Der TAMINO-Advents-Kalender 2009

  • Erstes Türchen: 01.12.2009


    Es begab sich zu jener Zeit (irgendwann in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts) eine Person zum Stadtzentrum.
    Was sie hörte, war Weihnachtsmusik. Sie schallte aus unzähligen Lautsprechern. Jeder Laden, so schien es, hatte seine eigene Musik ausgewählt. Was bedeutete, daß man alle zehn Meter wieder was anders hörte.


    Meist war es billige Popmusik. Das schlimmste aber war, daß es nicht nur das war. Nein, manchmal hörte man einen Kinderchor singen. Schrille Stimmen, die oft durch eine Combo unterstützt wurden. Und so falsch sangen sie...


    Diese schrillen Stimmen übertönten für mich - denn ich war jene Person - alles. Natürlich hörte ich immer mehrere Lautsprecher gleichzeitig. Und doch wäre der, der gleich neben mir auf maximaler Lautstärke brüllte nicht so schlimm, wie derjenige 10 Meter weiter, wo leise ein Kinderchor tönte. Der war für mich, trotz der geringeren Lautstärke, schlimmer. Denn meine Ohren filterten selektiv das schrille und falsche heraus - furchtbar.


    Kurzum, nachdem ich mehrere Jahren gelitten hatte, war der Eindruck bei mir gefestigt, daß es jedes Jahr noch schlimmer wurde. Das war doch nicht mehr auszuhalten!


    Und darum begab ich mich also zu jener Weihnachtszeit zum Stadtzentrum. Denn dort hatte mein Musiklieferant seinen Laden.
    Dort angekommen, fragte ich, ob er eine LP (es gab ja noch nicht CDs) hatte, worauf ein Kinderchor sang. Ein Chor, der erstens nicht falsch sang; zweitens Maß halten konnte, und wo drittens die Weihnachtsmusik nicht populär bearbeitet, sondern auf klassische Weise ausgeführt wurde.


    Er suchte geraume Zeit, und entdeckte schließlich eine Französische LP. Darauf sang der Kinderchor Erich Bender. War es Deutsch? Kam es aus Elsass-Lothringen? Keine blasse Ahnung. Für mich jedenfalls klang es perfekt!!!
    Noch in derselben Woche war ich wieder bei ihm, denn ich wollte mehr »klassische« Weihnachtsmusik haben. Diesmal von berühmten Sängern. Und so bekam ich eine LP von Domingo mit den Wiener Sängerknaben sowie Pavarotti mit irgendeinem Kanadischen Knabenchor. LPs, die ich übrigens später durch die CD-Ausgabe der LP ersetzen konnte.


    Die Musik begeisterte mich. Soo sollte Weihnachtsmusik klingen.
    Nachdem ich einige Tagen davon genossen hatte, fand ich mich selbst doch einen großen Egoisten. Ich hörte wunderschöne Musik, und Menschen, von denen ich wußte, daß sie diese Musik auch sehr schätzen würden, konnten davon nicht genießen.
    Und so entschied ich mich, eine Auswahl auf Tonband aufzunehmen. Das Tonband wurde nachher gedreht, und zugleich wurde die Musik auf Musikkassette aufgenommen. Danach habe ich einigen Menschen als Weihnachtsgruß eine Musikkassette geschickt.


    Seitdem hab ich mehr oder wenig unregelmäßig dieses Verfahren wiederholt. Waren es zuerst Musikkassetten, später wurden es CDs.
    Das Prinzip aber blieb gleich: Möge die Musik die Menschen ein richtiges Weihnachtsgefühl geben. Ohne daß sie abgelenkt werden wegen schlechten Singens.


    In diesem Sinne wünsche ich Euch deshalb ein Gesegnetes Weihnachtsfest.


    LG, Paul


  • Das 2. Türchen öffnet sich mit einem Schulaufsatz


    Der Adpfent


    Der Adpfent ist die schönste Zeit im Winter. Die meist'n Leut haben im Winter eine Grippe. Die ist mit Fieber. Wir haben auch eine, aber die ist mit Beleuchtung und man schreibt sie mit K.


    Drei Wochen bevor das Christkindl kommt, stellt Papa die Krippe im Wohnzimmer auf und meine kleine Schwester und ich dürfen mithelfen.
    Viel Krippen sind langweilig, aber die unsere nicht, weil wir haben mords tolle Figuren darin.


    Ich habe einmal den Josef und das Christkindl auf den Ofen gestellt, damit sie es schön warm haben und es war ihnen zu heiß. Das Christkindl ist schwarz geworden und den Josef hat es in lauter Trümmer zerrissen. Ein Fuß von ihm ist bis in den Plätzlteig geflogen und es war kein schöner Anblick. Meine Mama hat mich geschimpft und gesagt, dass nicht einmal die Heiligen vor meiner Blödheit sicher sind.


    Wenn Maria ohne Mann und ohne Kind herumsteht, schaut es nicht gut aus. Aber ich habe gottseidank viele Figuren in meiner Spielkiste und der Josef ist jetzt Donald Duck.


    Als Christkind wollte ich den Asterix nehmen, weil der ist als einziger so klein, dass er in den Futtertrog gepasst hätte. Da hat meine Mama gesagt, man kann doch als Christkindl keinen Asterix hernehmen, da ist ja das verbrannte Christkindl noch besser. Es ist zwar schwarz, aber immerhin ein Christkindl.
    Hinter dem Christkindl stehen zwei Ox'n, ein Esel, ein Nilpferd und ein Brontosaurier. Das Nilpferd und den Saurier habe ich hineingestellt, weil der Ox und der Esel waren mir allein zu langweilig.


    Links neben dem Stall kommen gerade die heiligen drei Könige daher. Ein König ist dem Papa im letzten Adpfent beim Putzen heruntergefallen und er war dodal hin. Jetzt haben wir nur mehr zwei heilige Könige und einen heiligen Batman als Ersatz.


    Normal haben die heiligen Könige einen Haufen Zeug für das Christkindl dabei, nämlich Gold, Weihrauch und Pürree oder so ähnlich. Von den unseren hat einer anstatt Gold ein Kaugummipapierl dabei, das glänzt auch schön. Der andere hat eine Marlboro in der Hand, weil wir keinen Weihrauch haben. Aber die Marlboro raucht auch schön, wenn man sie anzündet.


    Der heilige Batmann hat eine Pistole dabei. Das ist zwar kein Geschenk für das Christkindl, aber damit kann er es vor dem Saurier beschützen.


    Hinter den drei Heiligen sind ein paar rothäutige Indianer und ein kaasiger Engel. Dem Engel ist ein Fuß abgebrochen, darum haben wir ihn auf ein Motorrad gesetzt, damit er sich leichter tut. Mit dem Motorrad kann er fahren, wenn er nicht gerade fliegt.


    Rechts neben den Stall haben wir ein Rotkäppchen hingestellt. Sie hat eine Pizza und drei Weißbier für die Oma dabei. Einen Wolf haben wir nicht, darum lurt hinter dem Baum ein Bummerl als Ersatz-Wolf hervor.


    Mehr steht in unserer Krippe nicht, aber das reicht voll. Am Abend schalten wir die Lampe an und dann ist unsere Krippe erst so richtig schön. Wir sitzen so herum und singen Lieder vom Adpfent. Manche gefallen mir, aber die meisten sind mir zu lusert. Mein Opa hat mir ein Gedicht vom Adpfent gelernt und es geht so:


    "Adpfent, Adpfent, der Bärwurz brennt.
    Erst trinkst oan, dann zwoa, drei, vier,
    dann hautsde mit deim Hirn an'd Tür!"


    Obwohl dieses Gedicht recht schön ist, hat Muata g'sagt, dass ich es mir nicht merken darf.


    Bis man schaut, ist der Adpfent vorbei und Weihnachten auch und mit dem Jahr geht es dahin. Die Geschenke sind ausgepackt und man kriegt vor Ostern nichts mehr, höchstens wenn man vorher Geburtstag hat.
    Aber eins ist g'wiss: Der Adpfent kommt immer wieder.


    __________________
    viele Grüsse
    musica

  • Ein Knusperhaus aus Schokolade


    Jeder kennt wohl das Märchen von Hänsel und Gretel und dem Hexenhaus, das über und über mit Naschwerk geschmückt ist. Alle Jahre wieder finden sich in den Schaufenstern von Konditoreien solche Hexenhäuser, zumeist aus Lebkuchen.


    Meine Oma allerdings baute Knusperhäuser aus Schokolade. Ihr Bruder – ein Konditormeister – verkaufte solche Knusperhäuser zur Weihnachtszeit in seiner Konditorei. Als meine Oma nun tatsächlich Oma wurde – es kamen die Enkel zur Welt – begann sie, selber zur Tat zu schreiten und baute zu Weihnachten: Knusperhäuser. Für die Enkel. Als ältester dieser Enkelgeneration war ich der erste, bei dem ein solches Haus unter dem Weihnachtsbaum stand.


    Schokolade duftet schon sehr gut. Und intensiv. Und all' die süßen Sachen, mit denen die Häuser beklebt waren. Ein wunderbarer Duft, der sich mit dem des Weihnachtsbaumes und der Kerzen mischte.


    Zwölf Jahre lang bekam ich jedes Jahr ein Knusperhaus aus Schokolade, dann wurde die Oma müde. Es gab keine Häuser mehr. Ein wenig wehmütig hatte es damit für mich ein Bewenden, bis ich ein paar Jahre später, verdrossen über die in den Geschäften angebotenen Häuser, auf die Idee verfiel, selber so etwas zu machen.


    Es war Advent. Mit müdem Lächeln und dem Kommentar: „Das schaffst Du nicht“ rückte Oma ihre alten Pappschablonen raus, die es braucht, um die Schokolade in Form zu schneiden. Damals hatte ich von Schokolade überhaupt keine Ahnung und brauchte für ein einziges Haus – mein erstes- 2,5 Kilo Kuvertüre – daraus baue ich heute vier, aber es hatte geklappt. In den Folgejahren hatte ich dann meinerseits zu Weihnachten mindestens vier dieser Häuser gebaut (die sehr gerührte und damals über 80jährige Oma war auch eine der Adressatinnen). Auch wenn ich jetzt schon länger für diese Zwecke keine Kuvertüre mehr geschmolzen habe, nehme ich es mir doch jedes Jahr wieder vor. Ein alter schöner Zauber liegt über diesen Erinnerungen.


    Denjenigen, die nun Lust bekommen haben, so etwas in der Weihnachtszeit zu bauen, verrate ich nun, wie es geht. Der Aufwand ist im Grunde jedoch nur zu rechtfertigen, wenn man mehrere dieser Häuser baut. Und man braucht ein wenig Fingerspitzengefühl. Und sonst? Nun, 2,5 kg Bitterkuvertüre, Eiweiß, Puderzucker, Weinsteinsäure. Im Übrigen, sozusagen als Werkzeug, Tortenspachtel, Messer, Backpapier, Spritzbeutel und Geduld. Um das Haus bewohnt erscheinen zu lassen, kann man sich die erforderlichen Figuren auf Weihnachtsmärkten oder in Fachgeschäften für Bastelbedarf besorgen. So ein Figurensatz besteht aus Hänsel, Gretel, der Hexe und einer Katze.


    Aus Pappe schneidet man sich Schablonen für die vier Wände und die beiden Dachflächen (meine eigenen, alten habe ich letztens gescannt. Wer also Interesse hat…)


    Zunächst muß die Kuvertüre im Wasserbad geschmolzen werden; idealerweise wird sie vorher grob zerhackt. Einen Tipp dazu gibt es hier.Inzwischen wird auf dem Arbeitstisch Backpapier ausgerollt und pro Knusperhaushaus mittels der Schablone in fünf Stücke geteilt: je eines für die beiden Giebelwände; je eines für die beiden Dachplatten; aus dem fünften Stück werden die beiden Seitenwände geschnitten. Klar, dass die Backpapierunterlagen deutlich größer sein müssen als die aus der Schokoladenplatte herauszuschneidende Form.


    Die angegebene Menge Kuvertüre reicht, bei geschickter Haushaltung, für vier Hexenhäuser. Die flüssige Schokolade wird auf das Backpapier gegossen und mit einem Tortenspachtel gleichmäßig verstrichen. Auch hier sollte die Fläche sollte größer sein als die Form, die aus ihr herausgeschnitten wird. Der Guss der richtigen Wandstärke ist Gefühlssache, sie sollte nicht dünn sein.
    Die gegossenen Platten nun abkühlen, jedoch nicht durch härten lassen. Schablonen auf die Platten legen, wenn diese steif, aber noch weich sind, und dann mit einem Messer ausschneiden. Dabei auch auf die Feinheiten achten (Eingangstür, Seitenfenster). Die ausgeschnittene Tür aufbewahren und mit den übrigen Bauteilen hart werden lassen; die abgeschnittenen Schokoladenüberstände können wieder im Wasserbad eingeschmolzen werden.


    Das Hexenhaus braucht eine Bodenplatte, die wir nicht aus Schokolade gießen, sondern für die wir ein Stück Pappe mit Alufolie umwickeln.
    Für den Kleber, der das Bauwerk später zusammenhalten soll, benötigen wir Eiweiß und Puderzucker. Damit das Ganze nicht zu süß wird, sollte Weinsteinsäure in die Masse gerührt werden. Mit dem Rührgerät aus diesen Zutaten eine zähe, steife Masse rühren.


    Ein Tipp: Beim Zusammenbauen Handschuhe anziehen, allerdings nicht unbedingt Strickfäustlinge. Schokolade schmilzt, wenn wir mit bloßen Händen Druck darauf ausüben.


    Nun stellt man die beiden Giebel- und die beiden Seitenwände auf. Bei den Giebeln werden die beiden Unterkanten mit dem Kleber bestrichen, bei den Seitenwänden auch die Seitenkanten, mit denen sie an den Giebel stoßen. Am schwierigsten ist das Dach, da die Gesetze der Schwerkraft auch für Schokolade gelten und die Dachplatten die verhängnisvolle Neigung entwickeln, auf der Giebelschräge herabzurutschen. Ein Tipp: Giebelkanten mit Kleber bestreichen, Dachplatte aufsetzen und sofort wieder herunternehmen. Kurz anziehen lassen (ein wenig von dem Kleber ist nämlich jetzt auch auf der Dachplatte) und das Ganze wiederholen. Wenn nun alle Teile zusammengesetzt sind, sollte man das Haus einen Tag in Ruhe lassen, damit der Kleber durch härten kann.


    Danach kommt der Teil der Arbeit, bei dem der eigenen Phantasie kaum noch Grenzen gesetzt sind. Das Haus kann nun mit Süßigkeiten beklebt oder mit Zuckerguss bemalt oder beschriftet werden. Für den Fall, dass bei der Arbeit einmal ein Haus einstürzen sollte (was anfangs vorkommen kann): Betreibt Schadensbegrenzung und genießt die Schokolade, ehe es zu spät ist. So manches Hexenhaus, das zu Weihnachten in süßer Pracht erstrahlte, ist nie gegessen worden, weil niemand sich traute - auch nach den Festtagen nicht -, zur notwendigen Demontage zu schreiten.



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Barbaratag


    Das heutige Adventstürchen ist der Patronin des 4. Dezember gewidmet, denn der 4. Dezember ist Barbaratag. Dabei habe ich es gar nicht mit Namenstagen. Meinen eigenen – Thomas von Aquin, nicht der Apostel (da bestehe ich drauf) – habe ich gar nicht mehr im Bewusstsein, seit er nicht mehr am 7. März begangen wird.


    Barbara ist eine Heilige, die im Ruhrgebiet eine der wichtigsten ist. Wenn ich ehrlich bin: eine wichtigere fällt mir nicht ein, denn Barbara ist die Schutzpatronin der Bergleute. In meiner Generation gab es im Ruhrgebiet wohl niemanden, der nicht um zehn Ecken mit jemandem verwandt war, der im Bergbau arbeitete. Ein kleines gekreuztes Gezähe (Eisen und Schlegel) mit einer daran hängenden Leuchte hing bis vor wenigen Jahren selbst bei mir noch in der Wohnung. Wo die Holzfigur der Barbara hingekommen ist, die unverrückbar bei den Großeltern an zentraler Stelle im Esszimmer stand, vermag ich nicht zu sagen.


