Anstand oder Aufstand? Was dürfen Regisseure (nicht)?

  • Der Thread hieß ursprünglich "Köln: Samson et Dalila Premiere 2. Mai 2009" und widmete sich der (derzeit noch) bevorstehenden Neuinszenierung von Saint-Saens Oper durch Tilman Knabe in Köln. Wie hier nachzulesen ist, geriet er rasch in andere Fahrwasser, was angesichts der Tatsache, dass noch immer niemand die eigentliche Inszenierung kennen kann, nicht verwunderlich ist. Der neue Titel versucht dem Rechnung zu tragen. J.R. II



    Nächste Premiere im Kölner Opernhaus:
    SAMSON ET DALILA (SAMSON UND DALILA)
    von Camille Saint-Saens (1835 - 1921)
    Oper in drei Akten
    Libretto von Ferdinand Lemaire
    In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln


    Palästina, Gazastreifen. Samson, der Hebräer, ist ein unbesiegbarer Mann. Dalila, die Philisterin, ist eine unwiderstehliche Frau. Im Kampf um die Vorherrschaft der beiden Völker und ihrer Religionen gelingt es Dalila, Samson zu betören. Mit ihr vereint, verliert er seine Kraft. Am Ende erfleht Samson einmal noch seine Stärke zurück und reißt alle mit sich in den Tod.


    Empfehlung der Direktion:
    "Aufgrund der Kontroversen möchten wir auf die Einführungsmatinée am 26.4., 11.30h hinweisen. Wir empfehlen die Produktion erst für Zuschauer über 16 Jahren."


    Hierzu wird heute gemeldet:


    Freitag, 17.04.09 um 12:17 Uhr
    Opernsänger melden sich krank
    An der Kölner Oper melden sich immer mehr Sänger krank, weil ihnen die Inszenierung von "Samson et Dalila" zu grausam ist. Opernsprecher Johannes Wunderlich sagte, fast die Hälfte der Chormitglieder würden nicht mehr zu den Proben kommen. Ausgestiegen ist auch die israelische Mezzosopranistin Dalia Schaechter, die für die weibliche Hauptrolle vorgesehen war. Regisseur Tilman Knabe siedelt die Handlung der Oper von Camille Saint-Saëns im heutigen Nahen Osten an. Zu seiner Inszenierung gehört eine Schlacht mit Maschinengewehren und eine Massenvergewaltigung sowie Erschießungen - alles in äußerst drastischen Darstellungen.
    Die Sänger klagen wegen der Proben der brutalen Szenen über Schlafstörungen, Alpträume und anderer psychischen Belastungen.



    LG


    :hello: :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ausgestiegen sind ebenfalls Samuel Youn und Ulrich Hielscher. Dalia Schaechter wird von Ursula Hesse ersetzt werden. Wackelig ist noch die musikalische Leitung. Für Enrique Delamboye ist ein "kritischer Punkt" erreicht. Er sieht die musikalische Qualität der Produktion in Gefahr und erwägt ebenfalls seinen Rückzug.


    Es bleibt spannend in Köln


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    Es bleibt spannend in Köln


    ob man vor lauter Tumult auf der Bühne die Musik noch hören kann!


    Viele Grüße aus Kaarst


    Gerd

  • Zitat

    Original von Zwischenrufer2


    ob man vor lauter Tumult auf der Bühne die Musik noch hören kann!


    Na ja, da Frau Schaechter nun nicht singt, ist immerhin die Gefahr von Ohrenkrebs gebannt... :stumm:

  • Delamboye ist jetzt auch ausgestiegen.


    Zitat

    Delamboye (32) ist Erster Kapellmeister der Oper Köln und soll sich schon im Vorfeld immer wieder darüber beschwert haben, dass die Musik von Camille Saint-Saëns in der Inszenierung von Tilman Knabe einen untergeordneten Stellenwert habe. Im lauten Schreien, Stampfen und Abfeuern von Schüssen ginge die Musik völlig unter, Sänger würden ihre Einsätze verpassen, weil sie die Musik nicht hören könnten. Wer nun die musikalische Leitung der Oper übernimmt, ist noch unklar. Für die erkrankten Chormitglieder scheint jedenfalls Ersatz gefunden zu sein: Sänger aus Prag sollen die gelichteten Reihen auffüllen.

