Brockhaus am Ende

  • Zitat

    Original von Theophilus


    Das kann man so nicht sagen. Zwischen 1975 und 2008 hat sich in der Physik sicherlich nicht weniger getan als im erstgenannten Zeitraum. Der Unterschied liegt darin, dass die Umwälzungen von 1900 bis 1930 gerade noch populärwissenschaftlich aufbereitet werden können. Aktuelle Entwicklungen in der Physik kannst du nur jemandem erklären, der ohnehin schon über ein profundes physikalisches Wissen verfügt. Sie sind für den gehobenen Bildungsbürger bereits völlig unverständlich und sprengen schlichtweg den Rahmen eines Lexikons wie dem Brockhaus.


    Lieber Theophilus,


    das kann man schon so sagen. Johannes hat den Zeitraum 1900 - 1930 klug gewählt, denn dieser umfasst die Geburtstunde und Ausformuleirung zwei der fundamentalen Säulern der Physik: Relativitätstheorie und Quantentheorie. In der heutigen auf schnelle Verwertbarkeit ausgerichteten Zeit wird relativ wenig Grundlagenforschung betrieben, vieles sind ganz ganz kleine Brötchen, die gebacken werden und die in der heute vorherrschenden Publizierungswut allerdings größtenteil in Fachzeitschriften bleiben werden. Natürlich ist diese immer der Beginn, aber in den Jahren 75-2008 hat sich tatsächlich nicht so viel getan wie in den ersten 30 Jahren des 20. jhd.


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Wulf


    das kann man schon so sagen. Johannes hat den Zeitraum 1900 - 1930 klug gewählt, denn dieser umfasst die Geburtstunde und Ausformuleirung zwei der fundamentalen Säulern der Physik: Relativitätstheorie und Quantentheorie. In der heutigen auf schnelle Verwertbarkeit ausgerichteten Zeit wird relativ wenig Grundlagenforschung betrieben, vieles sind ganz ganz kleine Brötchen, die gebacken werden und die in der heute vorherrschenden Publizierungswut allerdings größtenteil in Fachzeitschriften bleiben werden. Natürlich ist diese immer der Beginn, aber in den Jahren 75-2008 hat sich tatsächlich nicht so viel getan wie in den ersten 30 Jahren des 20. jhd.


    Der Zeitraum war genaugenommen fies und natürlich nicht zufällig gewählt. :D
    Aber er sollte ja nur als Illustration der Behauptung dienen, dass ein riesiges quantitatives Wissenswachstum stattfinden kann, ohne dass sich etwas *Grundlegendes* ändert. Lexika müssen nicht umgeschrieben werden, wenn jemand eine Konstante auf eine zusätzliche Kommastelle berechnet oder gemessen hat usw.
    Und dieser eigentlich sehr einleuchtende Umstand wird bei dem Gerede von "Verdopplung" alle 15 Jahre, Wissen wird innerhalb weniger Jahre obsolet usw., nicht berücksichtigt.


    Vermutlich gibt es in der Festkörperphysik schon ein paar sehr wichtige Sachen aus den letzten 30 Jahren (aber auch hier stammen die theoretischen und technischen Grundlagen für Halbleiter, Supraleitung usw. aus den 50ern).


    In der Elementar- und Kernphysik was m.E das letzte Großereignis die "elektroschwache Vereinigung" in den 70ern (Nobelpreis IIRC '79 an Glashow, Salam, Weinberg) und in der Folge der Nachweis der W und Z-Teilchen (ca. 83/84). Seitdem bastelt man an diesen Theorien weiter, bastelt neue Geräte, die aber ähnlich funktionieren und spekuliert natürlich munter mit allen möglichen mathematischen Modellen weiter.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    [i]
    Ich würd mal folgenden Vorschlag machen: nimm Dir mal den Artikel über Richard Wagner vor, und schreibe an irgendeiner Stelle etwas verkehrtes rein, z.B. falsche Aufführungsorte oder Daten, Fehler in den Lebensdaten usw. Dann verfolge mal, nach wie viel Minuten das von jemanden korrigiert worden ist.


    Natürlich findet man bei Wiki auch Unsinn. Aber meistens ist es gar nicht leicht, dem Unsinn Bestand zu geben.