    Es ist ja das Kennzeichen der meisten moderneren Heiligenbildnisse – jedenfalls derer, die man sich so in die Wohnung stellt - das sie so unglaublich milde und entrückt wirken. Bei dem Martyrium der Barbara ist das eigentlich nicht vorstellbar, und die ganze Barbarei, die sich die christliche Gesichtsschreibung da ersonnen hat, um die Heilige zu erhöhen, werde ich hier auch nicht referieren.


    Erinnern möchte ich an die Heilige mit einem Gedicht, dass sich auf einen Teil der Barbaralegende bezieht: während ihrer Flucht und Verfolgung blieb Barbara mit ihrem Gewand an einem Zweig hängen und brach ihn ab. Sie nahm diesen Zweig und stelle ihn ins Wasser. Am Tag ihrer Verurteilung zum Tode schlug dieser Zweig aus und blühte. Diese Sitte der Barbarazweige kannten wir im Ruhrgebiet natürlich auch: von einem Obstbaum wurde am 4.12. ein Zweig abgeschnitten und man glaubte, dass dieser Zweig zu Heiligabend blühen würde. Meine eigene Erinnerung kann das nun weder bezeugen noch widerlegen, meine Erwartungen waren auf ganz Anderes gerichtet.


    Der Barbaratag steht am Beginn des Advents; das Gedicht von Hans Carossa fasst die Hoffnungen des Advents ausgehend von den Kirschzweigen auf eine Weise zusammen, wie sie wohl nur dem Gedicht gegeben ist:


    Barbaratag von Hans Carossa


    Kirschenzweige bringt ein Mädchen
    Über kahle kalte Heide.
    Dämmertag ist Nacht geworden
    Dörfchen blinkt wie Lichtgeschmeide

    Engelstimme singt vom Himmel:
    Dunkler Reiser, seid erkoren.
    Staubverweht sind lang die Blumen,
    Feld und Garten eingefroren.

    Ihr nur werdet grünend leben,
    wenn der Erde Pflanzen fehlen.
    Heilige Nacht wird Blüten treiben,
    und ein Glück kommt in die Seelen.

    Letztes Rot verlischt am Walde
    Ton in Lüften bebt entschwindend.
    Über die verhüllte Heide
    Haucht der Bergwind, Schnee verkündend.



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Entschuldigt, dass es schon fast Mittag ist, aber ich bin jetzt das erste Mal seit Donnerstag wieder an meinem privaten Rechner. Nundenn, hier meine Gedanken:


    Die Angst jedes Menschen, der etwas schreiben soll: das Blatt ist leer - und der Kopf steht in nichts nach.


    Was kann man denn für eine Geschichte finden, die zur Fünf passt?


    Die Cafèküche - ein meditativer Ort


    Wie so oft, kam eine Idee dann freitags in der Cafèküche. Ein geradezu meditativer Ort. Der Kunde, bei dem ich eingesetzt bin, hat eine Pinwand in der Cafèküche.
    Da finden sich in friedlicher Eintracht nebeneinander ein Plakat, das auf ein weihnachtliches Konzert im bergischen Land hinweist, und ein vom Arbeitgeber hingehängtes Plakat mit der Aufschrift "Wenn dat Trömmelsche jeht..." (für die, die nicht aus dem Rheinland stammen: der Anfang eines traditionellen Kölschen Karnevalsliedes), mit dem auf die alljährliche Firmen-Karnevalsfeier hingewiesen wird, zu der man sich langsam anmelden sollte, der Februar kommt schneller, als man denkt!
    Auf den ersten Blick fand ich dieses Nebeneinander befremdlich, wie kann man denn im Advent an Karneval denken?!?


    Die Fünfte Jahreszeit


    Ich suchte doch was zur Fünf -: also schauen wir, wie es sich in Köln gehört, auf die "Fünfte Jahreszeit", die rheinische Karnevals-Session (bitte nicht Säschen ausprechen, sondern Sess-i-on!).
    Was hat denn Karneval mit Weihnachten zu tun? Nichts? Gefehlt.


    Das Rheinland ist von vielen Dingen geprägt worden, aber es gab kaum eine so lange Besatzungszeit, wie die Römische. Kriegerisch begonnen, lief es wie so oft im Rheinland: man arrangiert sich.
    Köln (unter dem römischen Namen Colonia Claudia Ara Agrippinensium - eine schöne Rekonstruktion gibt es in [URL=http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Roman_Cologne,_reconstruction.JPG&filetimestamp=20060819161600]Wikipedia[/URL]) wurde eine der Römischsten Residenzstätte des Weltreichs.


    Zu Gast bei Römers


    Wir sind zu Gast im Hause eines Wohlhabenden Kölner Patriziers, eines der beiden Duoviri, der Stadtherren.
    Es gibt eine große Abendgesellschaft in lockerer Athmosphäre. Die Stimmung ist aufgeheizt, die Kleidung locker bis dürftig, hier dürfen heute sogar die Frauen der geladenen Gäste mit zu Tische liegen, man gibt sich fortschrittlich. Alkohol bekommen die Frauen nicht, das ginge dann doch zu weit, aber etwas sehr verdünnten Wein dürfen sie trinken, man soll ja nicht dürsten, oder sich an etwas Most laben.
    Die Weinlese an der Mosel war reichhaltig, es gibt vieles, wofür man den Göttern dieses Jahr danken kann. Ein gutes Jahr. Traian auf der Höhe seiner Macht, es Herrscht Frieden im Reich, mit den Germanen hat man sich - natürlich - arrangiert und treibt reichen Handel. Einige (legal erworbene) germanische Sklavenmädchen bedienen und unterhalten die Herrschaft, es gibt Musik und Tanz.
    Aber was ist anders als bei anderen Festen? Liegen da Sklaven zwischen den Herren auf den Clinen (Liegen)? Ja - auf dem Ehrenplatz des Abends liegt nicht der ebenfalls geladene kaiserliche Statthalter, wie es sich gehört hätte, sondern - ein Sklave!
    Der Sekretär des Hausherrn liegt bekränzt und weinselig auf dem Ehrenplatz, läßt es sich schmecken und gibt seltsame Befehle, denen alle Folgen. Sie nennen ihn "Trinkkönig" und lassen sich befehlen, nur noch rückwärts zu sprechen, einen Becher Wein auf Ex zu leeren, ins Impluvium (das Wassersammelbecken im Atrium) zu springen und so weiter? Wie kann das sein?


    Die Saturnalien


    Die Antwort liegt darin, welchem Gott man hier huldigt: man dankt Saturn für den glücklichen Verlauf des Jahres. Es ist der 17.Dezember des Jahres 1xx (in unserer Zeitrechnung) - es ist das Auftaktfest zu den Saturnalien, das bis zum 22.Dezember dauern wird.
    Die Römer kannten verschieden Typen von Tagen: Werktage, die meisten, Feiertage, an denen Geschäfte zu tätigen erlaubt war (vielleicht unseren Samstagen vergleichbar), und Feiertage, an denen alle Geschäfte zu ruhen hatten. Die Saturnalien gehörten zu letzterer Kategorie, sogar die Schulen hatten geschlossen, was nicht mal an den anderen vergleichbaren Feiertagen der Fall sein musste,
    An diesen Tagen durften sich die Sklaven wie Herren bedienen. Manche ließen sich sogar von der Herrschaft bedienen. Das galt allerdings i.A. nur in den Städten, wo die Haussklaven ein viel engeres Verhältnis zur Herrschaft hatten als auf dem Lande. Hier gab es meistens nur Extrarationen für die Sklaven zu den Saturnalien.


    Ich will hier nicht auf das inhomogene Bild römischer Sklavenschicksale eingehen, auch nicht auf die psychologische Bedeutung des Festes als Ventil gegen das Gefühl der Unterdrückung, so dass sich jahrhundertelang die Sklaven nicht ernsthaft gegen ihr Schicksal erhoben. [Wer sich dafür interessiert, der sei auf dieses Buch als Einstieg verwiesen: Karl-Wilhelm Weeber: Alltag im Alten Rom - ein Lexikon; Artemis & Winkler, Zürich 1995 - ein brilliantes Lesebuch als Einstieg, in dem man sich sofort festliest!]


    Aber die Charakteristika dieses Festes - Mummenschanz, Ausgelassenheit, lockere Sitten (sogar öffentliches Glücksspiel war währende der Tage erlaubt - aber wehe, man fand kein Ende nach den Feiertagen!) und vor allem vollkomme Aufhebung von Standesunterschieden in einer streng nach Ständen organisierten Gesellschaft - haben sich bis in unsere Tage im Karneval enthalten.


    Und Weihnachten?


    Die Saturnalien heute


    Es ist kein Zufall, dass die neue Religionsgemeinschaft, die sich im Reich anschickte, alle anderen Glauben zu verdrängen, das Christentum, sich vieler infrastruktureller Einrichtungen der Römer bediente.
    (Übrigens waren auch bei den Christen anfangs Herren und Sklaven vor Gott gleich - aber auf Erden keineswegs!)
    Man wählte den Termin der Saturnalien, um die Geburt Christi zu feiern, obgleich das vermutlich keineswegs der richtige Geburtstag war.
    Dieses Fest kannten die Menschen, sie feierten es als Fest des Friedens, man ging aus dem Alltag in ein rauschendes Fest - ein Fest des Friedens.
    Ein Fest, an dem man Saturn für die Gaben dankte, eignete sich hervorragend als Fest, an dem man dem einen Gott dankt, der uns nach christlicher Legende seinen Sohn geschenkt hat.


    Übrigens machte man sich an den Saturnalien Geschenke. Anfangs waren das vor allem kleine Devotionalien, Tonfigürchen etc., später auch Luxus-Nahrungsmittel, Kleidung und immer reichhaltigere Geschenke.
    Es gab ganze Einkaufsviertel, die sich auf Saturnaliengeschenke spezialisiert hatten! Wer sich mit römischer Geschichte befasst, wird immer wieder auf faszinierende - und erschreckende - Parallelen zu unserer Gesellschaft stoßen.


    Wenn Ihr Euch also fragt, warum Ihr zu Weihnachten zusammen mit abertausenden Gleichgesinnten durch die Innenstädte hetzt um noch schnell ein paar Geschenke zu erwerben, denkt einen Moment an die alten Römer, die Euch das eingebrockt haben.


    Und so waren die Römischen Saturnalien letztlich Vorläufer von zwei wichtigen Christlichen Festen - Weihnachten und dem Karneval.
    Wie anders könnte man sich erklären, was man da in Köln auf dem Weihnachtsmarkt sieht: zwischen Krippen und Räucherkerzen laufen Menschen mit roten Nikolausmützen mit roten Leuchtbändern, blinken Rentiergeweihen auf dem Kopf oder blinken roten Herzchen am Kragen durch die Gegend!


    Da schließt sich der Kreis.


    Mit diesen Gedanken schaue ich versöhnt und in mich hineinlächelnd auf die beiden nebeneinander hängenden Plakate.


    Wenn man auch kein gläubiger Mensch ist: Weihachten ist ein Fest, das jedem Menschen etwas geben kann: ein Bewusstsein, dass doch alle Menschen eigentlich gleich sind, eine Zeit des Friedens und des Abstands vom Alltag, das man am besten in fröhlichen Festen miteinander im Kreise der Lieben verbringt.


    Ich wünsche Euch einen schönen zweiten Advent am morgigen Tage!

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Nikolaus ist eine historische Person.


    Er trat in das seiner Heimatstadt nahgelegenen Kloster von Sion ein und wurde um 300 zum Metropoliten von Myra geweiht. Während der bald darauf einsetzenden Christenverfolgung wurde er um 310 gefangen genommen und gefoltert. 325 nahm er nachweislich am 1. Konzil von Nicäa teil.



    Verbreitete Legenden über Nikolaus erzählen:


    In einer verarmten Familie konnte er durch gezielte Geldgeschenke, die er heimlich durchs Fenster und durch den Kamin in die darin aufgehängten Socken warf, verhindern, dass der Vater seine drei Töchter zur Prostitution bewegen musste.


    Drei zu Unrecht zum Tod Verurteilte konnte er retten, indem er im Traum dem Kaiser erschien und um ihre Befreiung bat


    Um ein in Seenot geratenes Schiff mit drei Pilgern, die von Ephesus ausfuhren und das für eine christliche Kapelle bestimmte heilige Öl in den Diana-Tempel zurückzubringen sollten, zu retten, begab er sich an Bord, stillte den Sturm und brachte das Schiff sicher in den Hafen.



    Drei Jungen fielen auf der Suche nach Arbeit einem Metzger in die Hände, der sie in ein Pökelfass steckte und zu Wurst verarbeiten wollte; sie waren schon zerteilt, als der Bischof Nikolaus davon erfuhr und sie wieder zum Leben erweckte.


    Vom 15. Jahrhundert an verbreitete sich die Legende von den Getreide-Händlern:
    Nikolaus erbat bei einer Hungersnot in Myra von jedem der für den Kaiser in Rom bestimmten Schiffe nur 100 Scheffel und versicherte, dass durch sein Gebet nichts bei der Ablieferung fehlen werde, was sich bewahrheitete; Nikolaus aber konnte seine Gemeinde auf Jahre hinaus ernähren und sogar Saatgut austeilen.



    Im 6. Jahrhundert wurde Nikolaus in der griechischen Kirche verehrt, in Rom zog der Kult im 8. Jahrhundert ein, er verbreitete sich dann zunehmend auch in Mittel- und Südeuropa.


    Um 980 entstand in Deutschland die ersten Nikolauskirche in Brauweiler.


    Die 1087 von Piraten entwendeten Gebeine brachte man Ende des 11. Jahrhunderts nach Bari und errichtete auf den Trümmern des byzantinischen Gouverneurspalastes die monumentale Basilika S. Nicola, die Papst Urban II. 1098 weihte. Als Translationstag gilt der 8. Mai, der in Bari mit einem großen Unzug begangen wird.



    Zwischen dem 11. bis zum 16. Jahrhundert wurden diesseits der Alpen über 2.200 Kirchen nach dem heiligen Nikolaus benannt. Der Nikolaus-Kult in Deutschland wurde im 10. Jahrhundert besonders durch Kaiserin Thephanu, die griechische Ehefrau des Kaisers Otto II., gefördert.



    Seit 1555 ist Nikolaus als Gabenbringer für Kinder auch außerhalb der Klosterschulen belegt.


    Am Vorabend des Nikolaustages beschenkt er - oft zusammen mit seinem Helfer, Knecht Ruprecht, die Kinder. Am Nikolausabend stellen Kinder ihre Stiefel oder Strümpfe vor die Tür, diese werden über Nacht von Nikolaus mit Süßigkeiten gefüllt. Der Weihnachtsmann mit weißem Bart und rotem Gewand, der den Kindern am Heiligen Abend die Geschenke überreicht, geht auf den niederländischen "Sinterklaas" zurück.


    Der hl. Nikolaus gilt u.a. als Patron der Kinder, alter Menschen, der Feuerwehr, der Pilger und Reisenden, der Gefangenen, der Kaufleute, Bäcker und Wirte, der Schiffer, Matrosen, Fischer, Bauern, für glückliche Heirat und Wiedererlangung gestohlener Gegenstände und gegen Wassergefahren, Seenot und Diebe.


    Nach einer Bauernregel heißt es:
    Regnet es an Nikolaus, wird der Winter streng, ein Graus.



    Für die weltweite Verbreitung dieses Bildes von Nikolaus sorgte um die Jahrhundertwende die Firma "Coca Cola", die ihn für Werbung in ihren Firmenfarben benützte.




    Ich wünsche allen einen ruhigen und besinnlichen 2. Advent


    :hello: LT

  • Noch ein Hexenhaus


    Gerne denke ich noch an das Hexenhaus, das meine Mutter viele Jahre lang für meine Geschwister und mich bastelte. „Offiziell“ brachte es natürlich der Nikolaus mit.


    Unseres bestand nicht aus Schokolade, sondern aus einem Pfefferkuchenteig. Ein dunkelbraunes, windschiefes Häuschen, dessen Dach bis zum Boden reichte, mit bunten, vom Kerzenlicht erleuchteten Fenstern vor einer tiefverschneiten Kiefer. Davor ein gut aufgerichteter Holzstoß, der reichlich Brennholz für kalte Wintertage versprach.


    Einige Tage vor dem Backen wurde der Teig bereitet, der sich durch längeres Ruhen gut verarbeiten lässt und zum Formen und Backen auch die nötige Stabilität bekommt: „Schwarze Pfeffernüsse“ ist das Teigrezept betitelt (auch wenn Pfeffer als Gewürz darin nun gar nichts zu suchen hat).


