Anton Bruckner: 8. Sinfonie c-Moll - Das Mysterium

  • Die achte Sinfonie ist einfach nur gewaltig.


    Der erste Satz strotzt in meinen Augen fast vor mit Weihe eingesetzter roher brachialer Kraft. Wie ein Feuer, das in Bruckner lodert. Eine gewisse Anklage aus der aber Stärke geworden ist.


    Der zweite Satz setzt dann mit dem Motiv des Scherzo fast versöhnlich ein - jedoch entwickelt sich auch hier eine gewisse Erinnerung an das vorher empfundene, jedoch mehr als ein Ergebnis. Dies gibt das Hauptthema des Scherzos einfach vortrefflich her. Kraftvoll - fast ein wenig aufsässig, aber doch sehr versöhnlich mit dem Ganzen! Ein wenig hin und hergerissen wirkt das Ganze!


    Ich höre das gerade, deshalb schreibe ich das nieder. Eine Skizze meiner Gedanken.


    Ich werde Holgers Rat in Zukunft befolgen und in meinen lichten Momenten, wann immer ich diese Musik fühle und erkenne, es niederkritzeln. Ein entsprechendes Notizbuch wurde schon angeschafft.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Hallo!


    Während der letzten Tage habe ich mich in die Musik dieser großartigen Symphonie vertieft. Wie einigen anderen fehlen auch mir die Worte... :faint:


    Um so befremdlicher finde ich Bruckners Äußerungen bzw. Notizen dazu (Deutscher Michel, Dreikaisertreffen etc.), die ich nicht nachvollziehen kann.
    Programmusik ist die Symphonie doch sicher nicht. Und subjektive Bekenntnismusik? Oder "absolute" Musik? ?(


    Für mich ebenfalss unbefriedigend ist die Tatsache, daß von meinen beiden Aufnahmen keine eine der beiden originalen Bruckner-Fassungen wiedergibt. Barenboims Einspielung liegt die Haas-Edition von 1939 zugrunde, die ja eine Mischfassung ist. Warum wird die denn überhaupt aufgeführt? Gibt es Gründe, sie einer der beiden echten Bruckner-Versionen vorzuziehen?
    Bei meiner anderen Aufnahme, Furtwängler 1944, steht dabei "arr. by Furtwängler". Der Maestro scheint hier also ebenfalls bearbeitend eingegriffen zu haben.
    Welche weitere Aufnahme (1. oder 2. Bruckner-Fassung) ich mir denn zulegen werde, weiß ich noch nicht. Der thread ist ja voller nachvollziehbarer Empfehlungen, aber ich hoffe, beim ThomasBernhard erstmal in die ein oder andere Aufnahme reinhören zu können... :hello: (blind würde ich Giulini oder Wand kaufen).


    Ich bevorzuge übrigens den dritten und vierten Satz gegenüber den ersten beiden. Warum Bruckner manchmal als "größter Adagiolomponist aller Zeiten" betitelt wird, erschloß sich mir in den letzten Tagen zunehmend.
    Das Adagio der Neunten gehört schon länger zu meinen liebsten Symphoniesätzen, nun konnte mich auch das der Achten und des Quintetts weiter beeindrucken.
    Und das Finale...umwerfend... :faint:


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius
    Für mich ebenfalss unbefriedigend ist die Tatsache, daß von meinen beiden Aufnahmen keine eine der beiden originalen Bruckner-Fassungen wiedergibt. Barenboims Einspielung liegt die Haas-Edition von 1939 zugrunde, die ja eine Mischfassung ist. Warum wird die denn überhaupt aufgeführt? Gibt es Gründe, sie einer der beiden echten Bruckner-Versionen vorzuziehen?


    Es ist ja sogar noch witziger: Die Haas-Version wird jedenfalls auf Tonträgern ziemlich häufig als "Originalversion" bezeichnet. =)


    Nowak hat die letztgültige Fassung von Bruckner ediert. Damit hat er allerdings auch drei Kürzungen (eine im Adagio, zwei kurze im Finale) übernommen, die Bruckner - vermutlich mehr oder weniger - auf Anraten seiner Umgebung akzeptiert hat. Haas hat die herausgenommenen Passagen aus der ersten Fassung wieder eingefügt. Dadurch hat man etwas mehr schöne Musik und insbesondere im Adagio klingt es etwas organischer ohne die Kürzung. Nun ja, jedenfalls für mich - ich ziehe, wenn ich die Wahl hätte, also die Haas'sche Fassung vor.


