30 Jahre Krieg

  • Der 30jährige Krieg brachte zwar vieler Orts das kulturelle Leben zum erliegen, dennoch ist ein reicher Fundus an überlieferten Musikwerken erhalten.



    Kayserliche Soldaten im 30jährigen Krieg


    Bemerkenswert ist, das man trotz des Krieges vollkommen auf dem laufenden war was in Italien oder Frankreich auf dem Gebiet der Musik passierte. Heinrich Schütz gilt als der wichtigste Komponist dieser Zeit, dennoch sollten auch die anderen Meister wie Schein, Scheidt, Praetorius etc. nicht übergangen werden.


    So finden sich ettliche Beispiele der neuen Sonatenkunst aus Italien oder den Balletten aus Frankreich.


    Für die Kunst war der Krieg vielleicht sogar ein Segen - denn durch die Zersplitterung des deutschen Reiches und der Autonomie der Fürsten entwickelte fast jedes größeres Fürstentum einen eigenen Kunststil, ganz besonders was die Musik betrifft, das sollte sich dann in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts am stärksten zeigen.



    Hinrichtung von Marodeuren


    Dennoch ist auch der Schrecken dieser Zeit in der Musik zu hören, man flehte Gott um Frieden an, auf der einen Seite erstarkte eine tiefe Religiösität, auf der anderen Seite, angesichts der Greultaten und des Schreckens, das genaue Gegenteil.
    Die wirklichen Leitragenden waren die einfachen Menschen.
    Dieser Krieg zeigte mal wieder zu was Menschen in der Lage sein können, leider blieb das nicht lange genug im Gedächtnis.


    Auch wenn dies wohl eine der furchtbarsten Zeiten war, welche Deutschland über sich ergehen lassen musste, so sollte man die wunderbare Musik dieser Zeit nicht übergehen:




    Musik am Hofe der Bamberger Fürstbischöfe
    CD 1: Orlando di Lassus 1532-1594: deutsche Lieder
    CD 2: Heinrich Pfender 1590-1631: Motetten Psalmen - Instrumentalwerke
    CD 3: Georg Mengel 1612-1667: Miserere - Psalm 50 - Domine Jesu - Motette - Orgelwerke
    CD 4: Georg Arnold 1621-1676: Cantiones Sacrae - Canzoni - Missa in quarta A
    CD 5: Johann Baal 1657-1701: Missa in A - Opus Primum Violinsonate - 4 Solomotetten


    Musica Canterey Bamberg / Gerhard Weinzierl
    Ambitus Barock


    Hier wird eine wirklich wunderbare Edition vorgelegt, zwar reicht das Repertoire durch das gesamte 17. Jahrhundert, dennoch ist vieles in dieser bewegten Zeit entstanden.
    Die Interpretation ist hervorragend und jeder der sich mit Barockmusik intensiver beschäftigen möchte sollte zugreifen. Allein weil neben di Lassus nur unbekannte Komponisten vorgestellt werden, welche aber ohne Zweifel wahre Meister gewesen sind.
    Das Begleitmaterial ist Vorbildlich und sehr ausführlich.




    Musica Baltica
    Musica Antiqua Köln / Goebel


    Goebel legt mit seinem Ensemble ein buntes Programm mit Musik aus dem Norddeutschen bzw. Nordeuropäischen Raum vor.
    Lübeck und der Hof in Schweden sind hier der Schwerpunkt.




    A Musical Banquet
    Canzoni e Sonara (Schein / Scheidt / Gabrieli)
    Hesperion XX / Savall


    Eine Auswahl aus dem Banchetto Musicale, die berühmte Sammlung von Johann Herman Schein welche zu den ersten Orchestersuiten gezählt werden kann.
    Weiter Instrumentalwerke von Scheit und Gabrieli




    Tanzmusik um 1600
    Praetorius / Widmann / Schein / Haussmann
    Collegium Terpsichore


    Auch wenn diese Aufnahme ziemlich alt ist (60er Jahre) so ist sie wohl doch eine der buntesten und schönsten Aufnahmen dieses Repertoires. Sie kann ohne weiteres mit moderneren Einspielungen mithalten.




    Kantate
    Andreas Scholl
    Schütz / Erlebach / Rovetta / Albertini / Buxtehude / Legrenzi / Tunder...


    Kantaten und Instrumentalwerke aus dem 17. Jahrhundert.
    Scholl vermag es die intime und introvertierte Stimmung dieser Werke perfekt rüber zu bringen.




    Andreas Hammerschmidt
    Vier Suiten aus der Sammlung "Erster Fleiß"
    Hesperion XX / Savall


    Eine Sammlung von 4 Ballettsuiten für Gamben- und Bläserconsort.



    Hiermit fing das ganze Übel an...



    Fly cheerful Voices
    Die Hochzeit des Pfakzgrafen Friedrich V. und Elizabeth Stuart
    I Ciarlatani
    Werke von Dowland / Coperario ...


    Hier wird das bewegte Leben des "Winterkönigs" musikalisch erzählt,
    gerade das anonyme Flugblatt-Lied "Wer Glück und Unglück wissen will..." von 1621 fast die Ereignisse in Kurzform zusammen:


    Wer Glück und Unglück wissen will
    Der seh an des Pfalzgrafen Spiel.
    Sehr glücklich war er in dem Reich
    So bald hätt er nit seines gleich.


    Ein Frau von königlichem Stamm,
    Die mehret seinen hohen Nam.
    War glücklhaftig mit jungen Erben,
    Sein Stamm so bald nit sollt absterben.


