Wer kann urteilen?

  • Eigentlich haben Gaby und der Graf Schuld an meine provozierende Behauptung:
    "Ihr Deutschen (Österreicher/Schweizer) könnt nicht urteilen über einen Sänger der Deutsch singt. Laß das mal Ausländer tun".


    Für mich gilt primär eine gute Textverständlichkeit. Erst dadurch können wir über Textinterpretation reden. Darum bin ich u.a. auch so begeistert von Fi-Di.


    Aber dies gilt natürlich für Franzosen mit Französisch, Italiener und Italienisch, usw.


    LG, Paul

  • Ja, immer ich! Aber mir soll´s lieb und recht sein, wenn man Dich dadurch wieder "am Schreiben kricht" (das war jetzt kein Deutsch, das ist Ruhrpott, kann jeder Ausländer bequem beurteilen...)


    Lieber Paul, erkläre uns noch näher: Warum soll man bei der Beurteilung der gesungenen eigenen Sprache blinde Flecken auf der Netzhaut oder Stöpsel in den Ohren haben...?



    Alex.

  • Lieber Paul,


    vorgestern hörte ich einen englischen Sänger, der Deutsch besser sang als ich es spreche (als Hessin weiß ich das zu würdigen). Nur denke ich, dass man das doch nur in seiner eigenen Sprache bemerken kannn. Habe ich Dich da falsch verstanden?


    LG
    Emotione

  • Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl
    Lieber Paul, erkläre uns noch näher: Warum soll man bei der Beurteilung der gesungenen eigenen Sprache blinde Flecken auf der Netzhaut oder Stöpsel in den Ohren haben...?


    Lieber Alex,


    Ich nehme meine eigene Muttersprache. Als einer etwas in meine Muttersprache singt, ärgere ich mich oft. Die Worte werden schlecht ausgesprochen. Ein Diphtong (Kombination von zwei Vokalen nach einander) z.b. "luis" (= Laus) klingt für mich fast abscheulich.
    Ich kenne aber Ausländer die meine Muttersprache reden können. Sie behaupten von einigen Sänger, die ich also verabscheue, "sehr gut zu folgen".


    Ich bin also in meinem Urteil offensichtlich subjektiv. Zwar habe ich Recht, denn es ist schrecklich Niederländisch. Aber wichtig ist doch das Kriterium "Kann einer es folgen". Denn erst dann kann man reden über verstehen. Um zu enden mit Textinterpretation.


    LG, Paul

  • Ah, ich verstehe. Du meinst, die Exaktheit im Duktus der jeweiligen Sprachgemeinschaft sei nicht das entscheidende Kriterium für "gute Aussprache" im Singen, sondern das mit geringen möglichen Abweichungen korrekte Wiedergeben des phonetischen Materials nach dem IPA?


    Thomas Stewart muß nicht im Idiom genauso singen wie Theo Adam, sondern so, daß er von "native speakers" wie "foreign guests" gleichermaßen und ohne Mühe verstanden wird?


    Abgesehen davon, daß es ein Glück ist, das Stewart nicht Sächsisch sang: Das klingt doch sehr plausibel. Wie steht es mit Diekaus Italienisch... ;)?



    Alex.

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  • Zitat

    Original von Emotione
    Nur denke ich, dass man das doch nur in seiner eigenen Sprache bemerken kannn. Habe ich Dich da falsch verstanden?


    Liebe Emotione,


    Wenn einer weiß, daß er Dialekt redet, wird er leichter darüber urteilen können, als einer der ziemlich allgemein Deutsch redet.
    Die Aussprache meiner Muttersprache durch mich ist außerordentlich gut. Eigentlich steril, denn akzentlos. Und das bedeutet - fast automatisch - das ich "Abweichungen des Normes" schlimm, wenn nicht schlecht, finde.


    Ein Ausländer hat mehr Mühe mit Eurer Sprache. Und wird darum eher bestimmte Sänger als positiv beurteilen, die eine gute Textverständlichkeit wichtig finden.
    Vor einigen Tagen kaufte ich eine 6 CD-Box von der Altistin Aafje Heynis. Ihre Textverständlichkeit ist so schön. Und eben dadurch kann ich die Beseelung in den Liedern/Arien so gut merken.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl
    Thomas Stewart muß nicht im Idiom genauso singen wie Theo Adam, sondern so, daß er von "native speakers" wie "foreign guests" gleichermaßen und ohne Mühe verstanden wird?


    Das kann ich nur bejahen. :untertauch:


    LG, Paul

  • Lieber Paul,


    Da ich selbst deutsche und italienische Diktion im Gesang für Franzosen unterrichte und sehr viel mit Fremdsprachen zu tun habe, gebe ich mal ein Statement zum Thema ab. Obschon ich die Ausgangs-Frage evtl nciht so ganz richtig verstanden habe und die vielleicht nochmal auf den Punkt gebracht werden könnte.



    Selbst bei Sängern mit hervorragender deutscher Aussprache wie etwa Gerard Souzay Bryn Terfel oder Margaret Price höre ich als Detusche einen lecihtenAkzent und gewisse Unregelmässigkeiten, den ein Franzose oder Engländerz.B. niemals hôren würde. Um die wirkichen Feinheiten zu beurteilen, muss man Muttersprachler sein.


    Wenn es um grobe Aussprachefehler und Akzente geht, höre ich als Nichtfranzösin aber bereits sehr gut, wie unidiomatisch etwa Mirella Freni die Mireille von Gounod singt (stimmlich natürlich himmlisch)
    Ob das ein Italiener nun auch hören würde, weiss ich nicht. ?(


    Die Vokalfärbung spielt insgesamt eine sehr grosse Rolle bei der Aussprache und gerade diese Vokalfärbung hängt zu einem grossen Teil von der erlernten Gesangstechnik ab.
    Der Vokalausgleich ist im Gesangsunterricht ein ganz wichtiges Thema und es gibt da in verschedenen Gesangsschulen durchaus andere Ergebnisse.
    Es hat dann oft sogar weniger mit der Muttersprache als der Technik zu tun, wenn plötzlich alle Vokale abgedunkelt "gedeckt" und sogar dumpf klingen oder hell und scharf- uim mal zwei Extreme zu nennen.


    Die Aussprache sollte sich mit dem richtgien Erlernen der Technik bei Gesangs Studenten zunehmend verbessern.


    Zur Höhe hin wird die Aussprache normalerweise immer undeutlicher, weil sich die Vokale aneinander annähern. Egal in welcher Sprache.


    Sehr gut verstehbare Artikulation in allen Sprachen geht im Gesang fast immer auf Kosten anderer Parameter wie Legato, Fokussierung, Ausnutzen aller Resonanzräume , Kehlkopftiefstellung etc
    Man muss dann einfach persönliche Prioritäten setzen und natürlch auch den jeseiligen Stil und dax jeweilige Genre im Auge haben.


    Im Liedgesang wird "Konsonantenspucken" eher möglich als in der Oper ohne dzass die Projektion der Stimme leidet oder die Höhe abgeklemmt wirkt.


    Im Liedgesang erwarte ich persönlich einen anderen Umgang mit dem Text und habe da im Zweifelsfall eher Probleme mit Nicht Native Sängern als in der Oper.


    Wobei meine Toleranzgrenze, ähnlich wie bei Paul , bei Ausländern, die in Deutsch singen grösser ist, als bei Deutschen, die ihre Muttersprache nicht können.
    Aber oft ist das wirklch auch eine Frage der Gesangstechnik, wie die Vokale gefärbt, die Endsilben abgesprochen die Konsonanten ins Legato eingebunden werden.


    Aber dass Muttersprachler vielleciht per se "schlampiger" an die Sache rangehen, weil sie ja in ihrer eigenen Sprache singen, halte ich auch in einigen Fällen für ziemlich wahrscheinlich.


    F.Q.

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Aber dass Muttersprachler vielleciht per se "schlampiger" an die Sache rangehen, weil sie ja in ihrer eigenen Sprache singen, halte ich auch in einigen Fällen für ziemlich wahrscheinlich.


    Und sowas wird schneller nicht verstanden durch Ausländer als durch "Einheimischen". Womit der Sänger dann durch die Ausländer als "nicht gut" beurteilt wird.


    q.e.d.

  • Wenn beispielsweise Barbara Ulricca Theler als Schweizerin Dvoraks Lieder auf tschechisch singt, kann ich nie beurteilen, wie gut sie das sprachlich beherrscht. In diesem Fall sehe ich das für mich als Vorteil, weil mir kein eventuelles Erkennen eines unschönen Akzentes oder schlechte Textverständlichkeit den Genuß verleidet...

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

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