Anton Bruckner: Sinfonie Nr 4 "Die Romantische"

  • Lieber Ben,


    danke für Deine Bemerkung. Ich werde Deine Rezension mit Interesse verfolgen.


    Den Verweis auf Norrington finde ich sehr interessant. Ich habe bei Hänssler nachgeschaut, dort ist die Aufnahme für den 18.10. angekündigt.


    Ebenfalls im Herbst soll Naganos Aufnahme der 4. in der Urfassung erscheinen.


    Auf beide Aufnahmen freue ich mich schon, denn beide Dirigenten präferieren die deutsche Orchesteraufstellung.


    Auch wenn ich mich wiederhole finde ich die Inkonsequenz von Frau Young in der Orchesteraufstellung ärgerlich, denn Bruckner hat nun einmal für sich gegenübersitzende Violinen komponiert.


    Man höre bei Bruckner einmal Michael Gielen, Kent Nagano, Rafael Kubelik oder Georg Tintner, um den deutlichen Transparenzgewinn bei der deutschen Orchesteraufstellung gegenüber der amerikanischen zu erhören.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Daß Jesús López-Cobos mit dem Cincinnati Symphony Orchestra ausgerechnet die deutsche Orchesteraufstellung verwendet, erwartet niemand.
    Aber abgesehen davon liefert er mit seiner Interpretation der Urversion der 4. in meinen Augen erheblich mehr Licht als Schatten.



    Mit das größte Plus dieser Aufnahme ist der "typische Telarc-Klang". "Typisch Telarc" deswegen, weil ich von diesem Plattenlabel keine einzige Aufmahme besitze, die klanglich "daneben" wäre.
    Das auf hohem Niveau spielende Orchester ist klanglich sehr gut eingefangen, transparent abgestuft und in den einzelnen Orchestergruppen sehr gut abgebildet. Einen "Klangbrei" wie bei Frau Young vermißt man ebenso wie ein halliges und sehr direktes Klangbild wie bei Inbal (Teldec).


    Man "hört sich schnell in die Aufnahme rein", und auch deswegen ist für mich diese Einspielung gut geeignet für jemanden, der sich zum ersten Mal mit Bruckners Urversion der "Romantischen" beschäftigen möchte.


    Alleridngs bemängelt derjenige, der einige Interpretationen bereits kennt, daß manche "Ecke und Kante" der Erstfassung ein wenig geglättet erscheint. Im ersten Satz geht es stellenweise ein bißchen zu betulich zu, der Beginn des zweiten Satzes ist kein "Andante quasi allegretto" sondern eher ein "adagio", was aber zum Charakter des Trauermarsches recht gut paßt.
    Das Scherzo hingegen wird für mich zu verhuscht, zu beiläufig, gespielt. López-Cobos arbeitet für mich zu wenig heraus, daß gerade dieser Satz den größten Unterschied zwischen der Erstfassung der viel "gemütlicheren" gängigen Version ausmacht.
    Auch den Beginn des vierten Satzes stelle ich mir ein wenig schroffer vor.


    Damit kein falscher Eindruck entseht: Für mich überwiegen die Pluspunkte.
    Die dynamische Abstufung erscheint mir gut gelungen. López-Cobos macht aus einem Forte kein Fortissimo. Er hat begriffen, daß Bruckner nicht nur "laut" ist.
    Des Weiteren sind die Tempomodifikationen, die die Erstfasung von der gängigen dritten Version unterscheiden, gut hörbar, für mich besonders im zweiten Satz trotz des (für mich) zu langsamen Beginns.
    Das Trio des Scherzos ist wunderbar beschwingt und detailreich (in den eingeworfenen Motiven der Holz- und Blechbläser).


    Auch wenn mir unter dem Strich diese Aufnahme besser gefällt als die von Young und Russel Davies geht die Suche nach dem "Ideal" weiter...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Original von ben cohrs
    Hi Norbert! Demnächst erscheint meine ausführliche Rezension bei Klassik Heute. Daher hier nur eine Bemerkung zu den angeblich stimmigen Tempi:
    Im von Bruckner überwachten und 2004 in der Gesamtausgabe veröffentlichten Erstdruck gibt Bruckner eine Metronomangabe für den ersten Satz von Halben = 72 für ein sehr ruhig bewegtes "Allegro molto moderato".
    In der Erstfassung ist das Haupttempo des Kopfsatzes schneller, nämlich "Allegro". Frau Young kommt auf einen Durchschnitt von etwa Halben = 56 ...
    Man höre im Vergleich die neue Einspielung unter Roger Norrington (Hänssler), der den Charakter wesentlich besser trifft ...


    Zu Bens Rezension: "http://www.klassik-heute.de/kh/3cds/20080827_18901.shtml"

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Ben,


    ich habe mir die Norrington-Aufnahme bei Hänssler vorbestellt, dort nannte man mir Oktober als Auslieferungstermin.


    Ich bin sehr gespannt auf die Aufnahme, denn unlängst legte ich mir Norringtons ältere Aufnahme der Urfassung der 3. Sinfonie mit den London Classical Players zu.
    Bei der Aufnahme gilt es nun wahrhaft, alle Hörgewohnheiten "über Bord zu werfen", insbesondere was die rasanten Tempi angeht.