    Die Giulini-DVD von oben habe ich mir neulich mal gegönnt - durchaus empfehlenswert! Die Orchesterleistung ist fabelhaft, und das bei einem Livemitschnitt. Bildqualität ziemlich dürftig, etwa VHS-Qualität, aber das stört ja nicht wirklich, wenn es um Musik geht. Und während mir bei seiner Einspielung mit den Wienern der Klang etwas zu flach und im Blech irgendwie eigenartig dumpf klingt, sind die Instrumentengruppen hier prima ausbalanciert. In den ersten beiden Sätzen würde ich klar dem Livemitschnitt den Vorzug geben. Das Adagio hätte eine Nuance langsamer sein können, aber alles in allem ist dies eine mindestens gleichwertige Alternative zu der Aufnahme mit den Wienern.
    Ach ja, Giulini spielt wie mit den Wienern wieder die zweite Fassung (Nowak).

  • Ich habe mir die in der Haas'schen Fassung geänderten Passagen nun nochmal genau angeschaut und folgende Unterschiede im Detail festgestellt:


    Adagio:
    Passage aus der ersten Fassung eingefügt ca. 55 sek. (bei 19:30 Haitink Concertgew. 1981 [Haas], 20:03 Giulini Wiener Ph. 1985 [Nowak])


    Finale:
    1. Passage wiederhergestellt nach dem Erklingen des Hauptthemas in der Durchführung ca. 31 sek. (06:36 Haitink, 07:35 Giulini)
    2. Passage wiederhergestellt => Erweiterung der zweiten Themengruppe in der Reprise ca. 33 sek. (17:16 H, 18:35 G)
    3. Überleitung zur dritten Themengruppe verändert ca. 5 sek. (18:16 H, 19:10 G)
    4. Kurze Passage vor Ende der dritten Themengruppe eingefügt ca. 8 sek. (20:28 H, 21:35 G)


    Also ist die Haas'sche Fassung insgesamt etwa zwei Minuten länger als Nowak.

  • ... auch wieder so ein Fall, in dem viele Leute Meinungen haben, ohne die Fakten zu kennen ...


    Der Vorwurf der "Mischfassung" geistert bis heute durch Welt; Haas selbst beabsichtigte jedoch bereits, die erste Fassung separat herauszugeben, wie dem Vorwort der zweiten Fassung zu entnehmen ist. Dazu kam es lediglich durch den Krieg nicht mehr. Hinzu kommt, daß die Quellenlage zur Achten äußerst kompliziert ist. Haas hatte z. B. Quellen zur Verfügung, die heute verlorengegangen sind; andererseits hatte Nowak Quellen zur Verfügung, die wiederum Haas noch nicht kannte, da sie seinerzeit in Privatbesitz waren.


    Im Übrigen sei verwiesen auf das Buch "Bruckners Sinfonien in Bearbeitungen" von Wolfgang Doebel (Scheider, Tutzing), der den Komplex der Haas-Fassungen recht gründlich untersucht hat. Interessanterweise hat er auch in der Nowak-Ausgabe der Achten diverse Abweichungen vom Manuskript festgestellt...


    Gespannt sein darf man insbesondere auf den Revisionsbericht, den Paul Hawkshaw zur Zeit für die Bruckner-Gesamtausgabe vorbereitet.

  • Zitat

    Original von ben cohrs
    ... auch wieder so ein Fall, in dem viele Leute Meinungen haben, ohne die Fakten zu kennen ...


    Der Vorwurf der "Mischfassung" geistert bis heute durch Welt; Haas selbst beabsichtigte jedoch bereits, die erste Fassung separat herauszugeben, wie dem Vorwort der zweiten Fassung zu entnehmen ist.