  • Es wäre hilfreich, die Quellen zu den hier erwähnten Zitaten anzugeben.


    Lt. einem Gespräch im DLF mit M. Struck-Schloen (17.30 Kultursendung), ist noch nicht geklärt, wie die Sache ausgeht. Was meinen Eindruck vergangener Besuche in der Kölner Oper angeht, leidet die musikalische Qualität einer Aufführung unter E. Delamboye. Das liegt vorrangig daran, daß es immer wieder zu erheblichen Abstimmungsproblemen zwischen Bühne und Graben kommt...

  • Liebe Taminos,


    in dem Bestreben einiger Regisseure der Regietheater-Abteilung die Inszenierungen immer drastischer zu verfremden scheint es einen neuen Höhepunkt zu geben:


    In der Stadt Köln steht eine Neuinszenierung von Saint-Saens "Samson und Dalila" kurz vor der Premiere.


    Zitat ZDF-Theaterkanal (Nachrichten / Köln ddp) Donnerstag: 16.04.2009:


    "Kölner Chorsänger melden sich wegen drastischer Opernszenen krank
    Köln (ddp). Mehrere Sänger des Kölner Opernchores haben sich wegen der drastischen Darstellung von Kriegsszenen in einer anstehenden Inszenierung der Oper Köln krank gemeldet. Derzeit stünden acht von 66 Mitwirkenden des Chores nicht für die Premiere der Oper «Samson et Dalila» von Camille Saint-Saens (1835-1921) zur Verfügung, teilte die Bühne am Donnerstag mit. Die Musiker klagten über psychische Belastungen und Schlafstörungen.


    In der Kölner Inszenierung seien unter anderem Szenen von Massenvergewaltigungen und Erschießungen vorgesehen, berichteten Probenteilnehmer. Regisseur Tilman Knabe hat bereits mehrfach mit der Interpretation von Gewalt auf der Bühne für Aufsehen gesorgt. Knabe war von August Everding an der Münchner Musikhochschule ausgebildet worden und hatte anschließend katholische Theologie studiert.


    Die Oper ist im Gazastreifen in Palästina angesiedelt. Samson, der Hebräer, gilt als unbesiegbar, Dalila, die Philisterin, wirkt wegen ihrer Schönheit auf Männer unwiderstehlich. Im Kampf um die Vorherrschaft der beiden Völker und ihrer Religionen gelingt es Dalila, Samson zu verführen. Mit ihr vereint, verliert er seine Kraft. Am Ende erfleht Samson einmal noch seine Stärke zurück und reißt alle mit sich in den Tod.


    Der geschäftsführende Intendant der Bühnen, Peter F. Raddatz, äußerte in einer Erklärung zwar Verständnis für die Musiker. Andererseits sollten gerade Künstler zwischen Fiktion und Realität unterscheiden können. An der Inszenierung und dem Premierentermin 2. Mai werde festgehalten. Die Bühnen haben für den Besuch des Stücks ein Mindestalter von 16 Jahren empfohlen."


    Aber es geht noch weiter:



    Zitat ZDF-Theaterkanal (Nachrichten / Köln ddp-nrw) Freitag, 17.04.2009:


    "Immer mehr Ausfälle wegen drastischer Szenen in Kölner Oper
    Köln (ddp-nrw). In der wegen der drastischen Kriegs- und Vergewaltigungsszenen in die Kritik geratenen Kölner Inszenierung der Oper «Samson et Dalila» häufen sich die Ausfälle. Inzwischen haben 28 von 66 Mitwirkenden des Kölner Opern-Chores erklärt, nicht für die Premiere zur Verfügung zu stehen, wie ein Sprecher der Bühne am Freitag mitteilte. Die in den Proben erlebten Szenen von brutalstem Missbrauch und Erschießungen hätten die Kollegen so stark belastet, dass sie unter psychischen Belastungen und Schlafstörungen litten.


    Auch die Sängerin der Titelpartie, die Mezzosopranistin und Kammersängerin Dalia Schaechter, ist aus der Produktion ausgestiegen, zudem mussten zwei weitere führende Solistenpartien neu besetzt werden. Dennoch werde an der Inszenierung und dem Premierentermin 2. Mai festgehalten, betonte der Sprecher weiter.



