Was höre und sehe ich zur Zeit: KLASSIK auf BLU-RAY - DVD - VIDEO - - - OPER - SINFONIE - KONZERT - LIED

  • Carl Maria von Weber, Der Freischütz, Verfilmung von Rolf Liebermann mit den Kräften der Staatsoper Hamburg, 1968.



    Eine immer wieder herrlich anzusehende und anzuhörende Verfilmung - alleine die Besetzung ist en Traum:


    - Ernst Kozub vielleicht der am wenigsten gute Sänger (immer noch gut) - prächtiges Stimmmaterial, aber sehr einfarbig und wenig differenziert
    - Gottlob Frick ein wohl kaum zu übertreffender Kaspar
    - Arlène Saunders eine großartige Agathe
    - Ethis Mathis perfekt als Ännchen
    - Franz Grundheber wunderbar als Kilian
    - Bernhard Minetti fantastisch in der Sprechrolle de Samiel - kein billiger Mummenschanz.


    Die "Inszenierung" ist wunderbar. So gut kann man ohne Mätzchen Oper machen! Einige Gesten und Mimiken sind natürlich furchtbar abgegriffen. Die Chorszenen zu Beginn sehen eher nach dem "Blauen Bock" der 1960er Jahre aus als nach böhmischen Jägern und Bauern aus der Zeit nach dem 30jährigen Krieg. (Natürlich weiß ich nicht, wie Letztere wirklich ausgesehen haben ... :pfeif: )


    Im Regal stehen noch die Inszenierungen mit Ruth Berghaus (habe nur kurz reingesehen ... nicht so dolle ... ) und Konwitschny (großartig!!). Mal sehen ... habe noch ein paar Tage Urlaub ...

  • Vor wenigen Minuten angekommen (die dhl-Packstation wird immer später geladen X( ) und schon auf dem Weg in den DVD-Spieler:



    [und ich verspreche: es gibt bei Tamino keine ironische Rezension eines fiktiven Was-weiß-ich ... !!!]

  • [und ich verspreche: es gibt bei Tamino keine ironische Rezension eines fiktiven Was-weiß-ich ... !!!]


    das ist schade. Die vorherige war doch Spitze, da wäre eine Fortsetzung zu begrüßen!
    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ich habe mich heute den ganzen Nachmittag und halben Abend mit dieser Aufnahme beschäftigt. Ich habe so lange darauf verwendet, weil ich zu jeder einzelnen Nummer etwas geschrieben habe, über die musikalische Umsetzung und über die Regie. Angestachelt wurde ich zu diesem Tun durch die zahlreichen Beiträge in den verschiedenen Regietheaterthreads, die ja hier teilweise zu dritt oder viert parallel liefen, und ich wollte doch mal anhand einer ziemlich neuen Inszenierung (15. 2. 2004) sehen, wo der Zug denn hinging. Auf diese Aufnahme kam ich, weil ich im Fidelio-Thread auf Jonas Kaufmann aufmerksam wurde und im Internet etwas recherchierte. Da erfuhr ich von den beiden Fidelio-Inszenierungen vom 8. Juli 2011 in München und vom 15. 2. 2004 in Zürich (beide mit Jonas Kaufmann).
    Ich konnte auf Youtube beide Florestanarien in voller Länge sehen und musste in beiden Fällen Jonas Kaufmann eine hervorragende Leistung attestieren, war aber von der Inszenierung aus München so schockiert, dass ich ausnahmsweise im Thread: Konservative Opernaufführung - Was bedeutet das? - 2. Versuch einen Beitrag gepostet habe (Nr. 44).


    Um auf die obige Aufnahme zurückzukommen: sie kam mir von Anfang an bekannt vor, und ich erinnerte mich, dass ich sie vor Jahren schon einmal auf Classica gesehen hatte, allerdings nicht so intensiv und mit durch die Regietheater-Fundis so geschärftem Blick. Weil es da Einiges zu entdecken und zu schreiben gab, kommt dieser Beitrag erst morgen. Ich habe jetzt den ersten Akt fertig, und das sind schon zwei Din A4-Seiten.


    So viel aber schon mal vorab: eine großartige Aufnahme und eine großartige Inszenierung, und ich möchte mit einem Zitat schließen, dass aus den grundsätzlichen Gedanken stammte, die Wilhelm Furtwängler anläßlich einer Aufführung des Fidelio bei den Salzburger Festspielen im Sommer 1948 forumlierte:

    Zitat

    Furtwängler: Beethoven hat im Fidelio weder eine zeitgerechte Oper oder eine "stilvolle Tragödie" geschrieben, noch hat er die reale Wirklichkeit gestaltet. Er ist kein Opernmusiker und ist und will kein "Dichter" sein. Aber er ist etwas anderes: er ist Musiker, Seher, Heiliger. (...)Dieser Fidelio ist wahrlich weit mehr eine Messe als eine Oper. Die Gefühle, die in ihm angerührt werden, streifen fast durchweg die reliöse Sphäre oder gehören doch einer "Religion der Menschheit" an, die uns nach allem, was wir erlebt haben, noch nie so groß, noch nie so nötig erschienen ist wie eben heute. Hier liegt die einzigartige Kraft dieser "Oper". Die Musikgeschichte mag uns sagen, dass Fidelio das Werk eines "Wiener Klassikers" ist, dass es der Gattung der damals üblichen "Rettungs"- resp. "Schreckensopern" angehört. Wir aber wissen, dass das, was in dieser Musik auszusprechen versucht wurde, weit über alle historischen Begriffe und Zielsetzungen hinaus uns alle aufs unmittelbarste angeht und die europäische Menschheit immer wieder zur Selbstbesinnung nötigen und aufrufen wird.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Weil es da Einiges zu entdecken und zu schreiben gab, kommt dieser Beitrag erst morgen. Ich habe jetzt den ersten Akt fertig, und das sind schon zwei Din A4-Seiten.