    Das ist auch meine Erfahrung. Ich habe unlängst in zwei Beiträgen (in sehr guten!) Ergänzungen vorgenommen, übrigens in zwei völlig unterschiedlichen Bereichen. In beiden Fällen wandten sich die Urheber der Artikel umgehend an mich, um zu überprüfen, woher ich denn die Informationen hätte und dass ich die Quellen doch bitte belegen möge. (Was ich dann auch tat.)


    Der unlängst durchgeführte Vergleich vom "Stern", mag er auch in seiner Methodik anfechtbar sein, ließ Wikipedia deutlich besser abschneiden als den Brockhaus. Die Kritikpunkte hat Johannes aufgeführt: Manchmal sind Fachartikel zu fachspezifisch, manchmal aber auch einfach zu banal. Gerade das ist aber für mich das spannende an an einem solch offenen System. Im Idealfall repräsentiert Wikipedia für mich ein Idealbild des Internets: Ein uneigennütziges Teilen des Wissens.


    Ich vermisse den kompletten Brockhaus in meinem Elternhaus, das ich vor nunmehr 20 Jahren verließ, in keinster Weise. In manchen Punkten neige ich zu althergabrachten Traditionen: Ich kaufe keine CDs online, ich mag die Regalwände mit CDs und ziehe meine Musik nicht auf den Rechner (abgesehen von der, die ich auf meinen i-pod laden möchte). Ich liebe es, meinen dicken, ledergebundenen Atlas zur Hand zu nehmen und kaufe lieber gebundene Bücher als das Taschenbuch. Aber was lexikalisches Wissen angeht? Da verzichte ich gerne auf mehrere Meter Brockhaus.


    LG
    B.

  • Man darf Brockhaus nicht mit Wikipedia vergleichen.


    Gegenwartsbezogenes Wissen und technische Fragen - hir mag Wikipedia die bessere Wahl sein (naturgemäß)


    In Fragen von Geschichte ist Brockhaus völlig wertungsfrei und wenn es um humanistisches Wissen geht hat er eindeutig die Nase vorn.


    Zudem ist Wikipedia (wie im kleineren Rahmen auch Tamino) von der Tatsache bedroht, daß LAUFEND Kosten (für den Betreiber) anfallen. Sind die dereinst nicht gedeckt, dann verschwindet die gesamte Seite aum Nimmerwiedersehen ins Nirwana.


    Ein laufend angepasstes Lexikon erinnert mich ein wenig an Orwells 1984 wo es ja bekanntlich im Roman eine Abteilung gab, die unerwünschte Texte aus den alten (!!) Zeitungen nachtäglich entfernte. Sowas ist in enem Online Lexikon jederzeit möglich.
    Mein Brockhaus bleibt ein Spiegel seiner Zeit - auch wenn der Zeitgeist plötzlich ein anderer geworden ist.
    Das mach Uralt-Lexika bis heute unverzichtbar. Was man in einem Meyer Konversationslexikon von 1909 findet ist sonst nirgendwo mehr in dieser Ausführlichkeit beschrieben....


    Alte Lexika künden davon wie gewisse Dinge zu gewissen Zeiten beurteilt wurden....


    und auf diesen Vorteil möchte ich auch in Zukunft nicht verzichten müssen, denn ansonst könnte es in einem Online Lexikon des Jahres 2030 einst folgendfen Text geben:

    Zitat


    Klassische Musik
    a) Musik der engeren Zeitspanne Klassik


    b)Allgemeine Bezeichnung für sogenannte E- Musik, die allerdings heute keine Bedeutung mehr hat. Sie war ein politisches Sprachrohr von Adel und dekadentem Bürgertum, eine reaktionärte Kunstrichtung. Heute ist sie glücklicherweise ausgestorben und wurde durch praxisnähere Musikarten ersetzt.


    Nein danke....


    meint Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    Du traust der Musk aber wenig zu.


    Viel wahrscheinlicher ist es doch, dass ein anderer Eintrag, egal ob gedruckt oder im Net, wie folgt lauten wird:


    Zitat

    Tamino (Name, m.) Hauptfigur in der Oper DIE ZAUBERFLÖTE von Wolfgang Amadeus Mozart. s. dort


    Sonst nichts.