    Der Personalrat der Oper hat die Vorbereitung des Stücks kritisiert. So seien die Mitwirkenden unter anderem nicht angemessen auf die zentrale Szene der Massenvergewaltigung vorbereitet worden, was dann zu mehreren Zusammenbrüchen und «Krankmeldungen eines bisher ungeahnten Ausmaßes» geführt habe.


    Nach Informationen der Nachrichtenagentur ddp wird der Umgang mit dem Stück von Camille Saint-Saens (1835-1921) auch innerhalb des Ensembles kontrovers diskutiert. Einige Sänger halten ihren Kollegen wegen der Absagen mangelnde Professionalität vor. Bei aller gezeigten Brutalität handele es sich schließlich zweifelsfrei um Fiktion mit Mitteln des Theaters. Die Bühnen haben für den Besuch des Stücks ein Mindestalter von 16 Jahren empfohlen."



    Mir fehlen die Worte... Hoffentlich haben künftig viele Mitwirkende von solchen "Inszenierungen" auf der ganzen Welt den Mut, solche Arbeiten zu boykottieren.



    ... dennoch herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Danke Liebestraum,


    den für mich relevantesten Satz hast du zum Glück mitgeliefert:


    Zitat

    Einige Sänger halten ihren Kollegen wegen der Absagen mangelnde Professionalität vor. Bei aller gezeigten Brutalität handele es sich schließlich zweifelsfrei um Fiktion mit Mitteln des Theaters.


    Wer seinen Beruf auf Theater- oder Opernbühne ausübt, soll doch bitteschön in der Lage sein, Sujets wie Tod und Gewalt ebenso bewältigen und darstellen zu können wie Jubel, Trubel und Heiterkeit. Aber gut: Das Streikrecht bleibt für mich ein heiliges Gut in einem demokratischen Land. Nur verstehen kann ich dessen Wahrnehmung in diesem Fall nicht.


    LG
    B.

  • Hallo Barbirolli,


    damit hast du durchaus recht...


    Aber ich kann verstehen, dass eine Protagonisten bei so etwas nicht mitspielen... - Ich will so etwas ja auch nicht sehen...



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zitat

    Original von Liebestraum
    Hoffentlich haben künftig viele Mitwirkende von solchen "Inszenierungen" auf der ganzen Welt den Mut, solche Arbeiten zu boykottieren.


    Sollen wieder Eier zerschlagen werden, bevor sie gelegt wurden? :no:

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  • Hallo Gurnemanz,


    ja, denn ich will so etwas nicht sehen und viele andere auch nicht... Und, wie in Köln zu erleben, kündigen Mitarbeiter bei solchen Arbeiten nun endlich einmal die Gefolgschaft auf.... - sehr lobenswert! Weiter so! :yes::D


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zitat

    Original von Liebestraum
    ja, denn ich will so etwas nicht sehen und viele andere auch nicht... Und, wie in Köln zu erleben, kündigen Mitarbeiter bei solchen Arbeiten nun endlich einmal die Gefolgschaft auf.... - sehr lobenswert! Weiter so!


    Wenn ich denn einen Sinn in solchen Stellungnahmen sehe, dann darin, dass sie den Adrenalinpegel des Forums regelmäßig hoch halten.


    Ansonsten ist's immer wieder der selbe Zirkus: Was du, lieber Liebestraum, nicht sehen, hören, riechen, schmecken willst, ist ja nun hinlänglich bekannt. Dass nicht bekannt ist, wer die vielen anderen sind und dass noch mehr viele andere klassische Musik und deren Aufführung grundsätzlich ablehnen, bzw. nicht wahrnehmen wollen, ebenso. Von den wenigen anderen haben viele andere ja nun auch die Nase voll von pittoresken Pappmaché-Gärtlein, putzigen Rokoko-Kostümchen und rudernden Rampensängern. Und was nun? Alles bestreiken, weil es unter wenigen immer viele gibt, die irgend etwas ablehnen? Dinge persönlich nicht zu mögen, ist die eine (verständliche und zu respektierende) Sache. Mittels dieser Sicht aber anderen diese Dinge vorenthalten zu wollen, ist nicht hinzunehmen.


    Ich mag z. B. keine kilometerlangen kommentarlosen Abfolgen bunter Cover-Abbildungen in einem Klassik-Forum. Aber wer bin ich, dieses unterbinden zu wollen?


    LG
    B.