    "Mischfassung" liest man in der Tat häufig. Den Begriff finde ich jedenfalls auch nicht angemessen, denn Haas' Fassung gibt ja nun definitiv nicht die erste Fassung wieder, sondern dies ist die zweite Fassung. Haas hat nur versucht, einige Passagen, die Bruckner vermutlich beeinflusst durch Schalk verändert bzw. gestrichen hat, wiederherzustellen. Das kann man ja dennoch durchaus kritisch sehen, aber " Mischfassung" trifft es jedenfalls nicht.


    Zitat

    Haas hatte z. B. Quellen zur Verfügung, die heute verlorengegangen sind; andererseits hatte Nowak Quellen zur Verfügung, die wiederum Haas noch nicht kannte, da sie seinerzeit in Privatbesitz waren.


    Interessant! Sicherlich für Freunde der Wiener Klassik beruhigend, dass die Quellenlage bei den 104 Sinfonien Haydns nicht ähnlich kompliziert ist. =)

  • Ehrlich gesagt ist auch bei Haydn und den meisten anderen Komponisten die Quellenlage kompliziert ... Leider bewältigen sogenannte Urtextausgaben seit Jahrzehnten sehr oft nicht einmal ansatzweise derlei Probleme ...

  • Das Münchner Label "Orfeo" hat sich einen guten Ruf u.a. dadurch erworben, in den Rundfunkarchiven nach "Schätzen" zu suchen und sie zu veröffentlichen. Alleine vom leider etwas in Vergessenheit geratenen Dirigenten Joseph Keilberth existieren laut Amazon derzeit 14 verschiedene Aufnahmen.


    Eine dieser "Schätze", für mich ein diskussionswürdiger, stellt die Interpretation Joseph Keilberths von Bruckners 8. Sinfonie dar.



    Entstanden ist die Einspielung im Funkhaus des WDR Köln am 4. November 1966. Gemessen am Alter klingt sie ausgezeichnet und -bis auf eine Stelle bei ca. 7'30'' im Finale- frei von jeglichen Störgeräuschen. Auch ist das Niveau des Orchesters, abgesehen von kleinen "Wacklern" des Blechs bei einigen Einsätzen im Adagio und Finale, zu loben.


    Die obligate Tempoangaben der Version von 1890 fördern erstaunliches zu Tage: 16'11'', 14'00'', 23'35'' und 25'27''.
    Erstaunlich sind die Zeitangaben deshalb, weil in keiner mir sonst bekannten Aufnahme das Adagio eine kürzere Zeit benötigt als das Finale. Noch erstaunlicher ist es allerdings, daß für mich das in Relation zum Adagio zu langsam gespielte Finale (oder zu schnell gespielte Adagio?) als nicht zu langsam (oder zu schnell) empfunden wird.


    Im Beiheft heißt es, daß es Keilberth wichtig war, "die instrumentalen Zusammenballungen auch in den äußersten dynamischen Ausgipfelungen schlank und durchsichtig" zu gestalten. Diesen Anspruch werden die ersten beiden Sätze durchaus gerecht.
    Der erste Satz ist von einer stets vorwärts treibenden, fließenden, aber auch fast schon aggressiven, sehr kontrastreichen Grundhaltung geprägt.


    Der "deutsche Michel" findet bei Keilberth nicht statt. Das Scherzo hat bei ihm nichts betuliches, er ist vielmehr rasant und rhythmisch betont, mehr Allegro als Allegro moderato. Das Trio ist im Tempo zwar deutlich langsamer, aber nicht wirklich langsam.


    Im Adagio findet nach meinem Empfinden Keilberth erst im Laufe des Satzes zum Charakter "feierlich, langsam". Zu Beginn zieht er mir das Tempo zu sehr an, so als ob er dadurch jegliche "Weihe" vermeiden wollte.
    Keilberth selbst hat über Bruckner Notizen angefertigt. Zum Adagio heißt es: "...alle langsamen Sätze fließend. Im Adagio der VIII. schreibt Bruckner ausdrücklich dazu: nicht schleppend. Die Breite der Empfindung muss hier im Ausdruck, nicht im Tempo liegen".