    Der Teig wurde ausgerollt, und dann wurden die verschiedenen Bauelemente herausgeschnitten:
    Zunächst eine möglichst große Bodenplatte – meist unregelmäßig rund, und in der Mitte mit einem Loch versehen, das für ein Teelicht groß genug ist.
    Es folgten zwei Platten in langen Rechtecken, die später die beiden Dachflächen bilden sollten – aus beiden wurde mit einer Plätzchenform ein Fenster ausgestochen, außerdem bekamen sie am jeweils oberen Ende gegengleich einen eckigen Ausschnitt, auf dem sich später der Kamin erheben sollte.
    Ein hohes, schmales Dreieck bildet die Frontseite – ausgestochen wurden da eine Tür mit rundem Bogen und darüber ein Fenster, die „Tür“ wurde mit gebacken und dann so aufgestellt, dass sie das Haus nach außen öffnete.
    Die Rückseite des Hauses stellte immer eine prächtige Zottelkiefer dar: also wurde ein Nadelbaum deutlich größer als die Giebelseite des Hauses aus dem ausgerollten Teig gemacht ( der später aus Zuckerguß eine tüchtige Schneelast bekommen sollte).
    Es folgten vier kleinere Rechtecke, aus denen später der Kamin (Schornstein) entstand und nach Belieben kleine Teigstücke, die später z.B. ein Stoß mit Brennholz bildeten oder einen Zaun.


    Gut durchgebacken und ausgekühlt konnten die Elemente dann zusammengesetzt werden. Wertvolle Dienste leistete dabei dünne Pappe – sei es, um die Elemente zu stabilisieren, sei es, um (einmal gefaltet) die Eckverbindungen herzustellen und zu unterstützen. Als Klebstoff wurde sehr dicker Zuckerguss aus Puderzucker, Wasser und Eiweiß verwendet. Mit diesem wurde zunächst auf den jeweiligen Innenseiten die Fensterverkleidung angebracht: Transparentpapier in allen bunten Tönen. Dann wurden die Teile zusammengesetzt - in meiner Erinnerung eine Aufgabe, die viel Muße und Geduld braucht. Vor allem der Aufbau des Kamins – aber gerade der war ja unabdingbar, sollte ein Teelicht die Fenster erleuchten können.
    Stand das Haus fertig, bekam es noch eine Schneedecke – aus derselben Puderzuckermischung, die schon als Klebstoff diente.


    Leider gibt es aus all den Jahren kein Foto von dem Haus. Vielleicht aber lässt es meine kleine Erzählung in Eurer Phantasie lebendig werden.


    Euch allen eine gesegnete Adventszeit und ein frohes und friedvolles Weihnachtsfest!


    LG, Elisabeth

  • Weihnachten
    Das nicht immer fröhliche Fest



    Liebe Taminos,
    man ist sich allgemein darüber einig, dass Weihnachten das Fest der Liebe ist. Wer wünscht sich nicht, an diesem Tag mit den Menschen die man liebt verbringen zu können und ihnen eine Freude zu machen?
    Dass dies aber nicht immer so ist weiß wohl auch jeder – leider. Ich will mit diesem Türchen keine Schwermut verbreiten (Oder etwa doch? :D ) sondern eine Geschichte von meinem Weihnachten 2008 erzählen…


    Und zwar war Weihnachten 2008 fast exakt ein Monat nach meinem Umzug von Hamburg hierher nach Mainz.
    Zwar ist mir der Ort hier und die Menschen nicht völlig fremd, da ich hier immerhin 10 Jahre schonmal lebte, aber in den 8 Jahren in Hamburg hatte ich keinen einzigen Kontakt mehr aus meiner Schulzeit gehabt. Das lag vorallem daran, dass ich damals (Es betrifft eigentlich nur meine Grundschulzeit) so ruhig und schüchtern war, dass man sich vermutlich fragen würde ob der Junge von damals und ich wirklich derselbe ist.
    Jedenfalls kannte ich von den damaligen Freunden und Klassenkameraden keinen mehr. Alles was in der Nähe war, war meine Verwandschaft, die ich in den letzten Jahren vllt einmal im Jahr sah, meinen Bruder (bei dem selbiges gilt) und natürlich meine Eltern – mit und wegen ihnen zog ich schließlich hierher.
    Außerdem wohnte ab da mein Exfreund in der Nähe. Das ist deswegen so pikant, weil in der Zeit während der Beziehung satte 600km zwischen uns lagen, und fortan nurnoch ungefähr 7km. Auch da lag ein Funke Hoffnung jemanden zu haben den man mal eben treffen könnte – denn schließlich waren es jetzt meine Freunde, die 600km weiter nördlich wohnten. Zu dem Irrtum dieser Hoffnung später mehr.
    In Hamburg hatte ich ein halbes Jahr Schule hinter mir, deren Sinn darin lag mein Zeugnis nochmal aufzumöbeln. Diese Schulform gibt es hier aber nicht, wurde mir höflich mitgeteilt. Ergo war das halbe Jahr für umsonst. Man bot mir natürlich an nächstes Jahr auf Gymnasium zu gehen, vorausgesetzt ich erweise mich als würdig… (Später entschied ich mich übrigens gegen die Schule, aber die Aussicht war damals trotzdem ernüchternd).


    Als der Umzug nach wenigen Tagen getan war, merkte ich schnell, dass da was fehlte; Internet. Natürlich dachte da keiner dran, weil man das Internet an sich ja noch als ziemlich unwichtige Sache ansieht. Schnell sollte aber klar werden, dass das Internet neben dem Telefon die einzige Möglichkeit der Kommunikation war – zumal ich von den meisten keine Telefonnummer hatte oder irgendwie fand.
    Meine Zeit verbrachte ich daher meistens mit Komponieren. Zu keinem Zeitpunkt komponierte ich bisher so viele Werke in so kurzer Zeit wie zu jener Zeit. Das merkwürdige ist, dass das Komponierte DAMALS als fröhlich und daher tröstend empfand. Heute finde ich die Werke allesamt mit einem tragischen, fast schon hinterfragenden Akzent versehen. Als Beispiel könnte man die Weihnachtssinfonie erwähnen, unter deren Partitur ich sogar schrieb, dass man kein nächstenliebendes Gezwitscher erwarten sollte… :D


    Mit diesen Aussichten, kein Mensch in der Nähe, keine Möglichkeit die Außenwelt zu kontaktieren und irgendwie im eigenen Haus gefangen zu sein kam Weihnachten Näher. Einsamkeit als treuer Begleiter und eine fast Manieartige Schaffensphase, die einer Depression sehr nahe kommt – schlaflose Nächte, in der über alles nachgedacht wurde was man sich nur fragen kann.


    Durch meinen Bruder bekam ich dann die Möglichkeit ab und zu mal kurz ins Internet zu gehen um Mails zu lesen etc. So konnte ich mich imerhin auch bei Tamino mal abmelden.
    Im Internet fand ich dann wenig Trost:
    Mein Exfreund zeigte sich von seiner besten Seite, als er mir mitteilte dass er weder Lust noch Zeit hat sich zu treffen (Homosexualität ist übrigens in einem Dorf wie diesem ohnehin eine Schandtat, darum durfte ich darüber natürlich auch nirgends ein Wort verlieren…), ein ehemaliger und damals sehr guter Freund (dachte ich zumindest) kündigte mir die Freundschaft, weil seine Freundin Eifersüchtig auf mich war (warum auch immer), und noch ein paar weitere Schicksalschläge, die ich allesamt auf ihre Art fürchterlich war. Okay, jetzt kommt doch ein wenig Schwermut; jeder Schlag tat auf seine Weise mir ziemlich weh. Sogar ein Tag vor Weihnachten bekam ich noch einen Anruf, mit einer Nachricht die mich normalerweise vermutlich ziemlich erschüttert hatte. Es perlte aber eher an mir ab, nach dem Motto „Auf die eine Nachricht kommt es dann auch nicht mehr an…“


    So, und dann kam Weihnachten im Kreise der Verwandschaft. Und Silvester. An beiden Tagen hab ich mich dermaßen mit Wein zugeschüttet, dass ich in dem Alkohol getrost behaupten kann glücklich gewesen zu sein – manchmal ist der böse Alkohol eben doch zu etwas Nütze. ;)



    Es schien wirklich alles Unglück nur auf diese heilige Zeit gewartet zu haben. Bis hierhin wirkt dieser Beitrag sicher wie ein Alptraum. Aber nun kommt das wichtigste, die Botschaft die ich eigentlich mit der Geschichte verdeutlichen will:


    Während all dieser Zeit gab es trotzdem Menschen die mit diesen sehr eingeschränkten Mitteln versuchten als Freunde irgendwie da zu sein. Da gab es lange Mails, auf die ich sehr lange Mails zurückschrieb. Mails die sich ganz mir widmeten. Da gab es kleine SMS die zeigten, dass an mich gedachte wurde – auch wenn ich mir dessen vielleicht nicht bewusst war. Da gab es Packete die mit der Post kamen, mit überraschendem Inhalt. Und einen Anruf an den ich mich gerade erinnerte, der von einer Telefonzelle aus geführt wurde und trotzdem eine halbe Stunde ging – es war verrückt, aber so erfuhr ich etwas aus meiner zweiten Heimat bei Hamburg.
    Und DIESE kleinen Dinge waren es, die in all dieser scheußlichen Zeit wie Balsam auf der Seele lagen, denn ich kann getrost behaupten, für sie Nächsenliebe noch etwas Selbstverständliches ist. [Und natürlich tat mir auch so manche Musik sehr gut, z.B. „Ave Verum“ KV 618]. Ich weiß nicht wie oft man solch eine Zeit hat. Für mich war es das zweite Mal, denn als ich von Mainz nach Hamburg zog war ich ebenso alleine. Das war sogar noch schlimmer, denn damals gab es wirklich KEINEN den man da oben kannte. Nur meine Familie, und die hatten alle dasselbe Problem wie ich. Nur war ich damals wie gesagt ohnehin gerne alleine, darum war der Unterschied gar nicht so schlimm zu dem Zeitpunkt vor dem Umzug. Das war bei dem letzten Umzug anders, denn in den 8 Jahren in Hamburg lernte ich erst den Wert einer Freundschaft kennen, oder der der Liebe.



    Ich weiche ab…
    Zurück zu 2008. Diese Dinge waren es jedenfalls, die einen Funken Hoffnung über die Zeit legten und sie irgendwo doch erträglicher machten als sie war. Nach Weihnachten ging dieser Schatten dann ruckartig weg, wie die Dunkelheit durch die Sonne. Ich lernte Menschen in der Nähe kennen, das Internet wurde repariert, der Frühling kam und ich lernte sogar jemanden kennen, mit dem ich auf sämtlichen Punkten so auf einer Wellenlänge war, dass man sich von Anfang an verstand, als wäre man schon immer befreundet gewesen.


    Denke ich heute an diese Zeit zurück, durchzuckt mich nicht mehr das Gefühl dieser Einsamkeit. Sondern ich erfreue mich immer wieder aufs Neue, über die Menschen die damals einfach da waren, so gut es ging. Das ist das Gefühl der Freundschaft und der Liebe der Freundschaft. Und damit schließe ich übrigens meine Familie mit ein. Sie versuchten auch mir die Zeit damals erträglich zu machen, nur war ich damals nichtmal in der Lage zu erkennen, dass sie es taten…


    Ich liebe meine Freunde. Keinen so, dass man es in eine Begrifflichkeit reinzwängen könnte und irgendwie umschreiben könnte. Jeden anders. Und es sind oft kleine und banale Dinge, die ich mir in Bezug auf viele Menschen merke und nie vergesse. Und dazu zählen auch viele Dinge, aus dieser Zeit.
    In diesem Sinne wünsche ich allen eine fröhliche Weihnachtszeit, auch denen, die in dieser Zeit einsam sind. Das Glück lächelt einen nicht immer an, aber es schaut einem oft zu. ;)



    :hello:


    C.

  • Wir befinden uns immer noch zu Beginn des Advents. Nunja, gefühlt. Es ist ein merkwürdiger Zufall, dass ich diesen Beitrag als Sicherungsbeitrag für den 9.12. vorgesehen hatte und Sakow seinen berührenden Beitrag am 8.12. ebenfalls als eigentlich Zweitbeitrag geschrieben hatte.


    Die beiden nunmehr aufeinanderfolgenden Beiträge haben unbeabsichtigt etwas miteinander zu tun. Sakow hat eine Position beschrieben, die die Einsamkeit in unserer Gesellschaft beschreibt, eine Einsamkeit, die aus dem Nichtverstehenwollen, dem Nichtakzeptierenwollen herrührt. Mein verstorbenes Idol Jean-Paul Sartre schwebte plötzlich mit seiner Erkenntnis "L'enfer, c'est les autres" über dem Text. Und nun Oscar Wilde.


    In dessen Text geht es um einen selbstsüchtigen Riesen, der im Laufe der Erzählung begreift, daß das Leben nicht aus dem Gegeneinaderauspielen von Besitz- und Machtpostionen besteht, sondern aus gegenseitigem Geben und Nehmen.


    Oscar Wilde hat dem Märchen vom selbstsüchtigen Riesen eine Sprache gegeben, die mich zum Nachdenken gebracht hat. Dergestalt nämlich, ob ich denn nun hier eine Übersetzung oder das Original vorstellen soll. Ich habe mich für den Originaltext entschieden, da eine sprachliche Besonderheit des Englischen dem Ende des Textes eine Intensität verleiht, die ins Deutsche nicht übersetzbar ist.


    Somit gilt das Adventstürchen des 9.12.2009 einem britischen Kunstmärchen in der Sprache seiner Niederschrift. Meinen üblichen Gruß entbiete ich diesmal bereits hier:


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:


    Oscar Wilde: The Selfish Giant


    Every afternoon, as they were coming from school, the children used to go and play in the Giant's garden.


    It was a large lovely garden, with soft green grass. Here and there over the grass stood beautiful flowers like stars, and there were twelve peach-trees that in the spring-time broke out into delicate blossoms of pink and pearl, and in the autumn bore rich fruit. The birds sat on the trees and sang so sweetly that the children used to stop their games in order to listen to them. 'How happy we are here!' they cried to each other.


    One day the Giant came back. He had been to visit his friend the Cornish ogre, and had stayed with him for seven years. After the seven years were over he had said all that he had to say, for his conversation was limited, and he determined to return to his own castle. When he arrived he saw the children playing in the garden.
    'What are you doing here?' he cried in a very gruff voice, and the children ran away.
    'My own garden is my own garden,' said the Giant; 'any one can understand that, and I will allow nobody to play in it but myself.' So he built a high wall all round it, and put up a notice-board.


    TRESPASSERS WILL BE PROSECUTED


    He was a very selfish Giant.


    The poor children had now nowhere to play. They tried to play on the road, but the road was very dusty and full of hard stones, and they did not like it. They used to wander round the high wall when their lessons were over, and talk about the beautiful garden inside.


    'How happy we were there,' they said to each other.


    Then the Spring came, and all over the country there were little blossoms and little birds. Only in the garden of the Selfish Giant it was still Winter. The birds did not care to sing in it as there were no children, and the trees forgot to blossom. Once a beautiful flower put its head out from the grass, but when it saw the notice-board it was so sorry for the children that it slipped back into the ground again, and went off to sleep. The only people who were pleased were the Snow and the Frost. 'Spring has forgotten this garden,' they cried, 'so we will live here all the year round.' The Snow covered up the grass with her great white cloak, and the Frost painted all the trees silver. Then they invited the North Wind to stay with them, and he came. He was wrapped in furs, and he roared all day about the garden, and blew the chimney-pots down. 'This is a delightful spot,' he said, 'we must ask the Hail on a visit.' So the Hail came. Every day for three hours he rattled on the roof of the castle till he broke most of the slates, and then he ran round and round the garden as fast as he could go. He was dressed in grey, and his breath was like ice.


    'I cannot understand why the Spring is so late in coming,' said the Selfish Giant, as he sat at the window and looked out at his cold white garden; 'I hope there will be a change in the weather.'


    But the Spring never came, nor the Summer. The Autumn gave golden fruit to every garden, but to the Giant's garden she gave none. 'He is too selfish,' she said. So it was always Winter there, and the North Wind, and the Hail, and the Frost, and the Snow danced about through the trees.