  • "(...) das Provinzielle ist nicht "heil". Die Theologie wird nicht von jenen gerettet, bei denen Nietzsche und Baudelaire noch nicht sich herumgesprochen haben." (Adorno: "Tradition", in: Dissonanzen, S. 128 )


    Für mich gilt Ähnliches in Sachen Oper.


    Tharon.

    Einmal editiert, zuletzt von Tharon ()

  • Das ist natürlich das übliche Geschwätz der Medien. Man kann das vergleichen mit dem Ballyhoo, wenn der BVB auf Bayern München trifft. Lauter heiße Luft. Daß das Dich, lieber Liebstraum, in Deinem Gestrigkeitsgejammer bestätigt, will ich gerne glauben.


    Liest man die Presseberichte zwischen den Zeilen, so scheint mir das Konzept doch schlüssig zu sein. Wir sind halt perfekte Verdränger. Die Brutalität der Welt wollen wir nicht wahr haben. Und über Gewalt in Palästina sehen wir gerne hinweg, weil Palästina heute Israel heißt und die palästinensischen Ureinwohner ohnehin die Bösen sind.


    Weißt Du, lieber Liebestraum, das ist so ungefähr so wie mit unseren Fleischkäufen im Supermarkt: das Schwein könnten wir wohl nicht schlachten, das Schnitzel wollen wir aber schon. Also kaufen wir das Gewünschte in Konfektionierungen, die auf die Provenienz nicht mehr schließen lassen.


    Und ähnlich verlogen ist die gute alte Oper auch: Berieselungs- und Beschwichtigungs, nicht Besserungs- sondern Sedierungsanstalt für brave Bürgerliche. Den Inhalten der Werke zum Trotze.


    Vor allem aber: was nützt es, über Aufführungen zu schwätzen, die man nicht gesehen hat, ja, die noch nicht einmal stattgefunden haben?


    Was die Kölner Aufführung betrifft: bislang ist noch jeder Ausfall ersetzt worden. Wenn meine Zeit es erlaubt, werde ich eine der Aufführungen besuchen und dann berichten.


    Ganz ehrlich: Delamboye als Dirigent scheint mir gegenwärtig ein größeres Problem zu sein als die Inszenierung.


    NB: Wenn ich mir so anschaue, was Du alles nicht sehen willst, empehle ich Dir gerne Geeignetes: etwa die Sissi-Filme mit Romy Schneider. Oder liege ich jetzt ganz falsch?


    Beste Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    Wenn ich mir so anschaue, was Du alles nicht sehen willst, empehle ich Dir gerne Geeignetes: etwa die Sissi-Filme mit Romy Schneider. Oder liege ich jetzt ganz falsch?


    Vielleicht läuft es auch auf Samson und Tiffy hinaus, in den Nebenrollen wahlweise Manfred Krug oder Liselotte Pulver. Aber Obacht: In diesen vordergründig lieblichen Episoden kann es manchmal arg gegenwärtig und hinterfragend zugehen!


    LG
    B.

  • Zitat

    Original von Barbirolli
    Aber Obacht: In diesen vordergründig lieblichen Episoden kann es manchmal arg gegenwärtig und hinterfragend zugehen!


    LG
    B.


    Vorsicht, lieber Sir John, so etwas aufzuzeigen beschert nur Probleme. Siehe Konwitschnys Deutung von Lehars "Land des Lächelns". Hat hier einen eigenen Thread.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Regisseur Tilman Knabe


    hat bei uns mal den "Simplicissimus" von Hartmann hingerichtet.


    Der gesamte Schluß der Oper wurde gestrichen und es gab nur noch einen minutenlangen Trommelwirbel zu hören.
    Dazu mußten Sänger Sätze von sich geben wie "Mein Gott, ich find' das Loch nicht mehr", bei geöffnetem Hosenlatz.


    Das ganze ist mindestens 10 Jahre her und war MIT ABSTAND die peinlichste Inszenierung, welche ich je erlebt habe.


    Es dauerte höchstens 10 min. , bis erste Zuschauer Türeknallend den Saal verließen oder "Ihr seit doch alle bescheuert" riefen.


    Das hat wirklich keinen Spaß gemacht.


    Die Oper von Hartmann wurde völlig demontiert, es gab überflüssige Bühnenmusiken, in welchen der Donauwalzer verjazzt wurde und die Sänger "Ihhhh, Negermusik" schreien mußten, es war höchstpeinlich.