    Jedoch die Meister in sei'm Rat,
    Die waren da sein höchster Schad.
    Sie han ihn in die Höh gebracht
    Und aus ihm einen König g'macht.


    Das hätt doch in die Läng kein B'stand
    Daß er sich brauchet fremder Land.
    Sein Reich war nit von dieser Welt,
    Darum er bald zu Boden fällt.


    Der vor hätt auf dem Haupt ein Kron
    Hat jetzt kaum ein ganz Hemmed an.
    Helf Gott den armen Friederich,
    Er kommt doch nimmer über sich


    Es ist zwar eine wild zusammengewürfelte CD mit Werken unterschiedlichster Komponisten, doch die meisterhafte Interpretation und der Kontext machen die CD unverzichtbar!

  • Hallo Lullist,


    das Frühbarock fasziniert mich sehr. Deine Übersicht hat mir gut gefallen. Daher zwei Fragen:


    Gibt es auch CDs mit Musik aus Prag aus der Zeit vor dem 30-jährigen Krieg, also so um 1580 - 1620? Oder kannst Du Literatur über diese Musik empfehlen?


    Weiter interessieren mich die Einflüsse auf die Kompositionstechniken dieser Zeit, vor allem die Herausbildung der Fuge. Welche Querbeziehungen gibt es zu anderen Bereichen wie Literatur, Architektur und Mathematik? Welche Einflüsse sind aus Arabien und der hermetischen Philosophie nachweisbar?


    Viele Grüße,


    Walter

  • Hallo Lullist


    Es hat zwar musikalisch nichts mit Deinem Thread zu tun, aber die Oper Friedenstag spielt im 30 jährigen Krieg. Da die schöne Sinopoli-Aufnahme gerade für nur 9,99 zu haben und ein "spannendes Hörspiel" ist, ist es eine Empfehlung allemal wert. Im Fidelio-mäßigen Schluß heißt es:


    "Warum kämpften wir Jahre um Jahre?
    War es des Kaisers uralte Macht?
    Des neuen Glaubens kräftiger Wille?
    War es nur Haß, der uns geschieden?"


    ....


  • Hallo Walter,


    ja mich interessiert diese Epoche ebenso.
    Allerdings muß man nach entsprechenden Aufnahmen ziemlich suchen, vieles fand ich, wie üblich, nur durch Zufall.


    Allerdings habe ich bisher auch keine Aufnahme mit Musik aus Prag gefunden, ich glaube es gibt noch einige Aufnahmen mit gemischten Programmen beim Label CPO.


    Das Buch was wohl am umfangreichsten über diese Zeit in Bezug auf die Musik zu haben ist, ist wohl die Biographie über Heinrich Schütz, von
    Martin Gregor Dillin. ( Heinrich Scütz - Sein Leben - sein Werk - seine Zeit - Piper München - Zürich) Jedenfalls habe ich noch nichts besseres gefunden.


    Ansonsten was Architektur etc. betrifft so solltest Du Dir das wunderbare Buch aus dem Könemann Verlag zulegen: Barock - Architektur - Malerei - Skulptur
    Und als Ergänzung das ebenso wunderbar gemachte Buch: "Baustilkunde" von Wilfried Koch - das Standardwerk ohne das hat es meiner Meinung nach keinen Sinn sich mit Architektur zu beschäftigen :yes:
    Leider sind ja nicht sehr viele Bauwerke aus dieser Zeit erhalten, gerade was die Innenräume angeht.


    Mathematik ...naja lassen wir das :D


    Die Literatur ist sehr stark mit der Musik verbunden - nimm z.B. diese CD:



    deutsche Barocklieder
    Andreas Scholl
    HMF


    Neben vielen unbekannten Autoren sind hier vor allem Gedichte von Martin Opitz (meiner Meinung nach ein total unterschätzter Dichter) vertont worden.
    Vielleicht endecke ich ja nochwas im "Simpicissimus" von Grimmelshausen, den lese ich gerade...


    Die arabischen Einflüsse habe ich bisher noch nicht feststellen können, das schein erst mit der Belagerung von Wien verstärkt aufgenommen worden zu sein. Den größten Einfluß übte wohl Italien aus, mit seinen neuen Sonaten.


    Was die Philosophie betrifft, ich glaube die ganzen humanistischen Überlegungen wurden erstmal vergessen und der Maciavelli wieder ausgegeraben - Aber wenn man die Gedanken der Zeit betrachtet, Descartes, Galilei etc. muß das unglaubliche Verwirrung unter den gebildeten Menschen verursacht haben, dann der Widerstand der Kirche gegen die neuen Endeckungen und die Philosophie.
    Zwar habe ich in der Musik noch nichts wahrgenommen was diese Auseinandersetzungen zum Thema haben könnte - es war wohl klüger sich da raus zu halten, aber dafür kenne ich noch zu wenig um darüber etwas sagen zu können.


    Die Musik dieser Zeit hatte in erster Linie nur eine einzige Aufgabe:
    sie hatte zu dienen, entweder dem Landesfürsten oder der Kirche.
    Sie war Auftragsarbeit für spezielle Anlässe.
    Vielleicht fällt die Arbeit von Praetorius und Caroubel mit ihrer einzigartigen Sammlung "Terpsichore" aus diesem Rahmen:
    Sie ist leider nicht fertig geworden, sie sollte eine universale Sammlung der Musik ihrer Zeit sein. Die Tänze aus Terpsichore waren für die Instrumentalmusik gedacht, für alle erdenklichen Instrumente (die waren sogar als Stiche abgebildet) mit Spielanweisungen etc.
    Es sollte auch noch weltliche und geistliche Voklamusik aufgenommen werden, doch leider starben beide Komponisten bevor sie das gewaltige Werk vollenden konnten.


