eine oder andere die Beethovenschen Symphonien erst endgültig richtig interpretiert und der eine oder andere Zuhörer den Stein der Weisen findet, während die breite Masse der Klassik (Beethoven-)fans bisher in die Irre gegangen ist.


    Um dem in der Zukunft zu entgehen, sollten wir möglicherweise den Wunsch beherzigen, der in der zweiten Hälfte der dritten Strophe des wunderschönen Osterliedes "Das Grab ist leer", Landshut 1777) zum Ausdruck gebracht wird:


    "Herr, bleib bei uns, wenn's Abend wird,
    dass wir nicht irregehn!
    So wwird die Herde wie der Hirt
    einst glorreich auferstehn.
    Alleluja, alleluja, alleluja!"


    Liebe Grüße


    Willi ^^

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • P.S. Was Feinheiten im "Riesenorchester" angeht, werde ich mich demnächst über eine Aufnahme von Knappertsbusch äußern, wenngleich dessen Art, Details auszumusizieren auch eher auf Ablehnung stoßen dürfte...


    Spielst du da zufällig auf seine Bremer Aufnahme der Zweiten von 1952 an? Ich fürchte, mit "Kna" (dessen Beethoven ich sehr schätze) wirst du bei der "Hogwood-Fraktion" auf wenig Gegenliebe stoßen, da dessen Aufnahmen ja noch "vorgestriger" sind als die der "Karajan-Fraktion" – was für schwammige Begriffe. :whistling:

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    – Luís de Camões

  • Nun bin ich auch mit meinem zweiten, gestern eingetroffenen Zyklus von Sir Charles Mackerras bei der Zweiten angelangt:



    wunderbar musiziert, ein flottes Grundtempo, das mir allerdings beim Larghetto ein wenig zu hoch erscheint. Vielleicht ist auch das der Grund, dass auch Mackerras/Liverpool ebenso wie Mackerras/Edinburgh in eben diesem Larghetto in diem prägnanten Violinen-Crescendo in der zweiten Hälfte des Satzes mir nicht die nun schon so lange herbeigesehnten Schauer über den Rücken jagt, wie es bisher (in nunmehr rund 30 Gesamtaufnahmen) einzig und allein Herbert von Karajan in seiner 62er und 77er Aufnahme vermochte.
    In allen anderen Sätzen ist natürlich auch diese Mackerras-Ausgabe Spitze. Er ist schon ein ganz großer Dirigent, und es ist mir wirklich rätselhaft, wieso es so lange gedauert hat, bis er so im Gespräch war wie heute.


    Liebe Grüße


    Willi ?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Hallo novecento,


    keine Bange, ich bin von Hogwood begeistert. Lasse mich von dieser GA über meine Stereoanlage emotionalisieren und tue dies nicht mit blumigen Wörtern im Netz kund.


    Hallo joseph II,


    natürlich höre ich mir Kna mal übers Internet an. Vorurteilslos.


    Hallo Willi,


    du benutzt gerne Superlative. Ich wäre damit etwas sparsamer, wirkt sonst mit der Zeit lahm. Ich suche nichts Endgültiges. Masse hat für mich im Zusammenhang mit Menschen immer etwas Negatives. Schon gar breite Masse.


    Viele Grüße Thomas

  • keine Bange, ich bin von Hogwood begeistert. Lasse mich von dieser GA über meine Stereoanlage emotionalisieren und tue dies nicht mit blumigen Wörtern im Netz kund.


    Schade eigentlich. Unter anderem dafür ist dieses Forum ja da...

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    (Arthur Schopenhauer)

  • Ich habe heute mal wieder zu einer Aufnahme eines "Großen Alten" gegriffen:



    Klemperer gelingt hier eine höchst packende, spannend musizierte "Zweite", die mir nahezu so gut gefällt wie die von Karajan 1962, in Details der Tansparenz sogar noch ein wenig besser. Man hat hier nie den Eindruck, es könnte sich um ein Werk aus der zweitzen Reihe handeln.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Werte Leser,


    hier ist eine moderne Version zu hören.