    One morning the Giant was lying awake in bed when he heard some lovely music. It sounded so sweet to his ears that he thought it must be the King's musicians passing by. It was really only a little linnet singing outside his window, but it was so long since he had heard a bird sing in his garden that it seemed to him to be the most beautiful music in the world. Then the Hail stopped dancing over his head, and the North Wind ceased roaring, and a delicious perfume came to him through the open casement. 'I believe the Spring has come at last,' said the Giant; and he jumped out of bed and looked out.


    What did he see?


    He saw a most wonderful sight. Through a little hole in the wall the children had crept in, and they were sitting in the branches of the trees. In every tree that he could see there was a little child. And the trees were so glad to have the children back again that they had covered themselves with blossoms, and were waving their arms gently above the children's heads. The birds were flying about and twittering with delight, and the flowers were looking up through the green grass and laughing. It was a lovely scene, only in one corner it was still Winter. It was the farthest corner of the garden, and in it was standing a little boy. He was so small that he could not reach up to the branches of the tree, and he was wandering all round it, crying bitterly. The poor tree was still quite covered with frost and snow, and the North Wind was blowing and roaring above it. 'Climb up! little boy,' said the Tree, and it bent its branches down as low as it could; but the little boy was too tiny.

    And the Giant's heart melted as he looked out. 'How selfish I have been!' he said; 'now I know why the Spring would not come here. I will put that poor little boy on the top of the tree, and then I will knock down the wall, and my garden shall be the children's playground for ever and ever.' He was really very sorry for what he had done.


    So he crept downstairs and opened the front door quite softly, and went out into the garden. But when the children saw him they were so frightened that they all ran away, and the garden became Winter again. Only the little boy did not run, for his eyes were so full of tears that he died not see the Giant coming. And the Giant stole up behind him and took him gently in his hand, and put him up into the tree. And the tree broke at once into blossom, and the birds came and sang on it, and the little boy stretched out his two arms and flung them round the Giant's neck, and kissed him. And the other children, when they saw that the Giant was not wicked any longer, came running back, and with them came the Spring. 'It is your garden now, little children,' said the Giant, and he took a great axe and knocked down the wall. And when the people were gong to market at twelve o'clock they found the Giant playing with the children in the most beautiful garden they had ever seen.

    All day long they played, and in the evening they came to the Giant to bid him good-bye.


    'But where is your little companion?' he said: 'the boy I put into the tree.' The Giant loved him the best because he had kissed him.
    'We don't know,' answered the children; 'he has gone away.'
    'You must tell him to be sure and come here tomorrow,' said the Giant. But the children said that they did not know where he lived, and had never seen him before; and the Giant felt very sad.
    Every afternoon, when school was over, the children came and played with the Giant. But the little boy whom the Giant loved was never seen again. The Giant was very kind to all the children, yet he longed for his first little friend, and often spoke of him. 'How I would like to see him!' he used to say.

    Years went over, and the Giant grew very old and feeble. He could not play about any more, so he sat in a huge armchair, and watched the children at their games, and admired his garden. 'I have many beautiful flowers,' he said; 'but the children are the most beautiful flowers of all.'

    One winter morning he looked out of his window as he was dressing. He did not hate the Winter now, for he knew that it was merely the Spring asleep, and that the flowers were resting.

    Suddenly he rubbed his eyes in wonder, and looked and looked. It certainly was a marvellous sight. In the farthest corner of the garden was a tree quite covered with lovely white blossoms. Its branches were all golden, and silver fruit hung down from them, and underneath it stood the little boy he had loved.

    Downstairs ran the Giant in great joy, and out into the garden. He hastened across the grass, and came near to the child. And when he came quite close his face grew red with anger, and he said, 'Who hath dared to wound thee?' For on the palms of the child's hands were the prints of two nails, and the prints of two nails were on the little feet.

    'Who hath dared to wound thee?' cried the Giant; 'tell me, that I may take my big sword and slay him.'

    'Nay!' answered the child; 'but these are the wounds of Love.'

    'Who art thou?' said the Giant, and a strange awe fell on him, and he knelt before the little child.

    And the child smiled on the Giant, and said to him, 'You let me play once in your garden, today you shall come with me to my garden, which is Paradise.'

    And when the children ran in that afternoon, they found the Giant lying dead under the tree, all covered with white blossoms.

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Hinter dem 10. Türchen versteckt sich eine Schachtel


    SZALONCUKOR


    Das ist eine Art Weihnachtsbonbon, ohne das der ordentliche Weihnachtsbaum in einer ordentlichen ungarischen Familie unvorstellbar ist. Die Mode stammt bestimmt aus den bürgerlichen Salons des 19. Jahrhunderts, wo diese Zuckerl zuerst angeboten wurden.


    Das Bonbon hat eine typische Adjustierung: es wird so eingepackt, dass die Packung auf beiden Seiten des Bonbons länger ist als das Bonbon selbst. Das feine Seidenpapier wird an beiden Enden ausgefranst. Das Bonbon in der Mitte wird dann noch in glänzende Zinnfolie (Staniol) eingewickelt. In meiner Familie galt das als „Bonbonengel“ mit zwei Flügeln. Die fertigen Zuckerstücke haben wir kühl und trocken aufbewahrt, bis die richtigen Weihnachtsengel kamen und die gefundenen Bonbons auf den Baum hängten.


    Die moderne Industrie produziert Szaloncukor in jeder Menge, es wird auch in anderen Ländern verkauft, aber das ist nun längst nicht mehr das Richtige…


    Das Richtige muss nämlich zu Hause hergestellt werden. Und das ist keine kleine Aufgabe…


    Es beginnt mit der Vorbereitung des Seidenpapiers: an dunklen Nachmittagen ist das eine schöne Arbeit für kleine Hände, Papierscheren sind nicht so gefährlich (trotzdem ist Aufsicht empfohlen). Wer die schönsten Fransen gemacht hat, kann dem Christkindl einen Brief schreiben (und auch, wer die längsten, die dicksten, die ….-sten – Hauptsache: alle schreiben ihre Briefe).


    Etwa zehn-vierzehn Tage vor dem Fest kommt es dann zur wichtigsten Tätigkeit: zur Herstellung der Zuckerstücke. Da sagt man an einem etwas ruhigeren Nachmittag: Jetzt wird Szaloncukor gemacht. Man (Frau) ist voller Begeisterung und Zuversicht. Das Rezept ist unglaublich einfach, allerdings ist Vorsicht angeraten, denn das ist -- wie so oft im Leben -- eine tückische Einfachheit. Szaloncukor wird aus Zucker und Wasser hergestellt und mit verschiedenen Geschmäckern gekrönt. Es gibt zwar auch komplizierte Rezepte mit Butter, Kokosraspeln, Nüssen und anderen Ergänzungen (nein, keine E-Zahlen…, die gibt es nur in den industriellen Szaloncukorprodukten, zwar… was den Zucker selbst anbelangt.., man kann nie wissen…) – aber wir wollen doch bei der urwüchsigeren Variante bleiben. Also Zucker und Wasser.


    Bevor der Zucker und das Wasser zusammengetan werden, ist es ratsam, das Wichtigste an Geschirr vorzubereiten: einen Emailtopf, mehrere Löffel und vor allem eine Platte, auf der die Szaloncukormasse in Würfeln geschnitten wird. Nach dem Rezept soll das eine Marmorplatte sein – leider sind die modernen Küchen so armselig ausgerüstet, dass man nicht einmal eine Marmorplatte zur Hand hat. So muss man sich mit einer großen flachen Porzellanschüssel zufrieden geben, möglichst mit der größten im Haushalt. Da diese eben wegen ihrer Größe ziemlich selten gebraucht wird, ist sie meistens im höchsten Regal des hintersten Schrankteils gestaut. Wenn es uns ohne Unfall gelungen ist, alle anderen Gefäße runterzuholen, damit wir an die gewünschte Schüssel herankommen, ist es ratsam, eine kleine Pause einzulegen…


    Nun kommt der schönste Teil der Arbeit. Man gießt das Wasser (etwa 2 Esslöffel) in den Topf, gibt den Zucker (500 Gramm) hinzu. Das wird so lange gekocht, bis es Faden zieht. Die Frage ist nur, wann man sagen kann: ja, jetzt ist es soweit. Wenn Männer dabei sind, wollen sie unbedingt auf experimentellem Weg prüfen, ob die Masse schon fertig ist und abgeschmeckt werden kann. Zum Beispiel fabrizieren sie einen kleinen Drahtring und tauchen ihn in den Topf. Wenn eine dünne Zuckerschicht im Ring bleibt, sind wir mit dem Kochen fertig. Wenn man sehr lange probiert, bleibt die Hälfte der Masse am Ring so fest hängen, dass man den ganzen Prozess neu anfangen muss (Wasser, Zucker…) Zum Schluss geben wir noch zwei Esslöffel Obstsaft, starken Kaffee oder Kakaopulver hinzu, je nachdem, welche Sorten wir herstellen wollen, und wir kochen die Masse noch ein paar Minuten. Sie kommt dann auf die Porzellanschüssel, wird wie eine Art Teig etwa 1,5-2 cm hoch eingeebnet und mit einem nassen Messer in Stücke geschnitten.


    Jetzt folgt die wohl aufregendste Aufgabe: die Probe. Nein, nicht die Kostprobe, wir halten uns an die Tradition und die Zuckerstücke dürfen erst gekostet werden, wenn sie schon am Baum hängen. Es geht um eine viel schwierigere Sache. Geprobt werden nämlich unser unzerbrechlicher Optimismus und die hausfrauliche Kreativität.


    Wir können Glück haben: Dann lässt sich die Masse leicht behandeln, die Bonbons gewinnen eine schöne Form und werden schnell trocken. Aber wir können auch Pech haben. Dann ist Optimismus gefragt… Die Masse kann zu trocken werden, sie zerbröckelt auf der Platte, nur mit Mühe und Not kann man ein paar normale Stücke abschneiden. Kreativ, wie man (frau…) ist, findet man doch eine Lösung: das ganze wird zermürbt und später als besondere Art von Zucker je nach Geschmack zu Tee, Kaffee, Quarkspeise usw. angeboten. Unsere Kreativität kennt keine Grenzen… Etwas schlimmer ist’s, wenn die Masse zu weich bleibt, sie ist klebrig, die Bonbons verlieren ihre Form, das Messer, die Schüssel und bald das ganze Küchenpult werden mit klebrigen Zuckerklumpen beschmiert, es ist zum Verzweifeln. Dann muss man schnell Ausschau halten, was man in die Masse geben könnte, damit sie stabilisiert wird. Mehl? Nein (obwohl das sehr verlockend klingt…) Semmelbrösel? Brrr… Hat man zu Hause trockene Kekse, dann ist man allerdings gerettet: die Kekse werden zerbröckelt zu der Masse gegeben. Wenn man Glück hat, kann die Rettungsaktion sogar erfolgreich sein.


    Das Einwickeln ist kinderleicht, man muss nur auf das Einhalten der Tradition achten (s. oben…).


    Und dann denkt man mit Freude und tiefer Dankbarkeit daran, wie gut es ist, dass man das auch in diesem Advent noch so schön schaffen konnte. Und wie gut ist es, wenn man Leute um sich herum hat, die sich darüber freuen werden.


    Piroska




    P. S.: Ich bin (jetzt noch…) fest entschlossen, übers Wochenende die diesjährige Portion zu kochen…. Wünscht mir Glück dazu!

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  • Zuerst etwas Herzerwärmendes (nicht nur fürs Herz) :


    [/B]


    je 150 g Physalis, Orangen, Ananas, Bananen (o.ä.) in Stücke geschnitten
    60 ml weißer Portwein


    und für den Fond :
    1/2 L Wasser, 250 g Kristallzucker, Saft und Zesten von je 1 Bio-Orange und Bio-Zitrone, 1 TL Vanillezucker, 1 Zimtstange, 2 Sternanis, 5 Gewürznelken.


    Fond - Zutaten verrühren und aufkochen. Portwein und Früchte zugeben. Kompott vorsichtig durchmischen, Gewürze entfernen, Kompott anrichten. Ergibt ca. 8 Gläser.
    (Quelle: Johanna Maier)


    Manche Menschen haben noch Ideen, um dieses Kompott zu verbessern. :D



    Und jetzt noch ein kleines Weihnachtsgedicht von Franz Lahner (Wiener Mundartdichter) :


    [B]An das Christkind


    Christkindl, gell, du kennst mi eh ?
    I bin der Peter vom Franz-Josefs-Kai,
    i hab mir denkt, es is ka Schand,
    wann i an Briaf schick in Himmelsland.
    Weil, i hab nämlich jetzt erst ghert -
    des Schenste sei bei uns auf der Erd
    des Gebm und net des Nehmen,
    i hab`s bis jetzt net begreifn kennen !
    Aber, wann des stimmt, wia man behaupt,
    so hab i mir den Wunsch erlaubt -
    i wünschert mir - du kannst dir`s denken -
    recht vül Geld - zum Weiterschenken.
    A Million - des war net schlecht,
    i teilert`s auf, sogar gerecht,
    vur allm tät i es nur denen Schenkn,
    de mir was drum kaufm, kannst dir denkn.
    Und dann erst glaubert i`s zu Recht -
    Gebm is schen - aber nehmen is a net schlecht !


    Ich hoffe, Ihr könnt es mit etwas Mühe doch entziffern ! :pfeif:

  • Es war einmal ein kleiner Knirps (so gegen 3 Jahre alt), der war immer sehr neugierig. An einem Vormittag, als es an der Türe pochte, lief er zu seiner Mutter in die Küche. Und was er sah, das veränderte sein Weltbild. Draussen standen zwei Briefträger, die einen Christbaum abliefern sollten.


    Und seit diesem Moment sagte der Knirps immer wieder : Den Christbaum bringt nicht das Christkind, sondern der Briefträger !!!
    (Der Christbaum war ca. 5 m hoch und ragte im Stiegenhaus bis in den ersten Stock).


    Die Zeiten waren aber nicht immer so toll wie wir sie jetzt erleben. Und um uns das wieder ins Gedächtnis zu rufen und das auch einer jüngeren Generation etwas näher zu bringen, zitiere ich hier den Originaltext des letzten Briefes meiner Urgroßmutter an meine Familie vom Dezember 1946 :


    Lieber Franz, Pepi, Hedi und Fred.


    Ich schicke dir die roten Rüben und auch Waschpulver und ein Stück von der Gans, und ein Stück Schweinefleisch und wünsche damit ein recht glückliches Neu Jahr, bleibt alle beisamm recht gesund und lasst es euch gut schmecken. Ich danke für den Kaffee und Bäckerei, was ihr beim Kajetan geschickt habt. Ich hab heuer auch vom Stundner ein sehr schönes Christkind bekommen, ist Samstag vor die Feiertage die Stefferl kommen, hat mir ein schönes Stück Fleisch gegeben, da hab euch die Hälfte davon geben, auch hab ich ein Teller Grammel, ein Häferl Fett und die 5 Liter Kanne Milch. Hab drüber weinen müssen, daß die mir soviel geschickt haben. Auch muß ich euch schreiben der Stundner ist vom 1. Jänner an Bürgermeister in Lauterbach.
    Jetzt viele herzliche Grüße von mir Mutter an alle.
    Habe auch ein sehr schönen Christbaum. Nochmaligen Dank für alles.


    Meine Urgroßmutter war eine Kleinhäuslerin im tiefen Waldviertel, nahe der Tschechischen Grenze.

  • Dieses Gedicht, vertont von Hugo Wolf passt sehr gut in die Adventszeit, ich habe es sehr gerne gesungen. Es zeigt den beschwerlichen Weg nach Bethlehem, und Josef, der Maria tröstet, es ist nicht mehr weit....


    Nun wandre, Maria, nun wandre nur fort.
    Schon krähen die Hähne, und nah ist der Ort.
    Nun wandre, Geliebte, du Kleinod mein,
    Und balde wir werden in Bethlehem sein.
    Dann ruhest du fein und schlummerst dort.
    Schon krähen die Hähne und nah ist der Ort.
    Wohl seh ich, Herrin, die Kraft dir schwinden;
    Kann deine Schmerzen, ach, kaum verwinden.
    Getrost! Wohl finden wir Herberg dort.
    Schon krähen die Hähne und nah ist der Ort.


    Wär erst bestanden dein Stündlein, Marie,
    Die gute Botschaft, gut lohnt ich sie.
    Das Eselein hie gäb ich drum fort!
    Schon krähen die Hähne und nah ist der Ort.