    Auch zum Finale liegen Anmerkungen vor: "Voraussetzung" sei ""innere Ruhe". Oft in breiten Halben die Musik fließen lassen, die feinen Unterschiede wie "langsam" und "langsamer" genauestens beachten. "Schnell" darf es hier nie zugehen".
    Damit, siehe oben, setzt Keilberth zwar Bruckners Temporelationen bewußt außer Kraft, aber er nimmt sich buchstäblich die Zeit, um den Satz dynamisch sehr fein abzustufen und auf den Detailreichtum des Satzes ausfürlich einzugehen.
    Und da der Zweck bekanntlich alle Mittel heilt (*), erfreue ich mich im Finale an einer musikalischen Intensität, die ich sonst selten erhören darf.


    (*)oder sollte ich mit dieser Meinung unrecht haben???

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Zitat

    Original von Norbert
    Das Münchner Label "Orfeo" hat sich einen guten Ruf u.a. dadurch erworben, in den Rundfunkarchiven nach "Schätzen" zu suchen und sie zu veröffentlichen. Alleine vom leider etwas in Vergessenheit geratenen Dirigenten Joseph Keilberth existieren laut Amazon derzeit 14 verschiedene Aufnahmen.
    ...


    Kannst ja mal beim "Schmied" schmökern: "http://www.orfeo-international.de/pages/neuheiten_176.html"

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Danke für den Hinweis, Theophilus.


    Zu lange darf ich auf der Seite nicht bleiben, das wird zu teuer... ;)

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Kennt jemand von den Brucknerianern folgende Aufnahme aus der Bayerischen Staatsoper von 1955? Am Pult Hans Knappertsbusch.



    Klanglich offenbar hervorragend aufbereitet, wie von Orfeo gewohnt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • So, ich habe mir den Knappertsbusch soeben angehört. Habe bis dato noch zu wenige Vergleichsmöglichkeiten, um abschließend zu urteilen. Nur soviel: Es gefiel mir ausnehmend gut! Besonders der letzte Satz ist von ungeheuerer Intensität, trotz (perfekt digitalisiertem) Mono. :jubel:


    Hier die Zeiten der einzelnen Sätze:


    1. Satz: 12'31
    2. Satz: 13'01
    3. Satz: 21'59
    4. Satz: 22'08


    Was sagen die Bruckner-Experten zu diesen Spielzeiten? Langsam oder schnell?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die "Bruckner-Experten" sagen, daß Knappertsbusch wohl eine gekürzte Fassung gespielt haben muß (analog zur 5.), denn die Tempi wären ansonsten aberwitzig schnell.


    Zum Vergleich: Wenn es eine "Originalversion" sein soll, dann war es 1955 die Haas-Version der Zweitfassung von 1890.


    Boulez und Karl Böhm z.B. spielten diese Version und sind "recht fix" unterwegs.


    Boulez: 15'08'', 13'39'', 24'52'' und 22'19''
    Böhm: 13'40'', 13'06'', 26'37'' und 22'28'' (SO des Bayer. Rundfunks, erschienen bei Audite).


    Beim ersten und beim dritten Satz würde es mich sehr wundern, wenn Knappertsbusch derart rasant dirigiert hätte...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler



  • Wobei mich andererseits wundern würde (ich kenne die Aufnahme natürlich nicht), gerade im für Brucknersche Verhältnisse ja vergleichsweise kompakten Kopfsatz dieses Werks etwas zu kürzen. Adagio und Finale sind was anderes; da meine ich auch schon von gekürzten Versionen gehört zu haben.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zur Aufklärung: Knappertsbusch hielt zeitlebens an diesen Bearbeitungen fest. Er läßt hier die 2. Fassung von 1888/90 in der Edition Schalk/v. Oberleithner (1892) spielen. (Ich als Bruckner-Neuling weiß allerdings nicht, was da jetzt genau anders ist als bei der gängigen Version.)


    Mich würde es auch eher wundern, wenn Knappertsbusch so schnell gewesen wäre, ist er ja eher fürs Gegenteil bekannt.


    Gibt es denn noch eine Aufnahme in dieser Bearbeitung? Dann wäre ein Vergleich natürlich viel sinnvoller.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Das bringt dann doch etwas Licht ins Dunkel.


