Die schöne Müllerin - Kleiner Bruder der Winterreise?

  • Zitat

    Original von Alviano
    Anfang der 80er hat Peter Schreier die "Müllerin" zwei Mal aufgenommen: einmal mit Hammerklavier (damals noch ein Novum, Steven Zehr war der Begleiter) und dann mit Konrad Ragossnig an der Guitarre.


    Hallo Alviano,


    [offtopic]Schreier hat um jener Zeit auch noch Romantische Lieder + Gitarrebegleitung auf LP ausgebracht. Ich weiss nicht mehr ob es nur Lieder von Weber sind.[/offtopic]


    LG, Paul

  • Es gibt auch eine Volkslieder-CD in dieser Besetzung, die für mich als Volkslieder-Sammler seit längerem auf der Anschaffungsliste steht.


    Zum Thema: Für mich ist die Müllerin nicht der kleine Bruder der Winterreise, ich weiß gar nicht, wie man darauf kommen kann ;)
    Schuberts erster Liedzyklus stellt sozusagen ein Langzeitpsychogramm mit fortschreitender emotionaler Zuspitzung dar, während die Winterreise eine und dieselbe Stimmung immer wieder neu und mit anderer Motivik formuliert, was nicht schlechter, aber was ganz anderes ist.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zur Belebung des Threads und weil die "Winterreise" meiner Meinung nach schon zu viel ertragen mußte:



    Bevor der Winter hereinbricht, sollten wir nochmals das Bächlein rauschen hören....
    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Danke für diese "Wiederbelebung", Siegfried!


    Die von Dir zitierte Wunderlichaufnahme steht noch auf meiner Wunschliste.


    Ich bin der "Müllerin" in dieser spannenden Aufnahme begegnet:


    Franz Schubert (1797-1828)
    Die schöne Müllerin D. 795

    Thomas Quasthoff (Bariton),Justus Zeyen (Klavier)
    Label: DGG , DDD, 2004




    und dieser thread macht richtig Lust auf einige Vergleichsaufnahmen...


    :hello:


    Elisabeth

  • Zitat

    Original von Elisabeth
    und dieser thread macht richtig Lust auf einige Vergleichsaufnahmen...
    :hello:
    Elisabeth


    Fangen wir gleich damit an:



    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Auch ich habe die Anregung von Elisabeth aufgenommen und ein paar Vergleichsaufnahmen der "schönen Müllerin" herausgesucht.


    Nach Araiza bin ich gerade auf Walther Ludwig gestossen:



    bei dieser Aufnahme wird er von Hubert Giesen, dem hier schon gescholtenen, begleitet.


    Ich habe auch noch eine andere CD mit diesem Zyklus von Walter Ludwig, und zwar aus dem September 1957. Hier wird er von Walter Bohle auf dem Klavier begleitet, aufgenommen in Berlin, Studio Taubenstraße.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Von den Aufnahmen, die ich kenne (Fischer-Dieskau, Moore; Bostridge; Schiotz; Hüsch; Schreier/Schiff; Lotte Lehmann; Wunderlich) finde ich die Aufnahmen von Hüsch, Schiotz und Schreier/Schiff in dieser Reihenfolge am besten gelungen.


    Hüsch gelingt eine Aufnahme des gesamten Zyklus "wie aus einem Guss", in der dennoch jedes Lied eine eigene markante Persönlichkeit hat. Dies zeichnet Hüsch auch in der Winterreise aus (zusammen mit Hotter/Raucheisen 1943 die beste Aufnahme, die ich kenne (und ich kenne viele)).


    Schiotz singt einfach perfekt, wobei hier der dynamische Umfang geringer ist als bei Hüsch, der insgesamt intensiver singt.


    Schreier singt mit viel Gefühl und interpretiert durchweg glaubhaft und innig.


    Ich muss dazusagen, dass ich kein Fan von Fischer-Dieskau bin, obwohl ich dessen Leistungen auf dem Gebiet des Kunstliedes bewundere.

  • Für mich neu: die Einspielung von Peter Schreier, die Norman Shetler begleitet. Schreier singt hier die Verzierungen, die Johann-Michael Vogl eingefügt hat.


