Christoph von Dohnányi

  • Soeben bei OperaShare entdeckt:


    1970 war ich sehr angetan von der ZDF-TV-Inszenierung von HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN von Vaclav Kaslik. Ich hatte sie aufgezeichnet und so oft gesehen, dass ich die Tonspur (und viele Bilder) noch heute in detaillierter Erinnerung habe, wie ich feststellte, als ich mir heute die Aufzeichnung wieder angesehen habe.


    Über die Schwächen der (alten Choudens-) Fassung, die zudem noch gekürzt wurde, braucht man hier nicht zu diskutieren, das geschah schon in dem entsprechenden Strang zu der Oper. Auch die deutsche Fassung und die Akzente vor allem von Jon Piso, aber auch Sylvia Geszty und dem/r Niklausse von Rohangiz Yahmi irritieren mich heute mehr als damals. Was aber neben den tollen Schurken Thomas Tiptons noch heute beeindruckt, ist die schmiegsame Musikalität Dohnanyis, der diese sehr deutsche Inszenierung immer noch fast wie eine französische Oper klingen lässt, in der nirgendwo ein falsches Tempo angeschlagen wird.


    Wann immer der Film wiederholt wird, sollte man ihn aufnehmen. Schon als Dokument der immer mehr im Orkus verschwindenden Arbeit dieses Dirigenten ist es das wert.


    :hello: Rideamus

  • Einige herausragende Dohnanyi-Aufnahmen wurden bereits von
    maik (Dvorak-Sinfonien Nr.7 und 8, 9 ist auch gut);
    Zwielicht (Richard Strauss-Dichtungen);
    Rideamus (Mendelssohn-Sinfonien) genannt.
    Diese sind alle mit dem Cleveland Orchestra eingespielt, das an diesem Erfolg natürlich auch einen großen Anteil hat.


    Pylades berichtete von einem Dohnanyi-LIVE-Konzert, bei dem das
    Lutoslawski: Konzert für Orchester dabei war.


    :angel: Genau dieses Werk gibt es auch auf CD mit dem Cleveland Orchestra und ich halte diese für eine der besten Dohnanyi-Interpretationen überhaupt.


    Das gilt aber nur für die Aufnahme des Lutoslawsky-Konzertes, denn Bartok ist hier mit ihm qualitativ nur im Mittelfeld angesiedelt.



    Lutoslawski: Konzert für Orchester
    Bartok: Konzert für Orchester
    Cleveland Orchestra / Dohnanyi
    Decca, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo,


    ja, ein ganz wichtiger Dirigent. Mal ein paar Vermutungen: Vielleicht liegt es an seiner zwanzigjährigen Abwesenheit, dass er in Deutschland und Österreich nicht die Popularität erlangt hat, die er vielleicht verdient hätte (wobei er mir wie jmd. vorkommt, dem das schnurz ist...). Das könnte in Amerika anders sein... Vielleicht war außerdem in Deutschland auch nur Raum für einen Dirigenten seines Typs, und diesen Raum hatte vielleicht jahrelang Günter Wand besetzt? Vielleicht liegt es - dritte Vermutung - am Ende doch auch an seiner Art zu musizieren: eher nüchtern und sorgfältig, eher weniger großzügig und mitreißend. Damit wird man nicht so populär wie Bernstein.


    Noch ein CD-Tipp: Die Klavierkonzerte von Schumann/ Grieg mit Arrau und dem Concertgebouw und Dohnanyi, 1963 aufgenommen.


    Freundliche Grüße


    HG

  • Hallo Heinz,


    was die Bedeutung Dohnanyis betrifft, sind wir uns fraglos einig. Zu den Gründen wurde ja schon einiges in diesem Thread spekuliert, und auch auf die hervorragende Einspielung von Griegs Klavierkonzert mit Claudio Arrau habe ich weiter oben schon hingewiesen.