    Die Edition Schalk/v. Oberleithner (1892) dürfte diejenige gewesen sein, die bis zu Haas' Fassung 1939 gespielt wurde bzw. gültig war.
    Joseph Haas erstellte eine "Mischfassung" aus der Erstfassung von 1887 und der zweiten von 1890.


    Ich kenne die Version auch nicht, aber Joseph Schalk war als Schüler Bruckners einer derjenigen, die im guten Glauben dafür sorgten, daß Bruckners Werke gekürzt wurden.


    Ich kenne Knappertsbuschs Version der 5. Es dürfte ebenfalls die Edition Schalk gewesen sein, die eingespielt wurde. Diese ist im Vergleich zum Original (für mich) grausam entstellt.


    Zumindest die ersten drei Sätze dürften bei der 8. auch gekürzt sein, wenngleich im Scherzo (2. Satz) wohl eher "dezent". Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß Knappertsbusch eine Rasanz im Scherzo hinlegt wie Karl Böhm...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Schalk hin oder her - wie man auf abruckner.com sieht, ist Knappertsbusch dennoch verdammt schnell unterwegs. Üblich waren für diese Version gut 80 min, Knappertsbusch braucht hier nur 70. Offenbar hat er selbst noch zusätzlich gekürzt. Seine Aufnahmen aus 1951 und 1963 legen diese Vermutung jedenfalls nahe.

  • Danke für den Link. :jubel:


    Stimmt, das wäre echt verdammt schnell. Wenn ich das mit seiner eigenen Studio-Aufnahme von 1963 vergleiche, dann wirkt es wirklich so, als wäre da gekürzt worden.


    Ges. 85:39 I. 15:56 II. 15:59 III. 27:40 IV. 26:02


    Sie kam mir sooo schnell dirigiert nämlich gar nicht vor.


    Wie dem auch sei: Ich finde diese Aufnahme besitzenswert, einfach wegen Knappertsbusch. Kenne aber die '63er Wiener Studio-Aufnahme noch nicht, die könnte tontechnisch ähnlich gut oder gar besser sein.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Ich kenne weder diese noch andere Bruckner-Einspielungen mit Knappertsbusch. Schaue ich mir aber bei abruckner.com die Zeiten der übrigen Einspielungen von Knapertsbusch an, die alle auf der gleichen Fassung basieren sollen, so muss hier doch irgendwo noch was zusätzlich gestrichen worden sein.


    Gruß enkidu2

    Nach Schlaganfall zurück im Leben.

  • Lieber Walter ,



    gerade erst habe ich Deinen Thread mit dem gar nicht so eigenwilligen Eröffnunstext entdeckt .


    Der eigenen , nahestehenden Verstorbenen oder deren uns nicht ( mehr ) persönlich bekannten Verstorbenen gedenken wird doch nach wie vor .


    Man braucht dazu keine pompösen Gräber und Erinnerungshinweise in Zeitungen wie "...ist heute vor 25 Jahren verstorben..." .


    Interessanter finde ich , dass das terminus Tod oder auch tot fast nie vorkommen . Er , der tod , wird eher beiseite geschoben . Ersetzt "...von uns gegangen" . Nein , es gibt eine ( irdische ) Endlichkeit .


    Gibt es ein "danach" wirklich und in welcher Form ?


    Ob Anton BRUCKNER hier eine subjektiven "Sonderweg" in seinen Kompositionen , hier seiner 8ten , gegangen ist , vermag ich nicht zu beurteilen .


    Sog. autobiographische kompositionen finde ich sehr viel faszinierender und auch echter in ihrem emotionalen wie itellektuellen Nach - Erleben ! Etwa gerade bei dem von Dir erwähnten Johannes BRAHMs ( etwa Klavierkonzert Nr. a , d - Moll , dem Violinkonzert in D , dem Deutschen Requiem , der 3. Symphonie in F - Dur ) oder so manchem aus seinem Spätwerk für Klavier solo .