    Lieber William,


    darf ich sagen, dass ich sehr gespannt bin? Ich habe die Aufnahme (ungesehen) im Regal stehen, weil es sie irgendwann mal sehr preiswert gab und Harnoncourt, Flimm, Kaufmann und Polgar schon mal vier Argumente sind, um mein Interesse zu wecken.


    Fidelio war nie eine meiner Lieblingsopern, darum hat ich bisher immer anderes noch mehr gelockt als diese Aufnahme.

  • Fidelio war nie eine meiner Lieblingsopern, darum hat ich bisher immer anderes noch mehr gelockt als diese Aufnahme.

    Fidelio ist und bleibt meine Lieblingsoper, deshalb habe ich mir die Münchner Aufnahme nicht zugelegt, die aus Zürich sofort bei Erscheinen. Das habe ich bis heute nicht bereut, auch nicht die vielen Mitschnitte aus Zürich, die ich inzwischen gebunkert habe.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Hier, liebe Taminos, nun mein angekündigter Text zur Live-Aufnahme des Fidelio 2004 aus Zürich:


    Im folgenden Text habe ich meine Eindrücke zur DVD Video von der Live-Aufführung des Fidelio im Zürcher Opernhaus vom 15. 02. 2004 wieder gegeben, die ich während des Anschauens niedergeschrieben habe. Dabei bin ich chronologisch vorgegangen und habe auch immer Bemerkungen gemacht, wenn ich etwas für einen Regieeinfall gehalten habe, von denen Jürgen Flimm in dieser Aufführung nicht gerade wenige hatte und die teilweise frappierend waren, teilweise auch ein wenig (aber nur ein wenig) regietheaterhaft:


    Don Fernando: Günther Groissböck
    Don Pizarro: Alfred Muff
    Florestan: Jonas Kaufmann
    Leonore: Camilla Nylund
    Rocco: Laszlo Polgar
    Marzelline: Elizabeth Rae Magnuson
    Jaquino Christoph Strehl
    Erster Gefangener: Boguslav Bidzinski
    Zweiter Gefangener: Gabriel Bermudez


    Chor und Orchester des Opernhauses Zürich
    Dirigent: Nikolaus Harnoncourt
    Regie: Jürgen Flimm


    Ouvertüre: Großartige Pauken, mitreißend dirigiert, himmelstürmende Coda:


    1. Akt:


    Nr. 1: „Jetzt Schätzchen, jetzt sind wir allein“: Elizabeth Rae Magnuson stellt sich mit starker Stimme vor; erster Regieeinfall: sie stellt Gewehrpatronen her (historischer Kontext), während Jaquino sein Gewehr reinigt, das er von nun an bis zum Ende der Oper kaum noch aus der Hand legt. Christoph Strehl singt fast stotternd (Regieeinfall?), eingeschüchtert von der äußerst dominanten und resoluten Marzelline, die am Ende des Duetts mit der Pistole auf ihn zugeht.


    Nr. 2: Arie. „O wär ich schon mit dir vereint“: Musikalisch frappierend ist hier der große Tempogegensatz zwischen dem langsamen Strophenteil „O wär ich schon mit dir vereint“ und dem sehr schnellen „ Die Hoffnung schon erfüllt die Brust“, was eine ungeheure Sogwirkung ausübt und ich so noch nie gehört habe (bei nunmehr 15 Fidelios und 2 Leonoren).


    „Ist Fidelio noch nicht zurückgekommen?“ und Nr. 3: Quartett „Mir ist so wunderbar“: Hier erfolgt der erste etwas „wunderliche“ Regieeinfall Jürgen Flimms: Fidelio erscheint gar nicht ächzend unter der Last eines Haufens eiserner Ketten auf seinem (ihrem) Rücken, sondern fröhlich strahlend leichtfüßig mit einer Sackkarre, auf der er eine große Kiste mit den Ketten vor sich herschiebt. Er hat auch noch einen Blumenstrauß in der Hand, den er Marzelline überreicht und sie dann herzlich umarmt.
    Das folgende Quartett „Mir ist so wunderbar gestaltet sich musikalisch sehr transparent und anrührend mit einem gewohnt souveränen Laszlo Polgar (Ich habe ihn in der Rolle auch in der Gesamtaufnahme unter Sir Simon Rattle) und einer stimmlich erstaunlich starken Camilla Nylund, womit man nach ihren einleitenden Worten gar nicht gerechnet hätte. Über die anderen beiden hatte ich ja schon gesprochen.