    Ich glaube nicht, dass Günther Wand den Platz Dohnanyis versperrt hatte, denn auch dessen Ruhm setzte auf breiterer Front meines Wissen erst sehr spät ein, als Dohnanyis Karriere schon auf dem Höhepunkt war. Daran gemessen, hätte der ja fast noch Chancen. :D


    Ich denke, es hängt hauptsächlich mit einem Mangel und/oder Desinteresse Dohnanyis an den intensiven Marketinganstrengungen zusammen, denen sich prominentere Dirigenten auch zu seiner Zeit immer wieder zu unterziehen hatten. Ich würde zwar nicht sagen, dass ihm Popularität und Erfolg "schnurz" waren, aber er war wohl schon zu seinen Frankfurter Zeiten etwas zu distuingiert um sich da voll ins Gewühl zu stürzen (mindestens die Hamburger haben diese Zurückhaltung anders interpretiert, wie weiter oben zu lesen ist). Vielleicht "konnte" er auch nicht gut genug mit seinem Plattenlabel, so dass dieses kein ungewöhnliches Engagement aufbringen mochte. Rückblickend ist ja erstaunlich, in welchem Umfang man ihm und dem Cleveland Orchestra die großen sinfonischen Zyklen anvertraute, dann aber so wenig dafür tat, sie auch am Markt durchzusetzen.


    Manchen genügt es aber auch einfach, in der Fachwelt und beim kennerischen Publikum anerkannt zu sein, und das war Dohnanyi, solange ich von ihm weiß, und das sind immerhin schon mehrere Jahrzehnte. Von dieser Art und Qualität gibt es ja von Scherchen über Kempe bis Gielen eine ganze Reihe bedeutender Namen, die (fast) nur dem engagierten Klassikfreund etwas sagen. Dafür blieben ihnen auch die Aggressionen erspart, die publicitysüchtige Maestri vom Schlage Karajans notorisch auf sich zogen.


    Freuen wir uns also, dass es dennoch so viele gute Aufnahmen mit ihm gibt, und sorgen wir mit dafür, dass nicht auch die letzten noch gänzlich vom Markt verchwinden.


    :hello: Rideamus


  • Das stimmt. Material wäre genug da. Er hat ja viel eingespielt - nicht nur in Cleveland... Sawallisch und Kempe wären ähnlich gelagerte Fälle: Es gibt jede Menge Aufnahmen, zum Teil sogar erhältlich und nicht gestrichen - aber es gibt keine "Gemeinden" wie bei Bernstein, Karajan oder Celibidache. Andererseits haben sie auch nicht den Geheimtipp- oder Außenseiter-Status von Gielen oder Zender. Marketingtechnisch scheinen sie damit ein wenig durchs Raster zu fallen: Zu "normal" für einen Kultstatus.


    Gilt irgendwie auch für wichtige DDR-Dirigenten wie (Kurt) Sanderling und Herbert Kegel: Herausragende Aufnahmen - verhaltene Publikumsresonanz.


    Was die Chancen für eine Spätkarriere wie Wand angeht: Dohnanyi dürfte, nachdem Sawallisch ja nicht mehr dirigiert (sagt jedenfalls Wikipedia...?) neben Skrowaczewski der dafür aussichtsreichste Kandidat sein. Aber sowas lässt sich nicht planen. Beruhigend: Der NDR wird vermutlich alle Konzerte dokumentieren und archivieren. Es ist ja ein Rundfunksender mit den entsprechenden Möglichkeiten.


    Allen ein schönes Wochenende!


    Heinz

  • Christoph von Dohnanyi hat heute Geburtstag, und zu seinem Ehrentage habe ich aus meiner Sammlung diese ausgezeichnete Brahms-Box ausgesucht:




    Christoph von Dohnanyi wird heute 86 Jahre alt.


    Herzlichen Glückwunsch!


    Willi :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Anscheinend ist er doch viel vergessener als z. B. der heute wieder erwähnte Bernard Haitink. Deshalb möchte ich auch heute an dieser Stelle verkünden, dass


    Christoph von Dohnanyi heute seinen 90. Geburtstag feiert.