  • 15. Türchen 15 .Dezember 2009


    Vier Kerzen brannten am Adventskranz. Es war ganz still. So still, dass man hören konnte, wie die Kerzen zu reden begannen.


    Die erste Kerze seufzte und sagte: "Ich heiße Frieden. Mein Licht leuchtet, aber die Menschen halten keinen Frieden. Sie wollen mich nicht." Ihr Licht wurde immer kleiner und erlosch schließlich.


    Die zweite Kerze flackerte und sagte: "Ich heiße Glauben. Aber ich bin überflüssig. Die Menschen wollen von Gott nichts wissen. Es hat keinen Sinn mehr, dass ich brenne". Ein Luftzug wehte durch den Raum und die zweite Kerze war aus.


    Leise und traurig meldete sich die dritte Kerze zu Wort: "Ich heiße Liebe. Ich habe keine Kraft mehr zu brennen. Die Menschen stellen mich zur Seite. Sie sehen nur sich selbst und nicht die anderen, die sie lieb haben sollen." Und mit einem letzten Aufflackern war auch dieses Licht ausgelöscht.


    Da kam ein Kind in das Zimmer. Es schaute die Kerzen an und sagte: "Aber… aber ihr sollt doch brennen und nicht aus sein!" Fast fing es zu weinen an.


    Da meldete sich die vierte Kerze zu Wort. Sie sagte: "Hab keine Angst! Solange ich brenne, können wir auch die anderen Kerzen wieder anzünden. Ich heiße Hoffnung."


    Mit einem Streichholz nahm das Kind Licht von dieser und zündete die anderen Kerzen wieder an.

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  • 16.Türchen am 16.Dezember (noch acht Tage bis Weihnachten!!)


    Heute gibt es noch mal etwas zu naschen. Es handelt sich um ein Rezept, das von meiner 'Schwieger-Uroma' aus der Nachkriegszeit stammt, als es im Rheinland zwar bisweilen Cafè, aber fast kein Fett gab.
    Trotzdem, das sei warnend hinzugefügt, ist das Rezept aufgrund der Nüsse und Mandeln ausreichend fett, und [kein] Diätrezept... :D


    Zutaten:


    • 500g Mehl

    • 500 g Zucker

    • 3 EL Kakao

    • 1 TL Nelken

    • 1 EL Zimt

    • 1 Päckchen Backpulver

    • je 1 Paket Mandeln und Nüsse (250 g)

    • Bohnenkaffee


    Zubereitung:
    Ca. 8 Messlöffel (möglichst grob) gemahlenen Kaffee in eine Kanne geben und mit 1 l kochendem Wasser aufbrühen. Den Kaffee kalt werden lassen.
    Die „trockenen“ Zutaten in eine Schüssel geben und mit einem Löffel verrühren (Vorsicht, sonst staubt es!). Dann den Kaffee nach und nach angießen und unterrühren. Einen Esslöffel des Kaffeesatzes dazugeben. Der Teig muss zähflüssig sein. Den Teig auf ein gefettetes Blech gießen und bei 160° bis 170°C 30 Minuten backen. Das Brot muss fest sein, aber noch nicht knusprig, sonst kann man es nicht mehr schneiden!
    Das noch heiße Brot wird dann in Streifen geschnitten (am besten mit einem elektrischen Messer) und auf zwei Bleche ausgebreitet. Nochmals 30 min bei 150°C trocknen.
    Dann den Ofen ein bisschen öffnen und abkühlen lassen. Das Brot wird wieder weich, wenn man die Ofentür geschlossen lässt oder es feucht im Raum ist. Oder bei schlechtem Wetter. Oder Dienstags. Will sagen: das Ganze erfordert ein bisschen Feingefühl.
    Die Menge ist für ein großes Blech ausgelegt, wie es sie in alten Backöfen gibt. Für neuere Bleche sollte man nur 400 g Mehl und Zucker nehmen. Das Berliner Brot hält sich am besten in geschlossenen Dosen (solange bis die Nüsse ranzig sind) und dort versteckt, wo niemand es zufällig finden und aufessen kann.
    Man nahm in der Nachkriegszeit auch schonmal Erdnüsse statt Mandeln und Haselnüssen, Variationen sind also erwünscht.



    Nachtrag
    Wer sich jetzt wundert, wieso es im Rheinland in Nachkriegszeiten Kaffee aber kein Fett gab, dem sei das Kabarettprogramm "Die Rheinische Neunte" von Konrad Beikircher ans Herz gelegt; in seinen bisher neun Programmen gibt er eine tolle Kurzanleitung zum Verständnis des Rheinländers und seiner Sprache, und im neunten erklärt er, wie der Cafè in der Nachkriegszeit ins Rheinland kam...

  • Weihnachtliche Geschichen muß man schreiben können.
    Ich kann es nicht.
    Daher habe ich mich entschlossen über mein Advenfenster einige vorweihnachtliche Bilder meiner Heimatstadt Wien zu senden.
    Das schlimme war nur, daß ich keine parat hatte. Also musste ich sie selber machen.


    So startete ich heute nachmittag in die winterliche Innenstadt.
    Immer wenn ich an Weihnachten denke fällt mir das Weihnachsgedicht von Eichendorf ein:


    Markt und Strassen sind verlassen
    Still erleuchtet jedes Haus,
    Sinnend geh`ich durch die Gassen
    Alles sieht so festlich aus.


    An den Fenstern haben Frauen
    Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
    Tausend Kindlein stehn und schauen,
    Sind so wunderstill beglückt.

    Zumindest die ersten beiden Strophen kann man noch in unsere Zeit übertragen, wenngleich es eher ein Gedränge an Weihnachtsständen und Weihnachsmärkten gibt - die festliche Stimmung bleibt.


    WIen ist ja voller Weihnachsmärkte.
    Ein solcher ist auch vor meinem architektonisch bescheidenem Arbeitsplatz errichtet, und Kitsch hin, Kitsch her - ich gehe schon recht gerne an den Standeln vorbei, die (entgegen meinen Erwartungen) guten Punsch ausschenken, der schon verführerisch duftet und dessen Vielfalt irgendwie erschreckend ist. Natürlich gibt ers neben Orangenpunsch auch Beerenpunsch, Gühwein und Jagatee, Aber auch Weihnachtpunsch und Christkindlpunsch (interessanterweise ist der NICHT alkoholfrei, owohl das Christkind streng genommen auch unter Jugendschutzgesetz fiele)


    .


    Geschäftiges vorweihnachtliches Treiben herrsch auch am Wiener Stephansplatz von dem gleich 2 "Nobel-Einkaufszonen abzweigen, der Graben und die Kärntnerstraße. Es hat Minus 3 Grad - und mir ist eiskalt. Zudem hat es ein kleines bisschen zu schneien begonnen, auf "Weisse Weihnachten" reicht es aber noch nicht


    .


    Der Graben - eine Mischung aus Staße und Platz - hat eine der aufwändigsten Weihnachtsbeleuchtungen der Stadt.
    Hier wird nicht hastig eingauft, es herrscht kein Weihnachtstrubel, sondern man flaniert in vornehmer Noblesse und erledigt seine Weihnachtseinkäufe (Oder schaut bei Gramola rein :stumm:)


    .


    Schauplatzwechsel:
    Vor dem im neugotischen Stil erbauten Wiener Rathaus ist sei Jahren der "Wiener Christkindlmarkt" platziert, nachdem er seit meiner Kindheit mehrmals seinen Stammplatz gewechselt hat.
    Hier passt ds Eichendorff Gedicht nur mehr bedingt, nein eigentlich gar nicht. Aber es durftet nach frisch gebrannten Mandeln, nach Punsch, Lebzelten und allerlei anderen Dingen die man mit Weihnachten in Verbindung bringen kan, beispielsweise nach Bienenwachs. Heute allrdings nur dann, wenn man ein Produkt aus diesem Material erwirbt, ansonst ist es einfach zu kalt. Also Kaufe ich ein weihnachtliche Wachskerze und einige Stück Honiglebzelten mit Mandeln. Sie sehen aus, als wäen sie soeben vom Knusperhaus entnommen worden. Meine diesbezügliche Frage beantwortet der Verkäufer mit ja.



    .


    .


    Ich stelle mir stets die Frage ob man hier bei der Dekoration nicht ein wenig zuviel des Guten getan hat.
    Ein Überdimensionaler Adventkranz, dessen Kerzen in etwa 4 Meter hoch sind, der grösste Christbaum von Wien (er wird jedes Jahr von einem anderen Bundesland der Hauptstadt gestiftet) und Lampions in den Bümen des Rathausparks, Das dem Rathausgegenüberliegende Burgtheater bekommt auch noch was von der Beleuchtung ab.
    Aber dann fällt mir wieder ein, für wen denn das alles gemacht wird.
    Für die Kinder - und ich erinnere mich mit welcher Begeisterung ich als Kind auf den Christkindlmarkt gegangen bin, und dort gesponnenen Zucker - zunächst in weiß - und in späteren Jahren auch in Rosa und hellblau genascht habe.
    Und dann fällt mit wieder eine Zeile des Gedichts ein:


    Tausend Kindlein stehn und schauen,
    Sind so wunderstill beglückt.



    .


    Glänzende Kinderaugen.
    Aber auch Erwachsene können gläzende Augen am Christkindlmarkt bekommen.
    Spätestens nach dem dritten Orangenpunsch


    Die Punschstände schiessen ja seit ein paar Jahren aus dem Boden wie die Pilze.
    Und alle sind von irgendwelchen Wohltätigkeitsvereinen betrieben, beispielsweise vom "TigersClub" oder den "Proletariern" (oder so ähnlich jedefalls)
    Da möchte man sein Herz nicht verschliessen
    unt tut Gutes - indem man am Punsche nippt
    und vom nippen zum Trinken übergeht.
    Es ist ja a für einen wohltätigen Zweck
    Viele Leuite lassen sich gerne mit vollem Punschbecher
    vor dem Standl fotografieren,
    damit alle sehen können, daß man eine soziale Ader hat
    und Gutes tut.


    .


    Auch ich möchte mich dem weihnachtlichen Trend nicht verschliessen
    und koste ein wenig vom Punsche
    Wie viel ?
    Das verrat ich nicht.
    das bleibt mein Weihnachtsgeheimnis
    Gutes tun ist - wenn man es richtig macht
    eine feine Sache


    Schönen Advent


    wünscht


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Bevor das Christentum nach Germanien kam, war die Wintersonnenwende die Zeit des Jul-Festes. Das Jahr der Ackerbaugesellschaft war vorbei, die Natur hatte Winterpause eingelegt. Jetzt verbrachte die Mehrzahl der Menschen die meiste Zeit im Haus, holte sich Lichter und immergrüne Zweige in die gute Stube, um es sich gemütlich zu machen.
    Schon zu dieser heidnischen Zeit war dafür die Bezeichnung "geweihte Nacht" gebräuchlich - waren es doch auch Tage der inneren Einkehr, der Reflektion und sicher manch "archaischer" Rituale...
    (zitiert nach fwbo.de)



    "Reflektion" sollte auch ein nicht ganz unwesentlicher Bestandteil einer buddhistisch orientierten Lebensführung sein...
    Natürlich hat auch meine Religion manche Anregung parat, die für alle offenherzigen Menschen bedenkenswert sein dürfte
    - unabhängig von der jeweiligen religiösen oder areligiösen Einstellung...


    Der DHAMMAPADA gilt als einer der Hauptquellen buddhistischer Ethik. Er besteht aus 423 Versen.
    Die folgende kleine Auswahl benutzt die deutsche Nachdichtung eines gewissen Hans Much, die 1920 erstmals erschienen ist...



    (aus "Zwillingsverse")
    Haß wird nie durch Haß bezwungen.
    Ewige Weisheit, laß mich lehren:
    Nicht-Haß nur bezwingt das Hassen,
    haßlos kannst dem Haß du wehren. (5.)


    Mancher Mensch mag nicht bedenken,
    daß uns allen winkt das Ende;
    wer denn dies bedenkt, dem schlichtet
    aller Hader sich behende. (6.)


    (aus "Blumen")
    Achte nicht auf fremde Fehler,
    nicht auf fremdes Tun und Lassen!
    Eigne Tat und eigne Säumnis
    mußt du fest ins Auge fassen. (50.)


    Kluge Rede, der nicht Tat folgt,
    wird dir ohne Früchte darben,
    ist wie eine Wunderblume,
    ohne Duft, nur reich an Farben. (51.)


    (aus "Tausende")
    Besser als in tausend Reden
    Worte ohne Sinn verschwendet,
    ist ein Wort voll tiefen Sinnes,
    das dem Hörer Frieden spendet. (100.)


    Besser ist, als ein Jahrhundert,
    in des Leichtsinns üppigen Ranken,
    schon ein einziger Tag in Tugend
    und in suchenden Gedanken. (110.)


    (aus "Die Welt")
    Kämpfe tapfer gegen Stumpfsinn!
    Bösem Wege fernzubleiben,
    folge keiner falschen Lehre.
    Suche nie das eitle Treiben! (167.)


    Weise freuen sich am Geben,
    nur der Blinde mag es schelten.
    Gerne spendend steigt der Weise,
    nicht der Tor, zu lichten Welten (177.)


    (aus "Zorn")
    Hüte dich vor Zornesworten,
    mach`das Wort zu deinem Knechte.
    Meide alle Zungensünden,
    tu`mit Worten stets das Rechte! (232.)


    (aus "Der Gerechte")
    Das ist nicht der Brauch des Edlen,
    fremdes Leben zu verletzen.
    Schonst du alle Lebewesen,
    bist als Edler du zu schätzen. (270.)


    (aus "Der Elefant")
    Glück ist Tugend bis ins Alter;
    Glück, im Glauben fest zu stehen;
    Glück der Anblick der Erkenntnis;
    Glück, dem Fehl vorbeizugehen. (333.)




    eine erfüllte "dunkle Zeit"
    wünscht
    MICHA

  • Weihnachten wie damals
    Lied für Chor und Orchester



    Liebe Taminos,


    gegenteilig zu meinem letzten Türchen kommt nun ein Thema, welches die meisten hoffentlich mit angenehmen und schönen Erinnerungen empfinden; nämlich um Weihnachten wie man es als Kind empfunden hat.


    Meine Erinnerungen zeigen mir da einen für mich riesigen geschmückten Weihnachtsbaum mit Wunderkerzen dran, darunter viele bunte Geschenke, ein Festessen von Mutti gezaubert, ein Papa der mit die Kamera förmlich vor die Nase hält, mein Bruder der meine Begeisterungen teilt und ein anderer der sich daran freut, dass wir Spaß an den Geschenken haben.


    Das besondere daran ist, dass es damals soooo einfach war glücklich zu sein. Die Geschenke haben einen so begeistert, das man am liebsten mit ihnen eingeschlafen wäre, die Athmosphäre so heilig dass man sich rundum geborgen fühlte und die Familie so gestärkt, dass man damals noch glaubte Streit könne sie niemals heimsuchen.
    Bei mir zumindest war es so. Naivität, ja. Aber es war eben eine so schöne Zeit. Die Erinnerung jedenfalls halte ich in Ehren, ebenso wie einige wenige Fotos davon.


    An manchen Weihnachten heute denk ich oft „Wie Schade, dass kein Weihnachten mehr das ich erlebe so intensiv sein kann.“ Das liegt daran weil ich nun weiß, dass es kein Christkind gibt, dass ich weiß wie menschlich und darum üblich Streit ist (auch an Weihnachten…), weil die Geschenke einen nurnoch selten überraschen –da man sich ohnehin alles selbst kaufen kann usw…


    Ich komponierte anlässlich dieses Türchens ein Lied, welches davon erzählt. Es erzählt von dem damaligen Weihnachten, aber auch von der Sehnsucht die ich eben manchmal empfinde, wenn ich dran denke. Vielleicht verbirgt sich auch dahinter ein wenig der Wunsch, nochmal für ein Tag Kind sein zu wollen?
    Ich hoffe jedenfalls mir ergeht es nicht als einzige so, und hoffe ebenso, dass euch so manches davon ganz bekannt vorkommt.


