Gestern im Theater

  • Hallo, Theaterfreunde!



    In diesem thread können Theaterbesuche beschrieben und/oder bewertet werden (auch wenn sie mehr als einen Tag zurückliegen).



    Gestern war ich im Comoedienhaus im Schloß Wilhelmsbad im Theaterstück "Meisterklasse" von Terrence McNally.
    Es handelt von der Meisterklasse, in der die alternde Maria Callas nach ihrer Karriere unterrichtete. Ich habe hier einen Link zu weiteren Informationen zu dem interessanten Broadway-Stück.
    Die Callas-Darstellerin war hervorragend, großes Schauspielkunst.
    Die anderen Darsteller waren auch im echten Leben Musiker, haben live auf der Bühne Arien gesungen. Und ein Begleitpianist hat mitgespielt (im doppelten Sinne).
    Für Opern-Fans ein tolles Theater-Erlebnis. Wenn man aber mit Callas&Co nichts anfangen kann, entpuppt sich das Werk schnell als nicht sehr einfallsreich...
    Mir hat es jedenfalls gefallen.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hi


    Zitat

    ..., in der die alternde Maria Callas nach ihrer Karriere unterrichtete.


    Ein bißchen mehr Respekt bitte. ;)


    Maria Callas war nicht einmal 50, als sie an der Juillard-School unterrichtete. Sie starb ja unerwartet früh (als gäbe es ein "gefährliches" Alter für Sängerinnen: Lucia Popp und Tatjana Troyanos starben im gleichen Alter wie Maria Callas).

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo!


    Gestern habe ich im Congress Park Hanau Schillers "Jungfrau von Orleans" gesehen, quasi als Abschluß des "Schiller-Jahres" (habe mich tatsächlich dieses Jahr vergleichsweise stark mit Schiller beschäftigt).
    Nun, es ist ein mittelmäßiges Drama, dahingehend hat sich durch den gestrigen Abend in meiner Meinung nichts geändert (manche sagen auch "mißlungenes Drama", aber das ist zu hart).
    Die Inszenierung hat mich aber sehr positiv überrascht. Auf praktisch kahler Bühne wurde das Stück minimalistisch entschlackt dargeboten. Der Text war fast ohne Kürzungen wie im Original belassen, die Kostüme historisch. Dennoch gelang es, das berühmte "Schillersche Pathos" auf ein für heutige Tage akzeptables Maß zu reduzieren. Die Figurenkonstellationen wurden auf der Bühne sehr subtil herausgearbeitet.
    Auf diese Weise ist dann aber die Konzentration des Zuschauers gefordert, es wurden keine optischen Häppchen oder übertriebene Gesten verfüttert. Anscheinend hat dies die meisten überfordert, ansonsten kann ich mir diesen kurzen Applaus für die - wie ich finde - hervorragende Inszenierung nicht erklären. Aber es waren auch viele Schulklassen dabei, die zum Zusehen gezwungen wurden.
    Ich wünsche dem verantwortlichen künstlerischen Leiter (aus Detmold, wenn ich mich recht erinnere) jedenfalls, daß er mal aus der Provinz rauskommt.
    Im Schauspiel Frankfurt sehe ich mir grundsätzlich keine älteren Dramen mehr an. Die Gefahr, eine totale Verunstaltung zu sehen und hören, ist zu groß. Da gehe ich lieber nach Hanau ins Theater, auch wenn die Schauspieler gestern eher zweite Garde waren. Macht aber nichts, außer der Titelheldin wird in Schillers "Johanna" eh keine Figur ordentlich charakterisiert.
    Ach ja, musikalisch wurden zwischen des Szenen Teile eines mir unbekannten modernen Requiems gespielt. Über diesen künstlerischen Kniff grüble ich noch. Einerseits total unpassend, fand ich es doch irgendwie einen interessanten Einfall.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo!


    Nur Theatermuffel hier? Na ja, dann wird dies eben ein Monolog...