    Ich bin aber nicht so ein Kulturpessimist. Deswegen verstehe ich auch nicht, warum hier so ein Gegensatz aufgebauscht wird zwischen zwei Existenzformen, die beide ihre Berechtigung und vermutlich auch eine lange Lebensdauer haben.


    Es kommt doch allein darauf an, was man warum wo sucht und wie verlässlich das ist, was man findet.


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Alte Lexika künden davon wie gewisse Dinge zu gewissen Zeiten beurteilt wurden....


    Das erscheint mir als sehr interessanter Aspekt. Ich blättere hin und wieder gern in meinem "BI Universallexikon" (VEB Bibliographisches Institut) aus den 70ern.
    Ob ich denn in 30 Jahren - in der Hoffnung dann noch lesen zu können - in einer 2008er Wiki blättern kann?

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Ich möchte auch meine alten Lexika nicht missen - auch wenn sie meterweise Platz im Regal wegnehmen.


    Was jedoch Wickipedia in 30 Jahren betrifft: Es erscheint jährlich eine CD-Rom der Wickipedia-Datenbank (bzw. inzwischen ist es aus Speicherplatz-Gründen eine DVD-ROM). Zwar ist es richtig, wenn Alfred befürchtet, dass nicht aktuelle Beiträge online einfach ersatzlos gelöscht werden, aber diese jährlich erscheinenden DVD-Roms archivieren den jeweils aktuellen Stand.


    Als Andenken an meine Tätigkeit für Wickipedia habe ich die CD-Rom- Ausgabe Herbst 2004 aufbewahrt - in 30 Jahren könnte ich - wenn ich noch leben würde - darin blättern - und mit der dann gültigen Version vergleichen.


    Ebenso habe ich die CD-Rom-Ausgaben z.B. der Bielefelder Kataloge der letzten 20 Jahre aufbewahrt (die dicken Kataloge sind aus Platzgründen im Altpapier gelandet) - ich könnte also im Jahre 2030 durchaus eine CDRom einlegen und vor dem PC in den Neuerscheinungen des Jahres 1989 schwelgen....


    Das Verschwinden der Brockhaus-Bände ist doch nur die konsequente Fortsetzung einer Umstellung von bedrucktem Papier auf elektronische Speichermedien; wir haben das Telefonbuch auf Klicktel-CD, den Weltatlas auf Google-Earth - und auch alle Bände von Karl May auf einer CD! (Von der Bibel und vom Koran ganz zu schweigen! - Brockhaus-Riemann Musiklexikon, Reclams Opernlexikon, Kutsch-Riemens usw. haben wir alle doch schon längst als digitale Bibliothek)


    LG
    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hi All! :hello:



    wo befinden wir uns gerade jetzt?


    genau - im Internet


    Wiki, Google, Leo usw - sind klasse
    wenn ich recherchiere greife ich erst auf ein Buch zurück wenn ich mich intensiv mit einem thema befasse - das Buch recherchiere ich ebenfalls im Web


    dass die gedruckte, von fachleuten verfasste Lexika unfehlbar sind ist Nonsens.


    und...
    ... im Internet stosse ich bei meinen Recherchen auf ein Fülle von Inforrmation, dies soll ich eintauschen gegen einen kurz verfassten Absatz zum Thema?


    das will ich mir gar nicht mehr vorstellen!


    Wiki ist etwas grossartiges (ich verwende bewusst dieses Wort)


    wenn ich auf Wiki eine Fehler entdecke (ja kommt vor) korrigiere ich das un dbin froh meinen Beitrag geleistet zu haben am ganzen
    wenn ich in einem Lexikon einen Fehler entdecke (tja - kommt vor) dann ärgere ich mich grün und blau weil so ein Mist tatsächlich gedruckt und jemand auch noch geld dafür bekam
    wo wir schon bei der Bezahlung wären: ich finde nicht dass Wissen nur jenen vorrbehalten sein sollte die sich 100 Kilo Buch leisten können dessen Inhalt schon überholt ist wenn es in Druck geht


    Nobelpreisträger, Fussballmeister, Wahlkampfsieger - das kann man im Web schon nach ein paar Minuten lesen
    ich glaube nicht dass da irgendetwas anderes mithalten kann


    zur Optik: ja - schaut gut aus für manche - ich für meine Teil bin froh, dass mir meine Bücherregale nicht mit diesem Eyecatcher verstellt sind


    LG Paul? :angel:

  • Zitat

    Original von Harald Kral
    - ich könnte also im Jahre 2030 durchaus eine CDRom einlegen und vor dem PC in den Neuerscheinungen des Jahres 1989 schwelgen....


