Literarische Empfehlungen - was lese ich gerade

  • Lieber Thomas,
    ich stelle mit Erstaunen fest, dass wir in vielem einer Meinung sind.


    Themenkomplex Religions- versus Ethikunterricht ist ein eigenes, offenbar unlösbares Kapitel, das anderswo hingehört.


    Die einen verfassen Tendenzliteratur "aus Feindschaft", andere aber, die konfessionell gebunden oder als "Fundi" missionierend tätig sind, können doch auch nicht als seriös gelten.


    Wenn Du mit mir übereinstimmst, dass diese sog. heiligen Schriften von Menschen für Menschen verfasst, verfälscht, ja manipuliert wurden, dann sind wir ja im wesentlichen einig. So gesehen eignet sich z.B. die Bibel lediglich zur Betrachtung als literarisch-kulturelles Kompendium.


    Danke für den wertvollen Sartre-Hinweis und herzliche Grüße von Domstadt zu Domstadt!
    Fritz

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Zitat

    Original von Milletre


    Wenn Du mit mir übereinstimmst, dass diese sog. heiligen Schriften von Menschen für Menschen verfasst, verfälscht, ja manipuliert wurden, dann sind wir ja im wesentlichen einig. So gesehen eignet sich z.B. die Bibel lediglich zur Betrachtung als literarisch-kulturelles Kompendium.


    Verfälscht und manipuliert? Nun, mittlerweile haben wir wohl recht brauchbare Übertragungen der Ur-texte. Das Deschner-Buch stammt aus 1963, und für die Zeit dürfte die Forschungsverweigerung der katholischen Kirche wohl zutreffen. Die Protestanten waren diebezüglich freier.


    Im Punkte der Text-Kanonisierung mag ich ihm auch nicht folgen (aber bitte, meine Lektüre liegt tatsächlich über 20 Jahre zurück, und ich bin auch kein Theologe). Dessenungeachtet - und da stimme ich Dir zu - ist die Bibel ein Kompendium von Texten von Menschen für Menschen in ihrer Zeit. Die Lektüre etwa der Paulus-Briefe ist daher ähnlich kompliziert wie die von Epiktet.


    Zitat

    andere aber, die konfessionell gebunden oder als "Fundi" missionierend tätig sind, können doch auch nicht als seriös gelten.


    Zustimmung, mit dem Zeugs kannst Du mich jagen....


    Es grüßt herzlich von Glockenturm zu Glockenturm


    der Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ein weiterer Literaturtip speziell für Fritz, mit dem ich mich gerne einmal über das angeschnittene Thema beim Heurigen unterhalten würde. Und auch über das Thema dieses Buches:



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich lese gerade das schönste, liebevollste,lustigste und verzauberndste Buch von Charles Dickens:


    Oliver Twist - nein! David Copperfield- nein! A Christmas Carol - nein!, Große Erwartungen- nein!


    Es sind die Londoner Skizzen! Nirgendwo später gelingt es Dickens, die Atmosphäre des alten London so lebendig zu machen, dass man im Geiste dort zu Hause sein kann - in einer kleinen Wohnung in Islington, in einem Kontor in der City oder in " Ritter Soundso's Kopfe" auf ein Gläschen Port...


    Und das Skandalöse ist, dass dieses Buch schon seit Jahren vergriffen ist! Angesichts der Massen von infantilen Druckwerken ein Akt des Banausentums!
    Doch es gibt Rettung: für die Kosten des häuslichen Ausdruckens kann man das Werk, welches auch früher meist gekürzt veröffentlicht wurde, beim Projekt Gutenberg.de herunterladen oder aufs Papier bringen.
    Ein ausgezeichnetes Hörbuch ( mit natürlich nur wenigen Auszügen) auf 2 CDs wunderbar gelesen von Thomas Vogt kann man ab und an noch erwerben. Aber seid gewarnt - wer dieses Hörbuch hört, MUSS das ganze Werk haben!!


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Doch nun steht eine Lektüre- Unterbrechung der " Londoner Skizzen" an. Mein Geburtstag naht und in den Tagen zuvor lese ich seit Jahren:


    Charles Dickens " Mugby Junction" ( gehört zu den Weihnachtserzählungen, hat aber kein weihnachtliches Sujet)


    Wer diese Geschichte kennt, weiß natürlich, welche Bedeutung es hat, sie gerade vor seinem Geburtstag zu lesen ...!