    Dürrenmatt: "Play Strindberg" im CP Hanau (14.1.2006)


    Zur Vorbereitung hatte ich das Original, das zweiteilige Drama „Totentanz“ von Strindberg, gelesen, dessen ersten Teil Dürrenmatt in seinem Bühnenstück verarbeitet hat. Aus der bodenlos-bösartigen Ehe-Tragödie hat er eine schwarze Komödie über Ehe-Tragödien gemacht.
    Es ist schon erstaunlich, mit welch kleinen Nuancen-Verschiebungen eine todernste Szene zynisch-lächerlich wird und einem zum Lachen zwingt – ja, zwingt. Mir lag noch Strindbergs Werk schwer im Magen, und ich konnte anfangs über die Scherze gar nicht lachen, aber irgendwann habe ich auch Zugang zu Dürrenmatts persiflierendem Humor gefunden. Köstlich, Dürrenmatts Einfall, den Ehe-Krieg wie einen Boxkampf (in zwölf Runden) einläuten zu lassen. Auch manch anderer Einfall war vortrefflich. Viel (humoristische) Verzerrung des Originals hat Dürrenmatt dadurch geschaffen, dass er einige charakteristische Floskeln von den Hauptdarstellern immer wieder wiederholen ließ (auch in veränderten Rollen). Auch vor Slapstik-Einlagen schreckte er nicht zurück.
    Ich bin sicher, Strindberg hätte Dürrenmatt dafür umgebracht oder zumindest schwer verletzt.
    Ich hatte jedenfalls mein Vergnügen – bis zur Pause (5 Runden). Die restlichen 7 Runden liefen wesentlich schneller und immer einfallsloser ab. Dürrenmatt entfernte sich immer mehr von der Vorlage, und das tat dem Stück nicht gut. Das Ende fand ich richtig schwach.
    Die Inszenierung und besonders die drei hervorragenden Schauspieler (Dürrenmatt reduzierte das Stück auf die drei Hauptakteure) haben mich aber die ganze Zeit begeistert.
    Zum Bühnenbild: Ein Zimmer mit Möblierung der Strindberg-Zeit, alle wesentlichen Kulissen- und Requisitenteile waren vorhanden, wirkte angenehm.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Salut,


    der Threadtitel ist passend, denn ich war gestern im Theater:


    Im "Haus am Westbahnhof" im pfälzer Landau - eine Art Kleinkunstbühne [eigentlich eher Kleinbühne für Kunst] - gab es mein Lieblingsstück:


    Carlo Goldoni
    Der Diener zweier Herren


    mit einem regelrecht jungen Ensemble, alles Laien/Amateure. Nach anfänglichem Zögern aber fühlten sich die Interpreten wirklich zuhause auf der Bühne und die ganze Sache machte den SchauspielerInnen und dem Publikum hörbare Freude. :hahahaha:


    Es wurde eine auf zwei Akte verkürzte, dafür aber recht gute deutsche Version gegeben.


    Dieses Stück ist immer wieder erfreulich! Eigentlich auch unkaputtbar...


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Mir fehlte nur etwas die Musik - die dazu passende aber habe ich bereits "abgespeichert" :D


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo!


    Am Samstag hatte ich im Theater in Wiesbaden eine Aufführung von Kleists Schauspiel "Das Käthchen von Heilbronn" besucht.
    Es war eine recht harmlose Inszenierung mit ein paar Gags an den falschen Stellen, aber das war nciht weiter schlimm.
    Die Schauspielr waren auf akzeptablem Niveau, wenn man bedenkt, daß dies keines der großen Theaterhäuser des Landes ist.
    Die Inszenierung war uneinheitlich, als wäre jede Szene von jemand anderem gestaltet worden. Teilweise wurden gute Regieideen sofort wieder selbst sabotiert...
    Es war eine eher langweilige, durchwachsene Vorstellung. Wie gesagt, einige Gags (eher seichte, harmlose) waren fehl am Platze, ich konnte nicht mitlachen.