    Aufgenommen in reinster Digitaltechnik übertreibt es die Aufnahme mit der Präsenz der Geigen. Natürlich spielen sie in der Vorwärtsbewegung, besonders im ersten Satz, eine wichtige Rolle. Hier werden sie aber viel zu schrill, das ist die einzig mögliche Bezeichnung, in den Vordergrund gestellt. Sie werden bis in die Grenze des Hörbaren ausgesteuert, erreichen damit eine Dominanz, die zu einem Ungleichgewicht in der Interpretation führt.


    Schade, das Können der Musiker zeigt sich ansonsten auch hier, besonders in den schnell gespielten Passagen.


    Viele grüße Thomas

  • Ich muss zugeben, dass ich diese Box spontan bestellt habe, und zwar gleichzeitig mit der Chailly-Box. (Das saß in meinem Etat gerade noch dran, lieber Liebestraum). Natürlich bin ich wieder mit der Zweiten angefangen, zufälligerweise scheint sie gleichzeitig die letzte Aufnahme zu sein, die Celibidache überhaupt aufgenommen hat, (4. 6. 1996), zehn Wochen vor seinem Tode (14. 8. 1996). Nun habe ich ja eine besondere Affinität zu den letzten Aufnahmen berühmter Dirigenten (Karajan, Bernstein, Wand), und auch hier scheint mit eine besondere Spannung in der Luft zu liegen. Ich hatte in dem Thread "Was hört Ihr gerade jetzt?" gesagt, dass ich nach jahrelanger Suche nach einer Zweiten ähnlich der Karajans 1962 wohl fündig geworden wäre.
    Vom ersten Takt des Kopfsatzes an ist man mitten im Geschehen. Obwohl auch hier sehr breite Tempi vorliegen (12:50-14:05-5:03-7:20=39:18 min), allerdings brutto, ist man vom ersten Augenblick an gefesselt, allerdings nur, wenn man sich auf Celibidache einlässt, wenn man sich sozusagen "fallen lässt", mitten hinein in diese Musik. Und so wurde ich auf der Suche nach Gänsehautstellen reichlich fündig, doch zunächst fiel mir die ungeheure Transparenz des Klanges auf, so viele strukturelle Einzelheiten, die ich so noch nie gehört hatte, hier ein Orgelton des Fagotts, dort einer der Trompeten, um nur zwei Beispiele zu nennen, dann herausragende Streicher, sehr markantes Blech, und dann die erste Stelle, die mich wirklich vom Hocker gehauen hat: die Coda des Kopfsatzes, da war nicht nur Gänsehaut, da waren auch einige Tränen. Und dieser Satzschluss zeigte, dass nicht nur Krivine kraftvollen Beethoven liefern kann, sondern auch Celibidache, und zwar Kraft (nicht "Krach") und Feuer ("brio") ohne Ende, und das mit 84 Jahren.
    Und das ging unmittelbar so weiter mit den Gänsehautstellen, direkt mit den ersten Takten des Larghetto, endlich mal wieder langsam und vor allem tief (empfunden), unendlich tief. Und dass Celibidache die Vortragsbezeichnungen durchaus zu deuten weiß, sieht man daran, dass ein kraftvoller Beethoven am anderen Ende der Fahnenstange Krivine, HIP) sich im temproalen Binnenverhältnis sich gar nicht so sehr von seinem unterscheidet.

    Beide räumen dem Larghetto wesentlich mehr Platz ein als dem Kopfsatz, im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen (Celi 39,4 %, Krivine 36,7 %), Kopfsatz (Celi 30,8 %, Krivine 33,8 %) und im Scherzo und im abschließenden Allegro molto sind sie sich sogar noch näher: Scherzo (Celi 12,1 %, Krivine 10,8 %) und Finale (Celi 17,7 %, Krivine 18,7 %).
    Dass es beim Larghetto bei Celi noch etwas mehr ist, liegt in der Tempoansicht, die sich Celi sicherlich durch seine Hinwenung zum Zen-Buddhismus erschlossen hat. Eine Durchsicht aller in dieser Box enthaltenen Aufnahmen zeigte mir, dass sich das durch alle Aufnahmen (Beethoven, Haydn, Mozart, Schubert, Schumann, Brahms) zieht.
    Eine letzte Gänsehautstelle entdeckte bzw. fühlte ich beim grandiosen Finale des Finales, und daran waren Bläser wie Streicher gleichermaßen beteiligt. Großartig.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Vielleicht darf ich noch eine kleine Anmerkung zu meinem Beitrag über Krivine machen.