    So Du dann einen PC hast, der CDs lesen kann und die CD überhaupt noch lesbar ist...
    (Ich hab da z.B. eine 8"-Diskette, die ist gerade mal 25 Jahre alt. Gib's noch 8"-Laufwerke? Programme, die dieses Datenformat lesen?)
    Aber das ist ein anderes Thema...

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)


  • Genau, und hier gilt die Weisheit von Wilhelm Busch:


    "Wenn einer, der mit Mühe kaum
    raufgekommen ist auf einen Baum,
    glaubt, daß er ein Vogel wär'
    so irrt sich der"


    Im Ernst, wenn Du im Web etwas suchst, dann findest Du gewiss irgendwas. Na und? Welchen Wert diese Informationen haben mag wohl eine offene Frage bleiben. Von der Flüchtigkeit dieses Wissens einmal ganz zu schweigen. Leg einfach einmal eine Bookmarksammlung an und schau mal nach, was nach einem Jahr noch davon übrig ist (wirklich wahr, wenn ich im Netzt etwas von - vermuteter - Relevanz finde, sollte ich es am besten umgehend drucken, datieren und traditionell archivieren. Aus ist's mit der Allgemeinverfügbarkeit von Wissen).


    Ich will ja gar kein Wiki-Bashing betreiben, das Ding ist zuweilen ja ganz nützlich. Mit der Einschränkung allerdings, daß es an einer Redaktion fehlt, die die Beiträge sprachlich vereinheitlicht und auch einheitlich strukturiert. Vieles ist tasächlich in der Fachsprache der jeweiligen Disziplin abgefasst. Wenn ich als Nicht-Statistiker etwas über den Korrellationskoeffizienten erfahren möchte, fliegen mir bei der Wikipedia erst einmal Formeln um die Ohren. Das mag wohl seine Berechtigung haben; es wäre da allerdings zu fragen, ob die Detaillierung von so manchem Beitrag nicht besser in einem Fachlexikon aufgehoben wäre.


    Aber grundsätzlich sehe ich die Dinge wie Alfred: den gerne vorgetragene Jubel über die digitalen Möglichkeiten empfinde ich als recht kritikfreie Zone, die sich bilderstürmerisch geriert und traditionelles gerne über Bord werfen möchte. Sollen sie mal. Tradition hat einen langen Atem. Bei mir stehen nach wie vor der Grimm, der Thieme-Becker und auch der Brockhaus im Buchregal. Das LThK wird gelegentlich noch folgen.


    Doch kommen wir zum Segensreichen des Web. Gerade sehe ich, daß der Zedler tatsächlich komplett online ist. DER ZEDLER! Das finde ich allerdings großartig.


    @ Harald: Wenn ich ehrlich bin: Ich besitze nicht ein einziges digitales Buch. Auch kein Nachschlagewerk. Der entsprechende Katalo der WissBG landet bei mir - Ignorant, der ich bin - meist ungelesen im Papierkorb. Für mein Verständnis verbringe ich ohne hin viel zu viel Zeit vor diesem dämlichen Computer-Monitor. Diese Zeiten muß man ja nich auch noch künstlich heraufschrauben.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    @ Harald: Wenn ich ehrlich bin: Ich besitze nicht ein einziges digitales Buch. Auch kein Nachschlagewerk. [...] Für mein Verständnis verbringe ich ohne hin viel zu viel Zeit vor diesem dämlichen Computer-Monitor. Diese Zeiten muß man ja nich auch noch künstlich heraufschrauben.


    Hallo, jetzt sind sogar wir zwei uns einmal völlig einig!
    :hello:

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    Wenn ich ehrlich bin: Ich besitze nicht ein einziges digitales Buch. Auch kein Nachschlagewerk. Der entsprechende Katalo der WissBG landet bei mir - Ignorant, der ich bin - meist ungelesen im Papierkorb. Für mein Verständnis verbringe ich ohne hin viel zu viel Zeit vor diesem dämlichen Computer-Monitor. Diese Zeiten muß man ja nich auch noch künstlich heraufschrauben.