    Fairerweise sei gesagt, daß man sich bei Kleists Vorlage schon anstrengen muß, um einen roten Faden in die Inszenierung zu kriegen. Kleist hat das auch nicht gut auf die Reihe gekriegt. Es gibt bessere Dramen von ihm.
    Ob und wie ernst ich dieses Werk nehmen soll, weiß ich nach Lektüre und Theaterbesuch immer noch nicht...


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Heute stand die Ankündigung des Shakespeare-Festivals in Neuss in der Presse. U.A. wird eine Produktion der Bremer Shakespeare Company des "Wintermärchens" aufgeführt. Auf der Homepage sind einige Bilder zu sehen, bemerkenswert finde ich die Darstellung mit Masken. Ich meine, so etwas hätte es vor Jahren mal beim Salzburgfestival in einer Gluck-Oper gegeben. Kennt hier jemand die Shakespeare-Produktion und kann sagen, ob sich der Besuch lohnt? Das Stück wird leider sehr selten aufgeführt...


    Sophia

  • Hi!


    Befand mich neulich in sartres geschlossener gesellschaft und ich war fasziniert von diesem herrlich sarkastischen stück. :yes:


    LG florian


    :hello:

    Gustav Mahler: "Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten."


  • Hallo Florian,


    dann wäre das



    ja vielleicht auch was für Dich ;)


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Eher für die Wiener interessant: "Gefährliche Liebschaften" (Christopher Hampton) im Theater an der Josefstadt. Ich zähle wahrscheinlich zu einer Minderheit, aber mir hat schon die berühmte Verfilmung nicht gefallen :O und auch als Theateraufführung reißt's mich nicht vom Stuhl. Ich kann mich weder mit den Opfern noch mit den Tätern identifizieren, die Charaktere lösen weder positive noch negative Emotionen in mir aus. Außerdem verträgt dieser Plot die Transferierung in die Gegenwart meiner Meinung nach überhaupt nicht. Oder welcher junge Mann (unseres Kulturkreises) wälzt sich heulend auf dem Boden, weil er dahinterkommt, dass seine Angebetete keine Jungfrau mehr ist?? - worauf die "Sünderin" prompt ins Kloster verbannt wird. Und dass im Zeitalter von Handy und e-mails drei Leute nötig sind, um Botschaften zwischen dem Liebespaar hin- und herzuleiten, dünkt mich ebenfalls höchst lächerlich :wacky: . Wenn sich ein Oscar Wilde zu seiner Zeit des Briefromans angenommen hätte, gäbe es wenigstens bissige, sozialkritische Dialoge, aber leider! Was bleibt, sind tolle Schauspieler - ein Genuss, Andrea Jonasson nach so langer Zeit wieder auf der Bühne zu erleben - aber unterm Strich keine Aufführung, die ich mir ein zweites Mal anschauen werde!
    lg Severina :hello:

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  • Hi, Barezzi!


    Danke für die empfehlung =)


    Besorg ich mir mal demnächst :angel:


    LG florian


    :hello:

    Gustav Mahler: "Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten."


  • Servus Florian,


    dann viel Spaß damit und nachher gleich schreiben, wie´s Dir gefallen hat gell ;) :boese2:


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Aus heiterem Himmel verstrickt sich Leontes, König von Sizilien, in den Wahn, dass ihn seine Gemahlin Hermione mit dem seit 9 Monaten zu Besuch weilenden König von Böhmen, seinem Jugendfreund Polixenes, betrügt und von diesem ein Kind erwartet. Leontes befiehlt seinem Diener Camillo, Polixenes zu töten, den beiden gelingt die Flucht nach Böhmen. Hermione kommt ins Gefängnis, gebärt dort ihre Tochter die ihr sofort entzogen wird, ebenso wie auch ihr Kontakt zu ihrer beider Sohn Mamilius. Leontes zweifelt nicht nur an seiner Vaterschaft gegenüber dem Mädchen sondern auch gegenüber Mamilius. Vor der Verurteilung Hermiones wegen Hochverrat beschließt Leontes, das Orakel von Delphi zu befragen. Das Orakel sagt, daß Hermione unschuldig ist und weissagt Leontes, er werde ohne Thronerbe bleiben, `wenn das, was verloren ist, nicht wiedergefunden wird`. Seine Frau bricht wie tot zusammen, Marmilius stirbt.