    DAS war und ist für mich in all den Jahren immer DAS Beispiel gewesen, wie ein Regisseur ein Werk völlig demontiert, um seine eigenen Ansichten in den Vordergrund zu bringen.


    Ich bin durchaus ein Befürworter des Regietheaters, aber dies ging mir damals entschieden zu weit.


    Die Sänger mußten sich wirklich zum Affen machen vor dem Publikum und es gab Mitglieder jüdischer Abstammung, welche sich schlichtweg weigerten, Heil Hitler-Rufe ertragen zu müssen- auch im Orchester.


    Bei uns wurden diese Mitglieder zum Glück nur beurlaubt, von Seiten der Intendanz ging es damals fair zu.



    Wenn es in Köln nur entfernt ähnlich zugeht- und ich fürchte, daß es schlimmer zugeht- dann bleibt den Kollegen letztlich nur die Flucht in eine Krankheitsmeldung.


    Einfach boykottieren geht nicht, das ist ein Kündigungsgrund.


    Und um es nochmals klarzustellen:


    Ich bin ein Befürworter des Regietheaters, aber mit diesem Regisseur habe ich die mit Abstand peinlichste und perfideste Produktion bisher erlebt- in mittlerweile 17 Berufsjahren.
    Und auch die dümmlichste- aber das ist nur mein persönlicher Eindruck.


    Peinlich, was das Werk Hartmanns anging-welches völlig zerstört wurde auf von mir unentschuldbare Art und Weise.
    Peinlich, was Erniedrigungen der Mitwirkenden, welche dem zu Recht pöbelndem Publikum zum Fraß hingeworfen wurden, anging.



    Also, mit dieser Aussage möchte ich nur ein wenig Hintergrund über diesen Regisseur mitteilen.


    Es ist KEINE Stellungsnahme gegen das Regietheater, noch gegen die kommende Kölner Inszenierung.


    Über diese kann man erst richten, wenn sie stattgefunden hat.



    Aber ich kann mir lebhaft vorstellen, was in Köln im Moment abgeht.


    Das schlimme ist, daß das Ensemble darunter leiden wird-Kollegen werden gegeneinander ausgespielt und es wird Anfeindungen geben.


    Falls die Regie meisterhaft und aufklärend ist, dann sollte jedes Mittel Recht sein.
    Das ist meine Meinung, denn als Künstler muß man in der Lage sein, gewisse Grenzerfahrungen zu meistern.


    Aber mir fehlt bei bei diesem Regisseur wirklich der Glaube an eine meisterhafte Inszenierung, am Ende wird es wahrscheinlich nur darauf herauslaufen, daß alle irgendwelchen Schaden davontragen.
    Und man wird sich dann u.U. fragen : Wozu?


    Der einzige aber, der unbeschadet aus dieser Situation herausgehen wird, ist der Regisseur, das ist sicher................



    LG,
    Michael

  • tillmann knabes "rheingold" und seine "turandot" in essen waren durchaus sehr gelungen und sehr sehenwert.(natürlich auch hörenswert)
    lg yago

  • Zitat

    tillmann knabes "rheingold" und seine "turandot" in essen waren durchaus sehr gelungen und sehr sehenwert.(natürlich auch hörenswert)


    das ist natürlich gut möglich, aber mich würde dann interessieren, warum.


    hörenswert war es sicherlich, aber das ist der verdienst der sänger, des chores, des ochesters und des dirigenten trotz des regisseurs tilmann( mit einem l ) knabes.


    lg michael

  • Zitat

    Immer mehr Ausfälle wegen drastischer Szenen in Kölner Oper
    Köln (ddp-nrw). In der wegen der drastischen Kriegs- und Vergewaltigungsszenen in die Kritik geratenen Kölner Inszenierung der Oper «Samson et Dalila» häufen sich die Ausfälle. Inzwischen haben 28 von 66 Mitwirkenden des Kölner Opern-Chores erklärt, nicht für die Premiere zur Verfügung zu stehen, wie ein Sprecher der Bühne am Freitag mitteilte. Die in den Proben erlebten Szenen von brutalstem Missbrauch und Erschießungen hätten die Kollegen so stark belastet, dass sie unter psychischen Belastungen und Schlafstörungen litten.


