ZitatOriginal von Johannes Roehl
Es besteht wohl schon ein deutlicher Unterschied zwischen einem über Jahrhunderte entstandenen Mythos und einem Zusammenmixen von Versatzstücken aus allen möglichen Traditionen. Da die meisten Naturwissenschaftler auf solchen Kram abfahren, scheint eher irrelevant für die Rezeption, daß es naturwissenschaftlich gesehen auch Quatsch ist. So spießig bin ich nun auch nicht, daß ich das vorwerfen würde.
Ein wichtiger Punkt, der (soweit ich sehe, ich habe bspw. den Bourdieu nicht gelesen, sondern kenne das nur aus zweiter Hand) häufig ignoriert wird, ist, daß eine externe (etwa soziologische) Betrachtungsweise, Wesentliches verfehlt. Natürlich sind mit den Augen des außenstehenden Ethnologen gewisse Gebaren der Klassikhörer, der ganze Betrieb, erst recht einige Auswüchse wie Bayreuth strukturell fast dasselbe wie das, was die Trekkies oder Hooligans oder was weiß ich wer tun. Aber gerade diese Gemeinsamkeiten zeigen, daß über den Gegenstand (sagen wir Wagners Musikdramen) damit wenig oder nichts gesagt wird. Wenn zwei Dinge beide als Distinktionsmerkmal für Angehörige eine Klasse oder Schicht dienen können, gleichen sie sich eben erstmal nur darin. Von außen sind Wagner und StarWars "gleichwertig". Das zeigt für mich aber nur, daß es die falsche Perspektive ist
Ach JR, da werden wir uns wohl niemals einig werden... Müssen wir auch nicht, es gibt ja immer noch das Toleranzprinzip - manchmal sogar sowas wie Respekt.
Aber mal im Ernst: »Die falsche Perspektive« zieht nicht und ist eine Ausrede, mit der ein Schnitt vorgenommen, ein Punkt markiert werden soll, an dem der Diskurs abbricht resp. abzubrechen scheint. Daß die von Giselher angesprochenen Analogien »nur« äußerlich sind, hat und würde wohl niemand bestreiten (Bourdieu am allerwenigsten) – aber die Frage »Bildungsniveau und klassische Musik« zielt ja (genauso – wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen – wie »Ist Klassikhören elitär« und sonstige klientelspezifische Selbstverortungsunternehmungen) gerade auf solche Äußerlichkeiten. So gesehen ist diese (soziologische) Perspektive hier mal (ausnahmsweise) gerade nicht falsch sondern goldrichtig.
Daß es einen – womöglich objektiven oder zumindest weitestgehend objektivierbaren – Unterschied zwischen Beethovens Symphonien und der Star Wars Seifenoper geben mag (ich mag beides – wenn auch auf ganz unterschiedliche Art; das gehört aber zu meinem Habitus ), bleibt davon unberührt.
Viele Grüße,
Medard