    Inzwischen hatte Leontes befohlen, das Neugeborene ins Feuer zu werfen, ließ sich dann aber überreden, das Kind auszusetzen. Gefunden wird dies Mädchen mit Papieren über seine Herkunft von einer Schäferfamilie, die das Kind Perdita nennen und großziehen. Zeitsprung: 15 Jahre später: Florizel, der Sohn von Polixenes, und Perdita lernen sich kennen und lieben. Polixenes ist gegen diese unstandesgemäße Verbindung. Das Paar beschließt mit Camillo, der seine Heimat wiedersehen will, nach Sizilien zu fliehen. In Sizilien kommt es bei Leontes, zum Treffen aller, die nach Sizilien nachgereist sind und Auflösung der Konflikte: Perdita ist die Tochter Leontes`, Polixenes ist mit der Heirat einverstanden, und Hermione wird aus ihrer scheintoten Starre zum Leben erweckt.


    Die Handlung ist teilweise hier entnommen:
    http://www.shakespearefestival.de


    Am 19.6.07 wurde das Stück beim Shakespearefestival Neuss von der Bremer Shakespeare Company aufgeführt. Beim Schlußapplaus verneigen sich vier Männer und eine Frau und man fragt sich wo die restlichen Schauspieler sind (das Stück hat 15 Figuren). Die Stück ist gekürzt (Spieldauer ca. 2 1/4 Stunden), kommentierend durch die Handlung führt das Kind Mamilius. Im 1. Akt als aufsässiger Junge, der die Beachtung und Geschenke der zukünftigen Untergebenen, weil sein Vater nicht ewig leben wird wie er sagt, befiehlt. Nach seinem Tod als Engelchen das ansagt und gleichzeitig mit aufstampfenden Fuß feststellen muß `das ist auch blöd, wenn einen keiner sieht und hört`. Gespielt wird mit Gesichtsmasken aus Pappmache. Vor allem die Gesichter der Frauen (Hermione, Perdita, Paulina) wirken holzschnittartig, es gibt große spitze Nasen, Knollen(Clown)Nasen für die Narren, zerfurchte Gesichter. Die Kostüme unterstreichen die gesellschaftliche Stellung: Brokatmäntel für die Herrscher, Bauernkostüme für die Schäfer, ein angedeutetes Clownskostüm für den Gauner/Jongleur Autolycus. Und das Besondere dieser Aufführung war, obwohl Masken starr sind und ihren Ausdruck nicht verändern, verändern sich in der Wahrnehmung des Betrachters die Gesichter und drücken Gefühle aus. Aufgeführt wurde in deutscher Sprache und gut akzentuiert, mit Konzentration auch sehr gut verständlich. Das war aufgrund der Masken - trotz eingearbeitetem Unterkiefergelenk - auch notwendig weil die Stimmen etwas stumpf klangen. Die veränderte Handlung legte einen Schwerpunkt darauf zu zeigen, wie nah sich Tragödie und Komödie sind: der verbohrte Leontes und neben ihm das Dienerpaar Antigonus und Pauline, von denen jeder seine Stellung in der Ehe behaupten will. Der Stummheit der Hermione in allen Szenen - einschl. ihrem letzten Auftritt als weißhaarige alte Frau mit verzeihendem Blick in der Maske - steht die Komik des Mamilius gegenüber der seine Mutter nervt. Der Auftritt von Florizel und Perdita zum Liebesgeständnis auf dem Schäferfest mit einem Dialog, den sie Romeo&Julia gestohlen haben:


    Romeo/Florizel: `ich schwöre [dir meine Liebe] beim Mond`,
    Julia/Perdita: `schwöre nicht beim Mond, dem wechselhaften, der ändert jeden Monat sein Gesicht`.


    worauf sich Lachen im Publikum erhob. Im Schlußbild, tritt nun Perdita als Schwangere auf, und wird auch damit zum Ebenbild ihrer jungen Mutter zu Beginn des Stückes. Und es faßt einen ein Schauder bei dem Gedanken daß sich die Geschichte wiederholen kann. So versöhnlich das Stück schließt, zeigt die Inszenierung im Schlußbild ein "Hamsterrad", die mögliche Tragödie.

  • Zitat

    Original von S.Kirch
    Die Stück ist gekürzt (Spieldauer ca. 2 1/4 Stunden), kommentierend durch die Handlung führt das Kind Mamilius.


    Liebe Sophia,


    wurde eine Begründung für die Kürzung des Stückes gegeben?


    Liebe Grüße
    Peter

  • Lieber Peter,


    eine Begründung für die Kürzungen wurde nicht genannt. Das Programmheft enthält die Übersetzung von von Chris Alexander.


    Vor einigen Jahren sah ich das Stück mal an der RSC, die Spieldauer war ca. 1 Stunde länger. Ich müßte das Stück mal wieder lesen...., die auffälligste Änderung war natürlich das Romeo&Julia Zitat und der Schluß. Die Dialoge fehlen, bis auf die Wiederbelebung der Hermione wird die Handlung von Mamilius zusammengefaßt.


    Mir wurde mal gesagt, daß "Hermione" übersetzt "Säule" bedeutet und damit ein sprechender Name wäre. Weißt Du über die Herkunft dieses Wortes etwas?


    Sophia

  • Zitat

    Original von S.Kirch
    Mir wurde mal gesagt, daß "Hermione" übersetzt "Säule" bedeutet und damit ein sprechender Name wäre. Weißt Du über die Herkunft dieses Wortes etwas?


    Liebe Sophia,


    eine Bedeutung des Namens konnte ich in der Literatur nicht finden. In einem mythologischen Lexikon wurde immerhin die Nähe zu Harmonia genannt (die mythologische Hermione, Tochter des Menelaos und der Helena, findet man in solchen Werken). Die Bedeutung "Säule" konnte ich allerdings nicht verifizieren. Ich denke, dass Shakespeare sie nicht wegen eines "sprechenden" Namens so genannt hat, sondern weil es in der Zeit in Mode war, griechische Namen zu benutzen.


    Liebe Grüße Peter

  • Um es gleich vorweg zu sagen,: ja, es gibt ihn den nackten Männerwald – und zuerst erinnert auch das Arrangement ein wenig an den Düsseldorfer „Macbeth“. Einsam sitzt die Souffleuse in der ersten Reihe (aber die Schauspieler/innen werden sich nur ein einziges Mal zu ihr setzen), zwischen ihr und der Bühne liegen Kleidungsstücke und Requisiten zur Verwendung im Stück bereit und natürlich ist das, was dann etwa drei pausenlose Stunden abläuft, eine Inszenierung, die wohl für Jürgen Gosch typisch ist. Trotzdem – und das ist das Entscheidende – erzählt Gosch die Geschichte von den Irrungen und Wirrungen der Menschen und ihrer Gefühle im Ardenner Wald doch anders, als jene um Macht und Karrieregeilheit am schottischen Hof.


    Die Bühne von Johannes Schütz zeigt einen gleichmässig ausgeleuchteten Sperrholzkasten, der nur nach vorne offen ist. In der Decke ist eine kleine Öffnung, durch die unentwegt, wie bei einer Sanduhr, Sand herunterrieselt. Immer wieder werden sich einzelne Darsteller darunterstellen, quasi als selbstquälerischer Akt. Den Anfang macht Orlando, der sein Schicksal beklagt.