    Wer sie nicht kennt und es dennoch wissen will, dem hilft nur selberlesen! :yes:


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Wurde eigentlich in irgendeiner Weise dieses Buch



    in diesem Forum schon einmal besprochen? Eine aus einer Tageszeitung ausgeschnittene Buchempfehlung hängt schon einige Wochen an meinem Kühlschrank ... und jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, es (mit-)zu bestellen. Bei Amazon gibt es auch einen lustigen Film-Werbe-Trailer des Autors zum Buch.


    :hello: Steffen
    (nicht der Autor :D )

  • In einem Literaturforum beschäftige ich mich gerade in einer Leserunde mit dem ersten Bestseller-Fortsetzungsroman der Welt:


    Eugene Sue: Die Geheimnisse von Paris



    Ein Wälzer von mehr als 2000 Seiten, stark kolportagemäßig, aber auch ein realistisches Abbild des Paris der 1830er Jahre. Ein Pageturner des 19. Jahrhunderts!


    Grüße


    tukan


  • Ich liebe solche dicken Wälzer. Bücher unter 500 Seiten sind keine Bücher !


    Momentan lese ich: Albert Vigoleis Thelen: "Die Insel des zweiten Gesichts - Aus den angewandten Erinnerungen des Vigoleis"



    Eine Empfehlung von Steffan Möller aus dessen Buch "Vita Classica" (sieh eoben). Es schildert die Erlebnisse eines jungen Deutschen und seiner Freundin auf Mallorca und dem Rest Spaniens in den Zeiten kurz vor dem zweiten Weltkrieg. Amüsant und charmant geschrieben.


    VG, Bernd

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  • Hallo Bernd,


    vielen Dank dafür! Ich habe es heute, schon weit vor Deiner Buchvorstellung im entsprechenden Thread, in einem ganzen Medien-Bündel (u.a. auch eine von Ulli empfohlene DVD "Klang der Stille" und diverse CD´s) bei JPC geordert! Vorher hatte ich bei amazon noch Kritiken gelesen, die mich mit gemischten Gefühlen das Buch bestellen liessen. Jetzt bin ich mir recht sicher, das Richtige getan zu haben! Vielen Dank für die Beschreibung im Thread! Ich bin gespannt und freue mich auf die Liefeung von JPC!


    Herzliche Grüsse von einem der Andershörenden :hahahaha:


    :hello: Steffen

  • Zitat

    Original von zatopek


    Momentan lese ich: Albert Vigoleis Thelen: "Die Insel des zweiten Gesichts - Aus den angewandten Erinnerungen des Vigoleis"



    Hallo Bernd,


    mit der "Insel des zweiten Gesichts" von Thelen beschäftigte sich übrigens vor kurzem auch eine Leserunde in jenem Forum.


    Grüße


    tukan

  • Zitat

    Original von tukan


    mit der "Insel des zweiten Gesichts" von Thelen beschäftigte sich übrigens vor kurzem auch eine Leserunde in jenem Forum.


    Danke für den Hinweis. Da werde ich mal vorbeischauen.


    VG, Bernd

  • Ich muss einfach noch einmal auf dieses Buch zurückkommen, dass ich nun in kürzester Zeit ausgelesen habe:


    Albert Vigoleis Thelen "Die Insel des zweiten Gesichts - Aus den angewandten Erinnerungen des Vigoleis"



    Albert Vigoleis Thelen kommt aus der Nähe meiner Heimatstadt, nämlich aus Süchteln, wurde dort 1908 geboren und starb 1989 in Dülken, einer kleinen Stadt, die ebenfalls am Linken Niederrhein - dem Herz Deutschlands, wie Hanns Dieter Hüsch zu sagen pflegte - liegt.


    Das Buch schildert seine Jahre von 1931 bis 1936, die er mit seiner späteren Frau Beatrice auf Mallorca verbrachte und schildert seine pitorresken und schier unglaublichen Erlebnisse dort. Auf Grund der Wirren der Vorkriegszeit oft am Hungertuch nagend schlägt sich das Paar als Übersetzer, Privatlehrer und Fremdenführer durch das seltsame mediterrane Leben.


    Thelen, dessen zweiter Vorname - de er sich selbst zulegte - eine Verballhornung des Namens Wigalois ist, schrieb das Buch erst Jahre später in den Niederlanden. Das Buch erschien Anfang der 50ger Jahre in Deutschland, wurde in der Kritik sehr positiv aufgenommen, aber von der Literaturkritik erstmal eher abschlägig beschieden. In der Gruppe 47 fiel Thelen durch. Was allerdings mehr über die mangelnde Kompetenz dieser selbsternanten Literaturhüter aussagt, als über die Qualität des Buches.