    Ich möchte es hier noch einmal betonen , dass ich Dir in unseren Gesprächen sehr viel verdanke in meinem Zugang zu Anton Bruckners Kompositionen .


    Eine der mich sehr bewegenden Interpretationen verdanke ich auch Dir :


    WILLIAM STEINBERG dirigiert die 8te Symphonie , c-MOll , Boston Symphony Orchestra . Live-Mitschnitt ( EMI ) .


    Mehr als nur empfehlenswert . Eine überragende Interpretation .


    Dann möchte ich aus meiner Hörweis e unbedingt Carlo Maria GIULINI hinzufügen .


    Du sprichst mehrere Grundstzthemen an , auf die ich hier leider nicht eingehen kann , weil dies den Rahmen sprengen würde .


    Ich weiss , dass wir uns bei der Frage über Bruckner und Johannes Brahms wahrscheinlich nie einigigen könnten, aber in wechselseitigem Respekt vor der Meinung des Anderen dem Werk des jeweiligen komponisten zu nähern versuchen .


    Mit besten Grüssen ,


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Bei youtube tauchte neulich eine Aufnahme Karajans von 1944 mit der Preußischen Staatskapelle auf, wo der IV. Satz in Stereo (!) in sensationeller Qualität aufgenommen wurde.


    Unser Werbepartner bietet offensichtlich diese Aufnahme ebenfalls an:



    Beethoven: Symphonie Nr. 3
    Bruckner: Symphonie Nr. 8
    Preußische Staatskapelle (Orchester der Berliner Staatsoper)
    Herbert von Karajan
    1944

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wenn man die Namen der "großen Bruckner-Dirigenten" durchgeht, dann fällt selten der Name Karl Böhm. Dabei widmete sich Böhm schon in jungen Jahren intensiv Anton Bruckner. In seiner Autobiographie "Ich erinnere mich ganz genau" sagte er: "Zu Bruckner hatte ich als 'Wagnerianer' von Anfang an ein inniges Verhältnis". In seiner Darmstädter Zeit (1927-31) dirigierte er "zahlreiche Symphonien von ihm, aber vor allem hatte ich mich in Dresden (1934-43) ... fast in jedem Konzert-Zyklus für Bruckner eingesetzt."


    So existieren aus der Vorkriegszeit Aufnahmen der 4., 5. und 7. Sinfonie Aufnahmen mit Karl Böhm.



    In den 1970ern folgte dann eine Reihe von Aufnahmen mit Bruckner-Sinfonien. Die Anfang bildete als Studioaufnahme vom 16.11.1971



    Weitere Aufnahmem mit den Wiener Philharmonikern (3. und 4. erschienen bei Decca, 7. und 8. bei der DGG) folgten, bis dann eine Live-Aufnahme der 7. mit dem SO des Bayer. Rdfs. vom 05.04.1977 und eine der 8. mit dem Tonhalle Orchester Zürich vom 04.07.1978 die Schlußpunkte darstellten.


    In dieser Einspielung ist Bruckner kein "Titan", er erscheint "menschlich", fast sogar "tänzerisch" und "warmherzig".


    In den ersten beiden Sätze überraschen flüssige Tempi, das des Scherzos ist mit 13'06' sogar außergewöhnlich zügig. Hier tappt kein "deutscher Michel", hier findet eine "feurige", fast "atemlose" Veranstaltung statt.


    Das Adagio hingegen ist ein Satz voller Wärme und Größe; Karl Böhm arbeitet den Farbreichtum des Orchestersatzes mustergültig heraus und das nicht nur in den grandiosen Blechbläserpartien, sondern auch mit Hingabe der Holzbläserpassagen und auch in den stellenweise unendlich zarten Streichermotiven. Durch das straffe Tempo des Scherzos wirkt das Adagio noch "größer", ohne allerdings einseitig lärmend oder "bläserlastig" zu geraten.


    Zu Beginn des Finales scheinen sich Dirigent und Orchester über das eingeschlagene Tempo nicht ganz einig zu sein ;) . Es dauert ein paar Takte, bis sich Streicher und Blechbläser im Einklang befinden (letztendlich sogar eine gute Dreiviertelminute bis man komplett im Takt ist). Aber das ändert wenig an der Großartigkeit der Aufnahme, ebenso wenig wie einige tonale Patzer im Blech im Adagio. Auch das macht Böhms Bruckner, macht Böhm selbst, in meinen Augen "menschlicher".