    Langsam füllt sich die Bühne mit den Schauspielern und Schauspielerinnen – und da wir uns im Obstgarten Olivers befinden, spielen sie alle erst mal, genau: Bäume, Obstbäume, oder noch genauer: Apfelbäume. Vögel zwitschern, Bienen summen, ein Specht klopft und der Diener Adam (Oda Thormeyer, die den 80jährigen ganz wunderbar mit wenigen Zügen umreisst), versprüht Unkrautex.


    Das erste Mal bekommt die Inszenierung mächtig Fahrt, als Orlando und Charles in den Ringkampf einsteigen: Charles, hier eine Art Sumo-Ringer (Christoph Franken, der von der Physognomie her wie eine jüngere Ausgabe von Volker Spengler oder Peter Kurth wirkt, gibt den Gewaltmensch überzeugend: immer wieder donnert er sich Äpfel gegen die Stirn, bis diese zerplatzen) und Orlando bekämpfen sich bis aufs Blut, angefeuert von den anderen Mitspielern.


    Die Verwirrnisse nehmen ihren Lauf: Rosalinde verliebt sich in Orlando, der den Ringkampf gewonnen hat. Mit ihrer Cousine verlässt sie den Hof, nicht ohne das Geschlecht gewechselt zu haben – und Katharina Lorenz sieht im schwarzen Anzug mit Krawatte tatsächlich wie ein junger Mann aus. Auch die anderen Bewohner des Schlosses machen sich, unterschiedlich motiviert, auf den Weg in den Ardenner Wald.


    Dieser Wald ist der zentrale Ort der Handlung – ein magischer Ort, voller Geheimnisse. Die Töne die jetzt von den Walddarstellerinnen angeschlagen werden, sind dunkler, auch bedrohlicher. Die Tierstimmen mehr röhrender Hirsch, denn helltönende Vogelstimmen.


    Es ist beeindruckend, mit wie wenig Mitteln Gosch diese Stimmungen erzeugt.


    Im Wald leben Schäfer und Schäferinnen, sie hüten Schafe und Ziegen. Wie jetzt die Schauspielergruppe diese Schafe, die Ziegen, den Hütehund spielen, das ist eine Nummer für sich: blöder blökend und guckend kann man sich eine Schafherde kaum vorstellen – das ist grandioses Theater. Selbst die Schlachtung eines der Tiere oder die Geburt eines Lämmchens kriegen diese Darsteller prima hin.


    Nach einer Stunde ist es dann soweit, die Herren sind ruckzuck aus ihren Klamotten draussen und spielen weiter, wie Gott sie schuf. Einige von ihnen werden sich auch bis zum Ende des Stückes nichts mehr anziehen. Für mich ist es immer wieder faszinierend, miterleben zu können, was an Ausdruck möglich ist, wenn nur der nackte Körper fürs Theaterspielen zur Verfügung steht.


    Sehr gelungen auch das Spiel mit Orlando und Rosalinde (er erkennt sie nicht, hält sie für einen jungen Mann, „sie“ spielt ihm die Frau Rosalinde vor, damit der mit ihr/ihm „üben“ kann, wie das ist, wenn die „echte“ Rosalinde wieder zur Verfügung steht...). Jirka Zett spielt einen spätpubertären, etwas naiven Orlando, dem man gerne glaubt, dass er nicht so genau weiss, ob er sich zu dem jungen Mann oder zu Rosalinde hingezogen fühlt, ohne zu ahnen, dass beide ein und dieselbe Person sind.


    Rosalinde wird das Rätsel ihrer Geschlechtsidentität eindeutig auflösen: splitterfasernackt zeigt sie sich am Ende.