    Liebe Grüße


    Willi:jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Dies ist nun wirklich ein Tag zum Feiern! Herzlichen Glückwunsch an CHRISTOPH VON DOHNÁNYI, nicht nur ein großartiger Dirigent, der viel in seiner langen Karriere bewegt hat, sondern auch eine Persönlichkeit, die durch Geradlinigkeit und Fairness ähnlich Respekt verdient wie sein politischer Bruder Klaus, der einer der ganz wenigen Politiker ist, die auch vom Konkurrenten Gutes und Positives zu berichten wissen. Möglicherweise ist einer der Gründe, warum man heute nur noch so wenig von einem so großen Dirigenten spricht, die vornehme Zurückhaltung, die er vermutlich ebenfalls mit seinem Bruder teilt. Man hat bei ihm immer den Eindruck, daß er unsichtbar hinter dem großen Orchester die Fäden des geordneten musikalischen Ablaufs spinnt, und er sich stets als Diener der Musik verstand.


    Denkwürdigerweise war CHRISTOPH VON DOHNÁNYI der Dirigent meiner allerersten Schallplatte, die ich mir 1959 kaufte, noch eine 17er Platte, die auf der einen Seite das berühmte Menuett A-dur aus BOCCHERINIs Streichquintett op. 13 Nr. 5 in der Orchesterfassung enthielt, und auf der anderen SCHUBERT's Militärmarsch Nr. 1 op. 51, beides gespielt vom RADIO-SYMPHONIE-ORCHESTER BERLIN, für mich eine winzige erste Visitenkarte des damals noch jungen Dirigenten, die mich in der musikalischen Darstellung beider Stücke schon sehr beeindruckte.


    Bevor sich DOHNÁNYI an die Interpretation eines Werkes begibt, studiert er wie kaum ein anderer, wo immer möglich, nicht nur minuziös die Originalpartitur, sondern alle sachdienliche und fundierte Literatur, die über den de jeweiligen Komponisten vorzufinden ist, möglichst deren Originalhandschriften, um sich weitestgehend in deren Ansichten, Vorschriften und Denkweise hineinzuversetzen. Hat er sich einmal ein Bild von einem zu interpretierenden Werk gemacht, so pflegt er dieses in reinster, sublimster Weise, ohne übermäßige Gefühlsausbrüche oder gar emotionale Selbstdarstellung, möglichst partiturgetreu im Sinne des Komponisten in Töne umzusetzen, und auch durch untheatralisches Dirigieren dem Zuhörer in höchster orchestraler Qualität darzubieten. Selbst sehr expressive, dramatische Werke und komplizierte moderne Werke von STRAUSS oder BERG zeichnen sich unter seiner Stabführung durch Transparenz und frei von deplatzierten Romantizismen aus.


    Die Stationen in DOHNÁNYIs Karriere waren sehr ereignisvoll. Zunächst 1951 bester Absolvent des Kapellmeisterexamens an der MUSIKHOCHSCHULE MÜNCHEN und Auszeichnung durch den RICHARD-STRAUSS-PREIS der Stadt München - weitere Ausbildung durch seinen Großvater, ERNST VON DOHNÁNYI, an der Universität in Florida - Dirigentenkurs an der Universität in Tanglewood - 1952 Arbeit als Korrepetitor und Kapellmeister mit GEORG SOLTI an der FRANKFURTER OPER - 1957 Generalmusikdirektor in Lübeck und 1963 in Kassel - 1964 gleichzeitig Chefdirigent des SYMPHONIEORCHESTERS DES WDR - Leitung verschiedener Uraufführungen: HENZE: "Der junge Lord" 1965 an der DEUTSCHEN OPER BERLIN und "Die Bassariden" 1966 in Salzburg - ab 1968 Generalmusikdirektor in Frankfurt, ab 1972 auch Operndirektor, bei Verpflichtung interessanter Regisseure - eigene Inszenierung des "Figaro" und des "Fidelio" im Verein mit FREYER.- Leitung der Museumskonzerte und Gastkonzerte - 1977 Wechsel als Intendant und Musikalischer Oberleiter an die HAMBURGISCHE STAATSOPER - 1982 Auflösung des Vertrages wegen Kontroversen mit dem Orchester und der Verwaltung - 1982 Ernennung zum Chefdirigenten des von ihm geliebten CLEVELAND-ORCHESTRA, das er schon 1981 das erste Mal dirigiert hatte. - 1984 offizielle Übernahme und Beginn einer achtzehnjährigen Zusammenarbeit - Seit Spielzeit 2004/2005 Nachfolger von CHRISTOPH ESCHENBACH als Chefdirigent des NDR-SINFONIEORCHESTERS HAMBURG. Ab 1996 "principal conductor" mit dem PHILHARMONIA ORCHESTRA LONDON - ab 1998 Gastdirigent mit dem ORCHESTRE DE PARIS.


