Nun sind wir hier bei Tamino alle nicht mehr ganz jung (unterstelle ich mal). Viele der dahingegangnen Heroen konnten wir noch quietschklebendig erleben, ihre Platten waren Teil unserer musikalischen Sozialisation. Unser Urteil dürfte also nur bedingt objektiv sein.
Handwerklich, da bin ich mir sicher und fühle mich auch durch ein Interview Rubinsteins bestätigt, dürften die allermeisten jungen Pianisten den Alten ebenbürtig, teilweise überlegen sein. Gleichzeitig geht die Lektüre der Notentexte weiter und führt zu sich ändernden Sichtweisen. Richter mag seine gültigen Einsichten in die Werke gehabt haben und bis an sein Lebensende daran festgehalten; er war aber eben Richter. Berman spielt D. 960 anders als Richter, Kempf, Curzon, Wührer, Haskil, Afanassiev, Ciccolini, Anda oder Rubinstein auch. Interpretieren von Musik ist ein intellektueller Diskurs mit sinnlicher Nebenwirkung, so würde ich das mal nennen. Dass ich als Nichtnotenleser den sinnlichen, weil emotionalen, Aspekt in den Vordergrund rücke, tut der Einschätzung zunächst keinen Abbruch.
Selbstverständlich sind die Heroen der Vergangenheit eine Herausforderung. Einen Kunsthistoriker, der sich weigert, Pächt, Panofsky oder Gombrich zu lesen, weil eben Texte der Vergangenheit, den könnte ich nicht ernst nehmen. Einen Pianisten, der sich mit den alten Aufnahmen nicht auseinandersetzt ebenfalls nicht. Samson Francois ist nie müde geworden daruf hinzuweisen, wie sehr ihn Cortot beeinflusst hat. Alexandre Tharaud widmet teilweise seine CD's den ihn prägenden Größen wie etwa Scot Ross, Marcelle Meyer oder Clara Haskil. In punkto Rameau hat er die Herausforderung der alten Meyer-Aufnahmen angenommen. Und sich ebenbürtig danebengestellt.
Und Opitz' Brahms steht ebenfalls ebenbürtig neben der älteren GA von Julius Katchen.
Was heutige Plattenproduktionen oftmals steriler klingen lässt als die alten Aufnahmen sind die vielen, vielen Schnitte, auch bei Live-Aufnahmen, die im Studio nachbeabeitet werden. Am besten live-Übertragungen im Rundfunk mitschneiden. So kriegt man am ehesten ein Bild.
Um also mein Statement zusammenzufassen: klar kaufe ich mir die Platten der jungen Pianisten. Lang-Lang allerdings nicht. Definitv nicht. Der beleidigt mein Ohr.
Liebe Grüße vom Thomas