    Nr. 4: Arie “Hat man nicht auch Gold beineben“: Hier fällt musikalisch im Orchester das Ritartando in den Violinen auf kurz vor dem Textteil: "Doch wenn‘s in den Taschen fein klingelt und rollt". Hier läuft Laszlo Polgar zu ganz großer Form auf, unterstützt von dieser von Flimm fabelhaft inszenierten Szene, indem er das „Gold“ in drei Erscheinungsformen auftreten lässt und dabei bei Leonore jedes Mal mehr Eindruck hinterlässt, zuerst als Münzen in Säckchen, dann als Geldscheine und zum Schluss als Diamanten. Wo hat der Mann denn so viel Geld her?


    Nr. 5: Terzett: „Gut Söhnchen gut“ Musikalisch schließ es nahtlos an das hohe Niveau der voraufgegangenen Nummern an, hier inszeniert Rocco eine Verlobung mit Ringen und Brautkranz.


    Nr. 6 Marsch: Dieser gerät zu einer Art französischem Geschwindmarsch, wobei die Soldaten aber gar nicht marschieren, sondern ganz ungeordnet auf die Bühne schlendern und sogleich zu Jaquinos und Marzellines Arbeitstisch gehen und weiter Munition herstellen.
    Dann tritt Pizarro (Alfred Muff) auf, der die ersten von Rocco überreichten Briefe ungelesen zerreißt und dies auch mit dem letzten tun will, als er die Schrift erkennt und den Brief, in dem er gewarnt wird, laut vorliest und ihn dann mit einem Sturmfeuerzeug (seltsamer Regieeinfall) anzündet.


    Nr. 7 Arie mit Chor“ Ha! Welch ein Augenblick“: Muff singt großartig, kommt aber nicht ganz an die Dämonie von Torm Krause und Dietrich Fischer-Dieskau heran. Grandios die retardierend stakkato gespielten Dolchstöße, die von Pizarro mit fingierten Stichen verstärkt werden.


    Nr. 8 Duett: „Jetzt Alter, jetzt hat es Eile“ erscheint Rocco sehr skeptisch ängstlich, was Polgar auch wunderbar rüberbringt. Rocco lehnt sich aber erstmals gegen Pizarro auf, indem er es ablehnt, Florestan zu ermorden. Wohl wird er das Grab schaufeln. Muff als Pizarro steigert seine Bemühungen um mehr Bösartigkeit im Gesangsvortrag.


    Nr. 9 Rezitativ und Arie. „Abscheulicher! Wo eilst du hin?“ Ein sehr engagierter Vortrag von Camilla Nylund, wenn sie auch nicht an die dramatische Leistung einer Birgit Nilsson oder Christa Ludwig heranreicht.


    Nr. 10 Finale: “O welche Lust“: Der Einzug der Gefangenen wird nicht gezeigt, sondern währenddessen spielt nur das Orchester und ist im Bild. Als der Chor einsetzt, steht er schon mitten auf der Bühne in sehr kompakter Aufstellung. Die Gefangenen tragen ihre Zellennum-mern auf der Stirn (Regie-Einfall).
    Der relativ kleine Chor präsentiert sich sehr stimmgewaltig. In der darauffolgenden Gesangsnummer „Nun sprecht, wie ging’s?“ bringt Rocco die Grabutensilien mit auf die Bühne, mit denen er während der ganzen Nummer hantiert. Dies zeigt natürlich, wie unwohl er sich bei der vor ihm liegenden Aufgabe fühlt.
    In der sich anschließenden Szene „Ach Vater, Vater eilt“ führt Jaquino Rocco mit erhobener Waffe vor, die er erst senkt, als er an Hand von Roccos Ausführungen merkt, dass dieser eine gute Begründung für das Öffnen der leichteren Gefängnisse hat.
    Nun folgt die letzte Gesangsnummer des 1. Aktes: „Leb wohl du warmes Sonnenlicht“, ein großartiges Quintett mit Chor, in dem sich Muff nach wie vor um mehr Dämonie bemüht, sie aber nicht erreicht.
    Am Schluss des Quintetts sitzt, scheinbar ohne Zusammenhang mit dem vorher Gezeigten Marzelline wieder auf ihrem Stuhl, das Krönchen immer noch im Haar, die Blumen in der Hand, die zwischendurch Pizarro schon mal in der Hand hatte, und strahlt den „Verlobungsring“ an ihrem Finger an. Dieses Bild Marzellines wird sich am Ende des zweiten Aktes dramatisch ändern.


    2. Akt


    Nr. 11: Introduktion und Arie „Gott! Welch Dunkel hier“
    In der eindringlich musizierten Orchestereinleitung fallen wieder die sehr präsenten Pauken auf. Die Arie beginnt Jonas Kaufmann mit einem atemberaubenden Crescendo von pp nach ff, erst der Zweite in meiner Sammlung nach René Kollo (1978 unter Bernstein), aber noch länger anhaltend; die meisten beginnen mit f und crescendieren dann nur noch geringfügig nach ff. Die Arie gelingt Kaufmann grandios, er scheint keinerlei technische Schwierigkeiten bei dieser Partie zu verspüren. (Die Regie?) hat Florestan hier ein dickes ungelenkes rotes (Ziel-)kreuz auf’s Unterhemd gemalt. Ich habe an dieser Stelle den Verdacht, dass hier statt Ketten Zauberschnüre verwendet wurden (gehören zur Standardausstattung jeder Turnhalle).