    Die absolute Musik wie sie sich im 19. Jahrhundert herausbildete ist dieser Zeit absolut fremd, da steht eine andere Geisteshaltung dahinter.
    Der Komponist sah sich nicht als Künstler im heutigen Sinne, da ja manchmal Heute die Person wichtiger ist als das Werk.



    Ich werde mich jedenfalls weiter mit dieser spannenden Epoche beschäftigen und meine Erkenntnisse teilen :D

  • Hallo Lullist,


    vielen Dank für die vielen Anregungen. Ich werde sicher einige Zeit brauchen, um sie zu lesen und zu hören, wobei mich besonders die beiden Bücher zur Architektur interessieren.


    Mathematik: Mein Zugang zu dieser Zeit erfolgte bisher genau komplementär, und um so spannender ist es für mich, das alles aus einer anderen Perspektive zu sehen.


    Ich war genau umgekehrt völlig überrascht, mir vertraute Namen nun in ganz anderen Zusammenhängen wieder zu finden: Da ist der Musiktheoretiker Zarlino (1517 – 1590) der Lehrer von Vincenzo Galilei, dem Vater von Galileo Galilei. Und da entdecke ich Descartes und sein „Musicae compendium“ von 1618, das als die erste Schrift gilt, in der systematisch die Wirkung und Ausdruckskraft der Musik beschrieben wurde.


    Die Musiktheorie von Zarlino hat viele Bezüge zu den Zahlenspekulationen ihrer Zeit und alchemistischen Theorien der vier Elemente. Aber ich weiß darüber kaum mehr als die paar Seiten aus einschlägigen Werken der Musikgeschichte. Und ich würde gern weiter verfolgen, wie sich diese Ansätze entwickelt haben zu den hermetischen Ideen der John Dee, Fludd und Rosenkreuzer (alles zugleich politische Visionäre, die viel Hoffnung auf den Winterkönig gesetzt und dann entsprechend enttäuscht wurden).


    Am anderen Ende der Geschichte der Musiktheorie des Barock stehen dann Rameau und die Aufklärung mit dem Bekenntnis: »Die Musik ist eine Wissenschaft, die gewisser Regeln bedarf; diese Regeln müssen sich auf bestimmte Grundwahrheiten gründen, die wiederum nie anders als mit Hilfe der Mathematik erkannt werden können.« Aber was sage ich das dem Lullisten!


    Zurück zur Zeit des 30-jährigen Krieges: Dort ist für mich in der Geschichte der Mathematik Kepler am wichtigsten. Als er die Planetenbahnen nicht mehr mit Kreisen, sondern Ellipsen beschrieb, war das ein Bruch der Tradition. An die Stelle des leuchtenden Kreismittelpunktes und der von ihm ausgehenden Strahlen (so ja auch Dein Avatar), traten die beiden Brennpunkte der Ellipse. Die Sonne steht in einem Brennpunkt, und der andere Brennpunkt bleibt in geheimnisvolles Dunkel gehüllt. Mich beschäftigt nun immer mehr, inwiefern auch die Musik des Frühbarock vergleichbare Formen geschaffen hat, ein Wechselspiel des Sichtbaren und Unsichtbaren, des Hörbaren und Verborgenen.


    Da ich, was die Musik des Frühbarock betrifft, noch ein Anfänger bin und kaum mehr als Auszüge aus dem Terpsichore von Prätorius und wenige Stücke von Sweelinck und Schütz kenne, halte ich mich aber mit weiteren Spekulationen zurück und bin gespannt, was Du noch alles zutage fördern wirst.


    Viele Grüße,
    Walter

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  • Tja da bin ich selbst gespannt.
    Übrigens Vincenzo Galilei war eng mit Jacopo Peri befreundet, oder zumindest bekannt. Er war auch Gast im Hause des Grafen Bardi in Florenz.
    Er war damit ebenfalls maßgeblich am enstehen der Oper beteiligt gewesen.


    Um die Gesamtheit der Musik dieser Zeit zu erfassen muß man sich ganz einfach auch mit der italienischen Musik (Gabrieli, Peri, Monteverdi, Landi...) mit der englischen Musik (Dowland, Byrd, Holborne, Ferabosco...) und der französischen Musik (Guedron, Boesset, Gaultier, Louis Couperin...) befassen. Natürlich wäre auch schwedische Musik von der Familie Düben interessant, oder eben Musik aus Prag.


    Das Thema der Planeten war wirklich übernommen worden: im Ballett - dort hat man mit entsprechenden Figuren die Bahnen der Planten nachempfunden, der Rest ist allerdings Mythologie.
    Der Tanz des Barock ist auf jedenfall mathematisch - Geometrie und Symmetrie.


    Da gibt es auch noch ein nettes Buch zu "Höfische Tänze" (Taubert) Schott Verlag.


    Wenn ich was neues endecke da sage ich bescheid. :hello:

  • Eine sehr interessante und in der Musikgeschichte wohl einmalige Sache ist die Sammlung Großmann.