    Der Abend läuft völlig ohne Längen ab, ein Einfall jagt den nächsten – und das Beste: die Handlung bleibt klar verfolgbar, auch dort, wo die Schauspieler mehrere Rollen spielen. Das ist überhaupt das bemerkenswerteste an der Inszenierungskunst von Jürgen Gosch: wie er aus den Schauspielerinnen und Schauspielern alles herausholt, wie er mit kleinen Veränderungen schafft, dass z. B. eine Schauspielerin sowohl einen 80jährigen Diener und eine jugendliche Ziegenhirtin mit eingeschränkter Intelligenz (Oda Thormeyer) perfekt gestalten kann.


    Starker Beifall vom Publikum für eine starke Inszenierung.

  • Der Theaterskandal war gestern abend perfekt: :D


    Angekündigt war Lessings Minna von Barnhelm und auf der Bühne erlebte ich ---



    LESSING!!!!



    Ironie beiseite:


    In einer klassischen Inszenierung brachte das Südostbayerische Städtetheater in der Regie von Patrick Guinand und der Ausstattung von Pierre Albert tatsächlich die Komödie von Gotthold Ephraim Lessing auf die Bühne - nicht mehr und nicht weniger und vor allem: nichts anderes! Es tat wohl, sich ganz auf die wundervollen Dialoge Lessings konzentrieren zu können.


    Eine rundum gelungene Aufführung mit guten, rollendeckend besetzten Schauspielern, die ich nur jedem (auch) am Schauspiel interessierten wärmstens empfehlen kann!


    Schade nur, dass vor halbleerem Haus gespielt werden musste....


    Weitere Termine


    Landshut: 22.09., 23.09. (18.00), 6.10., 7.10. (18.00), 13.10., 14.10. (16.00) 2007, 25.01., 26.01., 15.03., 16.03. (18.00), 2.05., 23.05.2008


    Passau: 28.10. (18.00), 7.12., 8.12. (18.00) 2007, 4.01., 17.01. (18.00), 29.02., 11.03. (19.00) 2008


    Alle Vorstellungen um 19.30 Uhr, wenn nicht anders angegeben.



    LG, Elisabeth

  • Gestern gab's eine Freilicht-Aufführung im Illenau-Gelände:


    DER DIENER ZWEIER HERREN


    Komödie in 3 Akten, frei nach Carlo Goldoni von Alisan Erdogan.


    Daß es sich dabei um mein Lieblingsstück handelt, ist ja bekannt. Die Beabeitung von Erdogan war geglückt: Zwar war die Umbenennung sämtlicher Protagonisten m. E. überflüssig, passte aber dennoch zum Stück [ich hielt die Namen erst für die Interpreten und dachte, es handele sich womöglich um eine Darbietung in italiensicher Sprache :rolleyes: ].


    Die anfängliche Verwicklung des Stücks wurde sehr logisch seziert und plastisch auf andere Weise dargeboten, ansonsten folgte man weitestgehend dem Original Goldonis. Zudem wurde das Stück mit "Musik" versorgt, auch durchaus passend, allerdings doch an einer Stelle so urkomisch, daß mir die Tränen unaufhaltsam aus den Augen rannen und mein Zwerchfell einen ASD-ähnlichen Schockzustand erlitt... Des Publikums Blicke wanderten hin und her: vom Unverständnis mir gegenüber wieder mit erwartungsvoller Miene hin zum bierernsten Blockflöteninterpreten auf der Bühne und zurück...


    Insgesamt sehr gelungen!


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • ...also ich erinnere mich an mindestens einen weiteren Zuschauer, der das Blockflötensolo mit gepressten Quietschlauten störte.


    ...ich dachte, mich verreisst's :D


    Ich finde das Comedy-Potential der Blockflöte wurde von den Regisseuren bislang unterschätzt ...