    Bemerkenswert die Begleitung von Shetler: stark in der Dynamik, oft hart im Anschlag, ein echter Partner am Flügel für den glänzend aufgelegten Peter Schreier.


    Die kleinen Verzierungen sind gewöhnungsbedürftig, ich finde sie nicht immer passend, ungewöhnlich die Rückungen oder die Veränderung von Tönen, wobei letzteres manchmal richtig gut klingt.


    Eine Aufnahme, die eine bestehende Sammlung gut ergänzt und auch Einblicke in das gewährt, was man vielleicht als "zeitgenössische Aufführungspraxis" verstehen kann.

  • "Kleiner Bruder" ist zu viel gesagt, aber während es in der Winterreise für mich persönlich kaum Lieder gibt, die ich als "schwächer" empfinde, gibt's in der "Müllerin" Lieder, die mich nicht sooo berühren (wie gesagt: Persönliche Empfindung!) Die "Danksagung an den Bach" oder die "Ungeduld" zählen nicht gerade zu meinen Lieblingsliedern. Andererseits gibt es viele Lieder, die ich "zum Sterben schön/ ergreifend" finde ("Der Neugierige"/ "Pause"/ "Die liebe Farbe"/ "Trockne Blumen"/ "Der Müller und der Bach"/ "Des Baches Wiegenlied").


    Lieber sagitt, besonders hat mich Deine positive Kritik zur Blochwitz-Aufnahme gefreut, eine meiner LieblingsCDs. Ich habe bislang geglaubt, mit meiner Meinung alleine dazustehen! Schade, dass seine Karriere nur so kurz gedauert hat. Aber, wie er zB die Zeile aus "Des Baches Wiegenlied" "...und der Himmel da oben, wie ist er so weit..." singt, hat für mich "Gänsehautqualität".


    Ein Erlebnis zur "Müllerin" möchte ich noch erzählen: Ich habe diesen Zyklus vor einigen Jahren relativ knapp hintereinander LIVE von Peter Schreier und danach von Wolfgang Holzmair gehört. Das war für mich sehr spannend: Auf der einen Seite Schreier, der so viele Nuancen in die Lieder brachte aufgrund seiner langjährigen Gesangserfahrung, dessen Stimme dann trotzdem für diesen jungen Müllersbursch schon zu "erfahren" war. Auf der anderen Seite die junge Stimme von Holzmair, der sicher nicht Schreiers Interpretationsbandbreite hatte, dessen "Stimmalter" aber gut gepasst hat. Ich könnte überhaupt nicht sagen, welche Version mir besser gefallen hat, weil's so unterschiedlich war! Insgesamt ein tolles Erlebnis, dieser Vergleich!


    Liebe Grüße aus Wien
    vedriel

  • "Die schöne Müllerin", gesungen von Hermann Prey höre ich offen gestanden am liebsten. Doch ich habe auch die Ausgabe mit Dietrich Fischer-Dieskau. Allerding ist mir Dieskaus Gesang zu perfekt, ich vermisse einen Hauch Gefühl und Wärme, gerade bei den hier genannten Zyklen. Peter Schreier gefällt mit da als Tenor dann noch besser.
    Eine Rarität dürfte die Ausgabe mit dem Bariton, Rudolf Knoll sein.
    Er war zu der Zeit, als hier bei uns Hermann Prey recht populär war, mehrere Jahre in New York an der Met tätig.
    Später kehrte er in seine Heimat, Österreich zurück, und war dort bis vor einigen Jahren u. a. am Mozarteum in Salzburg als Professor für Gesang verpflichtet.
    Ich habe ihn gegen Ende der "Neunziger" in Salzburg persönlich kennenlernen dürfen. Und anläßlich dieser Begegnung brachte er mir die drei Zyklen: "Die Winterreise", "Die schöne Müllerin" und "Schwanengesang" mit
    ( LP-Ausgaben, allesamt Aufnahmen aus den Staaten).
    Prof. Knoll sagte mir damals, dass er den Schwanengesang ganz besonders gern gesungen habe. Seinen schönen vollen Bariton höre ich auch sehr gerne, er erinnert an Hermann Prey.
    Mit lieben Grüßen,


    diotima.