    Der reiche Kaufmann Burghard Großmann gab 1623 ein Sammlung heraus mit dem Titel "Angst der Hellen und Friede der Seelen". Er hatte 1616 an 16 berühmte Komponisten im Mitteldeutschen Raum den Auftrag gegeben, den 116. Psalm zu vertonen. Ursache dafür war ein Gelübde, welches er in einer Notlage abgegeben hatte. Der Text beginnt mit den Zeilen:


    Das ist mir lieb, daß der Herr meine Stimme und mein Flehen hört.
    Denn er neigte sein Ohr zu mir; darum will ich ihn mein Leben lang anrufen,
    Stricke des Todes hatten mich umfangen, und Ängste der Hölle hatten mich getroffen; ich kam in Jammer und Not.
    Aber ich rief an den Namen des Herrn: 0 Herr, errette meine Seele!


    Die Beauftragten waren: Heinrich Schütz, Michael Altenburg, Christoph Demantius, Nikolaus Erich(ius), Michael Praetorius, Rogier Michael und dessen Söhne Tobias, Christian und Daniel, Johannes Groh, Abraham Gensreff, Johann Krause, Andreas Finold, Melchior Franck, Caspar Trost und Johann Hermann Schein.


    Diese Sammlung gibt es in einer schönen Einspielung vom Label cpo:

    Alsfelder Vokalensemble, Musica fiata unter Wolfgang Helbich


    Auch hier bietet sich ein reicher Fundus an heute vollkommen unbekannten Komponisten. Die CD bietet zudem noch die einmalige Möglichkeit, einen direkten Vergleich anstellen zu können, wie die einzelnen Komponisten mit dem Text umgegangen sind, welche musikalischen Mittel verwendet wurden.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Danke Thomas, diese Aufnahme hatte ich noch im Gedächtnis nur den Titel nicht mehr und ich war schon am verzweifeln, da ich sie mir doch noch zulegen wollte. :wacky:

  • Die Terpsichore von Michael Praetorius ist lediglich ein Band einer acht Bände umfassenden Reihe, den Musae Aoniae. Es heißt, alle Bände seien bereits fertig gewesen, lediglich die Terpichore aber kam in den Druck (1612). Die anderen müssen heute leider als verschollen gelten.


    Noch gigantischer sollte aber eine Sammlung geistlicher Werke werden. In der auf 15 Bände geplanten Sammlung Polyhymniae Ecclesiasticae wollte Praetorius Motetten, Vokalkonzerte etc. zusammenstellen, die sowohl das Althergebrachte als auch den neuen italienischen Stil repräsentierten. Zudem sollten alle liturgischen Texte enthalten sein. Und schließlich sollten auch aufführungspraktisch alle Möglichkeiten bestehen, sei es in einer kleinen Kapelle oder in einer gewaltigen Kathedrale.


    Bis zu seinem Tode im Jahre 1621, Praetorius wurde 50 Jahre alt, schaffte er aber nur die ersten drei Bände. 1619 kamen die Teile Polyhymnia caducaetrix et panegyrica und Polyhymnia exercitatrix heraus, 1620 dann noch das Puericinium. Die darin enthaltenen Werke stehen noch am Anfang des langen Krieges bzw. ein Teil entstand wahrscheinlich schon deutlich vorher. Es ist noch nichts zu spüren von den Einschränkungen, wie sie z.B. Heinrich Schütz in Dresden ertragen mußte, als immer mehr seiner Hofkapelle dem Rotstift zum Opfer viel und Schütz fast nur noch für kleine Ensembles schrieb.


    Aus der 40 Werke umfassenden Polyhymnia caducaetrix hat Roland Wilson 18 Stücke ausgewählt und auf zwei CDs veröffentlicht. (Ihr seht, ich werde nicht müde, diese hervorragende CD anzupreisen :] )



    Dieser Band ist auch noch aus einem anderen Blickwinkel interessant. Praetorius hat in seinem musiktheoretischen Werk, dem Syntagma musicum (auch das ist unvollendet, es fehlt Band 4) 12 Arten und 9 Manieren ausgemacht, wie Musik zu spielen sei. In der Polyhymnia hat er je ein Beispiel dafür gegeben, was er damit meinte.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Und nochmal vielen Dank für den erneuten Tipp, einige der sakralen Kompositionen von Praetorius kannte ich schon, habe da eine alte Aufnahme von David Munrow endeckt und die hat mir außerordenlich gut gefallen.


    Aber eine Aufnahme der Musica Fiata ist da doch schon was ganz anderes (lechz....)

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  • Hallo Lullist,


    nochmehr Musica Fiata gibt´s hier, ganz frisch rausgekommen:



    Samuel Scheidt (1587-1654) Ludi musici, Musica Fiata, erschienen bei cpo


    Roland Wilson hat aus den vier überlieferten Bänden dieser Sammlung mit Tanzmusik sich Stücke herausgesucht und aufgenommen. Der erste Band der Ludi musici wurde 1621 veröffentlich, Band IV erschien 1627 im Druck.


    Auch Jordi Savall hat vor rund 10 Jahren eine sehr schöne CD mit Stücken aus diesem Sammelwerk herausgebracht. Sämtliche Stücke dieser CD sind in Band I entnommen:






    Samuel Scheidt



    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Ich hab's auch grad im JPC Kurier gesehen :D


    Ich habe noch eine andere CD von Savall - ist übrigens bei einer der oben gepostet CD's mit dabei "A Musical Banquet"


    Nun die neue Aufnahme der Musica Fiata ist aber schon auf dem Einkaufszettel...