    Die Bewertung oben entstand durch falsches Hören, nämlich viel zu laut und über Kopfhörer. Inzwischen habe ich mir die Zweite öfter mal über die Boxen und verhältnismäßig leise angehört.


    Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil!! :thumbsup:


    Da ist richtig Pfeffer drin, eine super Einspielung.


    Viele Grüße Thomas

  • Ich glaube dennoch, dass auch dein obiges Posting richtig ist, lieber Thomas. Ich höre ja nun schon zwei Wochen Krivine und Davis gegen (aus dem Grunde, weil ich sie einmal gleichzeitig angschafft habe und zum anderen, weil sie aus gegensätzlichen Lagern stammen). Immer, wenn ich sie direkt nacheinander gehört habe, habe ich die Lautstärke unverändert gelassen, und sofort fiel auf, dass Krivines Aufnahme viel lauter war, also entweder war sie zu hoch ausgesteuert oder Davis zu niedrig ausgesteuert. Vielleicht hatte der Toningenieur bei Krivine Angst, dass die kleinere Besetzung nicht laut genug rüberkommen würde und vielleicht war es bei Davis genau umgekehrt. Wir wissen es nicht.


    Aber das hat natürlich mit der Qualität der Interpretation nichts zu tun.


    Die kann man dann in der Tat am besten live im Konzert beurteilen. Ich besuche ja auch viele Konzerte und habe jetzt in meinem ABO in Essen einen Sprung in die Reihe 5 Mitte gemacht. Meine anfängliche Skepsis, ob es dort nicht etwas zu laut wäre, hat sich schon mit dem Eröffnungskonzert zerschlagen, als dort nämlich Thielemann mit der Staatskapelle Dresden Bruckners Achte gab. Lautstärke ist nämlich dann gut zu ertragen, wenn die Tongebung rein ist (Sonst müssten nämlich alle Dirigenten nach spätestens zwanzig Jahren taub sein).


    Die Gesamtaufnahme Krivines gefällt mir bisher durchaus sehr gut, wenn auch die Fünfte mir nicht so gut gefiel wie z. B. die Vierte oder die Zweite. Heute Abend ist dann die Pastorale dran.


    Viele Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Ich glaube dennoch, dass auch dein obiges Posting richtig ist, lieber Thomas. Ich höre ja nun schon zwei Wochen Krivine und Davis gegen (aus dem Grunde, weil ich sie einmal gleichzeitig angschafft habe und zum anderen, weil sie aus gegensätzlichen Lagern stammen). Immer, wenn ich sie direkt nacheinander gehört habe, habe ich die Lautstärke unverändert gelassen, und sofort fiel auf, dass Krivines Aufnahme viel lauter war, also entweder war sie zu hoch ausgesteuert oder Davis zu niedrig ausgesteuert. Vielleicht hatte der Toningenieur bei Krivine Angst, dass die kleinere Besetzung nicht laut genug rüberkommen würde und vielleicht war es bei Davis genau umgekehrt. Wir wissen es nicht.


    Das allerdings ist mir auch aufgefallen.


    Einige Sinfonien, darunter auch die 2., sind tontechnisch bei Krivine in der Tat sehr hoch ausgepegelt, stellenweise sogar so hoch, daß die Grenze zur Verzerrung bei hohen Tönen erreicht, wenn nicht gar überschritten wird.


    Auch ich höre grundsätzlich immer mit unveränderter Lautstärke und würde daher behaupten wollen, daß nicht Davis zu niedrig ausgesteuert wurde, sondern Krivine zu hoch.