    Schaun wir mal, wie das Ergebnis der Urfassung der 4. ausschaut...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Während bei der Urfassung die "Suche nach der Referenz" weiter geht, herrscht bei der gängigen dritten Version an sehr guten Aufnahmen kein Mangel.


    Kurt Sanderlings Live-Aufnahme mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks gehört für mich zweifelsfrei in diese Kategorie:



    Indes, daß es sich um eine Live-Aufnahme handelt, ist aus dem Beiheft oder dem CD-Cover bzw. der Rückseite nicht ersichtlich. Erst in Bens Rezension erfährt man, daß es sich um eine Aufnahme vom 4. oder 5. November 1994 handeln muß. Ebenso ärgerlich empfinde ich es, wenn in der Kurzbiographie das Geburtsjahr des Dirigenten verschwiegen wird (Sanderling ist der letzte lebende Dirigent des "großen Dirigenten Jahrgangs" 1912, dem u.a. auch Günter Wand, Sir Georg Solti, Igor Markewitsch, Sergiu Celibidache und Sandor Vegh enstammten).


    Allerdings ist diese Aufnahme nicht ganz fehlerfrei: Es fehlen zwei Takte bei Takt 21/22 (nach 45 s). Bens Rezensionsexemplar hingegen war fehlerfrei, weswegen ich beim Hersteller einmal nachfrage, ob es bei mir oder bei Ben Zufall war...


    Wer bereit ist, diese Mankos in Kauf zu nehmen, der darf sich auf eine fantastisch, nämlich sehr natürlich und "organisch" klingende Aufnahme freuen, die im besten Sinne romantisch ausgeleuchtet wurde.


    Für mich ist das eine Einspielung, die der Tradition eines Bruno Walter oder Karl Böhm in der Interpretation der 4. folgt: relativ gemessene Tempi, satter, üppiger Orchesterklang (mit einem bestens disponierten SO des Bayer. Rdfs), aber auch viel Liebe zum Detail.


    Selten hört man z.B. den 2. Satz ("Andante, quasi allegretto") so verinnerlicht, so dynamisch differenziert mit wunderschönen piano oder pianissimo Stellen wie bei Sanderling; selten kostet ein Dirigent die großartigen Steigerungen aller vier Sätze ohne Effekthascherei aus, selten vernimmt man ein solch organisches Miteinander aller Orchestergruppen.


    Wie oft gehen gerade die Holzbläser im lärmenden Tutti unter. Sanderling zeigt (für mich) exemplarisch auf, welch Bedeutung Bruckner dieser Orchestergruppe beimaß.


    Ähnliches ist von der differenzierten Behandlung und Herausarbeitung der Streichermotive im Finale zu berichten. Auch wer viele verschiedene Versionen der 4. gehört hat, der entdeckt Details, die er so noch nicht kannte und kommt zu dem Schluß: großartig! :jubel: [Zumindest dann, wenn man Bruckner als Romantiker schätzt]

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Seit einigen Tagen ist Norringtons Aufnahme erhältlich:



    Wieder einmal (wie auch bei der 6. Sinfonie) kann man Norringtons Geschichtsausdruck als Fazit nehmen. Er blickt hier freundlich und zufrieden drein. Der Ausdruck sei ihm gegönnt, denn für mich ist das seine stärkste Bruckner-Aufnahme bisher.


    Urfassung und die gängige dritte Version unterscheiden sich in sehr vielen Dingen: Das Scherzo ist in der Urversion ein vollkommen anderes, Temporelationen, Rhythmen und Phrasierungen unterscheiden sich sehr stark, die musikalischen Motive der Erstversion sind insbesondere im ersten Satz und zu Beginn des Finales längst nicht so "leicht hörbar" wie in der gewohnten "Romantischen".


    Für mich hat Bruckner nirgendwo so radikal komponiert wie in der ersten Version der 4. Sinfonie, und keine andere Einspielung macht die Radikalität Bruckners Tonsprache so deutlich hörbar wie die hier vorliegende.


    Leider scheinen Dirgent und Orchester einige Zeit zu benötigen, um mit der ungewohnten Tonsprache "warm zu werden". Der Beginn der Sinfonie gerät für mich seltsam spannungsarm und "nur schnell". Die besondere Atmosphäre, die durch das Hornsolo und das Streicher-Tremolo hervorgerufen wird, fehlt mir und scheint dem Tempo geopfert worden zu sein. Auch sucht das später bestens disponierte Orchester in meinen Ohren zu Beginn noch nach der rechten Balance.


    Was dann aber spätestens zum Ende des ersten Satzes bis zum Schluß folgt ist selbst für den, der mehrere Aufnahmen von Bruckners 4. in der Erstversion kennt, vollkommenes Neuland.


    Viele Details, die sonst entweder im Orchesterklang eingebettet (Inbal) oder stellenweise nicht hörbar sind (Young), treten hier prägnant hervor. Insbesondere erfährt man, wie keck die Holzbläser gegenüber den oftmals überdominanten Blechbläsern auftrumpfen dürfen. Das Finale profitiert von den vielen "ungehörten" Holzbläserstellen besonders.


    Wie bei Norringtons Bruckner üblich, geraten die Tempi sehr rasant: Simone Young läßt sich zehn Minuten länger Zeit, Inbal acht.


    Durch die schnellen Tempi kommt gar nicht erst der Verdacht einer "Gemütlichkeit" oder "Romantisierung" auf. Hier herrscht im positiven Sinn nervöses Musizieren vor. Bruckners Musik wirkt wie entfesselt und längst nicht so zahm wie in der gewohnten Drittfassung.


    Ruhe kommt stellenweise höchstens einmal im zweiten Satz, dem "Andante, quasi allegretto", auf. Ansonsten hat die Musik etwas ständig voranschreitendes, rastloses, suchendes. Hier wird für mich eine Sogwirkung entfacht, der ich mich nicht entziehen kann (und möchte ;) ).


    Beeindruckend gerät die Transparenz im Orchesterklang, und endlich einmal hört man z.B. die "10 Tempovorschreibungen" (Beiheft zur Inbal-Einspielung) im zweiten Satz.


    Auf die Temporelationen weist Ben Cohrs, der das Beiheft zum sinfonischen Teil verfaßt hat, ausdrücklich hin. Norrington widmet sich ihnen mit hörbarer Akribie.


    Für mich ist nicht nur Norringtons beste Bruckner-Aufnahme, sondern auch die bisher beste Einspielung der 4. in der Erstversion, die ich kenne, entstanden. Trotz des kleinen Wermutstropfens zum Beginn der Sinfonie lautet das Fazit: :jubel: :jubel: :jubel:

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich merke gerade, dass ich mir Bruckners Vierte schon seit Monaten nicht mehr angehört habe. Vorgehabt hatte ich es schon zig-mal; die Klemperer-Live-Einspielung liegt auch noch irgendwo in einem der zahllosen "Demnächst-mal-wieder-reinhören"-Stapeln begraben...


    Meine Lieblingsaufnahmen sind/bleiben aber:


    • Bruckner/Klemperer, BRSO: Symph. No. 4 "Romantic" (München 1966) – EMI
    • Bruckner/Böhm, VPO: Symph. No. 4 "Romantic" (1973) – Decca Legends


    Liebe Grüsse aus der Schweiz, David.

  • Tach Gemeinde!


    Aus dem "was hörst du gerade"-Thema nun hierher:


    Nach dem ersten Versuch im Auto (man ist ja so ungeduldig) nun zuhause, über Kopfhörer:



    Ansatzweise lässt mich die Mikrofonierung aufhorchen - es klingt teilweise etwas sehr "von oben" statt von vorne. Allerdings war das besonders im 1. Satz der Fall, ich gewöhne mich daran.


    Der 2. Satz gefiel mir besser, klanglich einheitlicher, schöne Details in Agogik und Spielkultur. Schönes pp und doch: die Wiener Phliharmoniker bleiben ungekürter Weltmeister im Pizzicato...
    Der Jagdsatz, mein Favorit, prima - ein Grund, die Version ohne Jagdsatz nicht zu hören... ;)
    Finale - das längste in meiner Sammlung, aber es passt, die Spannung hat sich gehalten und mir die Zeit beim Hemdenbügeln verkürzt.


    Hier noch meine Alternativen:


    Ein Favorit mit einem meiner Lieblingsorchester ist


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    Meine erste:


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    Und diese zur Ergänzung als alter Wand-Fan:



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    Was mir bei Rattle auffällt und was mir nicht gefällt, ist die Art wie er die letzten Noten, insbesondere Satz 1 + 4, so lange ausklingen oder nachklingen lässt; es zerfasert am Schluss ein bisschen und wirkt auf mich etwas unentschieden. Wie höre ich auf, ohne rabiat "abzuschlagen"?


    Bei Wands Berliner Aufnahme ist der Anfang viel lauter, die Streicher sind deutlicher und die Atmosphäre dadurch intensiver - der Klang kommt mehr von vorne und weniger von oben wie bei Rattle (der imaginäre Sitzplatz wäre also Parkett statt Rang). Allerdings ist es mir insgesamt etwas dumpf, vor allem die Pauke ist nicht schön aufgenommen.


    Der vielleicht schönste Schluss, mit schmetternden Posaunen (wie überall, klar), ist die alte NDR-Aufnahme.


    Was fehlt und unbedingt her muss: eine Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern! Ich liebäugle mit Abbado (HvK darf unberücksichtigt bleiben).


    Soviel dazu. Frohes Hören und Gruß
    Accuphan

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Die "Romantische" ist eines meiner absoluten Topwerke und ich besitze mittlerweile schon etliche Aufnahmen.
    Meine absolute Lieblingsaufnahme wurde hier noch nicht erwähnt:



    Die Interpretation habe ich noch nirgendwo als intensiver empfunden, auch klanglich absolut überragend! Ich empfehle hier mal in den Schluss des ersten Satzes reinzuhören!


    Sinopoli mit den Dresdnern hat Anfang der 90er noch andere Bruckner-Symphonien eingespielt, insbesondere die 9. Symphonie sei hier noch erwähnt - wirklich überragend!


    Ansonsten auch noch hörenswert:
    - Skrowaczewski mit dem RSO Saarbrücken
    - Solti mit dem Chicago Symphony Orchestra
    - und unbedingt auch Karajan mit den Berlinern


    Kay

    nestor0859

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  • Vielleicht ist die folgende Aufnahme etwas für diejenigen unter euch, die man kaum noch mit Aufnahmen der Vierten überraschen kann. Zumindest wurde sie hier noch nicht erwähnt und die Hörschnipsel klingen sehr vielversprechend, wie ich finde:



    Istvan Kertesz. Seine Interpretation mir bekannter Dvorak-Symphonien habe ich zunöchst nicht verstanden, jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Das IST Dvorak und zar nicht durch die Wiener-Schmäh-Brille, wie wir manchmal Dvorak gerne sehen, sondern mit deutlich rustikalerem, ländlichererm aber auch recht strengem Charme.


    So kam ich dazu nach Kertesz-Aufnahmen bei jpc zu suchen und fand Bruckners 4.


    :hello:
    Wulf

  • Ich kenne diese Vierte und sie ist ein heimlicher Liebling unter den Vierten. Ich kenne Kertéz' Dvorak nicht, aber rustikal ist er bei Bruckner nicht. Eher erstaunlich detailreich, sehr um Transparenz und Durchsichtigkeit bemüht. Gerade den letzten Satz finde ich in dieser Hinsicht beachtlich gut gelungen.
    Er bringt sie nicht als leichtgewicht, aber mit einer vergleichsweisen Entspanntheit, was ich auch positiv werte, weshalb ich sie als Alternative wirklich auch sehr empfehlen kann.


    Wäre er nicht so früh verstorben, hätten weitere Bruckner Einspielungen interessant sein können.

  • Zitat

    Original petemonova



    Die hab ich gestern auf Arbeit gehört.
    Und bei dem, was ich so gehört habe, dachte ich mir, dass es gut war, dass Bruckner sich dieser Sinfonie noch einmal angenommen hat (ich kannte die Urfassung noch nicht).



    Die Aufnahme habe ich gestern auch zum ersten Mal gehört- und die Urfassung ebenfalls. Danach würde ich mich Peters Urteil anschließen: Die Urfassung wirkt auf mich im Vergleich mit der späteren Fassung farbloser. Was das Dirigat angeht, hat sich Naganos Herangehensweise im Vergleich mit seinen Aufnahmen mit dem DSO nicht wesentlich verändert. Nagano dirigiert einen nüchternen Bruckner ohne übertriebenes Pathos und jeglichem Bombast abhold- aber so richtig hilft das der "Urfassung" auch nicht auf die Beine.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Lieber Christian, lieber Peter,


    ich kenne inzwischen sechs verschiedene Aufnahmen der Erstversion (+Gielen, dessen Aufnahme ich vor Jahren einmal besaß, aber leider nicht mehr erhältlich ist ;( ).


    Ich befinde mich gerade am Anfang des Finales. Meine bisherige Meinung: Urfassung ist nicht gleich Urfassung. Gegenüber Norrington ist Nagano ca. 15 Minuten langsamer (!), gegenüber Inbal (meine beiden Favoriten der Urfassung) ca. sieben.


    Ich kann Eure Auffassungen die Erstfassung betreffend verstehen, denn beim ersten Höreindruck mildert Nagano die scharfen Bläserakzente viel zu sehr ab und beschränkt sich zu sehr auf breitflächigen Schönklang. Viele Reichtümer der Partitur gehen imo zusätzlich durch das zu pauschale und streicherbetonte Klangbild verloren.


    Nach dem ersten Höreindruck bin ich doch ein wenig enttäuscht. Ich werde weiter berichten...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich habe die Erstfassung vor einiger Zeit in einem sehr guten Konzert gehört, aber ich bin wohl ein unmusikalischer Mensch - ich fand Bruckners Vierte noch nie so ärgerlich und unbefriedigend. Die Erstfassung der Vierten ist bislang die einzige Erstfassung einer Bruckner-Symphonie, die ich in Zukunft meiden werde.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

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  • Zweifelsfrei ist Bruckners 4. diejenige Sinfonie, die die radikalsten Änderungen erfuhr. Woher kommt es aber, daß die Urfassung in den letzten drei Beiträgen eher ablehnend gesehen (oder gehört) wird?


    Liegt es daran, daß man sich schwer tut, in der Urfassung kein "Jagdscherzo" zu hören? Liegt es daran, daß das Finale erheblich weniger "harmonisch" klingt als in der gängigen Drittfassung? War Bruckner in der Erstfassung zu "radikal" in rhythmischer und klanglicher Hinsicht?

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Das Scherzo aus der Vierten kann man auch von den Vienna Horns und Art of Brass Vienna in einer Bearbeitung hören. Beide Ensembles gestalten die Pausensendung des Wiener Neujahrskonzertes, die 500 Millionen Zuseher erreicht. Romantische Musik von Franz Schubert, Johann Strauß Sohn, Johannes Brahms, Franz Schmidt und Anton Bruckner, virtuos interpretiert.
    Die CD "Vienna Horns - Wandern mit Strauß, Schubert, Brahms" gibt es beim ORF shop.


    LG allegro_assai

    :):):)

  • Hallo allerseits,


    Die vierte war jahrelang meine absolute Lieblingssinfonie. Ich habe sie 1986 kennengelernt. Man sagte mir damals ich sollte Bruckner hören, am besten mit der vierten anfangen. Ich kaufte mir “blind” eine vierte mit Solti. Die Musik gefiel mir sofort.
    Seit zwei Jahren allerdings mag ich lieber die Neunte, Achte und Fünfte gefolgt von Sieben.
    Aber erst durch die vierte bekam ich Zugang zu Bruckner.
    Heute besitze ich Aufnahmen von Solti - Chicago, Bruno Walter - Columbia, Wand - NDR, Wand - München, Böhm - Wien, Karajan - Berlin, Celi - München, Celi - Stuttgart.


    Meine Lieblingsaufnahme ist Celi - Stuttgart. Kennt noch jemand diese Aufnahme? Das ist ein Livemittschnitt vom 22.11.1966. Ich hab die im Radio gehört und aufgenommen. Irgendwann im ARD-Nachtkonzert oder so, und rauf und runter gehört.
    Celi kommt hier so richtig in Fahrt. Er brüllt und feuert sein Orchester dermaßen an. Die Spannung im Coda des letzten Satzes - man hört irgendetwas fallen (ein Schlüssel oder so) ist einfach himmlich, grandios - so muß es sein - einfach von Glück erfüllt.


    Diese Aufnahme gibt es auch auf CD bei Arkadia CDGI 751.1 :jubel::jubel::jubel:
    19’47 - 17’03 - 10’30 - 25’20 (72’40)


    1995 glaube ich, sollte Celi in der Kathedrale von Rouen (France) 3 Konzerte geben, mit unter anderem der Vierten. Er mußte krankheitshalber absagen. Das Konzert dirigierte dann Zubin Metha. Die Probe fand ich damals viel interessanter als das Konzert selber. Schade.


    Wer kennt noch diese Aufnahme mit den Stuttgartern von 1966


    Gruß
    Roman

  • Hallo Roman,


    ich hätte gerne von Dir eine Einschätzung, wie Du zur Karajan-Aufnahme der Sinfonie Nr.4 stehst !?!


    Ich selber bin mit der Jochum-GA aufgewachsen (auf DG-LP) und habe die wunderbare Sinfonie Nr.4 auch mit Jochum kennen und schätzen gelernt.


    Bisher habe ich nicht wenige Interpretationen gehört - aber fast alle finde ich langatmig, zu ausgewalzt, mit zu wenig Esprit.
    Auch Solti, den ich bei Bruckner aufs höchste schätze, sagt mir bei Bruckner 4 im Vergleich zu seinen anderen Sinfonieeinspielungen am wenigsten zu - IMO die einzig schwache Aufnahme bei der Solti-GA.


    :yes: Die einzige Aufnahme, die bei mir richtig gut ankommt ist


    Karajan / Berliner PH (DG, 1976, ADD),
    die ich nach Jochum zu meiner größten erbaulichen und positiven Überraschung auf CD kaufte (wie alle weiteren Bruckner-Sinfonien mit Karajan auf CD (alle als Einzel-CD)).
    Es ist die Aufnahme der Sinfonie Nr.4 von 1976, die auch in der aktuell käuflichen GA enthalten ist:


    Karajan hat noch zwei Ältere bei DG und EMI im Repertoire.


    :hello: Was sagst Du oder ein anderer Klassikforianer über diese Karajan-Aufnahme von DG 1976, die in der Kritik damals mit den Worten "wie aus Chrom und Stahl" beschrieben wurde ?




    Ich habe auch eine Kritik gefunden, deren Worte ich inhaltlich nachvollziehen kann :

    Zitat

    Zitat:
    Es brodelt, es glüht, es ist spannend. Die 4te von Bruckner unter Karajan mit seinen Berlinern Phiharmonikern ist die dramatischste "Romantische", die ich persönlich kenne. Verglichen mit anderen Aufnahmen gibt es für mich keine Version, in der die orchestrale Perfektion eine untergründige und permanente Spannung derart hörbar ausstrahlt, wie diese. Die Entladung des Ganzen, besonders im Schlußsatz ist atemberaubend und fesselnd, ja fast schon explodierend. Die Tempi wie bei Karajan nicht selten, sind forsch gewählt, die Berliner Blechbläser, ein Highlight als solches, drücken diesem Werk ihren zusätzlichen, flammenden Stempel auf. Wer mehr zu kammermusikalischen und langsameren Interpretationen neigt, verbrennt sich allerdings hier die Finger und sollte vielleicht bei Celibidache oder Inbal fündig werden. ich werde bei der Karajan'schen Version bleiben, denn das ist Symphonik, das ist Kraft, das ist Leidenschaft und Emotionalität pur!

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Teleton


    Bei Karajan sprechen wir nicht von der gleichen Aufnahme, meine ist von 1970, aufgenommen in der Jesus Christus Kirche in Berlin.



    Diese gefällt mir auf jeden fall sehr gut. Herrliche Bläsergruppe. klingt nicht gehetzt. Nach Celi gefällt mir Karajan und noch Böhm sehr gut.
    Karajan und Bruckner passen für mich sehr gut zusammen. Am liebsten mag ich seine letzten Bruckner-Aufnahmen (die siebte war seine letzte Aufnahme 1990). Der frühe Karajan gefällt mir nicht so.


    Die von 1976 werde ich mir noch zukommen lassen. Bin mal gespannt.


    Ich mag schnellen Bruckner nicht so. Zumal im Konzert, ich höre gerne alles, Aufbau, Spannung transparenz. Ich halb mal Blomstedt mit der achten erlebt. War nicht so mein Ding.
    Daher gefällt Jochum mir auch nicht so :untertauch:. Ich werde mich aber in Zukunft mich wieder etwas näher mit der vierten beschäftigen.


    gruß
    roman

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  • Zitat

    Original von Norbert
    Zweifelsfrei ist Bruckners 4. diejenige Sinfonie, die die radikalsten Änderungen erfuhr. Woher kommt es aber, daß die Urfassung in den letzten drei Beiträgen eher ablehnend gesehen (oder gehört) wird?


    Ganz einfach: Weil es nunmal vom Meister selbst eine deutlich bessere Version des Werkes gibt. ;)
    Einige Sinfonien Bruckners sind halt wie guter Wein: Die brauchten einige Jahre, um unter der Hand von Bruckner zu reifen.


    Die letzten Fassungen (der Vierten und auch Achten) sind um einiges filigraner, weniger plump, gehäufte Wiederholungen von Figuren wurden getilgt oder verziert. Es klingt jedenfalls in meinen Ohren organischer. Und dann noch ein mir jedenfalls sehr wichtiger Punkt: Die Satzabschlüsse. Da hat Bruckner in der letzten Version so deutlich zugelegt, dass es mir beinahe weh tut, den ersten Satz der Vierten oder Dritten wie auch das Finale der Dritten in der Erstfassung zu Ende zu hören.


    Ist das nur Geschmackssache? Ich glaube eigentlich nicht. Die neuen Satzabschlüsse sind würdig - um nicht zu sagen: genial, die alten Versionen hingegen wenig originell und recht plump.



    Nachdem ich die ersten Fassungen jetzt so schlecht gemacht habe, möchte ich allerdings noch ergänzen, dass der romantische Charakter der vierten Sinfonie eigentlich in der ersten Fassung noch deutlicher präsent ist. Das ist zwar beizeiten recht lärmend, aber unter Simone Young durchaus hörenswert. Wenn wie gesagt nur der Satzabschluss des ersten Satzes nicht wäre.

  • Lieber honigschlecker,


    Zitat

    Original von honigschlecker
    [Ist das nur Geschmackssache? Ich glaube eigentlich nicht. Die neuen Satzabschlüsse sind würdig - um nicht zu sagen: genial, die alten Versionen hingegen wenig originell und recht plump.


    Du glaubst zwar nicht, lieferst aber trotzdem eine Begründung für die Geschmackssache... ;)


    Ich finde Deine Meinung höchst interessant und werde sie demnächst einer genaueren Prüfung unterziehen (im Sinne von für mich nachvollziehbar oder eher nicht).


    Es stimmt zweifelsfrei, daß der Schluß des 1. Satzes der vierten Sinfonie in der gängigen Drittversion erheblich organischer und gradliniger zum Klimax hin durchkomponiert wurde. Für die Urfassung hingegen spricht z.B. der wilde Kontrast insbesondere der Holzbläser zum "Streicherteppich". Für mich ist Bruckners vierte Sinfonie in der Urfassung sein wahres "keckes Beserl".

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Original von Norbert


    Es stimmt zweifelsfrei, daß der Schluß des 1. Satzes der vierten Sinfonie in der gängigen Drittversion erheblich organischer und gradliniger zum Klimax hin durchkomponiert wurde. Für die Urfassung hingegen spricht z.B. der wilde Kontrast insbesondere der Holzbläser zum "Streicherteppich". Für mich ist Bruckners vierte Sinfonie in der Urfassung sein wahres "keckes Beserl".


    Hallo Norbert,


    genau diese Einschätzung mit dem kecken Beserl hatte ich schon mal an anderer Stelle zum Besten gegeben. ;) Interessant ist das allemal, wie kompromisslos Bruckner hier zur Sache gegangen ist. "Romantischer" ist es m. E. so auch. Wenn der Satzschluss nicht wäre... würde ich wohl die Spätfassung dennoch vorziehen, aber auch die Erstfassung häufig hören. So allerdings nur hin und wieder mal. Scherzo und Finale sprechen auch für die Spätfassung.

  • In einem vorherigen Beitrag äußerte ich mich ein wenig enttäuscht über Naganos Neuaufnahme.



    Wenn man seine Einspielung mit der fünf Monate vorher aufgenommenen mit Roger Norrington vergleicht, entdeckt man, daß es noch lange nicht das selbe ist, wenn zwei das gleiche tun, denn unterschiedlicher können Interpretationsansätze kaum ausfallen als zwischen den beiden Dirigenten.


    Die Unterschiede lassen sich alleine sehr deutlich an den Tempi ausmachen:


    Norrington: 15'49'', 16'23'', 11'27'' und 16'52''
    Nagano: 21'15'', 20'17'', 13'17'' und 20'04''


    Noch mehr als die nackte Zeitangabe unterscheidet beide Dirigenten das interpretatorische Grundkonzept: Norrington sieht Bruckner als "Stürmer und Dränger". Er arbeitet exemplarisch die Radikalität der Urfassung heraus und vermeidet somit jede gemütliche Grundstimmung, die die vierte Sinfonie in der gewohnten Fassung von 1878/80 allzuoft erfährt.
    Zwar schießt der Engländer nach meinem Empfinden in seiner "antiromantischen Haltung" ab und an übers Ziel hinaus (insbesondere in der Tempowahl zu Beginn des ersten Satzes), aber mehr als einmal horcht der Hörer ob Bruckners kecker Einfälle auf.


    Ganz anders Nagano: Seine Sichtweise ist erheblich konventioneller, weil traditioneller.
    "Tradition" bei Bruckner bedeutet: "Wir lassen es gemächlich angehen", "wir pflegen einen satten, sonoren Orchesterton", "wir fassen die Blechbläserpassagen großflächig und choralartig auf".


    Innerhalb dieser Tradition liefern Nagano und sein bestens disponiertes Orchester beachtliches ab: Man erfreut sich an der antiphonalen Aufstellung der Violinen, genießt das sonore Orchesterspiel, erwartet nach dem spannungsvollen Beginn im "Urnebel" großartiges und ist enttäuscht, wenn das erste Tutti erfolgt. Wieder einmal (siehe die Aufnahme mit Simone Young) ertönen die Blechbläser viel zu pauschal-großflächig, fast schon weichzeichnerisch-wattig. Damit nimmt Nagano dem Werk viel Spontaneität und Frische.


    Die stärksten Momente hat Nagano, wenn er die ruhigeren, lyrischen Momente der Sinfonie ausleuchtet, er bevorzugt einen Bruckner "ohne Knalleffekte" und gibt dem Orchester Zeit und Ruhe, um z.B. das wunderschöne Zusammenspiel zwischen Streichern und Holzbläsern auszuloten, fast schon auszukosten. Solistisch gewährt er auch den Blechbläsern diesen Vorzug, aber im Tutti ist und bleibt das Blech zu pauschal-undifferenziert.


    Und das ist schade, denn auch wenn sich Nagagno eine Viertelstunde mehr Zeit läßt als Norrington, wirken die Tempi größtenteils in sich stimmig (abgesehen vom zu schleppenden Beginn des zweiten Satzes). Nagano differnziert fensinniger als es Frau Young z.B. vermag, er schafft den Spagat zwischen musikalischem Fluß und Detailarbeit, aber es gelingt ihm nicht überzeugend genug, die grundlegenden Unterschiede in der Tempowahl, Orchestrierung und Phrasierung zwischen der Urfassung und der gewohnten Fassung 1878/80 heraus zu arbeiten.


    Heraus kommt somit kein "keckes Beserl", sondern die gewohnt-gemütliche "Romantische" mit anderen Noten...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Norbert,


    Ich glaube ich kann mich mit der Aufnahme von Nagano anfreunden. (Sie müßte in drei Tagen ankommen).
    Es wird meine erste «erste version» sein. Von den Tempi passt es mir. Die Sinfonie braucht «Zeit», Bruckner muß atmen. Wie sieht es mit dem Coda des Finales aus? Für mich ist das Finale sehr wichtig, erst so wird es zu einem Ganzen. Das gleiche gilt für die Fünfte und die Achte Sinfonie.


    Die Aufahme von Abbado mit Lucerne Orchestra würde mich auch interessieren, ist aber im Moment nicht bei Amazon oder JPC aufzutreiben.


    gruß
    roman

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von Roman
    Die Aufnahme von Abbado mit Lucerne Orchestra würde mich auch interessieren, ist aber im Moment nicht bei Amazon oder JPC aufzutreiben.


    Hallo Roman,


    die Abbado-Aufnahme gibt es auch nicht im Versandhandel.
    Du kannst sie entweder direkt bei den Veranstaltern bestellen oder bei Dussmann in Berlin kaufen (das ist meines Wissens die einzige Anlaufstelle in Deutschland für diese CD).


    Übrigens habe ich heute die Wand-Aufnahme aus Köln ersteigern können:




    LG, Peter.

  • Zitat

    Original von Roman
    Hallo Norbert,


    Ich glaube ich kann mich mit der Aufnahme von Nagano anfreunden. (Sie müßte in drei Tagen ankommen).
    Es wird meine erste «erste version» sein. Von den Tempi passt es mir. Die Sinfonie braucht «Zeit», Bruckner muß atmen. Wie sieht es mit dem Coda des Finales aus? Für mich ist das Finale sehr wichtig, erst so wird es zu einem Ganzen. Das gleiche gilt für die Fünfte und die Achte Sinfonie.


    Hallo Roman,


    wenn Dein "musikalisches Credo" der Herr im Avatar ist, dann wird Dir Nagano Freude bereiten.


    Ich will Deinem Hörvergnügen nicht allzu sehr vorgreifen, aber die gewohnte, großartige Schlußcoda der Version von 1878/80, gerade wenn sie der Herr Celibidache dirigiert, wirst Du in der Urversion nicht finden.


    Ich wünsche eine hoffentlich schöne Entdeckungsreise. Es wäre schön, wenn Du ein paar Eindrücke schildern könntest.


    Zitat

    Die Aufahme von Abbado mit Lucerne Orchestra würde mich auch interessieren, ist aber im Moment nicht bei Amazon oder JPC aufzutreiben.


    Siehe Peter.


    Abbados Aufnahme ist für mich eine außergewöhnlich gute (siehe mein Beitrag zur Einspielung). Man kann sie in der Tat direkt beim Luzern Festival ordern: "http://www.lucernefestival.ch/de/shop/cds/Claudio_Abbado_LUCERNE_FESTIVAL_ORCHESTRA_BRUCKNER/"

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo Norbert


    Danke für Deine Antwort,
    ich werden sicher später darüber berichten.


    Auch wenn die Schlußcoda nicht so ergreifend ist, kann ich mir ja schlimmstenfalls noch den vierten Satz mit Celi reinziehen.


    gruß roman

  • Liebe Brucknerfreunde



    Dies ist meine erste B4 in Erstfassung. Ich besitzte noch 6 ältere Aufnahmen die ich mir vor etlichen Jahren anlegte. Die letzte Aufnahme die ich mir kaufte, ist tatsächlich die mit Celi mit den Münchener. Also war ich gespannt erstmals eine neuere und dazu noch die Erstfassung zu hören.


    Satz 1: bewegt, nicht zu schnell. Das Violintremolo und Hornsolo waren so richtig nach meinem Geschmack. Ich ahnte sofort, das wird was. Aber dann, was ist das denn, ach ja die Erstfassung!!!!!! Etwas ungewohnt, gefiel mir aber sofort was Nagano mit dem Bayerischen Staatsorchester anstellt. Man merkt die Leidenschaft und die Freude die hier an den Tag gelegt wird. Herrliche Musik.:yes:


    Satz 2: Andante quasi allegretto. Hier fühle ich mich zuhause. Hat hier Bruckner am wenigsten Änderungen vorgenommen? Hier atmet man durch, keine Hektik, kein Stress. Violinen und Bläser ergänzen sich gut.


    Satz 3. Scherzo. Was ich bei Bruckner am wenigsten mag, wenn überhaupt, sind seine schnellen Sätze (Trios) hauptsächlich bei B4.
    Aber hier. Was für eine überaschung! Das gefällt mir, nicht das “banale” :untertauch: Jagdthema, nein ein einfaches Thema. Hier kombiniert Bruckner ein Hornsolo mit einer massigen Steigerung. Für mich hätte der Meister hier keine Änderung vorbringen müssen. Der beste Teil dieser Aufnahme.


    Satz 4. Finale. Hier legt sich so langsam (und dann schneller) meine Begeisterung. Es wird noch immer wunderbar musiziert, keine Frage. Aber ich kann mich mit dem Finale dieser Fassung nicht anfreunden.


    Interessant finde ich diese Aufnahme allemal, müßte sie vielleicht mit einer anderen Erstfassung vergleichen. Stellenweise sehr schöne Momente. IMO findet Nagano die Nähe zu Bruckner.


    Was haltet Ihr vom Scherzo der Erstfassung?


    So jetzt noch einmal den letzen Satz, aber mit Celi.


    gruß
    Roman :hello:

  • Hallo Roman,


    danke für Deine Eindrücke.


    Als ich vor etlichen Jahren Bruckners 4. in der Urfassung hörte, ging es mir im Scherzo ähnlich wie Dir: erst kam die Überraschung, dann die Faszination.


    "Wissenschaftlich betrachtet" stellt man fest, daß das ursprüngliche Scherzo thematisch besser in den Verlauf der Sinfonie eingebettet ist als das bekannte "Jagdscherzo" in der bekannten Version. Der beginnende "Hornruf" erinnert an den ersten Satz.


    Das den Satz charakterisierende Wechselspiel zwischen "Hornruf" und "Antwort des Orchesters" gefällt mir sehr gut, denn selten zeigt sich Bruckner so entfesselt, so stürmisch vorandrängend wie hier.


    Und mein Faible für "schweres Blech" wird ebenfalls trefflich bedient ;) .


    Das bekannte Scherzo empfinde ich nicht als "banal", eher in mittelmäßigen Interpretationen als "betulich". Für den Hörer hat es, zugegeben, den Vorteil, daß es leichter zu hören, zu erfassen ist.


    Mancher Hörer mag das ursprüngliche Scherzo als zerklüftet empfinden, das "Wechselspiel" zwischen Horn und Orchester mag verwirren. Für mich ist Bruckner hier "Stürmer und Dränger". Auch deswegen mag ich diesen Satz sehr.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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