    Viel Vergnügen beim Anhören!
    >>>Download<<<



    Technische Info:
    Erstmal wichtig; Die ORGEL soll der CHOR sein. Das ist deswegen wichtig, weil die Bläser zwischendurch mal die Melodie übernehmen. (Das Chorgeräusch selbst fand ich unpassend, zumal dass ab und an klingt wie eine Schafsherde im Dauerlauf…)
    Die Noten sind bei dem Download auch dabei, damit man u.a. den Text mitlesen kann.
    Man könnte vielleicht noch erwähnen, dass aus mir noch unbekannten Gründen die Orchestersimulation bei Takt 50/51 versagt, und förmlich macht was sie will. Das fällt zwar nicht auf, aber es zerstört den Übergang. Kurzum; es ärgert MICH sehr. :P
    Weiterer (mich sehr ärgernder) Mangel ist, dass sich "Sopran", "Tenor" und "Bass" nicht beschriften liesen, und darum so unschön (fast modern) als "Choir" 1-3 in der Partitur stehen. :angry: :motz:
    Wer sonstige Fehler findet, darf sie behalten.


    Der Text:
    Weihnachten als Kind.
    Weihnachten wie damals.
    Ich vermisse dies Gefühl.
    Erinn’re mich daran.
    Man war glücklich und geborgen.
    Dies ist Weihnachten.
    Liebe schenken und bekommen.
    Weihnachten als Kind war seelig.


    Schön ist die Erinnerung.
    Weihnachten als Kind.
    Weihnachten wie damals.



    C.


    :hello:


    PS: Ja, der Text ist von mir. Und jaaa, ich weiß, dass ich kein geborener Dichter bin. :D

  • Bitte entschuldigt die bereits fortgeschrittene Tageszeit- der Text war bereits gestern Abend fertig, aber ein Absturz des Feuerfuchses ließ in den ewigen Jagdgründen versickern :no:...


    _______________


    Es ruhen schon die Wälder


    Die Weihnachszeit eines desillusionierten Gymnasiasten


    Wer glaubt, zu Weihnachten gehe es in der Schule besinnlich zu, der irrt. Nahezu alle Klassenarbeiten werden vors Fest der Liebe gelegt. Hoffentlich ist das wenigstens ironisch gemeint. Wir Schüler müssen uns also selbst den Spaß schaffen. Kein Problem für uns.


    Unser Hausmeister (wir nennen ihn liebevoll "Hank") stellt den Weihnachtsbaum auf. Mit diebischer Freude drehen wir eine Glühbirne aus der Reihenschaltung. Die Freude währt jedoch nicht lang: Nach einem weiteren Attentat auf die Tanne stellen wir ernüchtert fest, dass Hank tatsächlich im Stande ist, auf einen Blick die übeltuende Birne zu identifizieren.


    Weihnachtsfeeling ersteht bei uns hauptsächlich durch den Schnee auf de, Schulhof. Wundersamerweise spielen die Fünftklässler zivilisiert Tischtennis, während wir Zehner uns wie die Kindergartenkinder mit Schneebällen bepfeffern. Meine Trefferquote liegt dabei allerdings eher bei "Glück" als bei "Können".


    In den letzten zwei Wochen haben wir noch Deutsch, Geschichte, Werte und Normen, Physik, Musik, Politik, Chemie und Bio geschrieben. Acht Arbeiten- und das vor Weihnachten. Dieses Argument zieht natürlich bei keinem Lehrer.


    Deutsch war die letzte Arbeit in diesem Jahr: Textgebundene Erörterung zu einem Aufsatz von Eva Herman. Das ging äußerst leicht von der Hand- die Frau lässt sich Zeile für Zeile selbst entkräften.


    Geschichte und Werte und Normen haben wir beim selben Lehrer- unserem Klassenlehrer, Herrn W. Beide Arbeiten haben wir inzwischen wieder- zwei Einsen für mich. Meiner Meinung nach schreibe ich stets einen Riesenschwachsinn- aber irgendwas muss es ja für sich haben. Mein letzter Satz in der Geschichtsarbeit: "Denn das ist der Lauf der Geschichte: Man weiß, was gestern war, sieht, was heute ist, aber kann daraus nicht ableiten, was morgen sein wird." Anmerkung von Herrn W.: "Sehr richtig!"


    Physik interessiert mich herzlich wenig. Dementsprechend wird wahrscheinlich auch die Arbeit ausgefallen sein. Tja. Immerhin habe ich stets logisch gerechnet und die "zwei Gs" hingeschrieben: "gegeben" und "gesucht". Aber wir wissen ja: Naturwissenschaften sind nicht logisch.


    Unser Politiklehrer, Herr T. (gelernter Zimmermann, wir nennen ihn "Oberfeldwebel"), will auf drei Aufgaben hundert Punkte geben- wofür, ist uns allen schleierhaft. Während wir noch darüber diskutieren, kommt Frau E.-H. in den Physik-Flur und verdonnert uns zu Schulordnungen, weil wir (bei Schneefall und Minusgraden draußen) drinnen sind. Natürlich wird sie die nie zu sehen bekommen. Bei Nachfrage werde ich so argumentieren: Frau E.-H. kam um 9 Uhr 51 Minuten 30 Sekunden durch die Tür. Uns wird aber stets eingebläut, dass der Vorgong bereits um 9 Uhr 50 geht- so gesehen waren wir pünktlich.


    Die erste Seite der Bioarbeit (Genetik) war heiteres Raten, aber der Rest ist wohl recht gut gegangen. In der darauf folgenden Stunde führte uns unser Lehrer stolz wie Oskar das neue Whiteboard im Bioraum vor.


    Unser Chemielehrer, Herr H., wird nicht müde, uns zu erklären, dass Rauchen und Saufen tödlich sind (sogar an Kohlensäure kann man verenden!), wie viele Kalorien doch im guten Strothmann-Korn stecken, Schminke eigentlich aus Kohle besteht, wie viele Kalorien doch im guten Strothmann-Korn stecken und wie Induktionsherde funktionieren- gern auch mal vor Klassenarbeiten. Das führt dann dazu, dass er zehn Minuten überzieht und die Vorbereitung auf die Arbeit im Schnelldurchlauf macht. Mein bester Kumpel Stefan und ich schäumen. Zumal wir wissen, was in der nächsten Stunde kommt: "Mann, Mann, das hab ich doch extra noch gesagt in der Stunde vorher und dann so'n Scheiß..." Und tatsächlich: "Hab ich doch extra noch gesagt... Eigentlich könnte ich jetzt nach Hause gehen." Stefan leise zu mir: "Tja, da sagen Sie was."


    Heute heißt es nochmals üben für unser morgiges Weihnachtskonzert (zu dem jeder herzlich eingeladen ist ;)). Ich, der Publikumsliebling am Klavier, der stets den meisten Beifall bekommt, singe diesmal etwas- und dann gleich Leporellos Registerarie. Ohne Mikro. Auswendig. Italienisch! Ich sehe schon wieder wildfremde Leute mir auf die Schulter klopfen. Nach dem Eröffnungssatz einer Beethoven-Sonate sagte Herr W. weiland zu mir: "Sebastian, das war ja Wahnsinn, was du geleistet hast!" Seit Ewigkeiten beschäftige ich mich mit dieser Arie, eine Freundin von mir spielt Elvira- das muss ein Erfolg werden! Mein erstes Mal auf der Bühne. Ich freu mich tierisch drauf!


    Dann sind's ja auch nur noch drei Tage bis Heiligabend. Als Kind sehrte man förmlich danach- jetzt kommt er mit Riesenschritten von ganz allein. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!

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  • WLADIMIR KOROLENKO: DER TRAUM MAKARS


    Dies ist der Traum des armen Makar - desselben Makar, von dem es im Sprichwort heißt, daß er seine Rinder auf einen abgelegenen dürren Weidegrund getrieben habe und daß sein Kopf von jedem herabfallenden Tannenzapfen getroffen werde.


    So beginnt die Erzählung „Der Traum Makars“ des russischen Dichters Wladimir Galaktionowitsch Korolenko. Man sehe mir nach, daß ich diese Erzählung nicht in voller Länge (das würde die Möglichkeiten dieses Forums wohl sprengen) einstelle, sondern mich mit kräftigen Kürzungen dem Kernstück der Erzählung nähere. Zusammenfassungen meinerseits stehen hier kursiv, Auslassungen im laufenden Text sind mit … kenntlich gemacht. Um hier nicht noch mehr Längen zu erzeugen, werde ich weiterführende Hinweise im „Anregungen“-Thread geben.


    Seine Heimat — das weltverlorene Dörfchen Tschaigan — lag verborgen im fernen jakutischen Urwald. Die Ahnen und Urahnen Makars hatten dem Dickicht ein Stückchen durchfrorener Erde abgewonnen und waren unverzagt geblieben, wenn die düstere grüne Wildnis sie immer noch wie eine feindselige Mauer umringte. Im Laufe der Jahre begannen aber geflochtene Zäune sich durch die Rodung hinzuziehen; Ställe und Scheunen wuchsen um niedere, rauchige Wohnhütten empor; und endlich ragte auf dem Hügel inmitten der Siedlung ein Glockenturm wie eine Siegesfahne himmelan: Tschaigan war mittlerweile zu einem nicht unansehnlichen Dorf geworden.

    Er [Makar] arbeitete übermäßig, lebte armselig und mußte oft Hunger und Frost leiden. Gab es für ihn überhaupt andere Gedanken als die ständigen Sorgen um Brotfladen und Tee? O ja, es gab sie.


    Wenn er betrunken war, weinte er oft. „Was für ein Leben haben wir!“ konnte er dann ausrufen, „mein Gott, was für ein Leben!“


    Als es einmal mehr Weihnachten geworden war, hatte Makar das Bedürfnis, sich zu betrinken. Er erhält im Tausch für eine versprochene Lieferung Holz einen Rubel, kauft eine Flasche Schnaps und betrinkt sich damit in einer tatarischen Schänke. Auf dem Heimweg entsinnt sich Makar seiner Frau, mit der zusammen er zu Weihnachten Schnaps trinken wollte und die er um ihren Teil des Schnapses betrogen hat. Er beschwichtigt sich damit, daß bestimmt in einer seiner Fallen, die er im Wald aufgestellt hatte, ein Fuchs gefangen worden sei, für dessen Erlös wiederum Schnaps beschafft werden könne.


    In seiner Hütte angekommen teilte er seiner Frau mit, daß ein Fuchs ins Eisen gegangen sei, und vergaß darüber, daß die Alte nicht mit ihm zusammen Schnaps getrunken hatte, so daß er tief erstaunt war, als sie ihm, trotz der frohen Botschaft, einen heftigen Tritt in den Hintern versetzte und ihn, als er sich zu ihr ins Bett wälzte, mit einem Faustschlag ins Genick traf. Er lag im Bett. Sein Kopf brannte. Auch in seinem Innern brannte alles. Durch seine Adern rollte das starke Gemisch von Schnaps und Tabaksaufguß. Über sein Gesicht und seinen Rücken rannen kleine Rinnsale schmelzenden Schnees.


    Seine Frau glaubte, er schlafe. Doch er schlief nicht. Der Fuchs wollte ihm nicht aus dem Sinn. Die Überzeugung, daß er einen gefangen habe, befestigte sich immer stärker in ihm. Er glaubte sogar zu wissen, in welcher Falle er saß. Er sah ihn deutlich vor sich, wie er, vom schweren Fallklotz eingeklemmt, mit seinen Klauen den Schnee zer¬wühlte, um sich zu befreien. Mondstrahlen brachen durch das Dickicht und spielten auf seinem goldenen Fell. Die Augen des Tieres funkelten ihn an.
    Er hielt es nicht länger aus, erhob sich vom Lager und begab sich zu seinem treuen Schimmel, um in den Wald zu fahren.


    Was war das nur? Hatten die starken Finger seiner Alten ihn wirklich am Hemdkragen festgehalten und ins Bett zurückgezogen? Nein. Er befand sich ja schon außerhalb des Dorfes. Die Schlittenkufen knirschten im festen Schnee.


    In seinem nun beginnenden wirren Traum begibt sich Makar zu den Fallen, erspäht dort tatsächlich einen Fuchs, aber auch seinen Nachbarn, der im die Beute streitig machen will. Nach kurzem Zweikampf liegt der völlig entkräftete Makar im Schnee und stirbt. Doch auch nach seinem Tod findet Makar keine Ruhe. Eine Fußspitze stößt seinen Körper an.


    Über den Körper Makars, an den er mit seinem Fuß gestoßen war, beugte sich der kleine alte Pope Iwan. Seine lange Kutte war mit Schnee bedeckt. Schnee lag auch auf seiner Pelzkappe, auf seinen Schultern und in seinem langen Bart. Das Erstaunlichste an ihm aber war, daß es derselbe Pope Iwan zu sein schien, der bereits vor vier Jahren gestorben war. Jetzt beugte sich dieser selbe Pope Iwan in heiler Gestalt über Makar und stieß ihn wiederholt mit seinem Fuß an.


    „Steh auf, Makaruschka!“ rief er. „Gehen wir!“
    „Wohin sollen wir denn gehen?“ fragte Makar unzufrieden.
    „Gehen wir zum großen Toyong“ [in unserer Vorstellung Gottvater]
    „Was hab' ich bei dem zu suchen?“ fragte Makar.
    „Er wird Gericht über dich halten“, antwortete der kleine Pope mit ein wenig kläglicher, zitternder Stimme.


    Makar erinnerte sich jetzt, daß man sich nach dem Tode tatsächlich zu irgendeinem Gericht begeben mußte. Das hatte er in der Kirche gehört. Der Pope hatte also recht. Man mußte aufstehen.
    Er erhob sich und knurrte vor sich hin, daß man einem Menschen nicht einmal nach dem Tode seine Ruhe lasse. Der Pope schritt voran, Makar hinter ihm drein. Es ging immer geradeaus. Die großen Bäume drängten sich lautlos beiseite, um ihnen Platz zu machen. Der Weg führte nach Osten.
    Makar wunderte sich darüber, daß Iwan keine Spuren im Schnee zurückließ. Er schaute auf seine eigenen Füße und gewahrte ebenfalls keine Spuren: der Schnee war glatt und rein wie ein Tischtuch.

    Die ganze Zeit über, während welcher er hinter dem Popen herging, war er unzufrieden. Sie wanderten, wie es schien, schon sehr lange. Der Morgen war zwar noch nicht aufgedämmert. Doch wenn Makar an den durchschrittenen Raum dachte, so dünkte es ihn, daß sie eine ganze Woche lang unterwegs waren: so viele Schluchten, Hügel, Flüsse und Seen lagen schon hinter ihnen, durch so viele Wälder und Ebenen waren sie bereits gekommen. Wenn Makar sich nach hinten umblickte, kam es ihm vor, als fliehe der finstere Urwald hinter ihnen zurück. Dafür tauchten schneebedeckte Gipfel vor ihnen auf, schmolzen in der nächtlichen Dämmerung wieder hin und verschwanden.


    Auf dem Weg zum großen Toyong begegnem Makar und dem Popen allerlei merkwürdige Gestalten, Gestalten, über die bereits Gericht gehalten worden war und sich mit ihren Strafen plagten. Und Makar wird auf dem langen Wege immer mulmiger zumute.

    Dann wurde es an einer Stelle im Osten immer lichter und lichter, und die Nebel erglühten golden wie gerüstete Krieger. Die Schwaden gerieten in Bewegung, die goldenen Krieger verneigten sich. Und endlich trat die Sonne aus ihrer Mitte hervor und überblickte den weiten Raum. Die Ebene erstrahlte in einem nie geschauten, blendenden Glanze. Die Nebel erhoben sich feierlich zu einem gewaltigen Reigen, zerrissen im Westen und lösten sich schwankend hoch oben auf. Makar hörte einen wundersamen Gesang. Es war derselbe altvertraute Gesang, mit dem die Erde an jedem Morgen die Sonne begrüßt. Doch Makar hatte früher nie auf ihn hingehört und erlebte zum ersten Mal, wie herrlich diese Klänge waren.


    Doch der Pope Iwan zupfte ihn am Ärmel.
    „Gehen wir!“ sagte er. „Wir sind angelangt.“
    Da erst sah Makar, daß sie vor einer großen Tür standen, welche der Nebel bisher verhüllt hatte.
    Er wollte durchaus nicht weiter. Doch da war nichts zu machen — und er gehorchte.


