Wagner, Parsifal - Bayreuth 1981

  • REZENSION OPER DVD



    Wagner: Parsifal


    Ein Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen


    Libretto vom Komponisten


    Aufzeichnung von den Bayreuther Festspielen aus dem Jahre 1981


    Inszenierung: streng konservativ, libretto-konform
    Bühnen-Sets: phantasievoll, besoders Klingsors Wohnturm
    Spielfläche: Waldboden oder Steinfußboden, dem Bühnenbild angeglichen
    Kostüme: historischen Vorlagen angepasst
    Beilage: dreisprachig, Trackliste, Einführung und vorzügliche Inhaltsangabe nach Auftritten gegliedert


    Generelle Beurteilung: GUT


    Dauer etwa 230 Minuten


    Ausführende:
    Amfortas: Bernd Weikl
    Titurel: Matti Salminen
    Gurnemanz: Hans Sotin
    Parsifal: Siegfried Jerusalem
    Klingsor: Leif Roar
    Kundry: Eva Randova
    2 Gralsritter, 4 Knappen, Blumenmädchen


    Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele
    Chormeister: Norbert Balatsch
    Dirigent: Horst Stein
    Künstlerischer Leiter: Wolfgang Wagner
    Kostüme: Reinhard Heinrich





    EINFÜHRUNG UND BEURTEILUNG


    Wenn ein Opernhaus sich in heutiger Zeit sich entschließt, einen 'Parsifal' auf die Bühne zu bringen, kann sich der Besucher in der Regel auf Einiges gefasst machen. Seinen traditionellen Vorstellungen wird Hohn gesprochen und wenn er mit seinem Opernführer Vergleiche anstellt, wird er das Stück bestenfalls nur noch an den Gesangstexten wiedererkennen.


    Richard Wagner hat den 'Parzifal', ein Versepos aus dem dreizehnten Jahrhundert, bereits drastisch reduziert und die Dramaturgie und Erzählkunst des Mittelalters einem Willen untergeordnet, doch die Regisseure der heutigen Zeit setzen das Zerstörungswerk mutwillig fort. Diese malen sich aus, dass es dem Opernbesucher Gewinn bringt, die Inhalte, die bei Richard Wagner schon unscharfe Konturen haben, nochmals mit Äußerlichkeiten bis zur Unkenntlichkeit verfremden.


    Begrüßenswert ist es, dass der Konsument sich endlich wehrt, und zu jenen Einspielungen greift, die den Inszenierungen der Vergangenheit nahe kommen. So kann er sich zur Gedankenwelt Richard Wagners Zutritt verschaffen, um auch den Sprung zu Wolfram von Eschenbach zu wagen. Hier tritt ihm die Vielfalt einer Gedankenwelt, verbunden mit der Exotik des Morgenlandes entgegen, die ihn aus dem Staunen nicht mehr entlässt.


    Die Inhaltsangabe von Wagners Parsifal wird in groben Zügen als bekannt vorausgesetzt. Beim Erwerb der beschriebenen DVD-Einspielung hilft das Studium der Textbeilage weiter.


    Das Bühnenbild des ersten Aktes zeigt zunächst eine Waldlichtung. Der erste Auftritt gehört Gurnemanz, der die Funktion eines Hausmeisters der Gralsburg innehat, und auch den angeschlagen Gesundheitszustand des Königs überwacht. Hans Sotin singt die Partie mit gewohnter Souveränität und betört den Opernbesucher mit einer wundervoll timbrierten Bassstimme. Kundry, die wilde Reiterin, weiß nicht so recht, zu wem sie halten soll. Sie hat Balsam aus Arabien mitgebracht und hofft, dass dieses Mittel beim kranken König anschlägt. Die Verstörte ist sich nicht schlüssig, ob sie sich für die Seite des christlichen Königs, der den heiligen Gral verwaltet, entscheiden oder seinem Widersacher, dem Magier Klingsor dienen soll. Die Zerrissenheit ihres Charakters bringt Eva Randova mit ihrem volltönenden Mezzo wunderbar zum Ausdruck. Klingsor wohnt in einem Turm und hält dort Ausschau nach frommen Rittern, deren Tugend er mit Hilfe seiner Blumenmädchen zu Fall bringen will. Das gleißende Wesen seines Charakters bringt Leif Roar trefflich zum Ausdruck. Der Magier scheitert an Parsifal, der seinen Speer, den er ihm entgegenschickt, in der Luft kurzerhand abfängt. Parsifal, in der Kleidung Robin Hood nicht unähnlich, wird von Siegfried Jerusalem mit seinem edel timbrierten Tenor glaubwürdig dargestellt. Verbleibt noch Bernd Weikl als Amfortas, der durch seinen gesanglichen Vortrag eine überragende Charakterstudie des verzweifelten Königs bietet. Matti Salminen ist die kleine Partie des Titurel anvertraut und bringt seinen schwarzen Bass zum Einsatz. Die Bayreuther Chöre singen mit gewohnter Präzision.



    Eine gültige Alternative wäre eine neuere Einspielung aus Baden-Baden unter Kent Nagano mit Christopher Ventris und Waltraud Meier. Möglicherweise ist diese noch besser als die beschriebene DGG-Produktion.


    Es ist schwierig, bei den Stimmen die Beurteilung zu differenzieren, denn alle Beteiligten bieten eine perfekte Leistung. Ein solches Ensemble lässt sich in heutiger Zeit kaum noch zusammenstellen. Zu viele Häuser inszenieren Wagner Opern gleichzeitig und deshalb sind überwältigende Stimmen nur hin und wieder zu bekommen. Es ist daher erfreulich, wenn man auf eine ältere Einspielungen zurückgreifen kann, um dem Menschen der heutigen Zeit klar zu machen, wie die Werke Wagners klingen sollten.


    Bei anderen Einspielungen der Gegenwart ist man deshalb gezwungen, den Dirigenten über die Maßen zu loben, um die problematischen Leistungen der Gesangsolisten zu verstecken.


    Die von mir empfohlene Einspielung werden viele als brav und bieder empfinden. Das ist sie auch! Aber gerade deshalb erfüllt sie den Zweck, zunächst einmal zu den Wurzeln vorzudringen, um den Einsteiger zu gewinnen.


    Wer dagegen das Experiment liebt und dem Verfremdungs-Theater zugetan ist, entscheidet sich besser
    für einen Bildträger dieser Kategorie. Die Produktionen aus Zürich unter Haitink und aus Venedig unter Ötvös tragen den Stempel des Zeitgenössischen.


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