Anton BRUCKNER: Sinfonie Nr 5

  • Wer sich eine neue Studienpartitur der Fünften kaufen möchte, wird interessiert sein, zu hören, daß die von mir vorgelegte aktualisierte Neu-Auflage, der auch Harnoncourts Aufführungen zugrunde lagen, vor wenigen Tagen aus der Druckerei gekommen ist. Es empfiehlt sich jedoch, im Notenfachhandel darauf zu achten, keine Partitur des Restbestandes der alten Auflage zu bekommen. Um sicher zu gehen, ggf. bei Doblinger bzw. dem MWV direkt bestellen:
    http://www.mwv.at
    Dorotheergasse 10
    A-1010 Wien
    Ich halte übrigens nach wie vor den live-Mitschnitt des ersten Konzertes von Harnoncourt durch den ORF für noch spannender als das Studio-Produkt. Leider ist das natürlich nicht auf CD erschienen, aber vielleicht hat ja der ein oder andere diese Übertragung aufgezeichnet?
    Mich freut natürlich besonders, daß die Harnoncourt-Aufnahme der Fünften den Echo-Klassikpreis bekommen hat. Thielemanns Aufnahme war ebenfalls nominiert, aber ... ;-)
    Eine günstige Besprechung der Harnoncourt-Einspielung hat im Juli sogar der alte Karajan-Kämpe Richard Osborne im Grammophone Magazine vorgelegt.
    Herzliche Grüße
    Ben Cohrs

  • Zitat

    Original von ben cohrs
    Ich halte übrigens nach wie vor den live-Mitschnitt des ersten Konzertes von Harnoncourt durch den ORF für noch spannender als das Studio-Produkt.


    Ach ja, der Harnoncourt... ;)


    Da ich ein recht zwiespältiges Verhältnis zu Harnoncourts Bruckner habe (uneingeschränkt hervorragend gefällt mir bisher nur die siebte) und immer noch am überlegen bin, ob ich mir seine Einspielung der fünften Sinfonie zulegen soll, wäre ich für Hörenindrücke dankbar (von dem einen und/oder anderen, der die Aufnahme besitzt...).

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Norbert: Interessehalber sende ich Dir die erstaunlich positive Rezension von dem alten Karajan-Kämpen Richard Osborne (Grammophone, 5. 7. 2005) sowie in Kopie ein e-mail von Ken Ward, dem Herausgeber des BRITISH BRUCKNER JOURNAL, mit einer Reaktion auf den live-Mitschnitt der Fünften unter Harnoncourt vom 10. 6. 2004. Liebe Grüße, Ben


    *****************


    "The word ‘vision’ is much misused these days yet to talk of Nikolaus Harnoncourt´s view of Bruckner´s Fifth won´t quite do. This is more a realisation than an interpretation, musically vivid but spiritually serene. I´ve seen it said that the real Bruckner is to be found in his themes, not his developments; that he was an embodier rather than a seeker. Not the least remarkable feature of Harnoncourt´s performance is his refusal to manipulate the structure of the long outer movements – the transitions in particular. This is risky. Scholars worry about what they call ‘disjunction’; so do conductors and listeners. I confess that after first hearing the performance I was more than happy to turn to Franz Welser-Möst´s more theatrical, structurally explicit reading, recorded live with the London Philharmonic in Vienna´s Konzerthaus during the 1993 Whitsun holiday. Harnoncourt, however, drew me back to his serene – I suspect Baroque-inspired – view of this ‘Symphony of Faith’. Serene but now slow. By the clock, this is one of the quickest Fifths on record, though only the Adagio is taken more swiftly than usual. It was here that Bruckner began the symphony in the pit of despair in 1875 with a keening oboe melody which he marked ‘Sehr langsam’ but scored alla breve. Harnoncourt treats it allegretto after the manner of a threnody by Bach or Mozart, whose Requiem is quoted during the course of the movement. Furtwängler, surprisingly, took a similar view of the movement, as does Welser-Möst. The ‘liveness’ of the live performance owes much to Harnoncourt – his persona fuelling the music-making not the concept, which is as it should be – though the superlative playing of the Vienna Philharmonic is also a factor. The light-fingered realisation of the exquisite string traceries is a constant source of wonder; tuttis are glowing and unforced. The hall of the Musikverein helps, too; with an audience present it offers a uniquely natural-sounding Bruckner acoustic. Perversely, we get little sense of this in the 75-minute rehearsal disc, where the microphones are differently positioned and where the playing is often lacklustre and sketchy, the players disinclined to do more than absorb the gist of Harnoncourt´s remarks ahead of the performance itself. At one point, he delivers a short lecture on Bruckner and the Mozart Requiem. This will be double Dutch to non-German speakers (RCA provides no English-language digest of the rehearsal). Fortunately, the topic is more than adequately covered in Benjamin-Gunnar Cohrs´s excellent booklet essay. Another black mark against RCA is the jewel-case, which is fragile and difficult to handle. If you do manage to effect an entry, you will find within a performance of rare vision and strength."
    Richard Osborne