    Davis' Zyklus erscheint mir mustergültig in Bezug auf Natürlichkeit und Unaufdringlichkeit.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Diese These von Herrn de Roos geisterte bereits letztes Jahr durch das Netz, im gleichen Zeitraum, nämlich zur Zeit des Weihnachtsgeschenkeeinkaufes. Bewußt lanciert, vermutlich vom Management von Herrn de Roos.
    Vor wissenschaftlichem Hintergrund ist sie mit Verlaub Blödsinn. Auch die Hörbeispiele können alles andere als überzeugen, sinnstiftende kompositorische Zusammenhänge sind in meinen Ohren negiert, da zu dem (viel zu ) langsamen Tempo noch spannungsloses Musizieren kommt.
    Von Musikerkollegen habe ich gehört, daß die Produktion nur durch massiven finanziellen Einsatz von Seiten Herrn de Roos zustande kam. Ich betone, dies habe ich gehört, mir liegen keine Beweise vor. Ich könnte es mir aber vorstellen!

  • Und wenn die Metronomangaben im Sinne von


    "play as fast as you can"


    auszulegen sind? Tschuldigung, aber dieser englische Satz hat einen so schönen Klang.


    Ist mir irgendwie sympathischer, wenn über den Geist Beethoven`s spekuliert wird.

  • Ist das nicht die alte Leier von Reetze Talsma und Wehmeyer? Dass einmal hin- und her beim Metronom (also zwei Schläge) die Einheit gewesen sein sollten und ergo alle Tempi halb so schnell? Das taucht alle paar Monate in irgendwelchen Foren auf... es gibt auch eine Website eines Pianisten? "Tempo giusto", der ähnliche Ideen aufgewärmt hat.


    So verlockend das für die sein mag, die von ultralangsamen Adagios in der 9. oder der Hammerklaviersonate begeistert sind, oder die die Allegro-Tempi oft zu flott finden, das halbe Tempo ist fast überall völlig absurd. Es würde dann der Kopfsatz der 9. nicht 18 min. dauern wie in einer eher langsamen heutigen Interpretation, sondern 26-27, der der Eroica (mit Wdh.) nicht 20 wie bei Giulini (was etwa 2/3 des vorgeschriebenen Tempos sind), sondern etwa 30 min!


    Alle Scherzi kämen im Tempo eines gemütlichen Walzers daher. Zumal ist bei ganztaktig gedachten Dreiertakten die Idee sehr seltsam, da immer zwei Schläge abzuwarten. Warum sollte man Hemiolen zählen in einem schnellen Dreiertakt?
    Überdies sind die Scherzi bei Beethoven die Sätze, in denen die vorgeschriebenen Tempi nicht selten auch von Interpreten, die sonst einiges unter den Metronomangaben bleiben, sogar überschritten werden. Bei den Scherzi sind, anders als etwa in den Ecksätzen der 8. Sinf. die Metronomangaben, eher unproblematisch. Warum sollte Beethoven bei den Scherzi "richtig" gelegen, sich aber etwa im adagio der 9. so geirrt haben? Wenn man berücksichtigt, dass Beethoven die Angaben nicht direkt aus der Praxis, sondern teils viele Jahre später festlegen, so reicht das m.E. zu Erklärung einiger etwas überzogener Angaben völlig aus.