    Nr. 12: Melodram und Duett „Nur hurtig fort,nur frisch gegraben“: Hier überrascht ein weiteres Mal die Regie, indem sie die möglichen Gedanken Leonorens sichtbar macht: sie holt im Rücken Roccos mit der Eisenstange aus, um diesen zu erschlagen, zieht dann aber (resigniert?) zurück. Musikalisch ist im anschließenden Duett das tiefe Blech sehr eindrucksvoll.
    In der folgenden Sequenz „Er erwacht“ beweist die Regie erneut, dass sie nicht sklavisch am Originallibretto klebt und spendiert Florestan tatsächlich Wasser, das in der dargereichten Thermosflasche (!) auch schön kühl und frisch bleibt. Symbolisch als sehr stark empfinde ich, dass bei der Darreichung des Brotes noch! der senkrecht aufgerichtete Stein Florestan und Leonore trennt.


    Nr. 13: Terzett: „Euch werde Lohn in bessern Welten“: Es ist, wie so häufig, ein musikalischer Höhepunkt in der Oper. Überraschend steht am Ende des Terzetts schon Pizarro in der Szene und schaut stumm zu. Als Rocco dies bemerkt, zuckt er zusammen.


    Nr. 14: Quartett: „Er sterbe“: Hier steigert Camilla Nylund ihrer dramatische Darstellungskraft noch einmal und erreicht Höchstform. Im musikalischen Steigerungslauf überbietet sie den Pizarro Alfred Muffs noch um Einiges.
    (Interessant ist wieder der Regieeinfall mit den zwei Pistolen; die erste steckt Leonore Florestan zu, die Pizarro diesem jedoch mühelos aus der Hand tritt, um gleich darauf die zweite Waffe in Leonorens Hand in seinem Genick zu spüren!!)
    Nicht nur Rocco, sondern vor allem auch Jaquino erweist sich nun ein weiteres Mal als Opportunist, indem er seine Waffe nun auf Pizarro richtet. Er sieht nun, da auch er erfahren hat, dass Fidelio in Wirklichkeit eine Frau ist, seine Felle wieder herbeischwimmen.


    Nr. 15: Duett: „O namenlose Freude“. Harnoncourt nimmt dieses Duett sehr langsam, aber ungeheuer expressiv und-(Regie): anders als in anderen Fidelio-Aufführungen sinken sich Leonore und Florestan erst am Ende dieses ergreifenden Duetts in die Arme.


    Nr. 16: Finale: „Heil sei dem Tag“: Hier legt der durch den Zusatzchor personell aufgerüstete Züricher Opernchor seine enorme stimmliche Potenz an den Tag. Vor allem die Tenöre fallen durch ihren begeisterten Gesang (expressis verbis im Schlusschor) positiv auf. Aber auch den Chordamen steht die Begeisterung ins Gesicht geschrieben. Auch an dieser Stelle setzt Flimm noch eins drauf: Alle Frauen, die ihre ehemals gefangenen Männer in die Arme schließen, haben das gleiche Brautkleid an, das im Schnitt dem Kleid Marzellines gleicht und tragen auch den gleichen Brautkranz wie Marzelline in ihren Haaren!!


    Weiter: Als Pizarro flüchten will, haben plötzlich alle Frauen Messer in ihren Händen und halten Pizarro von der Flucht ab. Als dieser doch ein Schlupfloch erspäht, wird er -(von wem wohl?)- von Jaquino auf der Flucht erschossen.
    Leonore befreit Florestan von seinen Fesseln, und auch alle anderen Frauen schneiden ihren Männern die Fesseln durch, und: es sind tatsächlich Zauberschnüre (wie das geübte Sportlehrerauge sofort feststellt).
    Nur eine sitzt ganz traurig auf der Bühne und klammert sich verzweifelt an den Blumenstrauß, den ihr Leonore als Florestan am Beginn der Oper überreicht hatte: Marzelline.
    Dann halten alle Beteiligten (auch Don Fernando) außer Marzelline! die Hände vor die Augen. Mit den ersten Tönen des Schlusschores nehmen sie die Hände vom Gesicht und erheben sich. Zögernd erhebt sich auch Marzelline, sieht auf dem Boden eine Pistole, nimmt diese scheinbar unbemerkt (außer von Jaquino und Rocco) an sich und will sich damit erschießen. Jaquino jedoch nimmt sie ihr unbemerkt weg und lässt sie unauffällig in seiner Tasche verschwinden. Marzelline erwacht nur ganz langsam aus ihrer abgrundtiefen Verzweiflung.
    Der Schlusschor „Wer ein holdes Weib errungen“ steigert sich zu ekstatischem Jubel, der dann auch nach dem letzten Takt vom Publikum ertönt.


    Lassen wir also das Publikum durch seinen Applaus abstimmen: Von der ausnahmslos auf sehr hohem Niveau befindlichen Sängerriege erhalten Jonas Kaufmann und Camilla Nylund ob ihrer Gesangs- und Darstellungsleistung „natürlich“ den größten Beifall, gefolgt von Laszlo Polgar, der einen trefflichen Rocco gibt (und auch als Einziger , für sich selbst und das Publikum ganz überraschen einen Straus Rosen zugeworfen bekommt), auch schauspielerisch, und dann, so würde ich sagen, auf einer Höhe, Elizabeth Rae Magnuson (Marzelline) und Alfred Muff (Pizarro) und schließlich Christoph Strehl als Jaquino.


