Ich möchte hier demnächst in loser Folge Gedichte einstellen, die ich zu Themen aus dem weiteren Themenbereich "Musik" verfasst habe.
Zu Beginn eine Wiedergabe der ovidischen Erzählung vom Ende des mythischen Sängers Orpheus. Vielleicht teilweise etwas drastisch formuliert, aber man will ja auch nichts verharmlosen. Mit Mänaden war nämlich nicht zu spaßen. Nebenbei geht es natürlich auch um die Macht der Musik, die sich im Falle des Orpheus gesondert erwiesen hat.
Der Tod des Orpheus
nach Ov. met. 11
Orpheus schritt, durch Thrakien wandernd, mit verzauberndem Gesang
durch den Wald. Die warme Stimme rührte Stein mit ihrem Klang.
Rings erhallten hohe Bäume, bebend, rauschend, bange raunend,
Und die wilden Tiere wichen, standen still, gezähmt und staunend.
Unter Buchen, Eichen, Föhren
war kein andrer Laut zu hören.
Auf der Höhe eines Hügels kauern nun Kikonenfrauen,
die sich sinnenscharf bemühen, diesen Sänger zu erschauen.
Ihre Brüste, rauschdurchbrandet, brennendheiß vor Todesgier
decken bloß die blut’gen Felle von getötetem Getier.
Selbst zerriss’ne, tote Haut
Lauscht dem sanften, süßen Laut.
Freier Gott, du unser Meister. Mächt’ger Herr, des Weinrauschs Wächter!
Seht, da singt ganz friedlich Orpheus, Freund Apolls und dein Verächter!
Der Mänade Haare wehen in dem Wind, der nun erwacht
Und sie ruft: Laß mich dir reichen den Beweis für Weingotts Macht!
Und den Thyrsos wirft sie wütend,
Über Brand und Rache brütend.
Grüne Blätter großer Bäume spießt der Stab mit scharfem Laut
aber nur ein Mal, ein mattes, setzt er auf des Sängers Haut.
Und die nächste der Mänaden schleudert einen starken Stein,
doch das Lied zum Leierschlage schläfert ihn im Fluge ein.
Und als wollt’ er still ihn grüßen,
liegt er Orpheus stumm zu Füßen.
Wütend schreien die Mänaden, schroffer Urlaut dröhnt ringsum.
Krummgehörnte Pfeifen schallen, und es kracht das Tympanum.
Klatschend schlagen sie die Leiber, lärmender Gesang erklingt,
bis des Orpheus klare Stimme nicht mehr durch das Dröhnen dringt.
Lärmversunken, kann sein Singen
Stock und Stein nicht mehr bezwingen.
Und so treffen die Geschosse hart des Sängers Haupt und Leib,
Einen Erdkloß wirft das eine, einen Ast ein and’res Weib.
Seine Schläfen, seine Augen treffen sie in blanker Wut,
und aus klaffend roten Wunden rinnt des Orpheus warmes Blut.
Wenn auch starker Schmerz ihn sticht,
stockt ihm doch die Stimme nicht.
Voller Haß ergreifen sie und voller Wahn die wilden Tiere,
die dem Orpheus friedlich lauschten im belaubten Waldreviere.
Felle reißen, Blut enthüllend und die bläßlichen Gedärme,
und es schwirr’n herbei in Mengen schwarzer Fliegen große Schwärme.
Und am Boden, blutig, stumm,
liegt des Sängers Publikum.
Auf den Sänger werfen sie die rebengrün umrankten Stäbe,
greifen Steine, Äste, schauen, wo es weit’re Waffen gäbe.
In der Nähe ziehen Rinder ruhig den Pflug durch dunkle Erde -
sie zerfleischen roh die Tiere mit des Wahnsinns Wutgebärde.
Als die Bauern flieh’n, da packen
sie die Karste und die Hacken.
Orpheus, nicht im Singen schweigend, sieht die Weiber wiederkommen,
in der Wildheit ihres Wütens sieht er gleich sein Licht verglommen.
Seine Hände fleh’n erhoben zu den Göttern, die ihn lieben,
Doch der harte Herr der Liebe ist das Schicksal stets geblieben.
Und die hochgereckten Hände
hindern nicht das dunkle Ende.
Wütend krallt mit Eisenklauen die Bacchantin sein Gesicht,
seine Nackenwirbel krachen, und das schlanke Rückgrat bricht,
Augen, Mund und Haare packend, reißen sie den Kopf vom Rumpfe,
und die roten, heißen Wellen strömen sprudelnd aus dem Stumpfe.
In sein Auge, schon gebrochen,
Bohren sich geborst’ne Knochen.
Haupt und Leier schleudern schließlich in den Hebrosfluß die Frauen,
Und es tanzt auf lichter Woge, wiegt sich durch die kühlen Auen.
Da erschallen sanft die Saiten, da ertönt aus totem Munde
noch ein Wehgesang den Wellen, Worte seiner letzten Stunde.
Und die trauernde Kamoene
hört voll Schmerz die holden Töne.
In die Unterwelt steigt Orpheus, die elysischen Gefilde
zu durchsuchen nach dem einen vielbegehrten Schattenbilde.
Sie, Eurydike, umarmt er endlich nach so langer Zeit;
ohne Angst genießen beide nach der Not die Seligkeit.
Nie entschwindet mehr der Schatten
seiner Gattin ihm, dem Gatten.
Bacchus aber, schmerzvoll bebend, rächt den Sänger an den Weibern:
Als sie noch den Wald durchschreiten, weckt er Schmerz in ihren Leibern,
Durch die starren Füße stechen Wurzeln, die den Grund ergreifen,
aus geborst’nen Häuptern brechen Äste, die die Luft durchschweifen.
Sie, die dort als Bäume stehen,
denken stets an ihr Vergehen...
Bis zum nächsten Gedicht, L. G.