    Das kulturhistorische Argument zur Beschleunigung des Lebenstempos halte ich seit jeher für fragwürdig (man lese mal in einer Mozart-Biographie von dessen Tagesablauf... oder überlege, ob sich 180 mit dem Daimler auf der Autobahn schneller anfühlt oder 25 mit Kutsche auf Kopfsteinpflaster) und es ist in jedem Falle völlig unklar, warum sich so etwas direkt auf musikalische Tempi auswirken sollte.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Die hier schon verschiedentlich genannte und auch bewertete Chailly-Box ist heute auch bei mir angekommen, und wie immer habe ich mit der Zweiten begonnen, weil mich nun mal vor fast 50 Jahren der Hammer getroffen hat, als ich diese Aufnahme in der ersten Gersamtaufnahme Karajans mit den Berliner Philharmonkern gehört hatte. Die Streichersteigerung im Larghetto kurz vor der Reprise hatte mir damals, un d so sit es auch noch heute, Schauer über den Rücken gejagt, und erst vor wenigen Tagen habe ich eine Gesamtaufnahme hereinbekommen, die dieses Erlebnis noch getoppt hat und die ich weiter oben schon vorgestellt habe, nämlich die GA von Sergiu Celibidache, allerdings war es nicht so sehr diese Stelle, sondern die Coda im ersten Satz, der Beginn des zweiten Satzes und die Coda im Finale.
    Obwohl die Celi-Aufnahme temporal am ganz anderen Ende der Fahnenstange zu der Chailly-Aufnahme steht (die neun! Minuten kürzer ist als die Aufnahme Celibidaches), möchte ich Celis Aufnahme noch bald über die Chaillys stellen, was die Wirkung auf mein Gemüt betrifft. So bin ich eben.
    Aber von der Ausführung her ist die Chailly-Aufnahme natürlich auch erste Sahne, er hätte vielleicht doch, wenn er schon einen so vorzüglichen Orchesterapparat zur Verfügung hat (den ich übrigens schon zwei Mal live erleben durfte), noch mehr am (lyrischen) Ausdruck arbeiten können.


    Liebe Grüße


    Willi ^^

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ludwig van Beethoven

    Symphonie Nr. 2

    La Chambre Philharmonique

    Emmanuel Krivine

    (Video vom 15.4.2011 aus der Cité de la Musique)

    versus

    Chamber Orchestra of Europe

    Nikolaus Harnoncourt

    (Styriarte-Mitschnitt)


    0 : 4


    Das Video von Krivine wiederholte in etwa die Eindrücke, die ich schon von der achten und der fünften bekam. Lebendige, meist ziemlich flotte Wiedergabe, homogenes und wendiges Orchesterspiel, runder und warmer Klang des kleinen Orchesters, das allerdings nur wenig Dynamik entwickelt. In Summe eine durchaus erfreuliche Aufführung.

    Dem stehen aber die teils hymnischen Kommentare gegenüber, die einige Mitleser von sich geben. Ist Krivine mit seinem Ensemble wirklich sooo gut? Ein Vergleich mit einem ähnlichen Ensemble soll einen ersten Aufschluss geben.

    Nikolaus Harnoncourt hat mit dem Chamber Orchestra of Europe (COE) ein ähnlich großes Ensemble zur Verfügung, der Unterschied liegt in den Instrumenten. Ein erster Durchlauf lässt mich ins Grübeln kommen, weitere Satz-für-Satz-Vergleiche verstärken jedoch den Eindruck: Krivine hat nicht den Funken einer Chance!

    Da fragt man sich, wie es zu dieser Begeisterung kommen kann. Das erste, was auffällt, ist die deutlich höhere Dynamik, die das COE entwicklen kann. Da werkeln zwei Zylinder mehr unter der Haube. So gut Krivine für sich alleine anzuhören ist, im direkten Vergleich wirkt er sehr eingeschränkt. Theoretisch wäre es möglich, dass die CDs dynamisch besser klingen als das Video, aber der Unterschied ist auf keinen Fall befriedigend auszugleichen. Ich habe allerdings den Verdacht, dass die Begeisterten einem folgenschweren Irrtum aufsitzen: sie spielen Krivine viel zu laut! Damit kaschieren sie aber nur den gravierendsten Nachteil - die relative dynamische Eintönigkeit der Wiedergabe des französischen Orchesters. Ich empfehle die direkte Verifizierung, indem man bei Krivine bei einem beliebigen Satz den Anfang auf die gleiche Lautstärke einstellt, die ein anderer, "konventioneller" Dirigent mit einem großen Orchester entwickelt. Man wird dann hören, wie wenig sich bei Krivine wirklich tut.