    Nun habe ich endlich auch Günther Groissböck (Don Fernando) bewusst kennengelernt, von dem in anderen Threads (Wagner) schon mehrfach die Rede war. Ein veritabler Bass.


    Den allermeisten Beifall allerdings bekam (ebenfalls natürlich) Nikolaus Harnoncourt, der hier ein ganz überragendes und an Dramatik kaum zu überbietendes Dirigat bot. Auch der Chor und natürlich das Orchester agierten herausragend.


    Über die manchmal überraschende Tempowahl Harnoncourt steht einiges im Beiheft, das ich nicht alles wiederholen will, nur den Beginn:
    Zitat: Die Ouvertüre gibt den Ernst der Szene vor. Nicht leichtfüßig, sondern kontrastreich und hoch dramatisch lässt Harnoncourt musizieren. Auch für die beiden ersten Nummern – das Duett mit Jaquino und die folgende Arie der Marzelline wählt Harnoncourt Zeitmaße, die den Konflikt der beiden nicht bagatellisieren. Es geht hier nicht um Biedermeier-Idylle, sondern um menschliche Gefühle“. –Zitatende.
    Diese Aufführung zeigt, wie hervorragend Dirigent und Regisseur zusammenarbeiten können, wenn sie wirklich etwas von ihrem „Handwerk“ verstehen, und das tun die beiden ja nun fraglos. Dazu noch die beiden weiteren Zitate aus dem Booklet:
    „ .,. beide entfernen sich nie von Text und Musik, beide suchen nichts anderes zu „erzählen“ als das, was Beethovens Oper in ihrer letzten, vom Komponisten endgültig erarbeiteten Gestalt uns vorgibt“….. „Nikolaus Harnoncourt und Jürgen Flimm übernehmen diesen Brauch (Leonore III vor dem Finale zu spielen) nicht, vor allem wohl in dem Wunsch, den Ablauf nicht komplizierter zu machen als nötig. Überhaupt scheint der konsequente Erzählfluss ein besonderer Vorzug der Züricher Aufführung zu sein. Regisseur und Dirigent waren sich offenbar einig, „Fidelio“ nicht aus seinem historischen Kontext zu reißen, der vor allem in der Musik zwingend vorgegebenen Dramaturgie zu folgen und darauf zu vertrauen, dass die Botschaft des „Fidelio“ um so stärker verstanden wird, je weniger vordergründige Aktualisierung ihre gleichnishafte Zeitlosigkeit infrage stellt“. Zitatende


    Mich würde die Meinung der von mir liebevoll so genannten „Regietheater-Fundis“ über die Regiearbeit Jürgen Flimms wirklich interessieren. Ihnen und auch allen anderen kann ich die Aufnahme (wie auch Bernward findet), wärmstens ans Herz legen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber William,


    ein toller Bericht, vielen vielen Dank!


    Hast Du vielleicht Lust, Deinen Bericht im Unterforum OPERNKRITIK - DVD einzustellen?


    Wenn er in diesem Unterforum bleibt, würde er zum einen schwierig aufzufinden sein, zum anderen würde er mit der Zeit eventuell vergessen gehen - ich weiß nicht, wie viele Taminos die "Was hört/seht ihr gerade jetzt?"-Threads aus früheren Jahren noch lesen. Das wäre sehr schade!

  • Vielen Dank für den Tipp, lieber Wolfram. Ich habe den Bericht soeben von meiner Festplatte in den von dir angegebenen Unterthread verschoben, da ich das Hin- und Hergeschiebe innerhalb des Forums noch nicht kenne. Aber veilleicht liest dies ja ein modferator und kann mich aufklären.


    Vielleicht mache ich ja so etwas noch mal wieder. Jedenfalls hat es mir großen Spaß gemacht.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Carl Maria von Weber, "Der Freischütz", Opernhaus Zürich.


    Inszenierung: Ruth Berghaus
    Musikalische Leitung: Nikolaus Harnoncourt



    Bisher (erstes Bild) ziemlich befremdlich.

  • Nach den vielen Opern nun mal eine Sinfonik-DVD. Es ist ja im allgemeinen so, dass auch ein Konzerterlebnis gesehen wird. Diesmal griff ich im Sonderangebot für 8,50 EUR bei amazon zu:



    Karajan auf DVD habe ich nicht viel, früher hatte ich vieles mitgeschnitten, aber inzwischen auch wieder aussortiert. Es ist eine Spätaufnahme, aber die Kameraführung ist wie eh und je, Karajan als Pultgott und dazu stereotyp immer die gleichen Einstellungen. Niemals das ganze Orchester zusammen. Musikalisch erfüllt die DVD die Erwartungen, besonders die Schlüsse sind jedes Mal fulminant. Für den Preis kann man ja wenig falsch machen.


    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Die nebenstehende Aufnahme habe ich in den letzten Stunden gehört, die erste Hälfte vor dem Kino (Planet der Affen: Prevolution) un die zweite Hälfte danach. Danach habe ich mich zuerst im Böhm-Thread herumgetrieben. Doch hier nun mein Bericht:


    Die DVD, die ich gehört und gesehen habe, stammt leider nicht von dem oben angegebenen Vertragspartner. Der war mir in diesem Fall einfach zu teuer. Ich habe die DVD um 20 € billiger bekommen, auch nicht vom anderen Vertragspartner, aber von einem Dritten, den ich hier vermutlich nicht nennen darf, der aber beim aktuellen Jahr minus zehn zu finden ist.


    Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich eine Mono-DVD erwischt hatte. Beim Aufnahmejahr 1969 hatte ich auch nicht damit gerechnet. Wie dem auch sei, ich hatte die Aufnahme hauptsächlich wegen des Dirigenten, Sir Charles Mackerras, bestellt, dann auch wegen der Marie, Lucia Popp und dem Bürgermeister Bett, Hans Sotin. Letztendlich habe ich es aber auch wegen des Herausgebers dieser DVD-Serie getan: Rolf Liebermann, der damals Intendant der Hamburgischen Staatsoper war. Bezeichnend ist dazu ein Kommentar auf der DVD-Hülle:

    Zitat

    Es ist bezeichnend für Rolf Liebermanns künstlerisches Credo, dass er gerade die Produktion von Zar und Zimmermann in Joachim Hess' Inszenierung aus dem Jahre 1969 ausersehen hatte, in die erlesene Reihe seiner 13 Opernfilme aufgenommen zu werden. Offenbar war eine möglichst vielfältige Dokumentation der Leistungsfähigkeit der gesamten Hamburger Oper in dieser Zeit beabsichtigt. Ein - damals noch - millionenfacxhes Fernsehpublikum sollte daran teilhaben können. Für die heutige Zeit mag es zwar merkwürdig klingen, aber zur Inszenierung selbst lässt sich nichts Erklärendes hinzufügen, da die Geschichte in Hinblick auf Libretto und musikalische Faktur schlichtwg 1:1 umgesetzt wurde - mit allen technischen Raffinessen, die der Filmkunst am Ende der 1960er Jahre zur Verfügung standen.


    Und was war das für eine sensationelle Aufnahme. Angefangen von dem begeisternden Dirigat Sir Charles' mit der ausgezeichneten Staatsphilharmonie und dem großartigen Hamburger Chor mit insgesamt ausgezeichnetem Klang reichte Hans Sotin nahe an seine in dieser Rolle führenden Kollegen Karl Ridderbusch und Gottlob Frick heran, die ich in meinen anderen beiden Gesamtaufnahem auf CD habe, Ridderbusch in der 1976er Aufnahme aus München mit dem "Überzaren" Peter Michailov: Hermann Prey unter Heinz Wallberg und Frick ind der 1966er Aufnahme ebenfalls mit Hermann Prey unter Robert Heger aus Dresden. Während in Dresden Erika Köth die Marie sang, war es in Hamburg und München die unvergleichliche Lucia Popp. Aber auch die anderen Protagonisten in Hamburg waren nicht ohne: der prächtige Horst Wilhelm als Marquis von Chateauneuf und wie schon oben erwähnt, Hans Sotin. Aber die eigentliche Sensation dieser Aufnahme war Raymond Wolansky als Peter der Erste. Ein sehr höhensicherer Bariton mit großem schauspielerischem Geschick und einer veritablen Bühnen Erscheinung.


    Und- mein Gott- welch eine stimmige "konservative" Inszenierung. Und mal im Ernst, kann man sich das anders vorstellen? Etwa, dass die armen Zimmerleute mit Schweißbrennern ein Krenzfahrtschiff in Papenburg zusmmenkleistern?


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup:

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  • Hallo, William!


    Vielen Dank für deinen Bericht. Ich habe diese DVD auch gerade bestellt, übrigens an gleicher Stelle wie du und freue mich jetzt umso mehr darauf. Ich hoffe, dass ich schon an diesen Wochenende das Vernügen habe - dann vermutlich als Erholung vom "Rattengrin".


    Viele Grüße
    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Liebe Mme. Cortese,


    aus der gleichen Quelle und zum gleichen Tarif habe ich auch die Traviata aus Zürich 2005 unter Welser-Möst mit Eva Mei, Pjotr Beczala und Thomas Hampson,( Regie Jürgen Flimm) und die Tosca aus Covent Garden 2001 unter Pappano mit Angela Gheorghiu, Roberto Alagna und Ruggiero Raimondi (in der Filmfassung von Benoit Jacquot).


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Hallo William,


    mein Päckchen ist inzwischen eingetroffen. Natürlich habe ich bei den Schnäppchenpreisen auch gleich mehrfach zugeschlagen. Da ich eher neugierig auf Unbekanntes bin, enthält es neben "Zar und Zimmermann" noch Grétrys "Pierre le Grand" (vielleicht ein verwandtes Sujet - die Informationen der Beilage sind ja eher dürftig), Paisiellos "Nina" mit Bartoli, Rossinis "Semiramide" und Berlioz´ "Troyens", von denen ich bislang auch nur Ausschnitte kenne. Die Besetzung finde ich zwar nicht gerade umwerfend -vielleicht werde ich ja auch positiv überrascht - aber ich denke, zum Kennenlernen reicht es allemal. Wenn dann im Fernsehen noch der "Rattengrin" hinzukommt, bin ich in der nächsten Zeit hinreichend beschäftigt.