    Worum es wirklich in dem Buch geht, was seinen besonderen Reiz ausmacht, dazu zitiere ich am besten mal aus dem klugen Nachwort von Jürgen Pütz:


    Zitat

    Zitat:
    "Was aber ist Die Insel des zweiten Gesichts, wenn sie viel mehr ist, als ein Mallorcaroman in Form eines Reiseberichts ? Sie ist ein Kosmos des Lebens. Sie ist ein Sammelbecken von Figuren und Ereignissen, ein Sprachschatz und vor allemist sie, was Freidrich Schlegel von jedem Kunstwerk fordert, ein "Kontinuum unendlicher Reflexion". Sie steckt so sehr voller schillernder Figuren und Geschichten, dass man auch nach wiederholter Lektüre der Meinung ist, noch nicht alle Geschichten gelesen zu haben. Deshalb verbraucht sich das Buch auch nicht, und deshalb ist es schier unmöglich seinen Inhalt wiederzugeben."



    Vor allem ist dieses über 900 Seiten dicke Buch eines nie: langweilig ! Ich - bekennder Vielleser - habe eine Woche dafür gebraucht. Und noch eines ist es: ein wahres Füllhorn an Wortschöpfungen, die in der deutschen Sprache wohl einmalig sind. Kleine Kostprobe: Zusammenbüffler, Unflughuhn, Bettgetäusche, Firlefanzerei, Habenichtsigkeit, Giftsponde, Wortstoff, Wissenschaftelei.... und so geht das weiter. Man merkt, der Mann lebt mit und in der Sprache.


    Ich muss unbedingt, als Zeugnis der Sprachmächtigkeit, noch eine kurze Passage zitieren:


    Zitat

    Zitat:
    (Thelen beschreibte eine Geliebte des Bruders seiner Lebensgefährtin)"Wie viele hochgezüchtete Frauen, bevorzugte auch Konákis die Männer mit einem starken Höhlengeruch. Auch sie wollte ergriffen und mit haariger Schimpansenfaust ins Gestrüpp geworfen werden, wollte über sich einen gewaltigen Brustkorb gebeugt sehen, in dessen Haarwald Erdklümpchen kleben, die man einzeln herausziehen kann: "er liebt mich, er liebt mich nicht"; doch bereitet der Wüstling solcher Depilation ein schauerlich erschauerndes Ende."


    Was ich eigentlich ganz selten mache: ich habe mir das Buch sofort ein zweites Mal - diesmal als Hardcover - bestellt, weil mein Taschenbuchexemplar jetzt nach dem intensiven Lesen zu sehr mitgenommen ist und ich es gleich noch einmal lesen werde. Und das ist nicht die letzte Bestellung, weil ich es ab heute zu jeder möglichen Gelegenheit im Freundes- und Bekanntenkreis verschenken werden. Vegesst Thomas Mann, vergesst Siegfried Lenz und Günter Grass - alle diese verkopften Intellektuellen Lektüren, die man schneller vergessen hat, als man das Buch in das Regal zurückstellen kann: lest Thelen ! Der Mann hat was erlebt und er hat auch etwas zu erzählen...


    Es gilt das Wort Kurt Tucholskys: "Wer noch zwei Hosen hat, mache eine zu Geld und kaufe dieses Buch !"


    Noch zwei Link-Tipps:


    1. Die hübsch gemachte Hompage über Vigoleis Thelen


    http://www.vigoleis.de/


    2. Eine sehr lesenswerte "Liebeserklärung" über das Buch:


    http://www.bluetenleser.de/d/magazin/unterdetail.php?id=17


    Viele Grüße,


    Bernd
    __________________

  • Hallo zatopek,


    das ist eine schöne Buchvorstellung und macht Lust aufs Lesen.


    Allerdings hänge ich noch in den letzten sechzig Seiten der "Geheimnisse von Paris" und danach stehen erstmal ein paar andere Lektüren auf meinem Plan: Le Clézios "Goldsucher", dann Euripides und zwischendrin vielleicht auch noch der eine oder andere Krimi, muss bei mir auch manchmal sein.


    Grüße


    tukan

  • So nebenbei dieses:



    Rose, Kenneth: King George V, London 1983.


    The Whitbread (and Wolfson and Yorkshire Post) Prize Winning account of the king whose life spanned the centuries. Grandfather of the present Queen, George V bridged the century from the 'glories' of the Victorian and Edwardian eras through the horrors of the Great War. His life is recounted here drawing on letters and diaries of the Royal family as well as intimates and social observers of the time. As his funeral cortege turned into New Palace Yard the Maltese Cross fell from the Crown and landed in the gutter. 'A most terrible omen' wrote Harold Nicolson. And indeed it was.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Gerade angefangen und ich habe noch ca. 1.100 Seiten vor mir:


    Peter Watson "Ideen - Eine Kulturgeschichte von der Entdeckung des Feuers bis zur Moderne".