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  • n`abnd :)


    Das neue Stück von R.Harwood (u.a. "Der Fall Furtwängler", auch Drehbuch zu "Der Pianist" (Regie Polanski ??))
    hatte in der Regie von Wolfgang Engel (u.a. bis 2008 13 Jahre Indentant des Schauspielhauses Leipzig) u.u.a. mit Peter Bause (Ex "Berliner Ensemble") am 10./11.d.M. im Theater Schweinfurt seine Tourneepremiere...


    Anläßlich der Vorpremiere im Okt.d.v.J. in Essen schrieb Stefan Keim in "Die dt.Bühne":


    "Die Zusammenarbeit und die Freundschaft von Zweig und Strauss in barbarischen Zeiten ist das Thema von Harwoods Drama ...
    bis zur Pause herrscht ein leichter, fast komödiantischer Tonfall. Dann zieht die Spannung fulminant an, bis zu einem überwältigenden Monolog ...
    eine perfekt besetzte, stimmige Inszenierung, eine Perle des Tourneetheaters"


    :yes: :yes:
    micha

  • Unterfranken liegt außerhalb meiner Reichweite - kennst Du einen Tourneeplan? Kommen die noch mal nach NRW?


    Das Thema finde ich durchaus interessant.

  • m o r g e n in der Stadthalle in Olpe,
    übermorgen in der Festhalle Opladen,
    am 22.02. im Kultur- und Medienzentrum in Pulheim
    sonst??
    - so um den 25.02. rum ist dann jedenfalls erstma Schluß / im März 2011 touren sie dann für ca. 3 Wochen erneut...


    ist übrigens eine Produktion des "EURO-Studio Landgraf"


    - - so mehr weiß ich selbst nicht...


    (um diese "Tourneetheater" hab ich - entspr. verwöhnt, hab ja 20 Jahre im Revier gelebt - lange Jahre große Bögen gemacht,
    aber die Aufführung jetzt am 10. war schon klasse!!)


    tschüssle :)
    micha

  • Ich habe es dann heute getan: ich habe mir 'Kollaboration' in Opladen angetan.


    Zuerst waren wir etwas skeptisch, ob des etwas nüchternen Schul-Aula-Ambientes.


    Dann hat mich das Stück aber von der ersten bis zur letzten Minute ergriffen und gepackt.


    Ich bin bekennender Strauss-Fan, hat man ja vielleicht schon an den Äußerungen hier im Forum bemerkt.


    Meiner Ansicht nach wird das Thema "Strauss und die Machthaber" und "Strauss und Stefan Zweig" ausgesprochen sensibel angegangen.
    Das ist aber kein 'Guido Knop', das ist Konversationstheater und - meiner Ansicht nach - auch Drama, vor allem in der zweiten Hälfte.


    Jedem, der sich für das Thema interessiert, kann ich dieses Stück nur wärmstens ans Herz legen.


    pieter.grimes: Herzlichen Dank für den Hinweis!

  • Bittschön sehr gern geschehn :hello: :hello: :hello:


    YEPP diese Tourneetheater(chen) sollte man im Auge behalten
    - wenn ich auch nur "auf gut Glück" mir da wohl nix ansehen werde...
    - gelegentlich mgl.erweise tatsächlich Tummelplätze für ausgebrannte Mimen


    - aber dann auch mal wieder mit Darstellerin (u. ein Peter Bause gehört da sicher dazu !), denen ihre Kunst wahrlich nicht abhanden gekommen ist,
    die "nur" - aus welchen Gründen i.E. auch immer - keine Lust/Gelegenheit (mehr) haben,
    1) sich irgendwo in ein festes Ensemble einzufügen
    2) mit Hilfe von Kino/TV den großen Zaster zu machen...



    BTW ...falls hier ab und an Leut`aus Unterfranken/Umgebung mitlesen...


    Besagte Inszenierung gastiert jetzt am 01.02. im (z.B. dafür nun wahrlich bestens geeigneten !) Kurtheater Bad Kissingen
    (übr. ebenso ein Max Littmann Bau wie z.B. das Nationaltheater Weimar oder das Staatstheater Stuttgart)


    micha