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • .....Grétrys "Pierre le Grand".....


    Liebe Mme Cortese,


    die DVDs von 2**1 sind früher schon mal in der "Opernsammlung" von de Agostini erschienen (hat hier einen eigenen Thread). Da war allerdings die Dokumentation sehr ausführlich:



    die komplette Sammlung gibt es hier:


    http://www.die-opernsammlung.de/


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Harald,


    schönen Dank für den Tipp. Aus der Reihe habe ich neben den oben genannten noch den Barbier von Sevilla mit Cecila Bartoli und den Fidelio mit Benackova unter Christoph von Dohnany, sowie den hier nicht vertretenen Don Giovanni, ebenfalls mit Bartoli, letzter drei damals erschienen als "Arthaus Sehbuch" mit wirklich ausgezeichnetem Hintergrundmaterial.


    Lieben Grüße


    Willi :)

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  • Heute Abend wurde auf Classica wieder die Neunte Beethoven mit Järvi, der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, dem Deutschen Kammerchor und Christiane Oelzle, Sopran, Annelie Peebo, Alt, Simon O'Neill, Tenor und Dietrich Henschel, Bariton gezeigt, die in nebenstehender Box enthalten ist.
    Nun habe ich diese Aufnahme, die ich ja auch in dieser Box in meiner Sammlung habe, schon mindestens zum fünften Male gesehen, und immer noch gibt es etwas Neues zu entdecken.
    Bisher rätselte ich immer, warum im Scherzo nach den vier Dreier-Paukenschlägen der fünfte, echoartige Schlag nicht kommt. Heute habe ich die Lösung gehört: der Paukist spielt diesen Echoschlag sehr leise, aber ansonsten kann dieser vorzügliche Paukist der Bremer (und nicht nur er), sondern jeder gute Paukist, in dieser Symphonie sich wirklich von der besten Seite zeigen, und er macht regen Gebrauch davon.
    Immer wenn diese Aufnahme in die Schlusscoda einmündet, fühle ich mich an die legendäre Furtwängler-Aufnahme von 1951 in Bayreuth erinnert: Järvi treibt sein Orchester in einen ähnlichen rasenden Rausch hinein.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Den nun folgenden Beittrag hätte ich eigentlich vor dem obigen posten müssen, weil ich diese DVD:

    schon gestern Abend auf Classica gehört und gesehen habe. Da ich sie auch in meiner Sammlung habe, habe ich sie ja schon öfter angeschaut, aber es ist jedes Mal wieder ein Vergnügen, dem scheinbar schon als Figaro auf die Welt gekommenen Hermann Prey zuzuhören und zuzusehen, ebenso wie dem in dieser Rolle fast an den großen Fritz Wunderlich heranreichenden Luigi Alva, der betörenden Teresa Berganza sowie Enzo Dara als Bartolo und Paolo Montarsolo als Basilio.
    Was aber das Ganze abrundet, ist die wunderbare Regiearbeit von Jean Pierre Ponnelle, die die Grundlage für diese Verfilmung bildete. Das sollen sich die Regietheater-Verfechter mal ansehen, um zu erfahren, was die große Mehrzahl der Opernliebhaber sehen möchte.
    Zu erwähnen ist natürlich das für dieses Meisterwerk Rossinis ideale Dirigat von Claudio Abbado.


    Liebe Grüße


    Willi ^^

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Aus der nebenstehenden Box habe ich heute Abend die Aufnahme der 1. Symphonie C-dur op. 21 von Ludwig van Beethoven in der großartigen Interpretation von Leonard Bernstein, der den Beethovenzyklus in den Siebziger Jahren auch für das Videoformat aufgenommen hat und die heute als DVD habhaft sind. Die Bildqualität ist natürlich etwas angestaubt, die Tonqualität aber excellent und Bernsteins Dirigat hat ein unheimliches Feuer. Zu der Zeit ist er gesundheitlich noch nicht so angegriffen wie in seinen letzten Jahren. Hier dirigiert er noch mit dem ganzen Körper und reißt sein Orchester und den Hörer mit.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Anschließend habe ich nebenstehende DVD auf Classica gesehen. Dieses Mal die letzte Sinfonie von Mozart, ebenfalls in C-dur, die "Jupiter"-Sinfnie KV 551.
    Ein prächtiges Werk, von Nagano mitreißend dirigiert, und recht üppig besetzt, 5 Kontrabässe, 8 Celli, großer Streicherapparat, Holz- und Blechbläser, wie bei Mozart ja in den C-dur-Werken öfter, z. B. in seinen Klavierkonzerten. Aber die große Besetzung steht dem feierlichen Charakter der Jupiter-Sinfonie gut zu Gesicht, ist aber nichts für Puristen, denen jedes Instrument zu viel von vornherein suspekt ist.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Diese Aufnahme vom Abschlusskonzert des Schleswig-Holstein Musik-Festivals 1997 mit Günter Wand war zuerst an der Reihe. Vor der Pause dirigierte er die 5. Sinfonie B-dur D.485 von Schubert, ein helles, optimistisches Werk, das er mit seinen 85 1/2 Jahren mit unerhörtem Drive dirigierte und sich selbst und das ganze Orchester zum Swingen brachte. Es war überhaupt erstaunlich, welche Energie er damals, als er nur noch ganz schlecht laufen konnte, auf dem Podium noch aufbrachte.
    Dies merkte man vor allem nach der Pause, als er die beinahe 50 Minuten dauernde, mit allen Wiederholungen ausgestattete Erste Brahms hochdramatisch, aber auch im Finale mit allem Glanz und Schwung vortrug. Es ist sicherlich von allen Aufnahmen der Ersten Brahms, die ich besitze, mit die beste, noch besser auch als seine Live-Aufnahme aus dem gleichen Jahr aus der Hamburger Musikhalle, ebenfalls mit dem NDR- Sinfonieorchester. Aber vielleicht liegt es ja auch daran, dass diese Aufnahme als DVD-Video vorliegt.
    Abgeschlossen habe ich meine Hör- und Sehsitzung mit Mozarts Requiem vom legendären Allerheiligenkonzert 1981 im Musikvereinssaal zu Wien, dass sich in diesem Jahr zum dreißigsten Male jährt. Ich habe das Requiem als DVD ja auch von Abbado aus dem Jahre 1999 vorliegen, das dieser zum 10jährigen Todestag Karajans in Salzburg dirigierte.
    Harnoncourts Interpretation ist jedoch an Dramatik, Schärfe, Expressivität und Präzision, an Verve nicht zu überbieten. Auch die Solisten, die Sopranistin Rachel Yakar, Sopran und Ortrun Wenkel, Alt, der prächtige Tenor Kurt Equiluz und der profunde Bass Robert Holl, überzeugen hier auf der ganzen Linie. Nicht zuletzt tragen aber auch der prächtig aufgelegte Concentus und der großartige Staatsopernchor und natürlich Harnoncourt zu der denkwürdigen Gesamtleistung bei.