    Wenn die Leute anfangen, den betroffenen mangelnde Professionalität vorzuwerfen, dann sollte man bedenken, dass es auch für Professionalität natürliche Grenzen gibt. Man darf nicht vergessen, dass das Geschehen auf der Bühne für die Zuschauer in der Regel viel schlimmer ausschaut wie für die Ausführenden. Wenn es aber denen teilweise schon zuviel wird, kann man sich am 2. Mai auf einen spannenden Abend gefasst machen. Ich bin da schon auf die Berichte neugierig.




    Zitat

    Wir sind halt perfekte Verdränger. Die Brutalität der Welt wollen wir nicht wahr haben. Und über Gewalt in Palästina sehen wir gerne hinweg, weil Palästina heute Israel heißt und die palästinensischen Ureinwohner ohnehin die Bösen sind.


    Und was soll uns das sagen? Ich bin eigentlich nicht sonderlich scharf darauf, in der Oper das reproduziert zu sehen, was ich täglich in der Tagesschau vorgesetzt bekomme. Da kann ich ja gleich zu Hause bleiben. Meiner dunklen Erinnerung nach haben Opernaufführungen doch auch einen gewissen künstlerischen Anspruch, oder hatten ihn zumindest einmal. Damit verbunden sind eine gewisse Subtilität und Feinheit der eingesetzten Mittel. Aber wenn es schon vielen Ausführenden über die Schmerzgrenze geht, scheint davon in dieser Inszenierung nicht viel vorhanden zu sein. Da bewegen wir uns in Richtung Reality Show und der Holzhammer scheint ohnehin ein beliebtes Requisit moderner Inszenierungen zu sein. Aber der 2. Mai wird es zeigen...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • ob mit einem oder zwei " l ",hr. knabe wird´s mir verzeihen.
    (obwohl ich weise auch immer darauf hin,wenn man meinen namen mit nur einem " m " schreibt.


    "Rheingold" im Aalto Essen



    Kurznotizen aus den Opernhäusern!
    (9.dez.07 v. alviano)
    nur ein auszug:
    Von der Regie von Tilman Knabe war ich positiv überrascht – vor allem das Schlussbild hat mir sehr gut gefallen. Nach einer guten „toten Stadt“ (Korngold) in seiner Regie in Bremen war ich von seinem Versuch mit Schuberts „Fierrabras“ in Frankfurt reichlich enttäuscht (und zwar so, dass ich mir den Hamburger „Trovatore“ nicht anschauen mochte). Aber diese „Turandot“ versöhnt...


    wenn sänger u. chor nicht mitspielen,kann sich der regisseur auf den kopf stellen....
    lg yago

  • Zitat Theophilus:


    Zitat

    Ich bin eigentlich nicht sonderlich scharf darauf, in der Oper das reproduziert zu sehen, was ich täglich in der Tagesschau vorgesetzt bekomme.



    Genau so sehe ich das auch!


    Und wenn Regietheater gewohnte Protagonisten an der Kölner Oper die Gefolgschaft verweigern, dann muss es schon sehr schlimm sein...



    Herzliche GRüße
    von LT :hello:

  • Liebe Taminos !


    Ich schließe mich Euren Meinungen vollinhaltlich an.


    Bin zwar meist ein "Staubi", habe aber nichts gegen klug gemachte Inszenierungen, die neue Ansichten ermöglichen. Allerdings, wie soll jemand, der das Werk kennenlernen will, solche Adaptionen verstehen ?


    Daher wäre es das Beste, wenn solche Inszenierungen neben den Werkgetreuen paralell laufen würden, was natürlich am Budget scheitert.


    Liebe Grüße - vom Operngernhörer :hello:


    P.S. daher bin ich meist lieber gernhörer als gernseher. :yes:

  • Hallo Theophilus,

    Zitat

    Wenn die Leute anfangen, den betroffenen mangelnde Professionalität vorzuwerfen, dann sollte man bedenken, dass es auch für Professionalität natürliche Grenzen gibt.


    Das ist Unsinn. Die natürliche Grenze der Professionalität ist erreicht, wenn ich etwas nicht Darstellbares verlange. Wenn ein Regisseur auf die Idee kommt, den Chor auf einem Hochseil balancieren zu lassen, ist die Grenze der Professionalität erreicht. Wenn der Regisseur eine Darstellung von Gewalt verlangt, ist die Grenze der Professionalität nur bei den Nicht-Professionellen erreicht.
    Mich erinnert das an einen etwas überschätzten Chorleiter, der sich weigerte, mit seinem Chor Orffs "Trionfo di Afrodite" einzustudieren, weil das Pornografie sei.