    An der Klangqualität gibt es altersgemäß wenig auszusetzen. Das Orchester ist räumlich gut eingefangen, keine der Orchestergruppen ist "unterbelichtet" oder "überpräsent". Natürlich darf man in der "Durchschlagskraft" eines Fortissimo-Tuttis keine heutigen Maßstäbe ansetzen, aber dafür, daß die Einspielung fast 40 Jahre alt ist, klingt sie sehr ordentlich.


    Zu Bruckner selbst hatte Böhm eine simple Meinung: „Entweder hat man zu Bruckner eine Beziehung, oder man bekommt sie niemals", sagt er in seiner Autobiographie. Für mich hatte er definitiv eine, wenngleich keine festgefahrene (und das macht die Auseinandersetzung mit "seinem Bruckner" so spannend).


    Der Grundcharakter der DGG-Aufnahme ist ein anderer: Böhms Tempi sind langsamer, die Aufnahme ist "monumentaler", "klangsatter", in den Klangkontrasten etwas "milder".


    Wer gedacht hatte, das sei Böhms "letztes Wort" in Bezug auf Bruckners 8. gewesen, der sah sich ein Jahr später eines besseren belehrt.


    Aber die genauere Vorstellung dieser Aufnahme



    hebe ich mir für ein anderes Mal auf.


    Die Tempi zur Gegenüberstellung (jeweils Haas-Fassung):


    1971: 13'40'', 13'06'', 26'37'' und 22'28''
    1977: 14'51'', 14'23'', 27'47'' und 23'00''
    1978: 13'54'', 13'20'', 24'41'' und 20'09''.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • wollte ich von dem "Mitläufer" Böhm nix in meinem Plattenschrank haben und ich habe diesen "Fiesemöpp" auch weitestgehend aus meiner Sammlung ausgesperrt.
    Aber bei Bruckner ging es nicht anders! Der Kerl ist super!
    Eben die 8.! Auch die 4.
    Schlank, erhaben und genau! Fast so wie Hvk Ende der 50iger!
    Ich gebe ja zu, ein flüssiger Bruckner-Klang ohne willkürliche Agogik ist mir wichtig.
    Daher fallen allzu langsame Deutungen (Celi) bei mir aus dem Raster genauso wie solche, die mit willkürlichen Tempomodifikationen (Furtwängler) auffallen. Auch solche, die Bruckner in Richtung Mahler drehen (Sinopoli) oder zu persönlich sind, gefallen mir nicht.
    Knappperstbusch war ein Versehen der Geschichte. Peinlichste Momente stehen neben großartigen.
    Und Jochum? Ich wurde nie warm mit seinem Tempoverständnis! Seit ca. 35 jahren!


    Daher mag ich bei Bruckner 8
    Böhm, HvK 1959 , Klemp 1957 (Köln), Schuricht 196x, Andreae und Wand (natürlich Live aus HL, ich war dabei!!). Das soll reichen.


    Gruß S.


  • Und Jochum? Ich wurde nie warm mit seinem Tempoverständnis! Seit ca. 35 jahren!


    Hm, Jochum ist in der Tat ein Spezialfall für mich. Bei vielen Sinfonien stören mich seine agogischen Freiheiten nicht sonderlich, sie scheinen mir bei allen Sinfonien Bruckners nicht gleich ausgeprägt zu sein. Bei der 4.(Berliner Philharmoniker) und 5. (Ottobeuren) Sinfonie erlebe ich sie nicht so deutlich wie bei der 9. (ebenfalls B. Ph.), und alle drei Sinfonien höre ich sehr gerne.


    Bei der 8. hingegen fand ich nie einen rechten Zugang zu Jochums Interpretation, weder bei der Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern noch bei der gerade erworbenen Live-Aufnahme aus Amsterdam



    Was mich genau "stört" an obiger Aufnahme, kann ich nicht genau bezeichnen, ich habe sie erst einmal gehört, aber es hat nicht "klick" gemacht...