    Wer sich mit dem Gedanken trägt, seine DVD-Sammlung zu erweitern und diese Aufnahmen noch nicht hat, dem kann ich sie nur wärmstens empfehlen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Dies merkte man vor allem nach der Pause, als er die beinahe 50 Minuten dauernde, mit allen Wiederholungen ausgestattete Erste Brahms hochdramatisch, aber auch im Finale mit allem Glanz und Schwung vortrug. Es ist sicherlich von allen Aufnahmen der Ersten Brahms, die ich besitze, mit die beste, noch besser auch als seine Live-Aufnahme aus dem gleichen Jahr aus der Hamburger Musikhalle, ebenfalls mit dem NDR- Sinfonieorchester. Aber vielleicht liegt es ja auch daran, dass diese Aufnahme als DVD-Video vorliegt.


    An der 1. Brahms-Sinfonie kann man eigentlich nicht viel falsch machen, eine sehr gute Aufnahme gibt es auch mit dem von mir hoch geschätzten West-Eastern Divan Orchestra:



    Auch rund 50 Minuten lang und nicht nur hörens- sondern auch sehenswert!


    :hello:


    timmiju

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Lieber Willi,


    ich stimme dir voll und ganz zu! Diese 1. Brahms unter dem greisen Wand ist phänomenal gelungen, besonders der Finalsatz mit enormem Detailreichtum. Ich kenne sie von YouTube. Respekt vor diesem alten Dirigenten!


    LG
    Joseph
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Wilhelm Kienzls "Der Evangelimann", einst viel gespielt und oft gehört,
    ist fast völlig an unseren Bühnen in Vergessenheit geraten. "Lediglich den Wunschkonzert-Hit "Selig sind, die Verfolgung leiden" hat man noch im Ohr, wahrscheinlich von Rudolf Schock gesungen.... Man mag rätseln, warum die neunzehnte "Tosca"-Inszenierung noch immer erfolgreicher ist als die Wiederentdeckungen deutschsprachiger Erfolgsopern von einst. Wiees auch sei, die Aufführung an der Wiener Volksoper im Jahr 2006, die hier auf dieser DVD aufgezeichnet ist, war in jeder Hinsicht eine
    Sensation.
    Die Basis des Erfolgs war die stimmige, streng naturalistische Inszenierung, die aus der Kolportage der Handlung feine Stimmungsbilder macht: im grandios gebauten 1.Akt pralles Bauernleben mit Liebesszenen und Intrigen; der 2. Akt in die 1930er Jahre verlegt - Armut und Kälte, eine Szenerie wie in einem Stück von Ödön von Horvath. Süßlichkeit und Kitsch haben nicht den Funken einer Chance; die Tragödie um Schuld und Vergebung kann mit Wagnerscher Dramatik ablaufen.
    Die fünf Hauptrollen sind - fernab des Startheaters - typmäßig und stimmlich exquisit besetzt, gespielt wird beklemmend glaubwürdig. AlfredEschwé führt sein Orchester mit großer Linie; nur die Streicher tönen da nicht immer ganz sauber.
    Diese Aufführung ist ein Beweis dafür, dass die einst berühmten Opernkomponisten der zweiten Reihe begnadete Handwerker waren; Künstler mit musikalischer Erfindungsgabe, großem Gespür für Dramatik und dennoch keine simplen Epigonen. Ein überzeugenderes Plädoyer dafür, dass "Der Evangelimann" dringend auf die Bühnen gehört, lässt sich kaum finden.


    NB: Ausgezeichnete Ton- und Bildqualität, komplette Untertitel in drei Sprachen, keine Extras."


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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