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  • diotima


    Danke für den Hinweis auf den Bariton Rudolf Knoll. Ich habe die Schubert-Aufnahmen ebenfalls und schätze ihn sehr (auch in seinen Opernaufnahmen und in der Salzburger "Carmina Burana").


    Schön, daß er nicht ganz vergessen ist!


    LG


    :hello: Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Liebe Diotima,


    Wie kann denn Gesang zu perfekt sein ?


    Auch perfekter Gesang kann, oder besser, er muß doch Gefühl und


    Ausdruck haben, sonst ist es eben kein perfekter Gesang, oder ?


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Lieber Herbert Henn,
    Du hast völlig Recht! Ich muss mich dahin korrigieren, dass Fischer-Dieskau für mein Empfinden zwar "technisch" perfekt singt, dass ich aber etwas Gefühl und Wärme in der Stimme vermisse. Abgesehen davon schätze ich dennoch auch die Aufnahmen von Fischer-Dieskau sehr. :jubel: :jubel: :jubel:
    Mit lieben Grüßen,


    diotima. ;)




  • Hier etwas ganz Anderes und zunächst sehr Gewöhnungbedürftiges.


    Aufs erste Hören mit :faint: folgte :jubel: :jubel: :jubel:


    Lotte Lehmann ist eine Ausnahme Lied-Sângerin.
    Wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, dass sie alle Hör-Gewohnheiten umwirft, dass sie als dramatische Frauenstimme sich an diesen lyrischen Männer-Zyklus wagt, ist sie in ihrer Expressivität so umwerfend, dass man dem Werk ganz neue Facetten abhört.
    Eine Empfehlung für Non-Konformisten.


    Ansonsten höre ich hier lieber Tenöre als Baritone.


    F.Q.

  • Sagitt meint:


    Die Karriere von Hans Peter Blochwitz war kurz, aber in dieser Zeit hat er bemerkenswerte Aufnahmen gemacht. Manches davon ist heute erhalten, insbesondere seine Mitwirkung bei Opernaufnahmen( Zauberflöte mit Harnoncourt und Christie), aber seine wenigen Aufnahmen als Liedsänger werden nicht mehr aufgelegt. Wahrscheinlich verkauft er sich nicht gut, also streichen, dabei sind gerade seine Schubert-Aufnahmen von excellenter Qualität.


    Neben der Wunderlichaufnahme recycelt die DG dann lieber Araiza. Das verkauft soch wohl besser,dabei kann diese Aufnahme, scon sprachlich, wirklich nicht mithalten.


    Blochwitz wird nächstes Jahr 60. Vielleicht ist das ja ein Anlass ?


    Ich befürchte allerdings, dass daraus nichts wird.


    Ich empfehle nur jedem, vor mir aus unter rein technischen Gesichtspunkten, zu hören, wie er Bach sang ( Envangelist Matthauspassion), wie er Mozart sang ( zB Cosi mit Levine) und wie er Schubert/Schumann sang.

  • sagitt


    Letzte Woche wurde in ebay die DGG-Aufnahme der "Schönen Müllerin" von Hans Peter Blochwitz als CD angebuten.


    Die Nachfrage war groß, ich habe bis zur Schmerzgrenze mitgeboten, hatte aber keine Chance. Die wenigen Exemplare werden wohl zu Liebhaberpreisen gehandelt.



    ***********************************************************


    Meine derzeit liebste Aufnahme der "Müllerin" in der Tenorfassung ist eine Privataufnahme, vor 10 Jahren hier in Düsseldorf-Benrath aufgenommen.