    Zitat

    Daher mag ich bei Bruckner 8
    ... Wand (natürlich Live aus HL, ich war dabei!!)....


    Oh ja, ein Monument (bei dem der Hall des Lübecker Doms nicht im geringsten stört...)!

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Wie wäre es dann mit Jochums Aufnahme der 8. mit der Staatskapelle Dresden?


    Und natürlich Wand in Lübeck, Wand in Berlin (das Größte) , Giulini in Wien und Celibidache in Stuttgart!


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Bruckner: Symphonie Nr. 8 (1884–90)
    (ed. R. Haas)


    Sinfonieorchester des Norddeutschen Rundfunks
    Günter Wand


    22. & 23. August 1987, Lübeck, Dom


    Spielzeiten:


    I. 16:50
    II. 15:37
    III. 28:29
    IV. 25:15


    Eine Aufnahme, die in diesem Thread bereits mehrfach kurz erwähnt, aber bisher nie gesondert behandelt wurde, ist jene des NDR-Sinfonieorchesters unter Günter Wand, entstanden zum Abschluß des Schleswig-Holstein-Musikfestivals 1987. An zwei Tagen im August des Jahres wurde das Konzert aus dem Lübecker Dom mitgeschnitten und von RCA dankenswerterweise veröffentlicht. Leider ist dieser Mitschnitt seit langem nur mehr gebraucht erhältlich. Eine Neuauflage täte not.


    Unter den vielen Aufnahmen Wands von der 8. Bruckner-Symphonie sticht diese aus Lübeck nach Expertenmeinung (neben der späten Berliner Aufnahme) als besonders hervorragend heraus. Dies kann man in der Tat auch vollumfänglich nachvollziehen, wenn man sich darauf einläßt. Die Tempi sind in sich stimmig, tendenziell etwas langsamer als z. B. Karajan [DG 1975 und 1988], aber um einiges flotter als etwa Goodall [BBC 1969]. Besonders spektakulär agieren die Blechbläser. Ich habe diese, glaube ich, in der weltberühmten Coda des Finale noch nie prägnanter gehört (allenfalls bei Knappertsbusch). Der Hall der Lübecker Doms verstärkt den monumentalen Eindruck des Werkes nachdrücklich und darf als gelungenes Tüpfelchen auf dem "i" gelten. Fraglos eine Jahrhundert-Aufnahme.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Leider ist dieser Mitschnitt seit langem nur mehr gebraucht erhältlich. Eine Neuauflage täte not.


    Na, da kann ich ja wirklich froh sein, daß ich diese von Majestät empfohlene Einspielung noch auf einem Wühltisch erwischen konnte! Nein, nicht gestern oder vorgestern, schon in den Neunzigern...


    Liebe Grüße vom

    .


    MUSIKWANDERER

  • es gibt kaum eine symphonie, die mich mehr ergreifen könnte als bruckners achte. und kaum einen komponisten, der mich mehr ergreifen könnte als bruckner (nun ja, einige gaaaaanz wenige :rolleyes: ) ....
    deshalb habe ich auch eine reihe von einspielungen, obwohl mir die von giulini noch fehlt:
    barenboim, celibidache, inbal, karajan, aber die größte einspielungen von allen ist die von carlos paita und dem philharmonic symphony orchestra (sic!) auf melodia. leider, leider hat der dirigent, dem ich viele großartige aufnahmen verdanke, brahms 1., schuberts 9., berlioz' s.f., dvoraks 7-9, beethovens 5. nicht die aufmerksamkeit erhalten, die er verdiente ... wer auf zupackende, höchst energische aufnahmen mit satten bässen und gewaltigen ausbrüchen steht .... bestens bedient ...
    lg

    Da mein neuer iMac zur Inspektion war, leider muss er Montag schon wieder hin, aber nur eine Kleinigkeit, hatte ich Gelegenheit, Aufnahmen anzuhören, die hier kaum Beachtung fanden. Alle mit dem argentinischen Dirigenten Carlos Paita. Von daher kann ich vorstehenden Beitrag gut nachempfinden.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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