    Sie betraten eine schön eingerichtete geräumige Hütte, und Makar empfand gleich an der Tür, wie kalt es draußen gewesen war. In einem mit durchbrochener Silberarbeit geschmückten Kamin glänzten goldleuchtende Baumklötze und strahlten eine gleichmäßige Wärme aus, die im Nu den ganzen Körper durchdrang. Das Feuer dieses wundersamen Kamins blendete nicht die Augen; es loderte nicht, noch rauchte es, sondern wärmte nur, und wieder verspürte Makar das Verlangen, sich ewig in dieser Wärme aufhalten zu können. Auch der Pope Iwan trat an den Kamin heran und streckte seine froststarren Hände nach ihm aus. Der große Saal der Hütte hatte vier Türen. Eine von ihnen führte ins Freie; durch die drei andern dem Eingang gegenüberliegenden Türen fluteten in dauerndem Kommen und Gehen zahlreiche junge Leute in langen, faltigen weißen Gewändern. Makar nahm an, daß es die Knechte des großen Toyong seien. Ihm schien, er hätte sie schon irgendwann und irgendwo einmal gesehen, konnte sich aber nicht mehr genau erinnern. Am meisten versetzte ihn in Erstaunen, daß am Rücken jedes dieser Knechte große weiße Flügel schwankten, und er meinte, der große Toyong müsse noch andere Knechte haben, denn die Geflügelten seien doch gewiß nicht imstande, sich durch den Urwald hindurchzuzwängen, um Holz zu fällen oder Reisig zu sammeln.


    Nun sollte Gericht gehalten werden über Makar, und man traf Anstalten eine Waage – die Große - herbeizuschaffen.


    Makar aber fragte den Popen, wozu die Waage dienen solle, zumal die große.


    „Ja, siehst du“, sagte der Pope ein wenig verlegen, „die Waage dient dazu, das Gute und das Arge, das du im Leben getan, gegeneinander abzuwägen. Bei den meisten andern Menschen halt die Waage sich so ziemlich im Gleichgewicht. Nur die Tschalganer haben meist so viel Sünden aufzuweisen, daß der Toyong für sie eine besondere Waage mit einer viel größern Schale für die Untaten hat anfertigen lassen.“


    Makar wurde es bei diesen Worten etwas beklommen zumute. Er begann zu zagen.
    Die Knechte trugen die große Waage herbei und stellten sie auf. Die eine Schale war aus Gold und ziemlich klein; die andere, hölzerne, hatte gewaltige Ausmaße. Unter ihr tat sich im Fußboden eine tiefe schwarze Öffnung auf.


    „Der Toyong kommt!“ rief plötzlich der Pope Iwan aus und zupfte noch einmal rasch an seinem Priesterrock herum. Die Mitteltür tat sich auf, und der uralt-alte Toyong trat mit seinem Silberbart, der ihm bis über den Gürtel reichte, ins Gemach, Er war in kostbare Felle und Gewebe gekleidet, wie Makar sie noch nie gesehen hatte; seine Füße staken in weichen, warmen goldgestickten Schuhen, die Makar von alten Ikonen her kannte.


    Überhaupt stellte er gleich beim ersten Blick auf den Toyong fest, daß es derselbe Greis war, den er auf Bildern in der Kirche angestaunt hatte. Nur sein Sohn war nicht bei ihm, und Makar vermutete, daß dieser sich im Augenblicke wohl auswärts befinde und sich mit der Wirtschaft abgebe. Dafür aber kam eine Taube ins Zimmer geflogen, kreiste ein paarmal über dem Haupte des Toyong und ließ sich dann auf eines seiner Knie nieder. Der Alte, der auf einem eigens für ihn hingestellten Stuhl Platz genommen hatte, streichelte ihr mit der einen Hand den Kopf.

    Unterdessen hatten die Knechte des Toyong die goldene Schale mit dem Gewicht der Arbeit Makars, der Stangen, Holzfuhren, Aussaaten und aller seiner sonstigen Mühen beladen. Das ergab so viel, daß die goldene Schale sich immer tiefer senkte, während die hölzerne höher und höher stieg, so daß Hunderte von Knechten in die Höhe fliegen mußten, um sie herabzuziehen und beladen zu können. Schwer und gewichtig war die Arbeit des Tschalganen gewesen.


    Doch der Pope Iwan begann nun alle seine Schwindeleien und Vergehen aufzuzählen — und es stellte sich dabei heraus, daß Makar einundzwanzigtausend neunhundert und dreiunddreißigmal betrogen hatte. Immer neue Sünden kamen hinzu, und Makar sah mit Besorgnis, daß die hölzerne Schale sich tiefer und tiefer senkte, die goldene schließlich überwog und sich bereits der dunklen Unterhöhlung näherte, während der Pope Iwan immer noch neue Vergehen aufzählte.


    Da erkannte Makar, daß seine Sache schlimm stand. Er trat ganz dicht an die Waage heran und versuchte die hölzerne Schale mit seinem Fuß aufzuhalten. Doch einer der Knechte ertappte ihn dabei und schlug Lärm.


    „Was gibt es?“ fragte der alte Toyong. „Dieser Bauer wollte die Schale mit dem Fuß aufhalten“, erwiderte der Knecht.


    Da schaute der Toyong grimmig drein und sagte zu Makar: „Ich sehe, daß du ein Faulpelz, Schwindler und Trunkenbold bist... Außerdem hat der Pope Iwan noch wegen nicht gezahlter Kirchensteuern mit dir abzurechnen. Und überdies hast du den Kreisrichter durch deine Übeltaten zu immer neuen Sünden verfuhrt, indem er sich genötigt fühlte, dich jedesmal, wenn er mit dir zu tun hatte, mit neuen Schimpfworten und Flüchen zu belegen.“


    Und er fragte den Popen Iwan: „Wer war es doch, der in Tschaigan die armen Pferde mit übermäßigen Lasten belud und sie unbarmherzig antrieb?“


    „Das war der Küster“, erwiderte der Pope. „Er war Postkutscher und hat immer den Kreisrichter gefahren.“


    „Man gebe diesen Faulpelz da dem Küster als Lastpferd: er soll den Kreisrichter so lange hinter sich herschleppen, bis er selber zuschanden gefahren ist... Dann wollen wir weitersehen...“


    Kaum hatte der alte Toyong dieses Urteil gesprochen, als sich die Tür öffnete und der Sohn des Toyong die Hütte betrat. Er setzte sich zur Rechten des Vaters nieder.


    „Ich habe das Urteil gehört“, sagte er. „Ich lebte so lange auf Erden, daß ich an mir selbst erfahren habe, wie es in der Welt zugeht. Es wird dem armen Menschen dort nicht leichtfallen, den dicken Kreisrichter im Wagen hinter sich herzuziehen. Vielleicht könnte er uns doch noch irgendetwas mitteilen, das ihn rechtfertigt... Sprich, du Ärmster!“


    Da geschah etwas Seltsames. Makar, derselbe Makar, der niemals in seinem Leben mehr als zehn zusammenhängende Wörter hintereinander ausgesprochen hatte, fühlte sich plötzlich mit der Gabe des Wortes beschenkt. Er begann zu reden und wunderte sich mehr als alle andern über sich selbst. Seine Rede ergoß sich flüssig und leidenschaftlich. Die Wörter trieben eins immer das andere hervor und schlössen sich zu langen, wohlausgerichteten Reihen zusammen.


    Er begann damit, daß er dem Küster durchaus nicht als Zugtier zu dienen wünsche - nicht, weil er eine schwere Arbeit scheue, sondern weil er diese Entscheidung für ungerecht halte. Da er sie für ungerecht halte, so wolle er sich ihr nicht unterwerfen und gedenke nicht einmal eines seiner Ohrläppchen, geschweige denn einen Finger oder einen Fuß zu rühren, um ihr Folge zu leisten. Möge man mit ihm tun, was man wolle! Möge man ihn dem Teufel als Hausdiener überantworten - er werde den Kreisrichter unter keinen Umständen als Lasttier hinter sich herziehen, denn das sei ungerecht. Man solle aber ja nicht denken, daß ihm die Lage eines Lastpferdes verabscheuenswert vorkomme: der Küster habe zwar seinem Pferd übermäßige Lasten aufgebürdet und es übermäßig angetrieben, ihm aber immer genug Hafer zu fressen gegeben; er selbst dagegen sei sein ganzes Leben lang gejagt worden, ohne daß man ihn mit Hafer genährt hätte.


    „Wer hat dich gejagt?“ fragte der alte Toyong teilnahmsvoll.


    Ja, man habe ihn sein ganzes Leben lang gejagt. Die Gerichte, die Starosten, die Gemeindeältesten, die Kreisrichter und die Beisitzer und die Popen, welche Steuern und Kirchenabgaben aus ihm herauspreßten, hätten ihn gejagt; gejagt hätten ihn Hunger und Not, Frost und Hitze, Regengüsse und dürre Zeiten, durchfrorene Äcker und der böse Urwald... Das Vieh lasse sich mit zur Erde geneigtem Kopfe immer weiter antreiben und wisse nicht, wohin man es treibe... So sei es auch ihm ergangen... Habe er denn gewußt, was der Pope in der Kirche verkündete und wofür er ihm Abgaben zu zahlen habe? Habe er denn gewußt, warum man seinen ältesten Sohn unter die Soldaten gesteckt und in die Fremde fortgeschleppt habe, wo er gestorben sei, ohne daß man in Erfahrung bringen konnte, wo seine armen Gebeine in der Erde vermoderten?


    Man werfe ihm vor, er habe zuviel Schnaps getrunken. Gewiß, das sei richtig. Sein Herz habe nach Schnaps verlangt.


    „Wieviel Flaschen, sagtest du?“ fragte der Toyong den Popen.
    „Vierhundert“, antwortete der Pope, der noch einmal im Buch nachgeschaut hatte.


    Gut! Sei das aber auch richtiger Schnaps gewesen? Drei Viertel Wasser und ein Viertel echter Schnaps und dann noch ein tüchtiger Zusatz von Tabaksaufguß. Mindestens dreihundert Flaschen müßten von der Rechnung gestrichen werden!


    „Spricht er die Wahrheit?“ fragte der alte Toyong dazwischen, der seinen Groll noch immer nicht ganz vergessen zu haben schien. „Die reinste Wahrheit!“ gab der Pope eifrig Bescheid.


    Und Makar fuhr fort zu reden.


    Man rechne ihm nach, daß er dreizehntausend Stangen zu viel angegeben habe. Möge dem so sein! Möge er im ganzen nur sechzehntausend Stangen zurechtgehauen haben! Sei das denn zu wenig? Zweitausend habe er einmal gehauen, als seine erste Frau krank darniedergelegen. Es sei ihm schwer ums Herz gewesen, er hätte sich lieber zu ihr ans Bett gesetzt und sie gepflegt. Doch die Not habe ihn in den Wald getrieben, und im Walde habe er geweint und die Tränen seien an seinen Wimpern gefroren und der Frost habe ihm ans Herz gegriffen. Ihm sei nichts übriggeblieben, als die Axt zu schwingen und weiter Holz zu hauen.


    Später sei seine Alte dann gestorben. Er habe sie begraben müssen und kein Geld dafür gehabt. Da habe er sich als Holzknecht verdingt, um die Wohnung seiner Frau im Jenseits zu bezahlen. Und der Kaufmann, für den er gearbeitet, habe gesehen, daß er in Not war, und habe ihm daher für jede Fuhre nicht mehr als zehn Kopeken gegeben. Er glaube, daß er für diese Fuhren das Fünffache hätte erhalten müssen.


    Dem alten Toyong traten Tränen in die Augen, und Makar sah, wie die Waage in Bewegung geriet und die hölzerne Schale sich allmählich hob, während die goldene sich senkte. Er sprach weiter.


    Hier sei ja alles in Büchern aufgeschrieben. Möge man also nachschauen: Wann habe er je eine Zärtlichkeit, ein Glück, eine Freude erfahren? Wo befänden sich seine Kinder? Als sie starben, sei ihm bitter und schwer ums Herz gewesen. Und die wenigen Herangewachsenen seien von ihm fortgegangen und in die weite Welt gezogen, um jeder für sich allein mit der Not des Lebens zu kämpfen. Mit seiner zweiten Frau sei er einsam gealtert und habe gefühlt, wie seine Kräfte nachließen und wie das hilflose und gebrechliche Alter nahe. Verlassen seien sie beide dagestanden wie zwei verwaiste Tannen in der Steppe, von allen Seiten von eisigen Schneestürmen umbraust.


    „Ist das wahr?“ fragte der alte Toyong von neuem. Und der kleine Pope beeilte sich zu erwidern: „Die reinste Wahrheit.“


    Und wieder bewegten sich die Schalen der Waage. Doch der alte Toyong versank in Nachsinnen.


    „Wie ist das nur?“ sagte er. „Auf meiner Erde leben doch genug Gottselige und Gerechte. Ihre Augen sind klar, ihr Antlitz ist licht, ihre Kleider sind fleckenlos. Ihre Herzen sind weich wie guter Grund und Boden: sie nehmen den guten Samen in sich auf und blühen wie die Lilien auf dem Felde und tragen Früchte, deren Wohlgeruch mir angenehm ist. Doch du — schau dich doch nur einmal an!“


    Aller Augen richteten sich auf Makar. Er schämte sich. Er fühlte, daß seine Augen trübe, sein Gesicht finster, sein Haar und Bart verfilzt, sein Gewand zerlumpt waren. Noch kurz vor seinem Tode hatte er daran gedacht, sich einmal neue Stiefel zu kaufen, um vor Gericht so zu erscheinen, wie es sich für einen echten Bauern ziemt. Doch immer wieder hatte er das Geld vertrunken und stand jetzt wie der letzte Jakute in zerrissenen Schuhen vor dem großen Toyong... Er wäre vor Scham am liebsten in den Erdboden versunken. „Dein Gesicht ist finster“, fuhr der alte Toyong fort. „Deine Augen sind trübe, dein Kleid ist zerfetzt. Dein Herz ist mit Dornen und Steppengras und bitterem Unkraut überwachsen. Daher liebe ich meine Gottseligen und Gerechten und wende mein Antlitz ab von den Ruchlosen, die dir ähnlich sind.“


    Das Herz Makars krampfte sich zusammen. Er schämte sich seines ganzen Daseins und senkte seinen Kopf. Doch plötzlich hob er ihn wieder und fing von neuem zu reden an: Von welchen Gerechten und Gottseligen spreche denn der Toyong? Wenn er von denen spreche, die gleichzeitig mit Makar auf Erden gewohnt und in glänzenden Ge¬mächern ihr Leben verbracht - so seien sie Makar wohlbekannt: ihre Augen seien klar, denn sie hätten nie soviel Tränen vergossen wie Makar; ihre Gesichter seien hell, denn sie seien mit Wohlgerüchen gewaschen worden; ihre Kleider seien rein, denn sie seien mit fremden Händen gewebt worden. Und wenn er jetzt seine finstere und schandbare Gestalt vor Scham am liebsten in der Erde verbergen möchte - so sei das nicht seine Schuld. Wessen Schuld es sei - das wisse er nicht. Er wisse nur, daß die Geduld in seinem Herzen erschöpft sei.


    Wenn Makar hätte sehen können, welche Wirkung seine Rede auf den alten Toyong ausübte; wenn er dessen gewahr geworden wäre, daß jedes seiner zornigen Worte wie ein Bleigewicht in die goldene Schale fiel, so hätte er sein Herz bezähmt. Doch er sah das alles nicht, denn er strömte von blinder Verzweiflung über.


    Er überschaute sein ganzes, bitteres Leben. Wie hatte er diese furchtbare Last bis jetzt tragen können? Das war nur möglich gewesen, weil im Nebel, der ihn umgab, wie ein ferner, ferner Stern die Hoffnung auf ein besseres Leben schimmerte, das ihm auf Erden noch einmal beschieden sein mochte. Jetzt, wo er am Ende angelangt, war diese Hoffnung erloschen.


    Da wurde es ganz finster in seiner Seele, und es brauste in ihr eine Raserei auf wie ein Nachtsturm in einer öden Steppe. Er hatte vergessen, wo er sich befand und vor wessen Antlitz er stand — er hatte alles vergessen, nur seinen Zorn nicht...


    Doch der alte Toyong rief ihn an: „Halt inne, du Ärmster! Du bist nicht mehr auf der Erde... Hier gibt es auch für dich eine Wahrheit und eine Gerechtigkeit.“


    Und Makar erbebte. Sein Herz wurde von der Erkenntnis durchzuckt, daß man Mitleid mit ihm habe, und erweichte sich. Doch weil ihm immer noch sein ganzes armseliges Leben vom ersten bis zum letzten Tage vor Augen stand, so tat er sich selbst namenlos leid — und brach in Tränen aus.