  • Eine schöne Auswahl von 36 Stücken aus dem Terpsichore Musarum von Michael Praetorius und dazu sehr abwechslungsreich instrumentiert und toll gespielt, bietet diese Aufnahme:



    Ricercar Consort & La Fenice, erschienen beim Label Ricercar



    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Hallo Walter.T,


    Zitat

    Gibt es auch CDs mit Musik aus Prag aus der Zeit vor dem 30-jährigen Krieg, also so um 1580 - 1620? Oder kannst Du Literatur über diese Musik empfehlen?


    auf dieser 4-CD Box könntest du fündig werden:





    Das enthaltene Programm sieht folgendermaßen aus:


    Musik in Böhmen (1200-1450): Les Menestrels, Wien.
    Cantilenae Lombardicae, gallicae et bohemicae - Musik an der Karls-Universität zu Prag im 14. Jahrhundert: Ars Cameralis, Prag.
    Dorfmusikanten aus der Slowakei: Kapelle Gebrüder Mucha aus Terchová.
    Lieder aus böhmischen und mährischen Dörfern: Die Malá Ceská Muzika aus Prag.
    Sonatae pro tabula - Musik der Hofkapelle in Schloß Kremsier: Flötenconsort Michael Schneider, musica antiqua köln (Reinhard Goebel).
    Bläsermusik aus den Schlössern in Mähren: Trompetenconsort Friedemann Immer, Ensemble Tama (Mihoko Kimura).
    Sonaten und geistliche Konzerte des 17. Jahrhunderts aus tschechischen Archiven: Musica antiqua Praha (Pavel Klikar).
    Kompositionen des slowakischen Hochbarock: Musica aeterna Bratislava (Peter Zajicek).
    Böhmische Musiker in Europa: L Stagione Frankfurt/Main (Michael Schneider).



    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Hallo Thomas,


    danke für den interessanten Hinweis. Ich werde versuchen, die CD-Box aus Herne zu erwerben. Allerdings scheint sie kaum etwas von der Musik am Hof von Kaiser Rudolf II zu enthalten. Aber schon das Cover auf der CD sieht vielversprechend aus ...


    Übrigens habe ich mir vor einiger Zeit die Sammlung Großmann besorgt und kann Dir nur rechtgeben, dass das eine ungewöhnlich interessante Zusammenstellung ist.


    Viele Grüße,


    Walter

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  • Die Terpsichore Aufnahme die Thomas angesprochen hat vom Ricercare Consort ist wirklich die Beste Aufnahme die ich bisher gehört habe - ich bin ganz hingerissen.


    Die Tänze sind allesamt phantastisch instrumentiert, die Bläser sowie die Streicher spielen sehr französisch.
    Der frz. Hof Henri IV. und Louis XIII ist ja auch der Ursprung dieser Sammlung.


    Jedenfalls ist diese Aufnahme nicht nur von der Auswahl her hervorragend sondern mit Abstand die Beste was die Interpretation anbelangt.


    Eine weiter Aufnahme nach der es mich gelüstet hat Peter Holman vorgelegt:




    The Parley of Instruments Renaissance Violin Band / Holman


    Holman schätze ich sehr, da er sich besonders für das Repertoire der Restorations Epoche engangiert.
    Diese Aufnahme ist ganz dem Hof verpflichtet und mit einem Ensemble eingespielt das den "24 Violons du Roy" Louis XIII entspricht.
    Also weniger bunt, dafür aber eleganter und nobler.
    Sobald ich sie habe werde ich davon berichten.

  • Eine empfehlenswerte Cd zu diesem Thema ist 1998 bei CPO erschienen, passend zum Jubiläum des Westfälischen Friedens:



    Es handelt sich um Festmusiken und musikalische Kriegsklagen, die zu einem großen Teil nach 1648 nicht mehr aufgeführt worden sind und anlässlich des Friedensjubiläums 1998 eine Art zweiter Uraufführung erlebt haben. Der musikalische Querschnitt durch die Mitte des 17. jahrhunderts ist zugleich ein Querschnitt durch Glaube, Gesellschaft, Politik und Kultur dieser Zeit. Das Konzert fand am 25. Oktober 1998 in der evangelischen St. Marienkirche in Osnabrück statt.


    In den Erläuterungen zu diesem Konzert heißt es:


    Zur Aufführung kommen Friedensfeiermusiken unter anderem aus Dresden (Schütz), Hamburg (Selle), Jena (Müller) und Nürnberg (Kindermann). Von den Kriegsklagen, die allerorts für Bittgottesdienste um den Frieden geschaffen wurden, erklingen "Krieges-Angst-Seufftzer" von Johann Hildebrand aus Eilenburg, "Friedens-Gesäng, bey diesen hochgefährlichen Kriegsläufften zu gebrauchen" von Johann Werlin aus Lindau und "Des betrübten Vaterlandes Seufftzerlein" von Melchior Franck aus Coburg. Auf dem Konzertprogramm steht außerdem Musik aus den Bittgottesdiensten der Deutschen Nationalkirche in Rom. Eine Begegnung mit Musik innerhalb eines Schauspiels erfolgt in Johann Rists "Das friedenwünschende Teutschland" und im "FreudenSpiel genandt FriedensSieg" der Sophie-Elisabeth von Braunschweig-Wolfenbüttel.


    Aufgefunden und wissenschaftlich bearbeitet hat die einzelnen Werke eine Arbeitsgruppe im Fachgebiet Musik/Musikwissenschaft der Universität Osnabrück. Die Musik ist inzwischen auf einer Doppel-CD mit dem Titel "Friedensseufftzer und Jubelgeschrey - Music for the Peace of Westphalia" erschienen. Zum Instrumentarium des Ensembles Weser-Renaissance gehören unter anderem Zinken, Gamben und Dulziane, die später durch Trompeten, Violoncelli und Fagotte ersetzt wurden, die barocken Formen der Violine, der Posaune, der Harfe und des Orgelpositivs und schließlich die nur in der Musik jener Zeit verwendeten Chitarrone, das Cembalo und das Regal.