    Wenn ich die Wahl zwischen 3 laufenden Meter c't (eine Computerzeitschrift) oder eine DVD habe, dann wähle ich sicher lieber die DVD. Es ist nicht zuletzt einfach so, dass digitalisierte Wissen kompakter ist als gedrucktes.


    Ein Apsekt wurde noch gar nicht erwähnt: Die vermehrte Digitalisierung und verminderte Nutzung von Papier als Datenträger wirkt sich sicherlich sehr positiv auf den Papierverbrauch, Abholzung etc aus..


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    Aber grundsätzlich sehe ich die Dinge wie Alfred: den gerne vorgetragene Jubel über die digitalen Möglichkeiten empfinde ich als recht kritikfreie Zone, die sich bilderstürmerisch geriert und traditionelles gerne über Bord werfen möchte.


    Da sieht man mal, aus welchem Blickwinkel man alles betrachten kann. Grundsätzlich sehe ich die Dinge nicht Afred und Thomas: die gerne vorgebrachte Kritik an der Verdummungsmaschinerie neuer technischer Möglichkeiten und die damit verbundene unweigerlich folgende soziale Kälte, einhergehend mit einem Werteverfall sondergleichen, empfinde ich als chronifizierende Zone, die sich bildungsbürgerlich geriert und aus Angst vor dem Verlust des Status und dem Erreichten und aus Furcht vor Kompetenzverlust Neues gerne über Bord werfen möchte...


    Aber so denke ich nur von Freitag bis Montags. Von Dienstags bis Donnerstags bin ich entgegengesetzer Meinung. Das ist übrigens mein Beitrag zur Woche der Postmoderne...


    :angel:

  • Zitat

    Original von Blackadder
    ... und aus Furcht vor Kompetenzverlust Neues gerne über Bord werfen möchte...



    :angel:


    Falsch, gar nicht erst drauflassen möchte :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    Nein, so gemein sind wir ja gar nicht. Die Frage eines entweder/oder jedenfalls stellt sich mir nicht (irgendwoher muß ja jemand wie ich spitz kriegen, daß der Zedler online ist).


    Bringen wir es doch auf einen ganz deutlichen Punkt: Die klassische gedruckte Enzyklopädie ist eine Institution. Wenn sich daneben Neues, Ergänzendes entwickelt, fein. Sagen wir es einmal so: ich lese ganz gerne in meinem Schaukelstuhl. Und anders als Theophilus möchte ich da keinen Laptop, sondern ein Buch in Händen halten.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    Sagen wir es einmal so: ich lese ganz gerne in meinem Schaukelstuhl. Und anders als Theophilus möchte ich da keinen Laptop, sondern ein Buch in Händen halten.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:


    So hat halt jeder seine Vorlieben: Ich brauche beispielsweise unabdingbar meine Morgenzeitung, während ich genug Leute kenne, die mittlerweile dieses Informationsbedürfnis ausschließlich mit den neuen Medien stillen - und sie haben pragmatisch betrachtet viele Argumente auf Ihrer Seite.


    Die schöne heile Aussicht einer parallelen Entwicklung zwischen Papier und Bildschirm dürfte allerdings leider am ökonomischen scheitern. So sehr ich jedem seinen Brockhaus und das haptische Erlebnis gönne, rechnet sich die Produktion offenbar nicht mehr. Und wenn man bedenkt, wieviele lesenswerte Bücher derzeit vergriffen sind, kommen einem ohnehin die Tränen.
    Irgendwann, so fürchte ich, wird auch meine Zeitung verschwinden oder schlicht unerschwinglich teuer sein.
    Sicher finde ich dann aber auch ein geeignetes Forum zum lamentieren. :D


    Gruß
    Sascha


    PS: Äußerst Begrüßenswert finde ich allerdings auch den prinzipiellen Gedanken: "Brockhaus für Jedermann". Nachdem wir ja via PISA schwarz auf weiß darauf hingewiesen wurde, wie abhängig die kindliche Bildung von derjenigen der Eltern ist, fällt nun zumindest die Hürde, unbedingt in einem Haushalt aufwachsen zu müssen, in dem sich unter den Lexika die Balken biegen. Klar, es gibt Bibliotheken und auch viele erschwingliche gute Nachschlagewerke, aber es bleiben dennoch Hürden bestehen. Und somit ist zumindest der kennenswerte Inhalt des Brockhaus quasi demokratisch verteilt.