    Zitat

    Und was soll uns das sagen? Ich bin eigentlich nicht sonderlich scharf darauf, in der Oper das reproduziert zu sehen, was ich täglich in der Tagesschau vorgesetzt bekomme.


    Dann empfehle ich Dir, statt Dich mit Meisterwerken des Musiktheaters zu erregen, auf Zeichentrickfilme umzusteigen. Nur von "Bambi" rate ich Dir ab, diese Grausamkeit könntest Du sicherlich nur schwer ertragen.


    Zitat

    Aber wenn es schon vielen Ausführenden über die Schmerzgrenze geht, scheint davon in dieser Inszenierung nicht viel vorhanden zu sein. Da bewegen wir uns in Richtung Reality Show und der Holzhammer scheint ohnehin ein beliebtes Requisit moderner Inszenierungen zu sein. Aber der 2. Mai wird es zeigen...


    Du kennst diese Inszenierung?
    Da schau her.
    Kennst Du sie nicht, erkläre ich Dein Urteil für verfehlt.


    ****


    Hallo Liebestraum,

    Zitat

    Und wenn Regietheater gewohnte Protagonisten an der Kölner Oper die Gefolgschaft verweigern, dann muss es schon sehr schlimm sein...


    Daß Du ein Meister der (verfehlten) Vermutungen bist, hast Du ja auch schon im Gergiew-Thread prächtig nachgewiesen. Nun auch hier. So zerstört man die eigene Glaubwürdigkeit.
    :hello:

    ...


  • Deswegen habe ich die von den Nachrichten über die Kölner Inszenierung inspierierte Diskussion mal pauschal hierher geschaufelt. Das meiste davon könnte zwar auch auf dem Schlachtfeld der allgemeinen Inszenierungsdiskussion stattfinden, aber so oder ähnlich wurde es dort schon oft (genug) gesagt, und nach dem zu erwartenden Tumult über den Kölner Samson werden wir wohl noch eine Weile darüber zu lesen haben, so dass wir die Reaktionen zumindest an den Erwartungen an eine ungesehene Inszenierung messen können. J.R.II

  • Hallo Ewdin,


    im Gergiev-Thread habe ich nicht vermutet, sondern ich habe entschieden: gegen Gergiev ... - mir gefällt halt Fritz Reiner besser... :yes:


    Und was derzeit in der Kölner Oper vor sich geht spricht doch Bände. Ich will in der Oper entspannen und genießen und nicht die gleichen Bilder sehen, die mir aus Afrika, Nahost, Afghanistan o.ä. tagtäglich schon über den Bildschirm flimmern. Damit meine ich keine Verharmlosung.


    Ich muss an solchen Stellen immm wieder Walter Felsenstein in Erinnerung rufen, der mit seinen Inszenierungen Aufführungserlebnisse geschaffen hat, die sich mir bis heute ins Gedächtnis gemeißelt haben Von keinem Regisseur kann ich noch heute so viele eindrucksvolle Details aufrufen, wie gerade von diesem Regisseur.


    Für mich sind solche Leute Opportunisten, die einerseits Felsensteins Arbeiten über den grünen Klee loben, andererseits aber Regisseuren hinterherlaufen, die die Schmerzgrenze des Erträglichen immer und immer weiter ausreizen.


    So muss es gegenwärtig auch an der Kölner Oper ablaufen, an der jetzt schon... Wochen vor der Premiere einige Protagonisten nicht mehr mitmachen.


    Ich kann es nur wiederholen: Ich lobe den Mut von diesen Menschen und würde mir sehr wünschen, wenn so etwas auch anderen Opernhäusern geschehen würde, wenn es darum geht, Opernwerke auf krasseste Weise zu benutzen, zügellose Gewalt auf abstoßendster Weise in die Gegenwart zu spiegeln.


    Ansonsten:


    Wem es an Brutalität nicht reicht, dem empfehle ich in regelmäßigen Abständen "Der Soldat James Ryan" anzusehen. Derjenige kann sich daran sattsehen und die eine oder andere Szene gerne in die Gegenwart transponieren... und Vermutungen anstellen, wo es wohl gegenwärtig ähnlich zugehen möge...


    Wem das dann immer noch nicht gewalttätig genug ist, der könnte sich ja mal in einem SM-Studio anmelden, und die gesehene Gewalt gern mal an sich selbst ausprobieren...


    trotzdem
    herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zitat


    Edwin Baumgartner
    Das ist Unsinn. Die natürliche Grenze der Professionalität ist erreicht, wenn ich etwas nicht Darstellbares verlange. Wenn ein Regisseur auf die Idee kommt, den Chor auf einem Hochseil balancieren zu lassen, ist die Grenze der Professionalität erreicht. Wenn der Regisseur eine Darstellung von Gewalt verlangt, ist die Grenze der Professionalität nur bei den Nicht-Professionellen erreicht.


    Das ist- mit Verlaub- Unsinn.
    Kann ich beispielsweise von einem Sänger verlangen, sich nackt auszuziehen? Das ist- laut Deiner Definition- durchaus "darstellbar", ich meine aber, hier wäre die Grenze der Professionalität überschritten (und nicht nur die des guten Geschmacks).


    Zitat


    Edwin Baumgartner
    Dann empfehle ich Dir, statt Dich mit Meisterwerken des Musiktheaters zu erregen, auf Zeichentrickfilme umzusteigen. Nur von "Bambi" rate ich Dir ab, diese Grausamkeit könntest Du sicherlich nur schwer ertragen.


    Im Austeilen der Größte....

  • Liebe Opernfreunde,


    ich bin nur erstaunt, mit wieviel (Halb-)Wissen man sich zufrieden gibt. Wenn man da ein wenig sorgfältig recherchiert, wird man ganz andere Fronten ausmachen, etwa eine Machtprobe zwischen ver.di, Personalrat und Intendanten. Kritisiert werden dabei weniger die Szenen als die nach Ansicht des Personalrates unzureichende psychologische Vorbereitung und Begleitung der Choristen. Argumentiert wird nicht mit Sex wie bei unserem wie immer schlecht informierten aber dafür hinlänglich lauten LT, sondern mit Kriegsszenen, die bei Choristen, die von ihrer Herkunft ein Kriegstrauma mitbringen, entsprechende psychische Belastungen bewirken.


    Könnte vielleicht einmal kleinkariertes Denken einer der tatsächlichen Sachlage entsprechenden Diskussion weichen?


    Ich finde diese Diskussion, wie sie hier geführt wird, einfach peinlich: Auf einen Zeitungsfetzen projiziert man seine eigenen Neurosen. :no:


    Übrigens hat in einem offensichtlich überlesenen Beitrag von Sophia Kirch - sie wohnt in Köln und ist nahe am Geschehen, stört also das naive Stammtischgespräch von Biedermännern und Brandstiftern durch Kenntnis von Ort und Umständen - das tatsächliche Problem der zu erwartenden Aufführung gestanden.


    Blamiert euch nur weiter so


    Liebe Grüße Peter


    (den Beitrag von Michael Schlechtriem fand ich übrigens sehr informativ und möchte ihn nachdrücklich aus meinem Rundumschlag ausnehmen. Auch Edwin bringt Sachwissen und Sachlichkeit ein, die ich bei unseren wilden Moralaposteln vermisse.)

  • Zitat

    Original von S.Kirch
    [...]
    Was meinen Eindruck vergangener Besuche in der Kölner Oper angeht, leidet die musikalische Qualität einer Aufführung unter E. Delamboye.


    Ich würde ohne weiteres in die gleiche Kerbe hauen, hätte ich nicht - nach vielen miserablen Aufführungen unter seiner Leitung - letzten Herbst (Moment... es war am 10.10.08) einen von Herrn Delamboye grandios (ehrlich!) dirigierten (und allseits grandios gesungenen!) Maskenball erlebt. (Ich saß im II. Rang vorne, ich kann ihn nicht verwechselt haben ;-))


    Zitat

    Das liegt vorrangig daran, daß es immer wieder zu erheblichen Abstimmungsproblemen zwischen Bühne und Graben kommt...


    Da ist Delamboye leider nicht der einzige in Köln.


    Bernd, jedenfalls sehr gespannt auf übernächsten Samstag

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