    Welche imponierende Lebensleistung, zumal es ihm durch vermehrte Aufnahme auch zeitgenössischer Komponisten in sein Programm gelang, die Zahl der Konzertabonnenten zu erhöhen. Den Opernliebhabern wird er besonders durch seine "Salome" bei den SALZBURGER FESTSPIELEN, und durch seinen vollständigen "Ring-Zyklus" an der WIENER STAATSOPER in ganz besonderer Erinnerung bleiben.


    CHRISTOPH VON DOHNÁNYI erhielt zahlreiche internationale Auszeichnungen, u. a. "Dirigent des Jahres 1992" durch "Musical America".


    wok



    Bildergebnis für christoph von Dohnanyi - Boccherini - Menuett -


    .


  • Lieber wok,


    schon wieder eine Gemeinsamkeit: mit genau dieser kleinen 45er Platte habe ich ebenfalls Christoph von Dohnányi erstmals wahrgenommen, allerdings war meine Ausgabe deutsch beschriftet:

    Bildergebnis für dohnanyi schubert boccherini

    Es war lange Zeit meine einzige Aufnahme mit dem Dirigenten. Die DGG konnte anscheinend nicht viel mit ihm anfangen, in Karajans Glanzjahren. Erst nach Einführung der CD hat Dohnányi dann zahlreiche Aufnahmen für die DECCA gemacht.

    Um so unwürdiger war seine Verabschiedung. Mit einem bereits unterschriebenen Kontrakt zur Aufnahme des kompletten RING in der Tasche wurde der Dirigent Anfang der 2000er Jahre, als der Niedergang der Plattenindustrie rasante Fahrt aufnahm, in die Chefetage von DECCA bestellt, wo man nicht nur den Vertrag über den RING stornierte, sondern dem verdienten Künstler gleich den Stuhl ganz vor die Tür setzte. Dieses Schicksal teilte Dohnányi mit vielen anderen Künstlern, so wurde u.a. auch Vladimir Ashkenasy sang- und klanglos entsorgt. Ähnliches gab es auch bei den anderen Major-Labels.

    Man kann natürlich trefflich darüber streiten, ob der übersättigte Markt wieder mal einen neuen RING benötigte, aber der Art und Weise der Entlassung war wirklich alles andere als die feine englische Art. Die goldenen Zeiten der Plattenindustrie sind jedenfalls lange vorbei, und sie werden auch nicht wiederkehren.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Dbei gibt es so Vieles, worüber sich zu sprechen lohnte. Z. B sind einige Perlen in meiner Dohnanyi-Diskographie diese Gesamtaufnahmen:

    Dieser Brahms, aus der Zeit, als Dohnanyi Chefdirigent in Cleveland war, insgesamt 18 Jahre (1984 - 2002), ist m. E. heute noch Referenz in meiner reichhaltigen Brahms-Sinfonien-Sammlung.

    Die ebenfalls prachtvolle Beethoven-GA entstand ebenfalls in den 80er Jahren in der Severance Hall.

    Dieser grandiose Fidelio in der Regie von Adolf Dresen der Ende 1990 in Covent Garden aufgeführt wurde, steht auch in meinen zahlreichen Fidelio-Aufnahmen mit oben an.

    Seine Dvorak-Interpretationen können sich auch absolut sehen (und hören) lassen.

    Selbstverständlich dürfen auch diese Scheiben in meiner Sammlung nicht fehlen:

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    Das sind die, die mir mal spontan eingefallen sind. Bei Mahler und Bruckner muss ich noch genauer hinschauen.


    Liebe Grüße


    Willi:)


    P.S.: diese GA habe ich natürlich auch, aber bisher nur auf FP:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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