NB: Ich warte seit über drei Wochen auf bestellte Noten zu dem Stück. Ich muß den Beitrag jetzt, um weitere Verzögerungen zu vermeiden, einstellen, ohne die Partitur gesehen zu haben. Ggf.werde ich später noch Ergänzungen vornehmen. Und den (professionellen) Anbieter, wenn er nicht eine wirklich gute Entschuldigung hat, zur öffentlichen Abschreckung hier nennen... :motz: :motz: :motz: (dito für #90, wenn nächste Woche nichts kommt, aber da gibt es ja schon einen thread, daher kommt es nicht so drauf an) Der Anbieter hat inzwischen geliefert, nach 6 Wochen oder mehr. Einer öffentlichen Bloßstellung ist er damit gerade noch so entgangen, aber das war dennoch sicher meine letzte Bestellung dort, auch wenn die ihrerseits gewartet haben, muß man das jedenfalls deutlich machen
Sinfonie Nr. 91 Es-Dur (1788-89)
Besetzung: Flöte, je 2 Oboen, Fagotte, Hörner, Streicher
Wie schon im Thread zu Nr. 92 erwähnt, wurden 90-92 nach dem großen Erfolg von 82-87 ebenfalls für Paris komponiert, wenig später aber auch dem Grafen Oettingen-Wallerstein angeboten. Ob 90-92 tatsächlich, wie Bernd andeutet, systematisch als Werkgruppe konzipiert wurden, wage ich nicht zu beurteilen.
Gemeinsam mit Nr. 89 dürfte es sich bei der Vorliegenden jedenfalls um eine der am wenigsten bekannten der letzten 23 Sinfonien Haydns handeln. Gegenüber den unmittelbaren Nachbarn ist diese relative Zurücksetzung sogar nachvollziehbar. Verglichen mit der überschäumenden Energie der Ecksätze von Nr.90 oder der Dramatik der "Oxforder" handelt es sich hier um ein emotional eher distanziertes, dabei sehr kunstvolles, "intellektuelles" und stellenweise vielleicht ein wenig trocken wirkendes Stück. Dennoch eine m.E. sehr lohnende Sinfonie, wenn man sich einmal auf sie einläßt.
1. Largo - Allegro assai (3/4)
Der "gelehrte" Charakter tritt besonders im Kopfsatz zu Tage. Das Hauptthema wird ständig von neuen Gegenstimmen begleitet und ist selbst von Beginn an mit Hinblick auf "doppelten Kontrapunkt" gestaltet. Das bedeutet, daß Baß und Oberstimme vertauscht werden können. Dies wird schon bei der Themenvorstellung genutzt, wenn im zweiten Achttakter der Anfang des Themas als Begleitung/Baß der Fortführung dient. Es folgt als Überleitung ein lebhaftes Tutti mit einem Doppelschlagmotiv und deutlich markiertem 3/4-Rhythmus. Auch im Seitensatz erscheint zunächst das Hauptthema mit einer neuen Gegenstimme (Streicher, dann Flöte, dann Oboe), die allerdings aus dem Abschluß des ersten Themas entwickelt zu sein scheint. Hierauf folgt eine wichtige, von Triolen (und wieder dem Hauptmotiv) bestimmte Überleitungspassage, die auch den Schluß der Exposition prägt. Es gibt dann noch ein weiteres, eigentliches "zweites Thema" mit zunächst beinahe klagendem Charakter (fast wie ein melancholischer Walzer), das sich dann aber über einer bewegten Achtelbegleitung ins Energische wendet und die Exposition abschließt.
Die Durchführung beginnt mit der Triolenpassage, es folgt das Hauptthema mit einem neuen Kontrapunkt in der Oboe. Anschließend werden Triolen und das Kernmotiv des Hauptthemas sowie Überleitungsmotive dramatisch verarbeitet. Diese Entwicklung mündet in ein fast flehend wirkendes Auftauchen des Seitensatzes in der Flöte; ein erneutes Auftauchen der energischen Triolen verscheucht diese Bedenken und leitet zur Reprise über.
Hier erscheint das Hauptthema nun sofort im Baß, umspielt von einer figurativen Gegenstimme der Violinen. Der weitere Verlauf ist verknappt und auch verändert gegenüber der Exposition (z.B. taucht der Oboenkontrapunkt aus der Durchführung nochmal kurz auf).
2. Andante (2/4, B-Dur)
Deutlich volkstümlicher und recht übersichtlich gibt sich dieser Variationensatz, vermutlich der eingängigste der Werks, den man sicher den entsprechenden Stücken in Nr. 84 oder 85 an die Seite stellen kann:
Thema: Eines der bei Haydn häufig vorkommenden gehenden/marschierenden Themen im mäßig langsamen 2/4-Takt. Bemerkenswert im 2. Teil des Themas die Dynamik/Sforzati des Anfangsmotivs.
1. Var.: Fagottsolo + Triolen in Violinen
2. Var.: b-moll, eine melancholische Melodie, zunächst in den Streichern, dann getupfte, "nachklappernde" Synkopen der Bläser, die ein gewisses scherzando-Element hereinbringen, im 2. Teil auch kleine Bläsersoli
3. Var. mit Reprisencharakter, Thema in den Holzbläsern, dann tutti mit rumpelnden Bassläufen
Coda (4. Var.) zunächst mit einer punktierten Gegenstimme in den Violinen, dann Triller nacheinander in verschiedenen Stimmen; eine komisch-großartige Schlußsteigerung, bevor der Satz verhalten verklingt (als sei der Musikzug in der Ferne entschwunden).
3. Menuett. Un poco allegretto
Ein recht energischer und durchaus ernsthafter Hauptteil, mit durchführungsähnlichen Passagen im 2. Teil; die Triolen erinnern an der Kopfsatz.
Trio: Fagottsolo (mit den 1. Geigen) nach Ländlerart, im zweiten Teil treten Oboe und Flöte dazu, aber die pastorale Idylle wird mehrmals unterbrochen von rüden Einwürfen der Hörner (wobei sich hier die Interpreten nicht ganz einig zu sein scheinen, bei einigen klingen die recht derb, anderswo nimmt man sie eher als zusätzliche Klangfarbe im Hintergrund wahr).
4. Finale. Vivace (2/2)
Ein vollständiger Sonatensatz (mit Wiederholung von Exposition und Durchf./Reprise), allerdings nahezu monothematisch.
Das dominierende Hauptthema ist zweigeteilt: Der prägnante Themenkopf wird von Anfang an von geschäftigen Achtelfiguren begleitet und dann auch so fortgeführt. Einige untergeordnete Motive tauchen auf, am Ende der Exposition eines mit beinahe stampfenden Synkopen, was ein wenig an den Tanzbär in #82 erinnert. Die Durchführung befaßt sich zunächst mit dem Themenkopf, der von Synkopen bedrängt wird, schließlich wird ein Zweitonmotiv abgespalten, Achtelpassagen und eine Aufstauung des Themenkopfes leiten dann zur Reprise über.
Insgesamt ein für ein Haydnsches Finale erstaunlich regelmäßiger und "symmetrischer" Satz, der trotz aller Geschäftigkeit beinahe entspannt wirkt.
JR