    Ich kenne bereits sein Buch "Das Lächeln der Medusa - Die Geschichte der Ideen und Menschen, die das moderne Denken geprägt haben" und, obwohl es schon länger her ist, dass ich es gelesen habe, habe ich es immer noch in allerbester Erinnerung. Hochinformativ geschrieben, prägnant und immer auch unterhaltsam.


    "Ideen" ist vom gleichen Rang, umspannt aber einen viel größere Zeitraum.


    Parallel dazu John D. Barrow "Einmal Unendlichkeit und zurück - Was wir über das Zeitlose und das Endlose wissen".



    Ein faszinierendes Thema. Barrow schreibt sehr verständlich (jedenfalls für eine mathematische Niete, wie mich...).


    Viele Grüße,


    Bernd

  • "Der Leopard" von Giuseppe Tomasi di Lampedusa. Und zwar, nachdem ich die berühmte Verfilmung ungefähr zum drittenmal gesehen hatte und mit jedem Mal besser fand. Der Roman ist reicher, komplexer, vor allem der Fürst Fabrizio erhält mehr Nuancen. Ausserdem entnehme ich dem Inhaltsverzeichnis voller Vorfreude, dass der Handlungsfaden weitergesponnen wird über den Zeitpunkt hinaus, wo der Film endet. Nicht zuletzt ist das Buch schön geschrieben, was auch in der kongenialen Übersetzung ins Deutsche durchschimmert.


    Peter von Matt ist hier erwähnt worden, sehr zu meinem Vergnügen. Der einzige Germanist, dessen Abschiedsvorlesung ich je anhören ging, weil ich so schätze, was er schreibt; wenige Autoren in unserem Sprachraum sind gleichzeitig so gelehrt und so unterhaltsam. Live war er genauso witzig und lebendig wie auf dem Papier. Zuletzt vor etwa zwei Jahren etwas von ihm gelesen: "Verkommene Söhne, missratene Töchter: Familiendesaster in der Literatur". Ebenfalls empfehlenswert sind seine kommentierten Gedichtsammlungen.


    Im übrigen lese ich mich seit ein paar Jahren durch mein ganzes Büchergestell und werfe zwei Drittel des Inhalts raus. Darunter an sich hübsche Geschichten wie Nick Hornbys "About A Boy", über einen ewig Unerwachsenen. Manche Bücher sind Lebensabschnittspartner. Den Leoparden werde ich, so ich dann noch lebe, auch in fünfzig Jahren mit Genuss wieder sehen beziehungsweise lesen.

    writing about music is like dancing about architecture

  • Meine aktuelle Lektüre:

    Da mein Bruder ein großer Pynchonfan ist und ich gerade Ferien habe, habe ich mich dazu entschieden mal das Opus Magnum des großen Unbekannten zu lesen.
    Nach knapp 100 Seiten lässt sich noch wenig sagen. Die Erzählweise ist sehr verwirrend und wirkt Episodenhaft - hat allerdings auch seinen ganz besonderen Charme.

    Zitat von André Glucksmann:
    Philosophieren bedeutet zuallererst, gegen die eigene Dummheit zu kämpfen.

  • Das Buch habe ich mir für den Urlaub gekauft und den Kauf auch nicht bereut. Es ist ziemlich spannend, ich selbst, auch nicht der große Krimi-Mitrater vor den Göttern, tappte lange im Dunkeln über die wahren Hintergründe; es bleibt lange offen, was die Eröffnungsszene des Buchs mit der Geschichte zu tun hat und es wird eine weitere, tragische Liebesgeschichte des großen Meisters 'enthüllt' - seine letzte.
    Das Buch widmet sich der Hypothese: was wäre, wenn Beethovens 10. doch kein Fragment sei, sondern die Partitur nur verschollen?



    Eine schöne, unterhaltsame Lektüre, die sich, ähnlich wie andere musikalische Krimis, auch der Notenkryptographie widmet.

  • Beim Stöbern im Büchergestell endlich wieder "a keeper" gefunden, etwas zum Behalten: die Trilogie der englischen Eigentlich-Historikerin (und Neurologengattin) Pat Barker über Kriegsverletzte aus dem ersten Weltkrieg, Regeneration, The Eye in the Door und Ghost Road. Bleibt beim Wiederlesen ebenso faszinierend wie beim erstenmal. Die Schauplätze sind grossteils Kliniken, aber alle Bände gehen weit übers Medizinische hinaus und sind schon als Antikriegsliteratur bezeichnet worden. Ob das so stimmt, kann ich immer noch nicht beurteilen; Barker zeigt einfach Formen der "collateral damage", von denen man als Zivilist (und als -in sowieso) meist keinen blassen Schimmer hat. Ihre Figuren sind komplex, ich bin versucht zu sagen blutvoll, und keineswegs nur Schablonen.