    Auch der alte Toyong weinte. Es weinte der alte kleine Pope Iwan. Es weinten die geflügelten Gottesknechte und wischten sich die Tränen mit ihren breiten weißen Ärmeln ab.


    Und die Waage bewegte sich in einem fort. Und die hölzerne Schale hob sich immer höher und höher.


    Im Sinne dieser Offenbarung wünsche ich allen Paminas und Taminos sowie allen Lesern dieses Forums ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest 2009.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Tiefe Offenbarung bringt die Stille,
    die Stille der heiligen Nacht,
    damit wir uns immer bewußt werden,
    wie sehr wir zueinander gehören,
    wie sehr wir einander brauchen,
    wie sehr wir uns gegenseitig helfen können,
    wie sehr wir einander lieben sollten,
    wie sehr wir uns alle nach Frieden sehnen,
    wie sehr wir mit Gedanken und Taten die Welt formen.


    Stille, Frieden, Erkenntnisse und Kraft wünscht allen Taminos und Lesern unseres Forums von ganzem Herzen zu Weihnachten und für
    das neue Jahr.
    In herzlicher Verbundenheit
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Liebe Forianer,


    das bevorstehende Weihnachtsfest sollte uns gemahnen, an die zu denken, die weltweit im Elend leben: Kinder, die hungern, die hart arbeiten müssen, keine Schule besuchen dürfen, die kein Spielzeug besitzen.


    Ich habe für das heutige Advents-Kalenderblatt eine Kurzgeschichte von Anton Tschechow, jenem weltberühmten russischen Erzähler und Dramatiker, ausgewählt. Er erzählt die zeitlos bedeutungsvolle Geschichte eines kleinen russischen Jungen Wanka.



    Anton P. Tschechow
    Wanka


    Wanka Shukow, ein neunjähriger Junge, der seit drei Monaten bei dem Schuhmacher Aljachin in der Lehre war, legte sich in der Nacht vor dem Weihnachtsfest nicht schlafen.
    Er wartete, bis der Meister, die Meisterin und die Gesellen zum Gottesdienst gegangen waren; dann nahm er ein Fläschchen Tinte und einen Federhalter einer rostigen Feder aus dem Schrank des Meisters, bereitete ein zerknittertes Stück Papier vor sich aus und begann zu schreiben. Doch ehe er den ersten Buchstaben auf das Papier malte, blickte er ängstlich zur Tür und zum Fenster, schaute zu der dunklen Ikone hinüber und seufzte tief. Das Papier lag auf der Bank, und Wanka kniete davor.
    Liebes Großväterchen Konstantin Makaritsch“, begann er, „ich schreibe Dir einen Brief. Ich wünsche Dir ein frohes Weihnachtsfest und Gottes Segen. Ich habe weder Vater noch Mutter, Du bist alles, was ich habe.“ Wanka schaute zu den dunklen Fensterscheiben, in denen sich der Schein der Talgkerze spiegelte, und sah Großvater deutlich vor sich. Konstantin Makaritsch diente bei den Herren Shiwarew als Nachtwächter. Er war ein kleiner, magerer, ungewöhnlich lebhafter Mann von fünfundsechzig Jahren, der immer lachte und scherzte und kleine Trinkeraugen hatte. Am Tag schlief er in der Gesindeküche oder neckte die Mägde. In der Nacht machte er die Runde um das Gut, in einen weiten Schafspelz gehüllt, und bei jedem Schritt stieß er seinen Knüttel auf die Erde. Die alte Hündin Kaschtanka und der Hund Wjun trotteten mit hängenden Köpfen hinter im her. Dieser Wjun war besonders brav und zutraulich und sah seine eigenen Leute genauso freundlich an wie Fremde, aber man konnte ihn nie trauen. Hinter seiner Sanftheit und Demut verbarg sich eine wahrhaft jesuitische Bosheit. Kein anderer Hund brachte es so gut fertig wie Wjun, sich lautlos heranzuschleichen und die Leute in die Wade zu zwicken, in den Vorratskeller zu schlüpfen oder einem Bauern ein Huhn zu stehlen. Es verging keine Woche, ohne dass er halbtot geprügelt wurde, und die Bauern hatten ihn schon zweimal aufhängen wollen, aber er kam immer wieder davon.
    In diesem Augenblick stand der Großvater gewiss vor dem Tor, blinzelte zu den leuchtend roten Fenstern der Dorfkirche hinüber, stampfte mit den Füßen, die in Filzstiefeln steckten, und trieb seine Possen mit den Bauern auf dem Hof. Er hat seinen Knüttel am Gürtel hängen, klatschte in die Hände, krümmte sich vor Kälte zusammen und kneift mit greisenhaftem Kichern bald das Stubenmädchen, bald die Köchin.
    „Wollen wir vielleicht eine Prise nehmen?“ fragte er und hält den Mägden seine Tabakdose hin.
    Die Weiber nehmen ein bisschen Schnupftabak und niesen. Das macht dem Alten ein unbeschreibliches Vergnügen, er bricht in schallendes Gelächter aus und schreit: „Schnell fort damit, sonst friert' s dir an der Nase fest!“
    Er lässt auch die Hunde schnupfen. Kaschtanka niest, verzieht die Schnauzte und trottet beleidigt davon. Wjun niest nicht vor lauter Respekt und wedelt nur mit dem Schwanz. Das Wetter ist herrlich kalt und klar, kein Windhauch regt sich. Es ist dunkle Nacht, aber das ganze Dorf, seine weißen Dächer und Rauchfahnen aus dem Schonstein, die rauhreifversilberten Bäume und die Schneewehen – all das kann man deutlich sehen. Am Himmel funkeln glitzernde Sterne, und die Milchstrasse zeichnet sich so klar ab, als sei sie für die Feiertage mit Schnee abgerieben und blankgeputzt worden. Wanka seufzt, taucht die Feder in die Tinte und schreibt weiter: „Gestern Abend habe ich eine schwere Trachtprügel bekommen. Der Meister hat mich an den Haaren auf den Hof geschleift und mich mit dem Riemen geschlagen, weil ich eingeschlafen war, als ich sein kleines Kind wiegen sollte. Und in dieser Woche musste ich für die Meisterin einen Hering putzen. Ich hatte am Schwanz angefangen, und da hat sie den Hering genommen und mir seine Schnauzte in den Mund gesteckt. Die Gesellen hänseln mich, schicken mich ins Wirtshaus Schnaps holen, und ich muss die Gurken des Meisters für sie stehlen. Dann schlägt mich der Meister mit dem ersten besten Ding, das ihm unter die Finger kommt. Ich habe fast nichts zu essen. Morgens gibt es Brot, mittags Grütze und abends wieder Brot. Tee und Kohlesuppe bekommen nur der Meister und die Meisterin. Ich muss in Hausflur schlafen. Lieber Großvater, nimm mich um Gottes willen weg von hier, hol mich heim ins Dorf, und ich will auch mein Leben lang für Dich beten. Hole mich, oder ich muss sterben...“
    Wanka verzog den Mund, rieb sich mit seiner schmutzigen, kleinen Faust die Augen und schluchzte.
    „Ich will Dir auch den Tabak reiben“, fuhr er fort, „ich will für Dich beten und wenn ich etwas Böses tut, dann schlag mich mit der Peitsche wie Sidors Ziege. Und wenn Du meinst, dass ich keine Arbeit finde, dann will ich den Verwalter bitten, dass er mich die Schuhe putzen lässt, oder ich helfe dem Hirten Fedja. Leibes Großväterchen, ich kann es hier nicht mehr aushalten, ich sterbe noch. Ich wollte schon heimlaufen ins Dorf, aber ich habe keine Stiefel, und ich fürchte mich vor Kälte. Wenn ich groß bin, will ich für Dich sorgen, und keiner soll Dich kränken; und wenn Du stirbst, dann will ich für die Ruhe Deiner Seele beten, wie ich auch für Mutter Pelageja bete. Moskau ist eine große Stadt, hier gibt es viele vornehme Häuser und viele Pferde, aber keine Schafe, und die Hunde hier sind nicht böse. Hier gehen die Kinder zu Weihnachten nicht vor die Häuser singen, und in der Kirche darf niemand auf die Empore und singen, und in einem Schaufenster habe ich Angelhacken und Angel für alle Fische gesehen, die es überhaupt gibt. Ein Haken war so groß, dass man einen Wels von dreißig Pfund damit fangen kann. Ich habe Geschäfte gesehen, wo man Gewehre kaufen kann, genau solche, wie unser Herr eins hat, und ich glaube, so ein Gewehr kostet hundert Rubel. Und in den Fleischerläden gibt es Birkhühner, Rebhühner und Hasen, aber wer sie geschossen hat, das haben mir die Leute in dem Laden nicht gesagt.
    Liebes Großväterchen, wenn unser Herr und einen Weihnachtsbaum gibt, dann nimm eine von den goldenen Walnüssen und leg sie in meine grüne Schachtel. Bitte die junge Herrin Olga Ignatjewna darum und sag ihr, es sei für Wanka.“
    Wanka stöhnte und starrte wieder auf das Fenster. Er musste dran denken, dass der Großvater vor dem Fest immer in den Wald ging, um den Weihnachtsbaum für die Herrschaft zu holen, und dabei nach er Wanka jedes mal mit. Bevor der Großvater den Baum fällte, rauchte er eine Pfeife, nahm eine Prise und trieb seine Späße mit dem halb erfrorenen Wanka. Die junge Tannen, ganz in Raureif gehüllt, standen regungslos da und warteten, welche von ihnen nun sterben müsste. Irgendwo in der Nähe sprang ein Hase auf und hüpfte über eine Schneewehe. Dann schrie Großvater: „Fang ihn, fang ihn! O, du kurzschwänziger Teufel!“ Wenn der Baum gefällt war, schleppte ihn Großvater ins Herrenhaus, und dort wurde er prächtig geschmückt. Die junge Herrin, Olga
    Ignatjewna, die Wanka besonders gerne hatte, half eifrig mit. Als Wankas Mutter Pelageja noch lebte und Hausmädchen auf dem Gut war, steckte Olga Ignatjewna dem Kleinen Zuckerwerk zu, und wenn sie nichts zu tun hatte, lehrte sie ihn lesen und schreiben und sogar Quadille tanzen. Als Pelageja starb, wurde der Waisenknabe Wanka zu seinem Großvater in die Gesindeküche gebracht und dann nach Moskau zu dem Schuhmacher Aljachin in die Lehre gegeben.
    „Komm bald, lieber Großvater!“ schrieb Wanka. „Ich bitte Dich um Christi willen, nimm mich weg von hier! Habe Mitleid mit einem armen Waisenkind! Hier schlagen sie mich, und ich bin furchtbar hungrig und so traurig, dass ich es gar nicht sagen kann. Ich weine den ganzen Tag. Gestern hat mich der Meister mit dem Leisten auf den Kopf geschlagen. Mein Leben ist ein einziges Elend, schlimmer als ein Hundeleben...
    Grüß Aljona, den einäugigen Jegorka und den Kutscher, und gib niemanden meine Harmonika.
    Ich bleibe Dein Enkel Iwan Shukow.
    Lieber Großvater, bitte, bitte komm!“


    Wanka faltete das Blatt viermal zusammen und steckte es in einen Umschlag, den er am Tag zuvor für eine Kopeke gekauft hatte. Er dachte eine Weile nach, tauchte die Feder in die Tinte und schrieb die Adresse: „An das Dorf. An meinen Großvater.“
    Dann kratze er sich am Kopf und überlegte wieder und fügte hinzu: „Konstantin Makaritsch.“
    Glücklich, dass ihn niemand beim Schreiben gestört hatte, setzte er seine Mütze auf und rannte, ohne seinen Pelz anzuziehen, auf die Strasse hinaus. Gestern hatte er in der Geflügelhandlung erfahren, dass man Briefe in den Briefkasten steckt und dass sie von dort mit der Posttroika mit den bimmelnden Glöckchen von betrunkenen Kutschern in die ganze weite Welt gebracht würden. Wanka lief zum nächsten Briefkasten und steckte seinen kostbaren Brief hinein...
    Eine Stunde später schlief er fest, von freudiger Hoffnung in Schlummer gewiegt. Im Traum sah er einen großen Ofen. Auf dem Ofen saß sein Großvater, baumelte mit den Füßen und las den Köchinnen seinen Brief vor, und der Hund Wjun schlich schweifwedelnd um den Ofen.



    Ich wünsche allen ein ruhiges, friedliches und besinnliches Weihnachtsfest und ein in jeder Hinsicht erfolgreiches Jahr 2010 verbunden mit den besten Wünschen für Gesundheit und Wohlergehen.


    Liebestraum



  • Das Leben an der Westfront im Winter 1914 war kein Spaß. Die beiden kämpfenden Parteien (England und Frankreich einerseits, Deutschland anderseits) hatten sich eingegraben. Von der Nordseeküste bis an die Schweizer Grenze gab es zwei einander gegenüber liegende Schützengräben. Dazwischen ein Niemandsland und Stacheldrahtverhaue.


    In den Schützengräben herrschten meist elende Verhältnisse. Durch Grund- und Regenwasser hatten die Soldaten dauernd nasse Füße. Dadurch schwollen die Füße oft schmerzhaft an und manchmal starben sogar Zehen ab. Auch gab es viel Ungeziefer, wie Flöhe, Läuse, Mücken und Ratten. Die Ratten, manchmal so groß wie erwachsene Katzen, nagten an den Vorräten. Ja, sogar an verwundeten oder toten Soldaten. Die Qualität des Essens ließ zu wünschen übrig. Der Tod lag dauernd auf der Lauer.
    Manchmal wurden sie tagelang beschossen durch die feindliche Artillerie. Oder sie mußten tagelang warten bis die eigene Artillerie ausgewütet war als Vorbereitung für einen Angriff auf die feindlichen Schützengräben.
    Kam dann endlich der Moment des Angriffs, schwiegen die Kanonen und die Offiziere gaben ein Zeichen. Für die Soldaten bedeutete dies um ihren Schützengräben zu verlassen, über die Brustwehr zu klettern und das Niemandsland zu betreten auf dem Wege nach den Schützengräben des Feindes. Der Boden war durch die Artilleriebeschießungen bereits durchpflügt und oft waren die Stacheldrahtverhaue nicht vernichtet. Der Aufmarsch stockte darum meist und die Soldaten waren darum eine leichte Beute für die feindlichen Maschinengewehre. Dezember 1914 waren die Verlustziffern bereits dramatisch. Ein »gutes« Beispiel ist, daß vom Britischen Heer, das in August nach Frankreich kam, fast keiner mehr lebte.


    24 Dezember 1914 fror es an der Westfront. Der Schlamm war hart geworden und der abscheuliche Gestank von faulendem Menschenfleisch verwischt. Die Nacht war hell, schön und im allgemeinen ruhig.
    Die Deutschen begannen als ersten Weihnachten zu feiern. Sie hatten Schnaps und Zigaretten. Hier und da hatte man sogar ein erleuchtetes Weihnachtsbäumchen. Einige Deutschen begannen »Stille Nacht, Heilige Nacht« zu singen. Die Engländer applaudierten als das Lied beendet war, und sangen danach »The first Noel«. Die Deutschen hatten danach »O Tannenbaum«. Und so ging es weiter, an mehrere Stellen an der Front.
    Von beiden Seiten wurden Grüße gerufen »Hallo Tommy« und »Hello Fritz«. Ein britischer Wagehals verließ den Schützengraben und lief Richtung deutsche Linien. Halbwegs begegnete ihm ein Deutscher. Sie gaben einander die Hand und waren freundlich zu einander. Als sie zu ihren Kameraden zurückgekehrt waren und von ihrem Erlebnis erzählten, wagten andere auch, den Schützengraben zu verlassen. Im Niemandsland wurde sogar hier und da ein Weihnachtsdienst zelebriert.
    Zuerst gab es vereinzelt kleine Gruppen, aber immer mehr Soldaten kamen dazu. An einigen Stellen gab es Gruppen von mehreren hundert Soldaten. Man schüttelte Hände und wechselte Geschenke: Zigaretten, deutsche Würste und Zigarren, Dosengemüse, Tabak, usw.


    Auch wenn der Krieg noch fast vier Jahre dauerte und unzählige Opfer forderte, gab es in dieser Nacht doch einen Moment Frieden auf Erden. Ein Moment war da Zeit für Weihnachten und seine Bedeutung.


    Ich wünsche Euch allen ein friedliches, von Ängsten befreites Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr.


    LG, Paul