    In meinem Beispiel ist das ganz auffällig. Lasse ich Harnoncourt einen Satz mit der gleichen Lautstärke beginnen wie Krivine, fliegt mir Mitten im Satz irgendwann Beethoven um die Ohren. Dabei nutzt Harnoncourt seine Möglichkeiten in beide Richtungen: er wird bei Bedarf nicht nur lauter, sondern in passenden Momenten auch leiser! Seine gesamte Dynamikabstufung ist wesentlich abwechslungsreicher, dadurch wirkt Harnoncourts Beethoven viel kraftvoller und auch leidenschaftlicher, aber das ist nur der Anfang. Harnoncourt ist für mich auch bei der Tempodramaturgie weit überlegen. Jedes Thema, ja jeder musikalische Gedanke spiegelt sich auch im Tempo wieder, das Grundtempo eines Satzes wird ständig dem aktuellen Geschehen angepasst - bei Krivine schnurrt ein Satz im wahrsten Sinne des Wortes ab, mal etwas schneller, mal etwas langsamer, mal etwas lauter, mal etwas leiser, aber nicht annähernd mit Hanoncourts Spannweite. Und jetzt kommen wir zum dritten und endgültig entscheidenden Punkt: das Chambre Philharmonique spielt sehr gut, aber praktisch ständig mit dem gleichen Ton. Man nehme das Alegretto: bei Harnoncourt beginnt der Satz ganz leise, fast ein wenig geheimnisvoll, der zart gespielten Einleitung folgt dann ein Ländler. Danach wechselt die Stimmung, es wird düster, ja bedrohlich und kurzzeitig sehr dynamisch (bei Krivine geht es gemütlicher und mit kleinem Drama weiter). Der nächste Teil des Satzes wiederholt Einleitung und Ländler, wird wieder ganz licht und sehr zart - mit folgendem Schluss. In jeder Phase des Satzes findet Harnoncourt zur Musik ein passendes Tempo, eine dazugehörige Dynamik, eine passende Klangfarbe im Orchester. Im Vergleich dazu wirkt Krivine einfarbig, ja geradezu eindimensional und dass er mit seinem Ensemble einen Ländler nicht wirklich zum Klingen bringt, ist dann schon der geringste Einwand. Das also soll referenzwürdig sein?

    Für mich ist Harnoncourt in allen vier Sätzen deutlich überlegen. Am relativ geringsten ist die Differenz im dritten Satz, aber insgesamt sind die Unterschiede geradezu dramatisch zugunsten von Harnoncourt und dem CEO. Krivine wäre für mich eine interessante und durchaus hörenswerte Alternativeinspielung mit alten Instrumenten - der Klang hat schon etwas für sich - aber Beethoven-Referenzen hören sich bei mir anders an. Krivines Einspielung besitzt in den drei mir bekannten Symphonien vielleicht etwas französische Eleganz, aber so gut wie keinen Esprit. Das erscheint mir für eine nachhaltige Wirkung dieser Aufnahmen etwas zu wenig zu sein.

    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich habe mir aufgrund dieses ausführlichen Beitrags die beiden ebenfalls noch einmal angehört und komme nicht umhin, es stimmt alles, was Theo ausgeführt hat. Nur, und das ist das Problem der Schnipsel, wenn mann 1 und 2 lange nicht gehört hat und sich der kostenlosen Schnipsel im Internet bedient, kommt man leicht in Versuchung. So war es jedenfalls bei mir. Trotzdem ist die Zweite nicht die schlechteste Wahl, zumal der ganze Zyklus ja auch günstig zu bekommen war.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Hallo Bernward,


    und jetzt bereust du den Kauf.


    Ich habe mir die Zweite von Krivine noch mal leise über Kopfhörer angehört und bin zufrieden mit dem Kauf. Auch ich habe nur Schnipsel gehört und mir darauf den Zyklus zugelegt.


    Ein direktes Vergleichshören wird es bei mir nie geben. Gibt es irgendwo ein Live-Gegeneinander-Spielen zweier Orchester?


    Natürlich gibt es bei Krivine die Kritkpunkte. Aber meine Musiksammlung bereichert er und er ist bis jetzt 10mal öfter im Player gewesen als der Gold-Karajan.


    Viele Grüße Thomas

  • Aber meine Musiksammlung bereichert er und er ist bis jetzt 10mal öfter im Player gewesen als der Gold-Karajan.

    Hallo Thomas,


    meine Sammlung bereichert er ja auch. Karajan-Gold besitze ich nicht. Mir genügen da einmal der Zyklus von 62 und der DVD-Zyklus von Sony.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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