    Hier ist das Inhaltsverzeichnis der beiden CDs:


    CD 1


    Johann Schop (1590-1667)


    "Nun lob mein Seel den Herren", Hamburg 1644
    Michael Jacobi (1618-1663) Hamburg 1649


    "Das friedewünschende Teutschland" Hamburg 1649 "Himmel, wine bitterlich"
    "Bist di denn blind, o Teutsches Reich"
    "So ligt denn nun das arme Weib"
    Heinrich Schütz (1585-1672)


    "Da pacem, Domine" [Handschrift Dresden 1627]
    Anonyme Liedflugschrift


    "Merck fleissig auff mein frommer Christ"
    Sophie-Elisabeth von Braunschweig-Wolfenbüttel (1613-1676)


    "Ich, der hä&szling;lich bleiche Tod" Wolfenbüttel 1648
    Heinrich Schütz (1585-1672) Dresden 1650


    "Nun dancket alle Gott"
    Johann Stobaeus (1580-1646) Königsberg 1630


    "Gott ist und bleibt König"
    "Dankt Gott an allen Enden"
    Andreas Hammerschmidt (1611-1675)


    "Verleih uns Frieden" Zittau 1662
    Heinrich Albert (1604-1651)


    "Vater, des die Langmut ist" Königsberg 1640
    "O ihr Göoter dieser Erden" Königsberg 1642
    "Lobet Gott in seinem Heiligtum" Königsberg 1641
    Anonyme Liedflugschrift


    "Weiche, MArs,und dein Soldat" Krieges-Acht, 1645
    Thomas Selle (1599-1663)


    "Lobet den Herren in seinem Heiligtum" [Handschrift Hamburg 1648]


    Spielzeit: 68'14"


    CD 2


    Johann Andreas Herbst (1588-1666)


    "Danket dem Herrn" Frankfurt am Main 1649
    Johann Erasmus Kindermann (1616-1655) Nürnberg 1642


    "Ach Herr, sih doch, wie bang ist mir"
    "Da pacem, Domine"
    "Fried, wo bist so lang geblieben"
    Musicalische Friedens-Freud, Nürnberg 1650


    "Laßt uns alle fröhlich singen von dem Frieden hin und her"
    "Wie ist uns? Traumt uns etwan nur von deme, was wir sehen?"
    "Nun lieben Christen, freuet euch"
    Johann Werlin (?-ca. 1680)


    "Ach Herr! Du hast uns diese Kriegslast aufgelegt" Ulm 1643/44
    Johann Staden (1581-1634)


    "Wie, Ist der Held in Israel gefallen?" Nürnberg 1633
    Sigmund Theophil Staden, Musicalische Friedensgesänge, Nürnberg 1651


    "Brich an, du schöner Tag"
    "Fröhliche Post"
    Vincentz Rupffenbart (?-?)


    "Es hat ein Tantzer gesprungen" Genff im Hollandt 1621
    Melchior Franck (1579-1639)


    "Impetum Inimicorum" Coburg 1628
    Adam Drese (1620-1701)


    "Wolauff, mein gantzes Ich" Coburg 1651
    Johann Müller (1579-1639)


    "Jetzt ist es Zeit, wir sind bereit" Jen 1649
    Johann Hildebrand (1614-1684), Krieges-Angst-Seufftzer, Leipzig 1645


    "Ach! Herr! Du Erbarmer der Menschen"
    "Ach Gott! Wir habens nicht gewußt"
    "Himmel auf, seufze mit Begier"
    Erasmus Widmann (1572-1634), Helden-Gesäng, Rothenburg o.d.T. 1633


    "Der Held in Israel"
    "Gustav der König in Schweden"
    Andreas Berger (1584-1656)


    "Da pacem, Domine" Augsburg 1635


    Spielzeit: 70'02"



    Schade, dass diese beiden CDs auf normalem Wege nicht mehr erhältlich sind. Wer Interesse an alter Musik und an der Thematik hat, dem sei viel Glück bei der Suche nach diesem Dioppelpack gewünscht. ;)


    Mit freundlichen Grüße von der Küste, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Was tat sich eigentlich in der Zeit zwischen Prager Fenstersturz und dreissig Jahre später auf musikalischem Sektor?
    Während ich vor kurzem bei Tillys Grab stand, kam mir dieser Gedanke.


    Was ich weiss, wurde mitten im Krieg 1627 in Torgau die erste Oper auf deutschem Boden aufgeführt. Der Komponist war Heinrich Schütz (1585-1672 :baeh01: @ observator - diesmal hoffentlich richtig). Er war ein Sachse, in Italien ausgebildet und war in Dresden Hofkapellmeister. Die Oper ist leider verlorengegangen - "Dafne" nach einem Text des Italieners Rinnucini.


    Mich wundert, daß trotz Krieg, Not und Pest die von Italien kommende Mode 'OPER' sich durchsetzen konnte.


    Auf dem Gebiet kirchlicher Musik kenne ich mich nicht so aus - damals sicherlich ein Thema!


    Wobei ich mir noch vorstellen kann, daß sich im Fürsterzbistum Salzburg etwas in Richtung Musik tat, denn dieses Land wurde vom Krieg mehr oder weniger verschont.
    Mitten im Krieg wurde der prächtige Dom vollendet ( 1628 ).

    WHEN MUSIC FAILS TO AGREE TO THE EAR;
    TO SOOTHE THE EAR AND THE HEART AND SENSES;
    THEN IT HAS MISSED ITS POINT
    (Maria Callas)

  • Guten Abend


    Kurz vor Ende des 30-jährigen Krieges (1646) veröffentlichte A. Hammerschmidt einen Vierten Theil musikalicher Andachten. Daraus hat ein Choralkonzert den für diese Zeit treffenden Titel "Verleih uns Frieden genädiglich".


    Hervorragend eingespielt sind einige Werke geistlicher Vokalmusik-darunter einige Weltersteinspielungen- von Hammerschmidt auf dieser



    CD.


    Es musizieren die Himliche Cantorei, der Knabenchor Hannover und das Johann Rosenmüller Ensemble. :jubel: :jubel:
    Ein ergreifendes Tondokument aus dieser schlimmen Zeit.


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard


  • Hallo Bernhard,


    dies kann ich nur ganz dick unterstreichen - welch eine fabelhafte Aufnahme ist das :yes::yes::yes: !


    Wobei hier natürlich auch gesagt werden muß, daß Andreas Hammerschmidt auch ein echter Großmesiter war - seine heutige dosierte Rezeption steht für mich in keinem Verhältnis zur Größe seiner Musik!
    Er besah das Genie, Musik nicht nur in höchster Kunst zu setzen, sondern ihr auch noch eine kantable Schönheit mitzugeben, die manchem größeren Namen dieser Zeit nicht immer gelang...!


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

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  • Guten Morgen


    Zitat

    Original von Oolong
    Wobei hier natürlich auch gesagt werden muß, daß Andreas Hammerschmidt auch ein echter Großmesiter war - seine heutige dosierte Rezeption steht für mich in keinem Verhältnis zur Größe seiner Musik!
    Er besah das Genie, Musik nicht nur in höchster Kunst zu setzen, sondern ihr auch noch eine kantable Schönheit mitzugeben, die manchem größeren Namen dieser Zeit nicht immer gelang...!


    Gruß
    Stefan


    Genau, jahrelang kannte man Hammerschmidt nur durch seine Vertonung des Paul Flemming Textes "Wie er wolle geküsset seyn - die Kunst des Küsses" . :pfeif:


    Hab noch zwei weitere erwähnenswerte Hammerschmidtaufnahmen in meiner Sammlung




    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Ich will nicht versäumen, an dieser Stelle auf Matthias Weckmann (ca. 1616 bis 1674) hinzuweisen, der ein Schüler von Heinrich Schütz war und den dreissigjährigen Krieg komplett erlebt hat, ja geradezu in ihn hineingeboren wurde. Seine Kantaten liegen in verschiedenen Aufnahmen vor, mir gefällt eine Einspielung mit dem Ensemble "Himlische Cantorey" bei CPO ganz gut, darin enthalten auch das wohl bekannteste Stück von Weckmann: "Wie liegt die Stadt so wüste".


    Ebenfalls hinweisen möchte ich auf die Einspielung der "Sinfoniae Sacrae III" von Heinrich Schütz aus dem Jahr 1650, von Konrad Junghänel und "Cantus Cölln". Hier wird diese Musik als Freudenmusik über das Ende des dreissigjährigen Krieges verstanden.

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von Alviano


    Ebenfalls hinweisen möchte ich auf die Einspielung der "Sinfoniae Sacrae III" von Heinrich Schütz aus dem Jahr 1650, von Konrad Junghänel und "Cantus Cölln". Hier wird diese Musik als Freudenmusik über das Ende des dreissigjährigen Krieges verstanden.


    Bevor die Feude über das Kriegsende 1648 musikalisch auch von Schütz zum Ausdruck gebracht wurde, sind seine "Kleinen geistlichen Konzerte" noch völlig vom tobenden Krieg und seiner besonderen Umständen bestimmt.


    Hierzu möchte ich auf diese



    hervorragende CD mit dem Ensemble Weser-Renaissancehinweisen :jubel::jubel:



    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Alviano
    Ich will nicht versäumen, an dieser Stelle auf Matthias Weckmann (ca. 1616 bis 1674) hinzuweisen, der ein Schüler von Heinrich Schütz war und den dreissigjährigen Krieg komplett erlebt hat, ja geradezu in ihn hineingeboren wurde. Seine Kantaten liegen in verschiedenen Aufnahmen vor, mir gefällt eine Einspielung mit dem Ensemble "Himlische Cantorey" bei CPO ganz gut, darin enthalten auch das wohl bekannteste Stück von Weckmann: "Wie liegt die Stadt so wüste".


    Und nicht zu vergessen: Er war einer der bedeutendsten Orgelkomponisten seiner Zeit und darin auch Schüler von Jacob Praetorius, dessen Nachfolger er an St. Jacobi in Hamburg wurde. Dazu war er lebenslang mit Christoph Bernhard befreundet, der – ebenfalls Schütz-Schüler – vor allem durch seine Kompositionslehre wichtig geworden ist, in der er die Prinzipien Schütz' weitergibt.


    Weckmanns Orgelkompositionen galten schon seinen Zeitgenossen als außerordentlich tiefsinnig, und besonders seine großen Choralvariationen könnte man salopp mit "Meditationen über..." umschreiben.


    Auch davon gibt es ein paar empfehlenswerte Einspielungen.
    Über die von Siegbert Rampe hört man beispielsweise nur Gutes.
    Auch die bei Naxos erschienenen CDs sind wahrlich nicht schlecht.
    Ich schwöre auf die Aufnahme von Hans Davidsson auf der Orgel der Ludgeri-Kirche in Norden. Leider gibt es die nicht mehr im Handel.


    Wer Weckmann lieber weltlich mag, kann aber auch zu seinen Stücken für Cembalo bzw. Clavichord greifen. Leider ist auch hier die äußerst empfehlenswerte CD mit Siebe Henstra (Ricercar) nicht mehr gelistet.



    Fazit: Weckmann hätte wahrlich seinen eigenen Thread verdient.

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Fazit: Weckmann hätte wahrlich seinen eigenen Thread verdient.


    ..... den es leider immer noch nicht gibt, aber immerhin einen über die Norddeutsche Tradition im Barock, in dem Weckmann ausführlicher behandelt wird.


    Die CD von Siebe Henstra ist nur zu unverschämten Preisen zu bekommen. Ich habe eine von Noelle Spieth bei Solstice (nur Cembalo), die auch nur selten angeboten wird, und eine von Jan Katzschke (Lautenwerck und Cembalo) bei CPO, die sehr schön geworden ist und preiswert noch dazu.



    Auch Gustav Leonhardts CD bei SONY/Vivarte, die den belegten freundschaftlichen Wettstreit von Froberger und Weckmann in Dresden in Erinnerung ruft, ist leider vergriffen.

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  • Zitat

    Auch Gustav Leonhardts CD bei SONY/Vivarte, die den belegten freundschaftlichen Wettstreit von Frobeger und Weckmann in Dresden in Erinnerung ruft, ist leider vergriffen.


    aber die Aufnahme ist zumindest in der Gustav Leonhardt Box erhältlich, nur eben ohne Begleitmaterial.


    Aber so hat meine Suche wenigstes ein Ende gefunden - denn die unverschämten Preise von Drittanbietern werde ich niemals bezahlen, egal wie sehr ich die Aufnahme haben möchte. :no:



    :hello:

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Bernhard
    Guten Abend


    Kurz vor Ende des 30-jährigen Krieges (1646) veröffentlichte A. Hammerschmidt einen Vierten Theil musikalicher Andachten.


    Im Vorwort zu diesem Teil seiner "Musicalischen Andachten" macht sich Hammerschmidt Gedanken um die Verständlichkeit seiner vertonten Texte; er schrieb:


    "Etliche belieben die Concerten, andere wiederum hören viel lieber eine vollstimmige Motet.
    Ob nun wol die Comcerten bilich zu loben, alldieweil nicht allein in derselben durch deutlich und rein außensprechenden Sänger der Text besser zu vernehmen ist:
    Sondern auch ihre Lieblichkeit bey den Zuhörern eine sonderliche Andacht zu erwecken pflegt:
    So ist es doch hiermit also bewandt, daß derselben Anmuth nicht wenig benommen werde, wenn man sie mit untüchtigen Sängern bestellt, und meynet, als müsse ein wolbesetztes Concert allezeit lieblich klingen, wenn es nur an sich selben gut, die Sänger beschaffen seyn mögen wie sie wollten:
    welche aber so dann mehr ein Gespötte, als eine behagliche Music abgiebt, und verursachet, daß vollstimige Motetten, als in denen dergleichen Mängel nicht sogleich gemercket werden, die Concerten auff solchen Fall weit übertreffen, und so keines weges zu verachten sind."


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Andrew
    Eine empfehlenswerte Cd zu diesem Thema ist 1998 bei CPO erschienen, passend zum Jubiläum des Westfälischen Friedens:




    Habe ich mir gerade dank Amazon-Marketplace bestellt, bin bereits sehr gespannt. :)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Oolong
    .


    Wobei hier natürlich auch gesagt werden muß, daß Andreas Hammerschmidt auch ein echter Großmesiter war - seine heutige dosierte Rezeption steht für mich in keinem Verhältnis zur Größe seiner Musik!
    Er besah das Genie, Musik nicht nur in höchster Kunst zu setzen, sondern ihr auch noch eine kantable Schönheit mitzugeben, die manchem größeren Namen dieser Zeit nicht immer gelang...!


    H. Schütz beurteilte die Kompositionskunsat seine Kollegen A. Hammerschmidt 1653 mit den Versen:


    "Ich ließ auch meinen Chor im Anfang also spielen,
    mein Hammerschmidt, als ich die Musik vor mich nahm.
    Daher gelang es mir, dass ich darauf bei vielen
    (ich rühme mich zwar nicht) doch auch ein Lob bekam.
    Und wollte Gott, dass die, die wollten Meister heißen,
    in solcher Musikart erst wären abgericht,
    was gilt`s wir würden uns auf besseren Ruf befleissen,
    als sonst mit schlechten Lob zum Nachteil oft geschickt.
    Fahr fort, als wie ihr tut, der Weg ist schon getroffen,
    die Bahn ist aufgespert, ihr habt den Zweck erblickt.
    Es wird in`s Künftige mehr von euch noch sein zu hoffen,
    weil ihr schon allbreit so manchen Geist erquickt.
    wer diesen nimmt in acht, der wird nach vielen Zeiten
    noch bleiben, wenn die Welt auch schon in Trümmern geht,
    und sich in der Musik ein wahres Lob bereiten,
    denn diesen ist der Grund, darauf der andre steht.


    Aus guter Affection und Freundschaft gestellet von Heinrich
    Schützen."


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Lieber Bernhardt,


    danke für dieses mir bislang unbekannte Zitat! Können wir mit ihm doch eine schöne und ehrlich wertschätzende Kollegialität erleben, welche uns heute häufiger gut zu Gesicht stehen würde. Und das alles noch mit den schönsten Schnörkeln der Barockdichtung... :]


    Sei herzlich gegrüßt
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

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