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    ...
    Sagen wir es einmal so: ich lese ganz gerne in meinem Schaukelstuhl. Und anders als Theophilus möchte ich da keinen Laptop, sondern ein Buch in Händen halten.
    ...


    Ganz falsch! Ich lese nicht am Laptop (zumindest keine Belletristik; wo hast du das her?). Aber ich fände es ganz praktisch, wenn ich über das Notebook der Anlage ausrichten könnte, was ich hören will, und zwar ohne dabei aufstehen und ohne dabei Regale durchforsten zu müssen.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus


    Ganz falsch! Ich lese nicht am Laptop (zumindest keine Belletristik; wo hast du das her?)


    Lieber Theo, das entstammt Deiner eigenen Schreibe :D . Nun gut, ist nicht ganz korrekt wiedergegeben, aber hier das Zitat


    Zitat

    Original von Theophilus
    Du Glückliche musst noch über Luchsaugen verfügen. Ich ziehe das Lesen eines Textes auf einem hochauflösenden Schirm, wo ich mir auch noch die Schriftgröße nach eigenem Gutdünken einstellen kann, jederzeit dem Entziffern der Miniaturtexte heutiger Booklets vor! Allerdings sollte es beim Musikhören vor der Stereo-Anlage dann schon ein Notebook sein. Das ist viel bequemer.


    Es ging da am 29.11.2007 um CD-Booklets. War meinerseits dennoch eher scherzhaft gemeint :angel: .


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Beim Lesen der (Print)-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung stieß ich auf diesen Link, der vielleicht einige interessieren dürfte:


    http://www.retrobibliothek.de/retrobib/index.html


    Dort findet sich eine wahre Fundgrube ältester lexikalischer Werke, u.a. Meyers Konversationslexikon von 1888 oder aber auch der Brockhaus von 1894-1896, liegen im Volltext vor und die einzelnen Seiten sind auch direkt als Faksimile einzusehen.


    Eine Liste aller digitalisierten Werke findet sich hier:


    http://www.retrobibliothek.de/retrobib/stoebern.html



    Ich stöbere jetzt mal im "Handbuch der Drogistenpraxis" von 1893. :D


    Gruß
    Sascha

  • Brockhaus am Ende, da tropft bei mir auch das Herzblut. Für mich ist das einfach ein ästhetischer Genuss, mit einem Buch dazusitzen, die Seiten zu fühlen, zu blättern, im Lexikon einfach so eine Seite aufschlagen, das kann mir kein Computer der Welt ersetzen. Natürlich ist es nicht so effizient, aber mir ist ein selbstgekochtes Essen auf dem Teller auch lieber, als die Nährstoffe in Tablettenform zu schlucken.


    LG Claudia

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  • Lieber Sascha,


    vielen Dank für den Hnweis. Einiges habe ich ja dank der Digitalen Bibliothek (Historische Lexika; Adelung u.ä.), aber dies ist eine schöne Ergänzung.


    Gleich mal aus dem Meyer zu Gluck:


    Die rein konventionell gewordenen und erstarrten Gesangsformen der italienischen Oper, die endlosen, aller dramatischen Fortbewegung der Handlung Widerstand leistenden Arien konnten seinem Drang nach Lebenswahrheit auch im Kunstwerk nicht länger entsprechen. Die Allmacht einer üppigen, auf Kosten jeder höhern Idealität nur die Sinne berauschenden und dem Ohr schmeichelnden Melodik mußte seine keusche und kräftige Natur anwidern; die Eitelkeit der Sänger, welche in dem Komponisten nicht viel mehr als ihren Handlanger sahen, mußte sein Künstlerbewußtsein empören.


    Herrlich ...


    Liebe Grüße Peter

  • Hallo Reinhard!


    Wenn Wikipedia das System bis 2030 nicht umstellt, dann kannst Du mit Sicherheit den Artikelstand von 2008 lesen. Obwohl, welchen Stand von 2008? März oder doch Oktober? Auch wenn Wikipedia das System umstellen sollte, so stellte sich das als Kulturbruch dar und würde wohl eine Abspaltung mit wahrscheinlicher Übernahme des Datenbestandes nach sichziehen. Der Vorgang konnte ja schon des öfteren beim Mozillaprojekt beobachtet werden.