    Es singt Frieder Lang, Tenor


    er wird auf einem Hammerflügel von J. Fritz (ca. 1815) begleitet von Mario Ratko Delorko, dem Sohn des bekannten Tenors.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Eine "Müllerin" wurde in diesem Thread noch nicht erwähnt:
    1957 hat der - als Liedersänger völlig unerfahrene - Fritz Wunderlich die "Müllerin" für den "Europäischen Phonoklub" - Verlags-GmbH aufgenommen, begleitet auf dem Klavier von Kurt Heinz Stolze. Meines Wissens hat er nie die Einwilligung zur Veröffentlichung außerhalb dieses Klubs gegeben, konnte sie aber nicht verhindern, als der Phonoklub vom Bertelsmann-Konzern geschluckt wurde. Jetzt ist diese Aufnahme - digital aufbereitet - auf CD erschienen (es gibt wohl nichts, was dieser Sänger je von sich gegeben hat, das nicht vermarktet wird):



    "Legenden des Gesanges, Vol. 1 | Fritz Wunderlich" - DIE SCHÖNE MÜLLERIN


    Franz Schubert (1797–1828 )
    Die schöne Müllerin op. 25, D. 795
    Ein Zyklus von Liedern von Wilhelm Müller



    Zitat

    Ein halbes Jahrhundert liegt die Berliner Aufnahme von Schuberts "Schöner Müllerin" mit Fritz Wunderlich nunmehr zurück. Schon dieses kalendarische Datum sollte neues Interesse für diese Aufnahme eines Sängers wecken, der danach zu einem der Größten seines Faches aufsteigen sollte und zum Zeitpunkt seines tragischen Todes noch längst nicht am Ende der künstlerischen Entwicklung angelangt war. Die Titelpartie von Hans Pfitzners "Palestrina" (Wiener Staatsoper 1964) hatte erfolgreiche Grenzüberschreitungen im Opernbereich schon angedeutet. Welch leuchtender Lohengrin wäre durch Fritz Wunderlichs Mozartgeprägte Stimme erstanden, welch sanguinischer "Rigoletto"-Herzog, welch schwärmerischer Nadir in Georges Bizets "Perlenfischern"? Und der Liedbereich – ein unendlich zu erweiterndes Universum. 36 Jahre war Fritz Wunderlich alt, als er starb. "Frühvollendet" – und doch noch nicht am Ende seines Weges angelangt.
    Christoph Zimmermann


    Aufgenommen / Recorded Berlin (Hotel Esplanade) 12. & 15. August 1957


    LG


    :hello: :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Am Wochenende im Fernsehen:


    3sat sendet zu nachtschlafener Zeit Hermann Preys "Müllerin":


    Sonntag, den 26.10.2008
    04:35 Uhr (eigentlich schon Montag, 27.10.08 )

    Franz Schubert: Die schöne Müllerin op. 25 D 795
    Ein Zyklus von Liedern von Wilhelm Müller
    Mit Hermann Prey (Bariton) und Leonard Hokanson (Klavier)
    (Erstsendung 9.2.1987)


    Zitat

    Franz Schubert (1797 - 1828 ) hat 1823 die Liednovelle "Die schöne Müllerin", ein Zyklus für Singstimmeund Klavier, komponiert. Textbasis ist die gleichnamige Gedichtsammlung von Wilhelm Müller. Inspiriert durch Müllers unerfüllte Liebe zu Luise Hensel, berichtet der Liedzyklus in einem lyrischen Selbstbekenntnis von Glück und Leid eines jungen Müllersburschen, der auf der Wanderschaft in einer Mühle einkehrt und die Liebe der schönen, treulosen Müllerin findet. Als sie ihn aber des Jägers wegen verlässt, macht der Müllersbursche seinem Leben im Mühlbach ein Ende. Es ist die Geschichte einer Liebe von ihrem ersten Aufkeimen bis zu ihrem bitteren Ende.
    Bariton Hermann Prey (1929 - 1998 ) galt nicht nur als einer der herausragendsten Interpreten von Schubert-Liedern, sondern gründete auch die "Schubertiade" im Wiener Musikverein und die "Schubertiade Hohenems" in Vorarlberg - heute das bedeutendste Schubert-Festival der Musikwelt. Er singt in Begleitung von Leonard Hokanson.


    Da ich normalerweise um diese Zeit schlafe, muß der Videorekorder ran!


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Seit einigen Tagen ist eine neue Aufnahme des Schubertschen Liederzyklus erhältlich. Die totgesagt DECCA hat ihn aufgenommen, Gesungen wird der von Jonas Kaufmann, am Flügel begleitet von Helmut Deutsch.



    Natürlich macht die Aufnahme eines Sängers, der immer wieder mit Lob überhäuft wird doch neugierig - und die Erwartung ist deshalb recht hoch.


    Der "Rezensent" hingegen ist ein Querulant und Nörgler, der an neuen Interpreten und ihren Einspielungen kein gutes Haar lässt. Was wird da also herauskommen ?


    Nun zunächst, was dabei NICHT herauskommt ist eine "Jahrhundertaufnahme" - oder liegt es daran, daß ich stets Fritz Wunderlich im Hintergrund mitsingen höre ? Oder Prey und Dieskau - aber das sind ja keine Tenöre.
    Dazu kommen zahlreiche andere Interpreten, die ich für diesen Zyjklus für besser geeignet halte, darunter Christian Elsner für Naxos, begleitet von Ulrich Eisenlohr....


    Die Aufnahme von Kaufmann ist keinesweg "schlecht" - aber man fragt sich als Sammler ob sie angesichts geradezu erdrückender Konkurrenz wirklich notwendig war.


    Am besten gelingen meiner Meinung nach Kaufmann die lyrischen Stellen, die dramatischen jedoch forciert er, sie wirken aufgesetzt, die Stimme bekommt eine unangenehme Färbung, der Vortrag wirkt theatralisch, was auf einer Opernbühne angehen mag, beim Liedgesang jedoch nicht.


    All das ist nicht wirklich störend, nicht wirklich ausgeprägt, aber hörbar wenn man zahlreiche Vergleichseinspielungen im Ohr hat (von denen etliche auch ihre Schwächen haben). Das ist ja das Schreckliche und Gefährliche an der Tonaufzeichnung: Sie hält kleinst Unarten unerbittlich fest und man kann sie immer wiederholen und analysiern bis von einer an sich guten Aufnahme nicht mehr viel gutes übrigbleibt.


    Es mag übrigens sein, daß die Einspielung von Leuten, die Jonas Kaufmann live erleben konnten das Urteil über diese CD wesentlich positiver ausfällt......(?)


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    ich kann deine Worte nur unterstreichen. An anderer Stelle hatte zu dieser Aufnahme bemerkt:


    Für Kaufmanns Stimme scheint mir diese Aufnahme schon etwas spät zu kommen. Die Leichtigkeit des Müllerburschen wäre ihm vor Lohengrin, Florestan und Don José glaubhafter gelungen.


    Vergleichsaufnahmen nenne ich wohlweislich keine, sonst wird mir wieder einseitige Parteinahme attestiert. Doch im Ohr habe ich sie schon :yes:

    Freundliche Grüße Siegfried

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  • Lieber Siegfried,


    nomen est omen! Von einem Drachentöter erhoffe ich mir klare Meinungsäußerungen, allen Angriffen furchtlos standhaltend.
    Wir alle kennen doch die Marktgesetze. Jonas Kaufmann ist im Moment in, mit ihm läßt sich Kohle machen und nun wird er gnadenlos vermarktet. Schade für den ausgezeichneten, sensiblen Sänger.
    Für mich war schon immer die Idealverkörperung des Müllerburschen, Hermann Prey. Er hatte die natürliche Naiivität und den burschikosen Charme, den diese Figur erfordert.Diese Schlichthiet konnte der hochintellektuell gestaltende Fischer-Dieskau nie wirklich glaubhaft verkörpern. er war höchstens ein aus diesem Millieu stammender Intelligenzbolzen mit Abitur und streben nach Höherem. Selbst Fritz Wunderlich singt bei der Gestaltung dieser Figur mit zu starkem stimmlichen Eiinsatz, verführerischem Timbre und zu großer Emphase. Er wäre der Müllerbursche gewesen, wenn es den in dieser Partie unübertroffenen Hermann Prey nicht gegeben hätte.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Darf ich noch den trefflichen Olaf Bär nennen? Seine Aufnahme der "Schönen Müllerin" ist zwar auch nicht mehr taufrisch (1988?), aber Bär ist mir vom Stimmcharakter und der wunderbaren Phrasierung hier fast noch der liebste Interpret...


    Und letzthin hier in Sarajewo der junge Tenor Daniel Johannsen aus Wien, dessen feine Interpretation und schöne Stimme sicher zu Hoffnungen Anlaß geben.


    Grüße!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing"
    Busman's Honeymoon


  • :yes:

    Freundliche Grüße Siegfried


  • Gestern hörte ich mir die vergangenes Jahr erschienene Aufnahme des Tenors Daniel Behle an. Der Zyklus wird mit schöner Stimme und Glaubwürdigkeit vorgetragen, doch stellte ich in der Tiefe bisweilen einige Defizite fest, da trägt die Stimme zu wenig (oder der Begleiter ist zu laut).


    Was noch auffiel: In schnellen Passagen aspiriert der Sänger stark (Lied 11 Mein!). Das grenzt beinahe an Gemecker. Und Nr.14 Der Jäger ist m.E. zu schnell gesungen, was die Textverständlichkeit stark beeinträchtigt.


    Legatobögen vermißte ich dort, wo ich sie zwingend erwarte (Nr.11 Mein! ..."unverstanden in der weiten Schöpfung sein", Nr.15 Eifersucht und Stolz: ..."schöne Tänz und Lieder vor" im letzten System).


    Am gelungensten wirken die mäßig - langsamen Lieder (Nr.6 Der Neugierige, Nr.8 Morgengruß, Nr.9 Des Müllers Blumen, Nr.10 Tränenregen, Nr.16 Die liebe Farbe, Nr.20 Des Baches Wiegenlied). Da strömt die Stimme gleichmäßig und das Hören bereitet Freude.


    Mein Fazit: Trotz einiger Schwachstellen eine beseelte Aufnahme, die eine Müllerinnen-Sammlung durchaus bereichern kann.


    Gespannt bin ich nun auf die Meinung der Tamino-Liedexperten.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Eigentlich kann "Die schöne Müllerin" ja nur die Schwester sein. Aber Spaß beiseite.


    Ich habe etwas 20 Aufnahmen, darunter mehrmals Fischer-Dieskau, Prey Vater und Sohn,
    Araiza, Haefliger, Lorenz, Pregardien, Pears, Bär, Gerhaher, Patzak, Souzay, Güra und Schiötz.
    Wunderlich 2 mal, die DG-Aufnahme ist mir die liebste.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • in meiner Sammlung von "Müllerinnen" habe ich noch die Aufnahme der Decca von 1994 mit Uwe Heilmann und James Levine.


    Der junge Tenor erinnert manchmal an Wunderlich und gestaltet sehr schön, Levine begleitet einfühlsam und mit Wärme und Temperament. Leider hat ja Uwe Heilmann sehr früh aufgehört zu singen. Er hat immer unter Versagungsängsten gelitten und Live-Auftritte häufig abgesagt. Er lebt heute mit seiner japanischen Ehefrau Tomoko Nakamura (Sopran) in Japan, beide haben eine Gesangs-Professur.

  • Ich würde sie auch nicht als kleinen Bruder der Winterreise bezeichnen, sondern eher als jüngere Schwester. Sie ist auf dem "Wege" zur Winterreise entstanden, auch auf dem Wege, den Schuberts persönliches Schicksal nahm. Die Winterreise ist eine darmatische Steigerung der Schönen Müllerin, so wie es sich auch in Schuberts persönlichem Leben vollzogen hat. Jemand hat einmal gesagt: "Freund Hein wartete gnädig an der Türe, bis Schubert den Federkiel aus der Hand gelegt hatte".


    Wenn ich Empfehlungen zu geben hätte, würde ich natürlich Wunderlich, Prégardien, Fischer-Dieskau und Souzay nennen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Deinen Empfehlungen, lieber William, kann man sicher zustimmen. Aber obwohl ich ein Fischer-Dieskau-Verehrer bin, höre ich die Müllerin lieber von einem Tenor gesungen, also von Wunderlich oder Prégardien. Das ist ein junger Müllerbusche, um den da da geht, und so schön verliebt ist er auch, und so unglücklich hinterher. Da passt ein Tenor besser hin.


    Aber da sind wir auch bei dem Punkt, um den es mir eigentlich geht. Du sagst, die "Winterreise" sei "die dramatische Steigerung" der "schönen Müllerin". Was wird da gesteigert? Im einen Fall haben wir Lieder von faszinierender Farbigkeit und einen jungen Menschen, der alle Höhen und Tiefen einer Liebe erlebt, und im anderen Fall Lieder, die Hoffnungslosigkeit und Todessehnsucht atmen. Mal abgesehen davon, dass sie auch in ihrer musikalischen Struktur ganz anders aufgebaut sind.


    Ich habe das Thema dieses Threads immer als eine rhetorische Frage verstanden. Die Müllerin ist weder kleiner Bruder noch kleine Schwester. Sie ist ganz eigener Liederzyklus.


    Liege ich da schief?

  • Die Müllerin ist weder kleiner Bruder noch kleine Schwester. Sie ist ganz eigener Liederzyklus.

    Nach der Überschrift, sie hätte auch "Der schöne Müllerbursche" heißen können,
    kann man nicht zwangsläufig auf einen jungen Müllerburschen schließen. Müllerin
    ist weiblich, auch zu W. Müller und Fr. Schuberts Zeiten gab es schon diesen kleinen
    Unterschied. Sei's drum. Kennt jemand eine Aufnahme mit einer Frau ? Ich glaube,
    es gibt bei EMI einige Lieder aus dem Zyklus mit E. Schwarzkopf.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Den Kommentar von Bernward Gerlach zu dem Zitat aus meinem Beitrag habe ich nicht ganz verstanden. Entschuldigung! Wurde er möglicherweise dadurch ausgelöst, dass ich bei dem Wort >Müllerin< die Anführungsstriche vergessen habe?


    Aber vielleicht ein Zitat aus Friedländers "Schubert-Album" zur Frage, warum es unbedingt eine "Müllerin" und kein Müllerbursche sein musste:


    "Im Hause des Geheimen Staatsrats von Stägemann" hatte sich "ein jugendlicher Kreis von Talenten gebildet, der einander dichterische Aufgaben stellte. Zu denselben gehörte Wilhelm Müller (...). Unter der Bezeichnung >Rose, die Müllerin< hatte man sich eine Art dramatischer, aber nur durch eine Verkettung von Liedern zu lösender Aufgabe gestellt. Rose, die schöne Müllerin, wird von dem Müller, dem Gärtnerknaben und dem Jäger geliebt; leichten, fröhlichen Sinns gibt sie dem Letzteren den Vozug, nicht ohne früher den ersten begünstigt und zu Hoffnungen angeregt zu haben.


    Die Rollen wurden nun in dem Kreise verteilt. Die geistvolle Tochter des Hauses ... übernahm die Müllerin, Wilhelm Müller die des Müllers; der Maler Hensel ... vertrat den Jäger. Jeder musste sich in Liedern aussprechen, für die das genaue Verhältnis näher angegeben wurde. Das Spiel gewann einen großen Reiz.


    Die musikalische Aufgabe wurde Ludwig Berger. Dieser wollte ein gelungenes Ganzes hergestellt haben.(...) Er forderte daher von W. Müller noch einige verknüpfende, vermittelnde Gedichte, andere wollte er entfernt wissen. Der Dichter war bereit und willig ...


    Dies zu der Frage, warum es nun einmal eine Müllerin und ein junger Bursche sein mussten, die in den Gedichten Müllers die "Hauptrolle" spielen. Sie erschienen bekanntlich in der Sammlung "Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenenen Papieren eines reisenden Waldhornisten" Dessau 1820. In dieser Fassung lernte sie Schubert kennen.


    Sollte das alles bekannt sein, - bitte diesen Beitrag ignorieren.

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