    ***********


    [04. 07. 2005]
    "Hi Ken! –Have you had any chance to listen to the CD with the live concert recording (ORF) of Bruckners Fifth? Harnoncourts Br. V just received the Echo Classical Award! Best Ben


    Yes, Ben, I have – at last – had a chance to listen to that Harnoncout 5th that you so kindly did for me! And, yes, it seems to me much better than the commercial product. There’s none of that strange detail that offended me before, and the sound is much better, everything clearer, better proportioned and better articulated. In fact, as soon as that ff tutti arpeggio in the introduction enters, I’m aware of a vast energy that spans the whole performance: it stays in your mind and is still there during the closing chorale, so the whole thing goes like one great swing, a paragraph, from beginning to end. What is also very good, for me, is the way the first movement allegro steals in unpretentiously: there ‘s an understanding there of the overall form of the symphony, that this movement, though strong, is part of a large prelude to the Finale. Similarly, the Adagio – the second theme especially – is wonderfully handled. I always find Jochum’s slow, grand, emotional, religiös/sentimental way with this theme to be disruptive of the formal structure of the movement (and of the symphony as a whole), but here with Harnoncourt the theme is all of a piece, and falls into place in the symphonic structure. And of course, once the structure is safe, the power delivered at the very end of the symphony is so much stronger! I’ve only heard it through once, and without the score, but I shall return to it and give it more attentive listening, but for now – thanks, Ben. It’s a revelation of a different symphony to the one we’re used to hearing. No doubt the Echo Classical Award well deserved! All the best, Ken“

  • Danke, Ben, nun bin ich schlauer.


    Nachdem Harnoncourt fast durchweg gute Kritiken "geerntet" hat, denke ich, werde ich mal käuflich tätig werden...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Norbert: Sowohl an der polarisierenden Thielemann-Aufnahme der Fünften wie auch der von Harnoncourt scheinen mir zwei Grund-Tendenzen sichtbar zu werden. Es gibt viele Hörer, die schwören auf jede Verbesserung im Tontechnik-Bereich, und es gibt andere viele Hörer, die wünschen sich sehnsüchtig ein "zurück zur Natur". Besonders die "nachbearbeiteten Live-Mitschnitte" machen dies ohrenfällig, und an der Harnoncourt-CD kann man das besonders daran hören, wenn man die SACD mit dem korrigierten, endbearbeiteten Schnitt vergleicht mit dem Probenmitschnitt auf normaler Audio CD, der im Prinzip ein ganz gewöhnlicher Rundfunkmitschnitt bei leichter Nachbearbeitung (ich glaube, etwas zusätzlicher Hall) ist. Ich glaube persönlich, ein Zuviel an Nachbearbeitung, ein Zuviel an Fortschrittsglaube kann vieles kaputtmachen. Was für eine Illusion von der "perfekten" Aufnahme! Was für ein Floh, der uns da immer noch seit Karajan im Ohr sitzt! Jeder Musiker weiß doch, daß NICHTS perfekt ist. Man macht immer kleine Fehler, und das macht das Musizieren menschlich und so interessant. Warum dann eine Illusion der Perfektion schaffen, wenn der Eindruck des Lebendigen verloren geht? Wäre vielleicht einen Extra-Thread wert...
    Liebe Grüße
    Ben
    PS: Ich glaube, der ORF hat einen Mitschnitt-Service. Man könnte ja mal hineinschreiben und versuchen eine Kopie zu bekommen (Konzert vom 10. 6. 2004, glaube ich)

  • Hallo Ben,


    ich denke auch, daß Deine sehr interessanten Ausführungen einen extra-Thread verdienten, denn die geschilderte "Problematik" ist nicht nur Bruckner-spezifisch, und einiges fiele mir als Antwort ein...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Kleiner Tipp am Rande: heute Abend, 20:00Uhr, WDR3 Radio, Live-Mitschnitt Inbal, RSO Köln aus dem Kloster Eberbach, 21.07.2005, ich habe das Konzert am Vorabend in Köln gesehen und war überzeugt.


    Von meinen B5 CD´s ziehe ich am häufigsten:


    Sinopoli mit der StaKa Dresden (Sinopoli wird hier kaum genannt, woran liegt´s?)
    Thielemann mit den Münchnern
    Celibidache mit den Münchnern


    Man merkt schon, daß ich eher ein Freund der langsamen Tempi bin.


    Die Aufnahme Matacic mit dem Orch. Nat. de France ist ebenfalls eine Top-Empfehlung, und falls jemand die Möglichkeit hat, Asahina zu hören (am besten mit dem Osaka PO), dann sollte er das tun, das gilt für alle anderen Bruckner-Symphonien auch.

  • Guten Abend zusammen,


    kurz zu Harnoncourts Aufnahme der Fünften, nach langer Zeit wieder gehört, ohne die Probenausschnitte diesmal.



    Frappierend sind IMO nicht nur die Leistungen der Wiener Philharmoniker in den unteren Lautstärkegraden (mag auch sein, dass ich nach dem doch noch recht frischen Live-Eindruck darauf gerade etwas fixiert bin), sondern auch der Aufbau der Sinfonie über die Sätze hinweg. Im ersten Satz, den Harnoncourt vergleichsweise langsam angeht, notabene im Allegro-Teil, wunderte ich mich noch über gelegentlich fehlende Emphase - nach der Coda des vierten Satzes war aber klar, dass Harnoncourt die gesamte Interpretation konsequent auf den Schluss hin aufbaut. So habe ich das auch noch nicht bei Gielen gehört, der, wie richtig bemerkt wurde, in den letzten Takten etwas zu nüchtern ist.


    Zweiter anmerkenswerter Punkt ist die Flexibilität der Tempi, die mir in anderen Bruckner-Aufnahmen mit Harnoncourt so noch nicht aufgefallen ist, aber in jedem Moment überzeugt (die Wiener folgen auch jeder Beschleunigung und jedem Abbremsen absolut akurat im Zusammenspiel). Und die rhythmische Präzision! Schon gleich im Kopfsatz enorm, aber über das ganze Stück hinweg.


    Jetzt würde mich der von Ben erwähnte Live-Mitschnitt allerdings sehr interessieren, gerade im Vergleich. Naja: Man muss Träume haben....


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Lange hatte ich diese Aufnahme gesucht (da nur noch im Rahmen der Gesamtaufnahme aller Sinfonien erhältlich). Nun besitze ich sie endlich, und das Warten hat sich gelohnt:



    Was mich bei so gut wie allen Aufnahmen Chaillys und dem Concertgebouw Orchester fasziniert, ist das wunderbare Orchesterspiel. Das Orchester ist in sämtlichen Bereichen herausragend besetzt, und man merkt die große Komepetenz, die es durch Jochum, Haitink und Chailly in Sachen Bruckner (und auch Mahler) erworben hat.


    Chailly läßt sich ein bißchen mehr Zeit als Gielen oder von Dohnanyi, auch sind die Blechbläserakzente etwas "gemäßigter" als bei Gielen.
    Allerdings ist bei 20'24'', 18'07'', 13'07'' und 23'31'' nichts verschleppt, im Gegenteil, der Italiener versteht es stets, den musikalischen Fluß zu wahren, ohne Details oder schöne Melodienbögen (ibs. bei den Holzbläsern) zu vernachlässigen.


    Da auch die Klangqualität -"Decca-like" bei Chailly-Aufnahmen- superb gerät, müßte jeder Bruckner-Freund käuflich tätig werden, wenn es denn die Einspielung einzeln gäbe...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Bruckner, die Fünfte / Chailly:
    Da stimme ich VOLL zu. Ich habe noch die Einzelausgabe in meiner Sammlung. Der Schluss vom Finalsatz ist derart bewegend, dass man nach den letzten Takten nicht gleich aufspringt, sondern ein paar Momente länger im Sessel sitzenbleibt. :yes:

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Der ORF-Live-Mitschnitt von Bruckners Fünfter mti den Wienern unter Harnoncourt
    --nicht identisch mit der CD-Produktion!--
    wird am Sonntag, 25. 9. 2005 ab 20 Uhr auf DeutschlandradioKultur gesendet!
    Beste Grüße

  • Eher zufällig bin ich auf die viel diskutierte Aufnahme mit Christian Thielemann gestoßen, und da ich sie zum halben Preis erwerben konnte, überlegte ich nicht lange und "schlug zu".



    Eines muß man Thielemann lassen: An Selbstbewußtsein mangelt es ihm nicht. Im Beiheft heißt es: "Ich bin ein Musiker, der sich seit langem zu Bruckner hingezogen fühlt. Gerade bei Bruckner-Interpretationen aber muß irgendwann einmal Schluß sein mit den Vergleichen. Das Publikum spricht heute oft von Günter Wand, der fast 50 Jahre älter ist als ich oder von Wilhelm Furtwängler, der seit über 50 Jahren tot ist. Wollte man als junger Dirigent auf diese Stimmen hören, würde man sich kaum mehr trauen, einen Taktstock in die Hand zu nehmen. Ichstelle mich mit Freude in die Tradition der Münchner Philharmoniker, um meine Ansichten mit den Musikern zu erarbeiten. Ich hoffe, dies ist ein Weg zu Bruckners Symphonien, auf dem mir mein Orchester -nach der Zeit mit James Levine als Chefidirigent und nach den vielen Jahren mit Sergiu Celibidaches Bruckner-Analysen- mit allem Einsatz folgt."


    Warum "gerade" bei Bruckner nicht mehr verglichen werden soll, vermag Thielemann nicht aufzuklären, auch nicht, warum es gerade Wand und Furtwängler sind, die nicht mehr als Vergleichsmaßstab dienen. Ketzerisch möchte ich anmerken: Hätte Thielemann bloß auf Wand und Furtwängler gehört. Er hätte etwas lernen können... :stumm:


    Thielemanns Bruckner ist effektvoll. Die alte deutsche Orchesteraufstellung (1. Violinen links außen, 2. rechts außen, Kontrabässe links hinten; Kubelik und Klemperer spielten ebenfalls mit dieser Aufstellung) erweist sich wie so oft als Gewinn in Sachen Durchhörbarkeit, das Orchester spielt auf sehr hohem Niveau (ibs. die Blechbläser wissen zu gefallen).


    Im Beiheft erzählt Thielemann von der "Wiederentdeckung der Langsamkeit. Zwangsläufig findet er [der "Hörer von heute"] dann heraus, daß in dieser Langsamkeit sehr wohl ein unglaubliches Feuer ist. Allerdings lodert es unter der Oberfläche."


    Langsam ist er in der Tat, wenngleich Celibidache und Eugen Jochum 1986 noch langsamer waren. Im ersten Satz geht imo das Konzept der Langsamkeit noch auf. Thielemann gibt der Musik Zeit sich zu entfalten und erreicht ein stimmiges Konzept. Im zweiten Satz allerdings bleibt die Musik stellenweise stehen. Höchst irritierend sind ständige Tempowechsel, die ibs. im "Adagio" stören. Geht's zu einem Höhepunkt zu, wird Thielemann schneller, wird's leiser, wird's auch gleichzeitig langsamer. So zerdeht er bisweilen den normaler Weise wunderschönen Satz.


    Im Scherzo wird's dann grotesk. Auch hier ist mir das Grundtempo zu langsam, auch hier stören Rubati, aber erschwerend kommt noch hinzu, daß der Tanzrhythmus zu Beginn (nach 0'18'') derart langsam gerät, daß man sich an einen Militärmarsch erinnert fühlt. Diese Assoziation habe ich deswegen, weil Thielemann bei Bruckner nicht an St. Florian, sondern u.a. an Ostpreußens Wälder und Bäume und an "kilometerlange Allen aus 250 Jahre alten Eichen" denkt und "Preußen" maßgeblich für "Militär" steht.


    Der vierte Satz weiß igs. zu gefallen, wenngleich im grandiosen Schlußchoral Thielemann sein Dauerfortissimo in den vorigen Sätzen zum Verhängnis wird. Wo bei Celibidache, Jochum, Haitink, Chailly (u.a.) der Choral den Höhepunkt der ganzen Sinfonie darstellt, hat Thielemann in seiner "Dauer laut-Lautstärke" in den Fort- und Fortissmo-Passagen sein Pulver weitestgehend zu schnell verschossen (um in der Miltär-Assoziation zu bleiben), um den Choral besonders herauszustellen.


    Trotz aller Unzulänglichkeiten und Ärgernisse läßt mich Thielemanns Deutung nicht kalt. Er spielt alles andere, aber nicht "meinen Bruckner", dennoch kann ich stellenweise nachvollziehen, weswegen seine Antrittskonzerte frenetisch bejubelt wurden. Im Konzertsaal ist es bestimmt schwerer, sich den Effekten zu entziehen als beim "nüchternen Abhören der Konserve".

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Wenn das Zitat nicht aus dem Zusammenhang gerissen ist, dann war Wand bereits tot, als Thielemann das gesagt hat (2002 meine ich ist Wand verstorben, 2003 im April wusste Thielemann erst, daß er Chefdirigent der Münchner wird).


    Aber ich finde es angebrachter, über einen Toten so zu sprechen, als ob er noch lebe, es ist jedenfalls geschmackvoller, als (gar nicht so lange her) über einen Lebenden so zu sprechen, als sei er schon tot.

  • Nichts desto weniger ist Thielemanns Selbstdarstellung für mich schlicht und einfach :kotz:


    Ich finde es peinlich, wie er bedeutende Bruckner-Interpreten einfach wegwischt - und dieses Wegwischen zum Programm macht.
    Wenn die Folge davon nun eine ganz neue Sichtweise wäre, würde ich das akzeptieren. Aber was serviert uns Thielemann in dieser 5. Bruckner?
    - Rubati à la Furtwängler, nur nicht ganz so logisch (und das sage ich, der ich Furtwängler eher nicht mag).
    - Langsame Tempi à la Knappertsbusch, nur nicht so spannungserfüllt.
    - Ein im Vergleich zu Wand erstaunlich verwaschenes Klangbild.
    - Ein im Vergleich zu Eichhorn eigentümlich engräumiges Musizieren.
    - Eine im Vergleich zu Boulez zumindest eigentümliche Balance der Bläser (IMO zu starke Mittelstimmen, wodurch der Satz mehlig klingt).
    - Einen im Vergleich zu Wand und Eichhorn schwach bis schlecht disponierten Steigerungsaufbau.
    Fazit: Was er ähnlich macht wie seine Vorläufer, macht er schlechter als sie; was er anders macht, ebenfalls.
    Womit diese Aufnahme für mich nicht wirklich schlecht ist. Sie ist nur in meinen Augen und Ohren einfach verzichtbar.


    Nachtrag - Dank Holgers unmittelbar folgendem Eintrag des besseren Leseflusses zuliebe von 8. auf 5. verbessert.
    Eine Freud'sche Fehlleistung - ich hörte beim Abfassen eben 8./Adagio...

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Aber was serviert uns Thielemann in dieser 8. Bruckner?


    Ist aber eine 5. :D

  • Liebe Leute,
    es ist alles wirklich nur eine Angelegenheit der persönlichen Vorlieben, die man hegt.
    Ich habe die Fünfte mit Thielemann live gehört und sage, dass mir bisher nichts Beglückenderes untergekommen ist in meinem langen Bruckner-Leben. Wenn man sich in Distanz zur kultischen Verehrung von spektakulären Dirigentenpersönlichkeiten übt, kann man auch ohne Neid große Leistungen anerkennen. Hinzu kommt, dass man nicht vergessen sollte, dass die jeweiligen Orchestermusiker die Wunderleistungen vollbringen und der Dirigent allenfalls eine Idee vorgibt, - ein Wegbereiter fürs Gelingen ist.
    Auf Vieles, was sich einem im musikalischen Bereich darbietet, kann man vielleicht "verzichten", aber sie sind einfach da, diese Mannigfaltigkeiten der Sichtweisen und somit die musikalischen Ergebnisse der Ausführenden.
    Man sollte "vorsichtig" mit pauschalen Kommentierungen umgehen. Denn wie würden wir reagieren, wenn jemand gar verlauten lassen würde, man könne evtl. sogar auf die Fünfte selbst "verzichten".
    Nicht undenkbar, selbst in unserer aufgeklärten musikalischen Epoche.


    Verzeiht meine etwas harschen Worte,
    frdl. Grüße,


    D. U. :wacky:

  • Na, aber Holger, dieser kleine vertipper... ;)



    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Nichts desto weniger ist Thielemanns Selbstdarstellung für mich schlicht und einfach :kotz:


    Ich finde es peinlich, wie er bedeutende Bruckner-Interpreten einfach wegwischt - und dieses Wegwischen zum Programm macht.
    Wenn die Folge davon nun eine ganz neue Sichtweise wäre, würde ich das akzeptieren. Aber was serviert uns Thielemann in dieser 8. Bruckner?


    Hallo Edwin,


    Du hast es deutlicher ausgedrückt als ich...


    Der Eindruck der Selbstdarstellung drängt sich in der Tat auf, ibs. wenn man Thielemanns Gedanken liest.


    Ich zitiere nochmals aus dem Beiheft: "Um Bruckner wirklich zu verstehen, muß man sich wohl erst einmal auf die Langsamkeit einlassen-seine Musik ist nicht im eigentlichen Sinne feurig." Danach folgt der schon zitierte Teil mit der "Langsamkeit".


    Wand ist ca. neun Minuten schneller als Thielemann, Harnoncort zehn, Gielen gar 14. Haben die Bruckner nicht verstanden?


    Oder eine andere Stelle: "Ich neige dazu, manche Pausen zu verlängern, um die Spannung zu steigern."


    Gielen z.B. hält die Generalpausen, so weit verfolgbar, genau ein. Einen Spannungsverlust kann ich dadurch nicht erkennen, im Gegenteil. Hat Bruckners Musik es nötig, daß künstlich Spannung gesteigert werden muß?

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Original von Der Unzeitgemäße
    Wenn man sich in Distanz zur kultischen Verehrung von spektakulären Dirigentenpersönlichkeiten übt, kann man auch ohne Neid große Leistungen anerkennen.


    Wenn sie denn solche sind, kann man es mit Sicherheit ;) .
    Egal, ob ich (mit-)angesprochen war oder nicht: Ich hatte mir überlegt, wohin ich meine Sichtweise der Bruckner-Sinfonie setzen sollte. Ich hatte mich für diesen Thread und nicht den Thielemann-Thread entschieden, weil es mir in erster Linie um das Werk und nicht um den Dirigenten ging.


    Daß wir -zwangsläufig- auf Thielemann selbst zu sprechen kommen, hat er sich imo größtenteils selbst zuzuschreiben. Er muß sich daran messen lassen, was er selbst im Beiheft zum besten gibt. Wenn ich messe, dann stelle ich fest, daß die Schuhe, die er sich anziehen wollte, ein Stück zu groß sind.



    Zitat


    Verzeiht meine etwas harschen Worte,
    frdl. Grüße,


    D. U. :wacky:


    So harsch fand ich sie gar nicht...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Fand ich die 9. unter Celibidache und den Münchnern einfach nur perfekt, verstört mich die Aufnahme der Fünften etwas. Die Sinfonie klingt (vor allem im Finale) ein wenig merkwürdig. Es sind nicht die Tempi, sondern die Akzente, die gesetzt werden, die mir überhaupt nicht zusprechen. Eine sonderbare Aufnahme, wie ich meine.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

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  • Zitat

    Original von ben cohrs


    Ich halte übrigens nach wie vor den live-Mitschnitt des ersten Konzertes von Harnoncourt durch den ORF für noch spannender als das Studio-Produkt. Leider ist das natürlich nicht auf CD erschienen, aber vielleicht hat ja der ein oder andere diese Übertragung aufgezeichnet?


    Wenn damit die Übertragung aus dem Großen Festspielhaus in Salzburg vom 28. August 2005 gemeint ist (interessant, dass ich gerade jetzt darauf stoße), dann habe ich sie aufgezeichnet. Allerdings habe ich kein Digitalradio und habe somit das Rauschen des terrestrischen Empfanges und des analogen Einganges (in den DVD-Rekorder). Außerdem bin ich nicht sicher, ob mein Rekorder nicht den "Aufsprechpegel" etwas glättet. Wenn mir eine Sendung besonders gut gefallen hat, mache ich mir manchmal CDs daraus (die ich in der Handhabung praktischer finde als DVDs), und das Rauschen im Hintergrund stört mich dann auch nicht, da es ja konstant bleibt.


    Ich hatte damals schon die gerade erst gekaufte CD "im Ohr" und war während der Radio-Übertragung enttäuscht von dem vermischten Klang. Ich bin da wohl ein Opfer der neuerdings so extremen Nachbearbeitung der Aufnahmen in den Studios, wo der Klang noch mal so aufgemotzt wird und "so toll und perfekt" klingt, wie ihn gar niemand live im Konzert hören konnte.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Hallo,
    vielen Dank für die Umfangreiche Diskussion um Vorzüge und Schwächen einzelner Einspielungen.
    Mich würde es sehr freuen, wenn ihr - ohne noch mal alles aufzurollen kurz und knackig- die lohnenswerten Bruckner 5 Aufnahmen nennen könntet. Ich besitze im Moment nur Thielemann :jubel: und Barenboim und zu aller Schwere schlägt auch noch ein romantisches Blechbläserherz in meiner Brust....
    Also los, jetzt will ich Namen hören, um vergleichen zu können.
    Danke
    :hello:
    Sven

    Tuba mirum spargens sonum....

  • Ich bin der Meinung, mit Thielemann bist du bestens bedient, besonders was den Finalsatz angeht :jubel:

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon


  • Hallo Sven,


    ich finde, wir sind hier deutlich genug geworden. ;)


    Im "was höre ich gerade"-Thread erwähntest Du Günter Wand und Celibidache.


    Mit Günter Wand machst Du nichts verkehrt. Die 5. Sinfonie begründete quasi seinen "späten Weltruhm". Er nahm sich sehr lange Zeit, um sie überhaupt einmal aufzuführen, weil er sich fürchtete, ihrer nicht gerecht werden zu können.


    Das Ergebnis war die Aufnahme mit dem Kölner-Rundfunk-Sinfonie Orchester, für die Wand viele Preise einheimste.



    Klanglich und orchestral besser sind allerdings die späteren Aufnahmen mit den NDR-Sinfonikern bzw. Berliner Philharmonikern.


    Noch nicht genannt, aber für mich eine der Meilensteine der Bruckner Interpretationen, ist Eugen Jochums Live-Mitschnitt aus dem Kloster Ottobeuren vom 30. und 31. Mai 1964.


    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich kenne Sinopoli, Wand, Celibidache, Klemperer, Knappertsbusch, Karajan, Welser-Möst, Haitink u. v. m., jeden in mindestens einer Aufnahme, doch es ist wirklich besagte Harnoncourt-Aufnahme (nämlich die, die es zu kaufen gibt im Doppelpack mit der Proben-CD), die mir von allen am besten gefällt.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Ja, ich meinte die ORF-Live-Ausstrahlung.
    Der andere Klang des Probenmitschnitts erklärt sich übrigens dadurch, daß, wie ich inzwischen hörte, nicht im großen Musikvereinssaal geprobt wurde.
    Nichtsdestotrotz wurde leider auch erheblich nachbearbeitet. Diese Teldex-Techniker haben eine Vision vom angeblich perfekten Klang, der mit Natürlichkeit nichts mehr zu tun hat und eine reine Schimäre ist -- in meinen Augen äußerst bedauerlich, da die klanglichen End-Ergebnisse der Produktionen auch der Interpretationskunst und der Musizier-Natur von Herrn Harnoncourt nicht so gerecht werden - - was man denn auch beim Vergleich der Proben-CD mit dem bearbeiteten Konzertmitschnitt leider deutlichst hört.

  • Habe gerade die Vierte unter Harnoncourt gehört und sie hat mir ähnlich wie seine Siebte und Achte sehr gut gefallen (ich hab grundsätzlich so meine Probleme mit Bruckner) und überlege daher den Kauf der Fünften. Jetzt hab ich aber bei unseren Partnern die Angabe gefunden, dass es sich bei der Bruckner 5 um eine reine SACD handelt, also ohne Hybridfunktion.


    Meine Frage: stimmt das (was äußerst schade wäre)?

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Zitat

    Original von georgius1988
    Jetzt hab ich aber bei unseren Partnern die Angabe gefunden, dass es sich bei der Bruckner 5 um eine reine SACD handelt, also ohne Hybridfunktion.


    Also diese hier ist hybrid und meiner Meinung nach auch sehr empfehlenswert:


  • Besten Dank, dann werd ich mal losstiefeln und schauen ob sie Saturn wieder unter 10 Euro verscherbelt so sie die 7. und 8. (mal ehrlich wissen die nicht wieviel die wo anders kostet?).


    LG
    Georg

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • ACHTUNG!


    Weiß jemand von euch, ob es noch eine Aufnahme der 5. gibt, in
    der ähnlich wie bei Skrowaczewski, die Pizzicatti der "dunklen"
    Streicher am Anfang des 2. Satzes (bei 1:21 min) den gestrichenen
    Streichern im Tempo vorgezogen sind bzw. sich unsymmetrisch überlagern?


    Gruß Jan


    ?(

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