    Ich denke schon, dass der Preis des Brockhaus eine Sache ist, die ihm zu schaffen macht. Institutionen, wie Schulen, öffentliche Bibliotheken etc. haben schon eine Brockhaus und werden selten einen neuen Kaufen, da in allen Institutionen das Geld knapp zu sein scheint. Bleiben die privaten Haushalte. Bei diesen gibt es genug, die sich einen Brockhaus leisten könnten, aber viele wollen sich diesen nicht mehr leisten. Aus welchen Gründen auch immer. In mir gibt es die Vorstellung, dass es früher jener, dersich ohne größere Probleme einen Brockhaus sein eigen nennen konnte, wirtschaftlich/gesellschaftlich geschafft hatte. Andere konnten sich diesen Wunsch nur unter Verzicht erfüllen. Würde heute jener nicht ausgelacht, der auf vieles verzichtet, um sich ein Lexikon kaufen zu können, wo es doch soviele billige/günstige Lexika gibt?


    lg,
    Franz

    Sagt nicht:"Ich habe die Wahrheit gefunden", sondern:"Ich habe eine Wahrheit gefunden." (Khalil Gibran; Der Prophet, dtv, 2002)

  • Hallo


    Der von Paul? angesprochene Test beweist, dass es auch auf dem Sektor Lexikon Platz für unterschiedlich ausgerichtete Werke gibt. Nicht ganz überraschend war der Brockhaus bei historischem Material besser, während Wikipedia bei aktuellen Themen die Nase recht deutlich vorne hat.


    Wie gut Wikipedia schon ist, kann ich an zwei aktuellen Beispielen zeigen. Ich habe mir einen Teil der Oscarverleihung angeschaut und nach der Verleihung an Tilda Swinton überlegte ich, in welchen Filmen ich sie schon gesehen hatte. Mir fiel spontan nur der Orlando ein und schaute bei Wikipedia nach. Und was steht in der deutschen Wikipedia zu nachtschlafener Zeit dort? "2008 erhielt sie den Oscar als Beste Nebendarstellerin in Michael Clayton." Das war etwa fünf Minuten nach der Verleihung!!! Und als an diesem Montag Nachmittag Mucaxel hier die frische Meldung vom Ableben Giuseppe di Stefanos postete, stand dies auch bereits in der Wikipedia!


    Das weist auf eine sehr gute Organisation hin und es ist wirklich bemerkenswert, welches Niveau dieses Konzept in erstaunlich kurzer Zeit erreicht hat. Abschätzige Meinungen darüber sind wahrlich nicht angebracht.



    Ich würde auch die Brockhaus-Meldung nicht überbewerten. Es ist verständlich, dass im Moment die Zeichen für umfangreiche Buchausgaben nicht gut stehen. Das heißt jedoch nicht, dass in zwei oder drei Jahrzehnten nicht ein gewisser Markt dafür vorhanden ist. Und solange es einen Brockhaus-Verlag gibt, der ein Online-Lexikon bzw. ein DVD-Lexikon betreut, kann er jederzeit auch relativ kurzfristig eine Buchausgabe vorbereiten und produzieren, da die Umsetzung vom elektronischen Lexikon ins Print-Format ohnehin fast vollständig per Software erfolgt.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Man muß sich auch klar machen, dass naturgemäß Wikipedia und Brockhaus oft einen unterschiedlichen Konsens hinsichtlich des dargebrachten Wissens abbilden. Mir fällt das immer bei Themen auf, die ich aufgrund meines Bildungshintergrundes gut überblicke, vor allem also der Medizin.


    Der Brockhaus ist hier weitestgehend kongruent mit den Aussagen, die sich auch in den gängigen Standardwerken der wissenschaftlichen Literatur finden, entspricht also dem mehrheitlich wissenschaftlichen Konsens.


    Wikipedia ist deutlich mehr von wissenschaftlichen (und oft auch rein soziopolitisch motivierten) Minderheitsmeinungen beeinflusst. D.h., Meinungen, die zwar durchaus auch in der Standardliteratur diskutiert werden, jedoch klar minderheitsgetragene Randerscheinungen darstellen, nehmen einen deutlich größeren Einfluss auf die Konsensbildung bei Wikipedia. Nicht überraschend ist dies vor allem bei Themen der Fall, die in der Öffentlichkeit ausführlich und mitunter sehr emotional diskutiert werden. Beispiele wären sicher Organspende, psychiatrische Themen, Impfungen, Komplementärmedizin, ect.