    Behalten werde ich ein Geschenk einer Freundin, Arno Geigers "Es geht uns gut". Eine Familiensaga ohne jedes Staubkorn aus verschiedensten Perspektiven, u.a. aus derjenigen einer berufstätigen Mutter. Dass ein männlicher Schriftsteller das so beschreiben kann, hätte ich nie geglaubt.

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  • »Weil er sich durch Lärm belästigt fühlte, hat ein 52-Jähriger seinen 69 Jahre alten Nachbarn erschlagen.
    Anschließend zerstückelte er die Leiche und versteckte sie im Wald.«


    Geisel, Sieglinde: Nur im Weltall ist es wirklich still


    Vom Lärm als Folter- und Terrorinstrument, von den Lärm-Infernos moderner Kriege, aber auch von der Sehnsucht nach vollkommener Stille
    und fanatischer Begeisterung für grellen Lärm jeder Art schreibt die Schweizer Kulturjounalistin.
    Inseln der Ruhe gibt es nur wenige. Den Abschuss ins Weltall mag mancher scheuen, ich würde die Ruhe in den Unterwasserwelten der Tropen suchen.


    http://www.sieglindegeisel.ch/index.php/home.html


    :):):)

  • Da haben wir so einen herrlichen Thread und keiner bedient sich desselben?




    Das ist es, was ich fast ausgelesen habe. Bin gespannt auf den Ausgang. Es ist mein erstes Buch dieses Autors. Ich bin sehr sehr angetan! Teilweise werden ganz bizarre Gedankensprünge doch zu einem logischen Ganzen zusammengehalten. Die Geschichte selbst wirkt zuweilen regelrecht Kafkaesk.


    Wenn dieses Buch ausgelesen ist (und ich sicher noch etwas dazu schreiben werde), liegt schon der nächste Roman bereit, der ja hochgelobt wurde und auf welchen ich sehr gespannt bin:




    Dieses Buch habe ich mir selbst zu Weihnachten geschenkt :)

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Amen!


    Von MacEwan (Spitzname Macabre) ist mir Amsterdam in Erinnerung, vor allem die beklemmenden Passagen auf der langen Wanderung im Lake District. Den Franzen habe ich selber mal gelesen und grossteils vergessen, vielleicht war ich zu jung dafür, sowas kommt vor. Sein neues Buch will ich mal aus der Bibliothek mitlaufen lassen. Lese aber derzeit sehr langsam.


    Selber jüngst Max Frisch wiedergelesen, Montauk und Biografie: Ein Spiel. (Noch nicht: mein früheres Lieblingsbuch von ihm, die Tagebücher 1966 bis 1971.) Sowie John Fowles, The French Lieutenant's Woman. Der Fowles war mir nicht ganz geheuer, ohne dass ich sagen kann warum. Eine sehr gut geschriebene und spannende Geschichte mit durchaus sympathischen Themen wie das Selbstbestimmungsrecht viktorianischer Frauen oder das Ausbrechen aus gesellschaftlichen Konventionen. Trotzdem unheimlich. Vielleicht weil die Titelfigur etwas von einer Naturgewalt hat und bis zum Schluss rätselhaft bleibt, im grossen Gegensatz zu ihrem männlichen Gegenüber, dem Hobbywissenschaftler, der ihr je nach Lesart auf den Leim geht. Auch Frauen sind nur Menschen... Wenn ich mir die Themen von Fowles' anderen Büchern ansehe, z.B. The Collector, habe ich keine Lust, diesen Autor weiter zu erforschen. Das passiert mir nicht sehr oft. Am heftigsten bei F. Scott Fitzgerald und dort insbesondere bei Tender Is The Night, das mir zu sehr aus dem Leben von Scott und Zelda zu schöpfen scheint und dabei einiges verzerrt. Ja, Fitzgerald schreibt wie ein Gott, aber das hilft da nicht.

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  • Auch Frauen sind nur Menschen...


    ...und Frauen können begnadet Klavier spielen!
    Ich leider nicht, darum habe ich wohl folgendes Buch, das ich mit großem Vergnügen gelesen habe, von einer Freundin zu Weihnachten geschenkt bekommen:



    Besonders interessant: Zitate aus Clara Schumanns Tagebuch-Eintragungen und aus ihren Briefen an ihren Mann und an Johannes Brahms.

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