    Ich denke, das trifft auch auf viele andere Bereiche zu und dessen sollte man sich bewußt sein. Insofern dürften sich also auch die Artikel zu H.v. Karajan, Anna Netrebko, Regietheater und "moderne Musik" in den beiden Medien hinsichtlich des Konsens deutlich unterscheiden.
    Das ist ja nicht unbedingt ein Nachteil, man muß es nur bei der Lektüre im Hinterkopf haben.


    Gruß
    Sascha


    argh...Konsens mit z...man sollte nicht direkt nach Nachtdiensten schreiben :rolleyes:

  • Hallo Antracis,


    weil Nomen Omen ist ...(?), sieh doch mal nach dem Wiki-Artikel Anthrax (Milzbrand), an dem ich auch mitgewirkt habe, und vergleiche ihn mit dem entsprechenden Brockhaus-Artikel. Dieser Wiki-Artikel enthält beides, naturwiss.-medizinisches Wissen und "emotional aufgeladene" Information (Anthrax zur biologischen Kriegsführung). Ohne dass ich den Brockhausartikel kenne, bin ich überzeugt, dass "unser" Anthrax-Artikel wahrscheinlich deutlich besser ist. Oder, um mal bei unserem Thema Musik zu bleiben, würde mich z.B. der Vergleich zum Thema "Gesangsregister" interessieren.


    Zitat

    Ich denke, das trifft auch auf viele andere Bereiche zu und dessen sollte man sich bewußt sein. Insofern dürften sich also auch die Artikel zu H.v. Karajan, Anna Netrebko, Regietheater und "moderne Musik" in den beiden Medien hinsichtlich des Konsens deutlich unterscheiden.
    Das ist ja nicht unbedingt ein Nachteil, man muß es nur bei der Lektüre im Hinterkopf haben.


    Ein unschätzbarer Vorteil von Wiki gegenüber allen anderen Enzyklopädien sind die jeweils zu den Einzelthemen zugehörigen Diskussionsseiten. Bei politischen und/oder ideologiebeladenen Themen lese ich sie fast immer mit. In welcher anderen Enzyklopädie bekommt man die Diskussion unter den Autoren mit?


    Schließlich kann man auch die Entstehungsgeschichte eines Artikels bis ins einzelne verfolgen. Auch diese Information nutze ich häufig, um mir ein detailliertes Bild zu einem strittigen Thema zu verschaffen. Auch diese "Durchsichtigkeit" findet man nirgends sonst.


    Ich bin mal gespannt, wie sich die beiden Enzyklopädien in der Zukunft im Vergleich entwickeln. Vom Online-Brockhaus erwarte ich weiterhin die sorgfältig von Experten erarbeiteten und peer reviewed Artikel, von Wiki die aktuellen, auch die Widersprüche der öffentlichen Meinungsbildung spiegelnden Darstellungen. Nur das regalfüllende papierne Brockhaus-Lexikon, das benötige ich nicht.


    Gruß! García

  • Von Brockhaus erwarte ich - und ich bin hier bisher nie enttäuscht worden - sachliche wertfreie Information - ohne jegliche subjektive oder moralische Wertung.


    Die Linkstendenz bei Wikipedia ist indes nicht zu übersehen.


    Es gibt allerdings Themen wo allein die Suchfunktion von google Wikipedia begünstigt und somit zur ersten Wahl macht - weil ich nicht ausschließlich unter Schlüsselwörtern nachschlagen


    Ich möchte an dieser Stelle anmerken, daß eine Enzyklopädie nicht notwendigerweise im Format eines Konversationslexikons angeordnet sein muß.
    Es gab vor allem in der Vergangenheit, Enzyklopädische Werke, welche NICHT alphabetisch geordnet waren, und wo ein Beitrag oft zig Seiten umfasste. In gewissen Zeitabständen erschien dann ein Registerband, der das Auffinden der Themen ermöglichte. Solche Werke umfassten durchaus 60-100 und mehr Bände und wurden eigentlich nie vollendet....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !