Glenn Gould - Extremist ohne Gnaden (oder: worin besteht seine Faszination?)

  • Ah, jetzt verstehe ich.
    Daß ich anderer Meinung bin, denn um eine Meinung handelt es sich ja hier, wissen wohl alle.
    Viele Grüße

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Hallo,


    ich habe soeben beim Mittagessen auf Classica Glenn Gould gesehen.
    Ich kannte diesen Pianisten nicht (ich würde auch nicht sagen, dass ich ihn jetzt schon kenne, aber ich habe erste eigene Eindrücke), aber als ich im Programm zappte, da kam ich auch zu Classica und sah im Titel nur den Namen...ich erinnerte mich sofort an diesen Thread und an die gennate "ungewöhnliche" Art zu spielen.


    Erstmal zu dem, was er vorgetragen hat.
    Zunächst Mozart. Unter anderem Cäcilie.
    Danach folgte von Strauss Burleske...ich glaub so hieß das Stück. Auf alle Fälle war es mit Orchester! :D


    Dann zu dem Klang, den er mit seinem Spiel erzeugte:
    Mir persönlich hat es gefallen. Es war sauber und klar. Nur nebenbei, er hat die Mozart Werke auf einem Steinway Flügel gespielt...
    Auf jeden Fall wa der Klang sehr schön und daran habe ich nichts auszusetzen!


    Die Art und Weise, wie er spielt, fand ich etwas komisch...wobei ich da natürlich nicht auf irgendwelche Details achten konnte, weil mir dazu einfach die Kenntnis fehlt, aber das Äußereerscheinungsbild, kann jeder wahrnehmen. Und da ist mir aufgefallen, dass er entweder vor sich her redet oder singt oder dergleichen...jedenfalls bewegte er seinen Mund, als ob er zu seinem spielen reden würde...das sah dann doch auch mal etwas ungewöhnlich aus...


    Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • @ Maik


    Da ich Dein Alter kenne und ungefähr weiß, wie lange Du dich mit "klassischer Musik" befasst, erlaube ich mir, din in Bezug auf Glenn Goulds Interpretationen eine HIlfestellung zu geben, wobei ich mich bemühen werde, neutral zu sein.


    Lassen wir mal aber von seinen beiden Einspielungen der Goldberg-Variationen (von seinen Kritikern Gouldberg Variationen genannt),
    die "Kultstatus haben und sacrosankt sind, ab und wenden wir uns anderen Werken zu


    Das Besondere an Gould ist das, daß er aus einem Werk eigentlich nie das macht, was sich der Komponist vorgestellt hat, er "interpretiert".


    "Interpretiert" wurde deshalb von mir in Anführungszeichen gesetzt, weil er weit über das hinausgeht, was Interpretation eigentlich zulässt-
    Und zwar oft auch gegen den Niotentext, sofern es sich um Tempo, Rhythmus und Dynamik handelt.


    Hier scheiden sich nuin die Geister.
    Die einen meinen, dem "Genie Gould" sei solche Freiheit zuzubilligen, andere meinen, er könne nicht mal brauchbar Klavierspielen, dritte sehen
    Ironie im Vortrag (zu denen würde letztlich auch ich mich einreihen) weitere ein Aufbegehren gegen die Gesellschaft und den kommerziellen Musikbetrieb mit bildungsbürgerlichen Strukturen schlechhin.


    Eines möchte ich jedoch Klassikensteigern sagen: Wer eine Mozart Klaviersonate lediglich von Glenn Gould interpretiert gehört hat - der kennt sie nicht. Aus meiner Sicht ist es bestenfalls eine Paraphrase oder eine Parodie des Werks.


    Eich empfehle Dir an dieser Stelle einen Berühmten "Ohrwurm" zum Vergleich heranzuziehen, den Satz "alla turca" aus der Klaviersonate KV 331 von Mozart.
    Wenn Du verschiedene Interpreten vergleichst, seien es Brendel, Zacharias, Gulda, Pires, Endres, Schuchter, Ciccolini oder andere - so wirst Du - bei aller Verschiedenheit -siehe den dazu passenden Thread


    Mozarts Klaviersonate in A-dur KV331 "Alla Turca"


    doch das Werk in Grundzügen erkennen können -Nicht so bei Gould:


    Dort wo die anderen beschleunigen - bremst er, bzw spielt verhalten, manchmal erinnert sein Spiel an das einer Spieluhr. Das kann man (einem Einsteiger) schwer beschreiben - das muß man vergleichen gehört haben - erst dann kann man begreifen waas das "Phänomen" Gould aus macht.


    ES wird kolportiert, Golud habe die Werke Mozarts gehasst, bzw sich abfällig über sie geäussert. Ich glaube ihm das jedoch nicht - Wer so voll Inbrunst mitsingt (nein nicht summt) der ist Mozart verfallen.... :D



    Bin gespannt ob es an meiner Sicht was zu verbessern gibt :D



    Freundliche Grüße aus Wien



    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich glaube nicht, daß er Mozart wirklich mochte.
    Das hat er in mehreren Schriften auch musikwissenschaftlich begründet.
    Wenn man nun davon ausgeht, er habe Mozart gemocht, so ist das eine These, die man aber nicht belegen kann, bis auf sein Mitsummen/singen, was aber einfach seine Angewohnheit beim Spielen ist.
    Ich weiß übrigens echt nicht, auf was ihr euch alle bezieht in Betreff auf Änderungen des Notentextes. Könnt ihr mir da bitte konkrete Beispiele nennen?


    Viele Grüße

    Das Frühstück ist ihm viel zuviel Zeremonie. Die ganze Lächerlichkeit kommt zum Ausdruck, wenn ich den Löffel in die Hand nehme. Die ganze Sinnlosigkeit. Das Zuckerstück ist ja ein Anschlag gegen mich. Das Brot. Die Milch. Eine Katastrophe. So fängt der Tag mit hinterhältiger Süßigkeit an.

  • Gnadenlos? "Sonderling mit Krankheitswert"? Nein! "Manipulation der Werke"? Ja, na und?


    Gould war ein experementierender Künstler, ausgestattet mit einem eminenten pianistischen Potential, antikonventionell, der nicht in falscher Erfurcht vor angeblich ewigültigen Meisterleistungen erstarrte. Goulds Zugriff auf Bach stellte eben nur eine Möglichkeit dar, diese Musik zu ínterpretieren, die man genau so legitim auf Cembalo, Clavichord oder Orgel spielen kann. Zusätzlich hat Gould freilich seinen Aufnahmen einen zusätzlichen Kick dadurch verschafft, das er klavierbautechnische Maßnahmen durchgeführt hat, um sich möglichst von einem volltönenden romatischen Klangideal zu entfernen. Dies alles ist legitim, wird doch die vorab theoretisch entwickelte Vorstellung konsequent in Klang umgesetzt. Dies ist freilich eine Studioästhetik und nicht für den Konzertsaal tauglich. Aber wer sagt uns denn, daß man öffentlich konzertieren müsse, um als Musiker ernst genommen zu werden. Wenn Gould die in der Tat etwas heikle a-Moll-Fuge aus Bachs 1. Teil des WTK zusammenmontiert hat, so ist dies doch nicht ehrenrührig. Wahrscheinlich ging es Gould darum die technischen Möglichkeiten einer Studio-Produktion voll auszuschöpfen, im Ergebnis die technische Apparatur kreativ zu nutzen.


    Manchmal frage ich mich, ob es nicht angezeigt ist, gerade als Gouldbewunderer, den Pianisten vor pauschaler Vereinnahmung in Schutz zu nehmen, auf dessen Abneigung gegen Konvention und erst recht Orthodoxie hinzuweisen. In diesem Zusammenhang spukt mir immer wieser ein Essay von Theodor Wiesengrund Adorno im Hinterkopf herum, mit dem Titel:"Bach gegen seine Liebhaber verteidigt".

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  • Ich muß gestehen noch nicht alle Beethovensonaten mit Gould zu kennen (z.B. weder die ersten noch die letzten drei, vom rest aber das meiste).
    Zum Besten gehört sein op.10 (wahnwitzige tempi), die CD mit den Variationen (meine Lieblingsaufnahme der Werke) und die ersten beiden Klavierkonzerte (auch die anderen sind sehr hörenswert, vielleicht weniger exzentrisch als zu erwarten).
    Nirgendwo sonst habe ich den Kopfsatz des ersten Konzerts im (m.E. angemessenen) Tempo und mit dem entsprechenden "militärischen" Gestus so gehört wie von Gould/Golschmann. Dazu die bizarre eigene Kadenz! Ein Muss!


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo,


    richtig ist, daß Gould interpretiert. Interpretation heißt Erklärung, Übersetzung, Auslegung. Wir dürften uns einig sein, daß es bei der Produktion von Musik nicht um die buchstabengetreue Umsetzung des Notentextes geht. Folglich wird interpretiert. Die Frage, die sich hieran anknüpft, lautet: was unterscheidet Goulds Interpretationen von denen anderer Pianisten?


    Wenigstens hat der inzwischen in die Jahre gekommene, sattsam bekannte, Klavierpapst mit Blick auf Gould festgestellt:"Vor Beethovens Sechzehnteln sind alle gleich." Da hat Herr Kaiser wohl zweifellos recht, nur trifft diese Bemerkung nicht den Kern, denn technische Mängel werden Gould weder die notentexttreuen Musiksachverständigen, noch die leicht Erregbaren vorwerfen.


    Wenn hier, freundlich formuliert, der leise Vorwurf geäußert wird, Gould könne nicht Mozart spielen, bei Alfred heißt es insoweit:


    "Eines möchte ich jedoch Klassikensteigern sagen: Wer eine Mozart Klaviersonate lediglich von Glenn Gould interpretiert gehört hat - der kennt sie nicht. Aus meiner Sicht ist es bestenfalls eine Paraphrase oder eine Parodie des Werks",


    so stelle ich mir die Frage, woher wir denn wissen wollen, wie Mozart seine Musik gespielt haben wollte. Da diese Frage aus meiner Sicht nicht hinreichend beantwortbar ist - daran ändert auch nichts die historisierende Aufführungspraxis - war es legitim und auch außerordentlich spannend, daß Gould historisch gewachsene - vielleicht auch fehlgeleitete - Aufführungstraditionen, jedenfalls zum Teil, radikal in Frage gestellt hat, den Notentext eben nicht nur buchstabengetreu umgesetzt hat, sondern interpretiert hat. Insoweit hilft meines Erachtens auch weiter, daß Gould immer auf der Suche nicht so sehr nach der klanglichen Realisierung war, sondern die Strukturen der Werkes offenbar werden lassen wollte, eben auch die Mittelstimmen, die ja bekanntermaßen sehr leicht untergehen oder schlicht nicht berücksichtigt werden, erklingen lassen wollte (eben ein sehr polyphoner Ansatz). Auch dieser abweichende Interpretationsansatz ließ die Werke eben anders erklingen, als es bisher aufgrund tradierter Ansätze der Fall war.


    Das Gould neben seinen Interpretationen, ein Medienexperte der Sonderklasse war, zudem als exzellenter Musikschriftsteller hervorgetreten ist, kommt noch hinzu.


    Insgesamt ist Glenn Gould für mich der Musiker der 20. Jahrhunderts.


    Frohe Grüße

  • hallo tom,


    richtig, wir wissen nicht wie mozart seine sonaten selbst spielte. viele hörer sind hierbei an 'samt und perlen' gewöhnt. aber (die gouldschen interpretationen kenne ich bis dato nicht) z.b. friedrich gulda, paul badura-skoda oder auch andreas staier haben vorgeführt, dass w.a. mozart härtere konturen nicht nur verträgt, sondern seine strukturen reichhaltiger und aussagekräftiger werden !


    gruß, siamak

    Siamak

  • Sagitt meint:


    Die Komposition gibt schon viele Hinweise. Der Interpret muss sich daran nicht halten, aber man darf dann auf die Inkongruenz hinweisen. Gerade weil Mozart anders " tickt" als Bach, hat Gould seine Schwierigkeiten damit. Er denunziert aus seiner strukturalistisches Sichtweise die Sonaten und richtet sie hin, zB höre man den dritten Satz von KV 332, eine Nähmaschine am Werke.
    Der Pianist Schiff meinte einmal, diese Aufnahmen sollten verboten werden.
    Nun, die Geschmäcker sind verschieden.
    Ich schätze diese Interpretation ebenfalls nicht, weil sie ohne jede Charme ist, als wenn uns Prof. Gould demonstrieren wollte, wie ärmlich Mozart ist, weil das Gerüst so wenig hergibt, in das sich ein Zwanghafter wie Gould hineinflüchten kann und er der schlagende Beweis für die These, Mozart sei für Pianisten zu schwer, zu sein scheint.
    Ich kenne nur eine einzige anhörbare Aufnahme. KV 491 zu den Zeiten, als er noch live spielte.

  • hallo sagitt (muss immer wieder an die sagittalnaht denken ;)),


    wie geschrieben, ich kenne diese gouldschen mozartinterpretationen nicht ! wenn sich aber besagter satz wie eine 'nähmaschine' anhört, dann gnade uns gott ! ja solche destruktionen gibt es tatsächlich auch bei einigen anderen interpreten. z.b. horowitz und beethovens waldsteinsonate, weissenberg und brahms 2. rhapsodie oder chopins nocturnes, gawrilov und chopin, s. richter und manches stück von chopin. wärend die von mir genannten offensichtlich 'außer kontrolle' gerieten, vermute ich, dass gould den 'blutrausch' kalkulierte. jetzt bin ich tatsächlich neugierig auf seinen mozart.


    apropos das von andras schiff geforderte verbot der gouldschen mozartaufnahmen: die partita nr.6 e-moll von js bach spielt a. schiff motorisch deutlich gespannter und rascher (1. und letzter satz) als gould. im gegenteil, glenn gould spielt die suite so poetisch und im improvisatorischen stil, dass es sich IMO um eine der überwältigendsten bachinterpretationen überhaupt handelt ! das ich nicht falsch verstanden werde, selbstverständlich spielt andras schiff hier nicht wie eine nähmaschine sondern adäquat (siehe schiff-thread), aber hier lässt sich gould von der musik tragen, kaum noch kalkül !



    gruß, siamak

    Siamak

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  • Woran ich überhaupt keinen Zweifel habe, ist, daß es Gould subjektiv nicht darum ging Mozart hinzurichten. Da kann ich mir ganz andere Pianisten vorstellen, die Mozart völlig bedenkenlos ohne Hintergrundwissen und ohne Überlegung herunterklimpern. Pianisten, die einem unverbindlichen, konformen Interpretationsstil frönen, anstatt den Notentext, der ja als solcher völlig leblos ist, zum Leben zu erwecken, gibt es doch genug. Und ich denke in dem, im Übrigen theoretisch untermauerten, Bruch mit tradierten Interpretationsansätzen, liegt durchaus auch ein gewisser ästhetischer Reiz.


    Wenn der Strukturalist Gould sich auf den Weg gemacht hat Mozart einmal von einer anderen Seite vorzuführen (nicht mißzuverstehen), quasi durch die Bachbrille betrachtet, halte ich das persönlich für außerordentlich reizvoll und spannend, sowie musikhistorisch verdienstvoll.

  • Zitat

    Original von tom
    Und ich denke in dem, im Übrigen theoretisch untermauerten, Bruch mit tradierten Interpretationsansätzen, liegt durchaus auch ein gewisser ästhetischer Reiz.


    Wenn der Strukturalist Gould sich auf den Weg gemacht hat Mozart einmal von einer anderen Seite vorzuführen (nicht mißzuverstehen), quasi durch die Bachbrille betrachtet, halte ich das persönlich für außerordentlich reizvoll und spannend, sowie musikhistorisch verdienstvoll.


    Das sehe ich ähnlich. Ich kenne zwar nur die zweite Hälfte (ab KV 331) dieser Aufnahmen und ich kann auch nicht behaupten, dass ich sie alle wirklich mag, aber wirkliche Karikaturen sind nur wenige (545 :rolleyes: ). Einige sind relativ normal (IIRC KV 576), andere wie die durchaus verfremdet scheinende 331 geraten in ein völlig neues Licht. Gould hat sich zu diesem Variationensatz, den er sehr langsam beginnt, wohl auch im booklet geäußert, ich weiß leider nicht mehr genau, was er schreibt. Jedenfalls hat man den Eindruck, dass die Musik im laufe der Variationen erst richtig "zusammengesetzt wird", also kein Thema, aus dem dann Varaitionen folgen, sondern eher das Umgekehrte! Das ist gewiß anfechtbar, aber auch spannend...


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von AcomA
    ... im gegenteil, glenn gould spielt die suite so poetisch und im improvisatorischen stil, dass es sich IMO um eine der überwältigendsten bachinterpretationen überhaupt handelt ! hier lässt sich gould von der musik tragen, kaum noch kalkül !


    genau! ich bin jedesmal wie paralysiert v.a. vom beginn der 6. partita und fühle mich wahrscheinlich eins mit einer dame im klaviersonatenlistenthread :hello: )

  • Original von AcomA
    ... im gegenteil, glenn gould spielt die suite so poetisch und im improvisatorischen stil, dass es sich IMO um eine der überwältigendsten bachinterpretationen überhaupt handelt ! hier lässt sich gould von der musik tragen, kaum noch kalkül !


    Finde ich auch. Ich liebe es, mit Kopfhörern durch den Wald zu gehen und genau diesen ersten Satz der 6. Partita zu hören. Irgendwie fühle ich mich dann auch getragen von der Musik. Das ist für mich dann die absolute Entspannung, abschalten, nur die Natur sehen und riechen, dazu Bach von GG interpretiert. Das gelingt bei keinem anderen Pianisten so gut wie bei GG.
    Es beschwingt einfach.
    Ein weiteres ganz besonderes Lieblingsstück von mir ist der 3. Satz der ersten Partita (Corrente). Auch hier finde ich dass keine andere mir bekannte Interpretation da heranreicht. Insgesamt liebe ich alle 6 Partitas von Gould. Bei Bach bleibt er für mich einfach unerreicht, bei allem Respekt vor anderen Pianisten.
    Was haltet ihr eigentlich von der "wahnsinnigen" Interpretation des 3. Satzes (Corrente) der 5.Partita BWV 829, einer alten Monoaufnahme? Ich finde sie aberwitzig aber ausgesprochen faszinierend.

    Günter

  • Zitat

    genau! ich bin jedesmal wie paralysiert v.a. vom beginn der 6. partita und fühle mich wahrscheinlich eins mit einer dame im klaviersonatenlistenthread :hello: )


    Hallo Observator,


    da stimmt die Dame dir aus vollem Herzen zu.


    Kennst du die Gould-DVD: Der Alchimist von Bruno Monsaingeon? Da spielt Gould unter anderem auch die 6. Partita von Bach - muss man gesehen haben - so sieht völlige Versunkenheit aus.


    Und was sein Spiel der Mozart Sonaten angeht: Dafür habe ich ja die Pires :D


    Carola

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  • Sagitt meint:


    Im Ausgangpunkt dieses thread geht es um Fragen zu Gould.


    Die habe ich auch. Nicht wegen der Werktreue, sondern aus meiner Vorstellung von Klavierspiel,transparent und zugleich voller Leidenschaft,vor mir aus auch schönen Klavierton, je nach Komponist.


    Gould lernte ich, wie viele, mit den Goldbergvariationen kennen. Das war Anfang der sechziger ein Ereignis. Sein nachfolgender Bach hat mich nie besonders angesprochen, aber sein Beethoven umso mehr ( immer noch in vielen Teilen meine Referenz). Der Bach war mir zu akademisch und wenn ich höre, wie Weissenberg oder Argerich oder Pogerelich Bach spielen, von mir aus auch Zacharias, dann weiss ich, es geht auch anders.


    Das Forum ist aber Anregung, Urteile zu überprüfen. Ich werde mir seine Suiten nochmals anhören.


  • Hallo Sagittarius,


    natürlich ist das Argument der Masse ein ziemlich fadenscheiniges Argument. Gleichwohl resultiert Goulds Ruf als Interpret bei dem Publikum ja gerade aus seinen Bacheinspielungen. Den Erfolg, den er aber zweifellos hatte und der nach wie vor noch fortwirkt, hätte er aber mE nicht gehabt, wenn man seine Interpretationen als "akademisch" angesehen hätte. Eine angeblich akdemische Sicht auf Bachs Werk ist jedenfalls mir im Zusammenhang mit Gould neu. Hier würde ich eher Interpreten wie Gustav Leonhardt oder Ralph Kirkpatrick nennen wollen aber auch eine Reihe von Interpreten, die sich der sog. historisierenden Aufführungspraxis zurechnen lassen. Vielleicht sollte man sich, wenn man dieser "akademisch"-Argumentation zugeneigt ist, wiklich einmal Bruno Monsaignons Dokumentation "Les chemins de la musique" ansehen, wo Gould sich in seinem Bachspiel alles andere als "akademisch" gebärdet und auch spielt. Vielleicht resultiert Deine Auffassung, lieber Sagitt, auch daraus, daß Gould all das, was er auf beeindruckende Weise Interpretiert hat, "akademisch" untermauert hat. Nichts, was Gould getan/gespielt hat, hat er ohne Grund getan, immer hat er dafür eine Erklärung geliefert und zwar unabhängig davon, ob er Bach, Mozart, Beethoven, Webern, Berg, Krenek oder was auch immer gespielt hat. Aber das hat doch mit akademischem Spiel nichts zu tun, oder?


    Frohe Grüße nach Bremen

  • Eine der Fragen, die ich mir zuweilen stelle, für die ich aber keine hinreichend zufriedenstellende Antwort finde, ist diejenige, ob es für Gould stilistische Vorbilder oder Nachfolger gibt.


    Vielleicht gibt es hierzu ja Meinungen/Hinweise?

  • Hallo Tom,


    das ist das ja gute an diesen Diskussionen, sie schärfen durch die andere Meinungen und lassen einen nachdenken. Mit akademisch meine ich nicht intellektuell, das war Gould sicher. Er hat sich was gedacht, und sei es so unsinnig, wie, Mozart sei zu spät gestorben.
    Nein,vielleicht ist akademisch der falsche Begriff. Ich höre gerne den emotionalen Teil mit, und Gould, so mein Höreindruck, reduziert die Werke auf transparente Strukturen. Wenn es um Linie,um fliessende Melodie geht, ignoriert er diese Anteile. Ich finde, das kann man gut hören, wenn er mit Streichern zusammenspielt, zB die Gambensonaten von Bach oder das Klavierquartett von Schumann. Er zerhackt die Linie. Deswegen kommt er mit Mozart so schlecht zurecht. Charme, Melodie, das sagt ihm nicht zu.
    Allerdings räume ich, dass ich die Bedeutung seiner Beethoven-Interpretationen auch darin sehe, dass sie mit ungeheuer Wucht daher kommen ( Transkription der 5ten Sinfonie, Appassionata, dritter Satz von op. 27 Nr. 2).
    Höre ich Zacharias mit Präludien aus WTK I, ist mir das eine Farbaufnahme, diejenige von Gould eine Schwarzweiss-Aufnahme,gleichen Eindruck habe ich, wenn ich eine Partita von der Argerich höre oder eine englische Suite von Pogorelich oder eine französische Suite von Gavrilov.
    Ich kenne eine Bach-Interpretation von Gould,die mich rundum überzeugt. Die Goldbergvariationen, 1959,in Salzburg. Öffentliche Auftritte erzeugteb bei ihm offensichtlich eine grosse Spannung, dadurch wird seine Performance, nervös-virtuos,feurig.
    Was die Meinungen von Mehrheiten angeht, ist dies für mich ein untergeordnetes Argument. Ich behaupte nicht die Allgemeingültigkeit meiner Eindrücke. Und Joachim Kaiser, ein durchaus renommierter Kritiker, hat sich zur Begrenztheit Gould´schen Klavierspiel ebenfalls geäußert.Ich möchte ihn gar nicht als Kronzeugen heranziehen,weil subjektive Meinungen nicht belegt werden müssen. Sie sind ein Diskussionsbeitrag. Ich beharre auch nicht auf diesen Meinungen, im Gegenteil werde ich mir die Interpretationen von Gould ( ich habe leider nur die seltsam gereinigten Fassungen von Sony) mal wieder gründlich durchhören.
    Schöne Grüsse


    Sagitt

  • Der Hauptunterschied zwischen Goulds Bach und dem Bach von den meisten
    anderen bekannten Pianisten ist seine eher vertikale Herangehensweiste,
    welche eher die einzelnden Themen betont und das Hauptaugenmerk
    weniger auf die Gestaltung des ganzen Stückes lenkt.
    Das hat sagitt gut formuliert.
    Am Gouldschen Modell kann man sicher kritisieren, dass die Spannung dadurch
    ständig vorhanden ist und sich nicht erst aufbaut. Romantische oder
    auch bzw. Mozarts Musik passt vielleicht einfach besser zur 2ten Methode,
    weil bei diese Musik weniger von ihrer Struktur lebt als zum Beispiel
    Barockmusik.


    Darüber hinaus sollte man Bedenken, dass Mozart kaum den Kontrapunkt
    benutzt hat (obwohl Mozart sich am Ende seines Lebens sehr viel damit
    beschäftigt haben soll), wodurch natürlich die Notwendigkeit zur ständigen
    Hervorhebung der einzelnen Stimmen wegfällt.


    Gould hat selbst geäußert, dass ihn eigentlich nur kontrapunktische Musik
    interessiert hat. Und dieses "Manko" hat ihn nicht dazu gebracht, dass er
    Mozart "pianistischer und romantischer" (wie er sagen würde) zu
    spielen (wie es vielleicht besser passen würde). Er hat einfach an seinem
    Konzept festgehalten. Und das Klang-
    resultat war halt für viele gewöhnungsbedürftig.


    Halsstarrigkeit könnte man Gould also auch vorwerfen, was aber von
    anderen als künstlerische Stärke ausgelegt werden würde.


    Aber auch bei Gould gibt es Ausnahmen. Im WTK zum Beispiel das großartig
    b-moll Präludium.


    Insgesamt gesehen war Gould eher der strenge Puritaner, der IMO nur
    bedingt zu dem Hedonisten Mozart passte, und sich von diesem ganzen
    "Gefühlskram" überfordert fühlte :D.


    Sonst finde ich, dass zumindest was Bach angeht, Gould die Messlatte
    sehr hoch angesetzt hat.
    Wunder sind für mich im Moment die cis-moll, fis-moll und h-moll Fugen aus
    dem WTK 1. Da passt für mich alles. Die schönste je geschriebene Musik
    trifft hier den am besten dazu passenden Künstler. (OK, ich gebe zu: Das
    war etwas pathetisch :) )

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

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  • Eigentlich müßte es ja unter den Organisten dieses Forums überdurchschnittlich viele Gouldianer geben, denn die Herangehensweise an die Orgelliteratur dürfte doch per se dadurch geprägt sein, daß, bedingt durch das Instrument, der Orgelspieler ganz von selbst ein Gefühl für Mehrstimmigkeit, Baßliniern, Kontrapunktik und dergleichen entwickelt, insoweit eine große Nähe zu dem hier beschriebenen vertikalen Ansatz Goulds besteht. Oder sehe ich das falsch?

  • Ach ja. Ich hatte das Cis-Dur Präludium aus dem WTK 2 vergessen :angry:.
    Wie konnte ich nur.

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Wieso hat Gould bei manchen Werken so mitgesummt????
    Wenn es wenigstens in der richtigen Tonlage wäre...


    Noch schlimmer: Einen Nachahmer mit Fazil Say hat er ja gefunden.

  • Zitat

    Original von Klassikliebhaber
    Wieso hat Gould bei manchen Werken so mitgesummt????
    Wenn es wenigstens in der richtigen Tonlage wäre...


    Noch schlimmer: Einen Nachahmer mit Fazil Say hat er ja gefunden.



    Als Interpret des Interpreten Glenn Gould könnte man hier mit Fug und Recht behaupten, es hätte sich bei der Vokalbegleitung um eine weitere beabsichtigte Stimme im polyphonen Stimmengeflecht gehandelt.


    Vieles spricht jedoch dafür, daß es sich schlicht um einen Tick gehandelt hat, der GG selbst nicht so angenehm war, da er alles daran gesetzt hat, mittels spezieller Anordnung der Aufnahmegeräte, das Mitsummen so diskret wie möglich bei den Einspielungen erscheinen zu lassen.

  • ThomasBernhard meinte weiter oben:

    Zitat

    Ach den Livemitschnitt des Brahms d-moll Klavierkonzert mit Bernstein halte ich für eine wunderbar gelungene Aufnahme, jammerschade, daß man die Idee einer Studioeinspielung verworfen hat.


    Kein Wunder: Bernstein hat sich vor der Aufführung dem Publikum gegenüber von Goulds Interpretation distanziert. Nicht die richtige Basis für eine Studioeinspielung.


    Was ich an Gould gut finde: ER DENKT. Zum Unterschied von vielen, sehr vielen Musikern, die einfach Interpretationen wiederholen, die ihnen gefallen, überlegte Gould völlig eigenständig. Und er überlegte jedes Mal, wenn er ein Werk ein weiteres Mal anging, von neuem.
    Wenn jemand denkt, können Denkfehler passieren. Am sichersten ist immer, das zu repetieren, was schon einmal Erfolg hatte. Gould hat sich darauf nie verlassen - und allein dafür gebührt ihm Anerkennung. Er ist seinen eigenen Weg gegangen. Hut ab!


    Sein seltsamer Geschmack in Bezug auf Komponisten steht im Grunde auf demselben Blatt. Soviel ich weiß, war es nicht Mozart, den er ghasst hat (den vielleicht auch), sondern Beethoven.
    In einer TV-Sendung zwickte Gould den Schluss einer Beethoven-Sonate ab, spielte die inhaltslos gewordenen Akkordfolgen und kommentierte (ich zitiere aus dem Gedächtnis): "Bei Bach würden Sie im gesamten Werk nicht einen Takt finden, der so überhaupt keinen Inhalt hat. Bei Beethoven sind es in einer Sonate soundsoviele Takte." (Bitte mich zu korrigieren, wenn jemand das Zitat wörtlich hat.)


    Das ist natürlich völlig verrückt, denn ebenso gut könnte man sagen, dass in einem Werk Bachs mehr erlernbare Floskeln stünden als im Gesamtwerk Beethovens. Aber Gould liebte eben die extremen Standpunkte. Sie gehören zu seiner Persönlichkeit, in ihnen wurzeln seine unbedingt persönlichen, völlig subjektiven, aber immer genau überlegten interpretatorischen Ansätze.


    Kurz: Ich halte Gould für einen großen Pianisten.
    Dass ich seine Interpretationen grauenhaft finde, ist mein persönlicher Geschmack. Und der steht auf einem ganz anderen Blatt.


    P.S.: Fazil Say summt auch? - Schnell ein Klavierduo mit Helène Grimaud gründen und unter dem Motto "Zwanzig Finger und zwei Stimmen" auf Tournee gehen...!

    ...

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  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Sein seltsamer Geschmack in Bezug auf Komponisten steht im Grunde auf demselben Blatt. Soviel ich weiß, war es nicht Mozart, den er ghasst hat (den vielleicht auch), sondern Beethoven.
    In einer TV-Sendung zwickte Gould den Schluss einer Beethoven-Sonate ab, spielte die inhaltslos gewordenen Akkordfolgen und kommentierte (ich zitiere aus dem Gedächtnis): "Bei Bach würden Sie im gesamten Werk nicht einen Takt finden, der so überhaupt keinen Inhalt hat. Bei Beethoven sind es in einer Sonate soundsoviele Takte." (Bitte mich zu korrigieren, wenn jemand das Zitat wörtlich hat.)



    Was ist schon ein seltsamer Musikgeschmack? Und daß Gould irgendwelche Komponisten angeblich gehaßt hätte? Begriffsverwirrung? Ich jedenfalls vermag das nicht nachzuvollziehen. Wenn GG bestimmte Werke nicht eingespielt hat oder bestimmte Komponisten ignoriert hat oder freundlicher formuliert, insoweit nicht ambitioniert war, so hängt das sicher nicht mit irgendwelchen unheildräuenden Haßgefühlen zusammen. GG verfolgte eben eine bestimmte Aufnahmephilosophie, was wohl mE mit seinen Grundüberzeugungen zusammenhängt, nämlich daß ihn Musik abgeschreckt hat, die instrumentbezogen und sensualistisch, klangcholoristisch war (Chopin, Tschaikowsky, Liszt). Das alles stellt sich völlig anders bei Bach, Gibbons, Sweelink, Schönberg, Webern, zum Teil Mozart und Beethoven (insoweit jedenfalls mit Vorbehalten) dar, die strukturelle Musik geschrieben haben, d.h. Musik, die sich nicht in den Zwängen eines vorherbestimmten oder vorherbestimmbaren harmonischen Ablaufs abspielt oder eben nicht instrumentalspezifisch angelegt ist.

  • Gould über Mozart:


    Tim Page : ... Es kommt mir so vor, als seien einige Ihrer Einspielungen der Mozartsonaten vielleicht ihre am wenigsten gelungenen Schallplatten.


    G.G.: Ja, ein paar von den späteren Mozartsonaten. Die frühen Werke mag ich, die mittleren auch, die späteren Sonaten mag ich nicht; ich finde sie unerträglich, überladen mit quasitheatralischem Getue, und ich kann allerdings sagen, dass ich an die Aufnahme eines Stücks wie der Sonate B-Dur KV 570 ohne jede Überzeugung herangegangen bin ( :D). Es wäre ehrlich gewesen , diese Werke ganz auszulassen, aber der Zyklus musste komplettiert werden.



    Zitat

    Sein seltsamer Geschmack in Bezug auf Komponisten steht im Grunde auf demselben Blatt. Soviel ich weiß, war es nicht Mozart, den er ghasst hat (den vielleicht auch), sondern Beethoven.



    Zu Beethoven hatte Gould eine ambivalentes Verhältnis
    :
    Aus einem Interview mit Tim Page:


    G.G.: Ich habe eine sehr ambivalente Meinung. Ich habe überhaupt keine vernünftige Erklärung dafür, warum seine bekanntesten Werke - die Fünfte Sinfonie, das Violinkonzert, das Klavierkonzert Nr. 5, die Waldsteinsonate - je populär geworden sind, noch viel weniger dafür, warum sie ihre Anziehungskraft bewahrt haben. Nahezu jedes Merkmal, das ich in bedeutender Musik anzutreffen erwarte - harmonische und rhythmische Vielfalt, kontrapunktische Invention -, fehlt in diesen Stücken fast völlig. In seiner mittleren Periode, die diese Werke hervorgebracht hat, bot uns Beethoven das schlimmste historische Beispiel eines Komponisten, der auf einem Egotrip ist, eines Komponisten, der völlig sicher war, dass ganz gleich, was er tat, einfach deshalb gerechtfertigt war, weil er es tat! Ich weiß nicht, wie man sonst das Vorherrschen jener leeren, banalen, kriegerischen Gesten erklären soll, die in dieser mittleren Periode als seine Themen fungieren. Die späteren Jahre sind eine gaz anderen Geschichte - meine Lieblingssinfonie ist die 8te, mein Lieblingssatz in all seinen Sonaten ist der erste aus op. 101, und die Große Fuge ist für mich nicht nur das bedeutendste Werk, das Beethoven je geschrieben hat, sondern so ungefähr das erstaunlichsten Werk in der Musikliteratur überhaupt!. Aber selbst die späten Werke sind erstaunlich inkonsistent - beispielsweise gleube ich nicht, dass der Rest von op. 101 viel mit dem außerordentlichen ersten Satz zu tun hat, abgesehen von jenem Ritat kurz vor dem Finale.
    Alles in allem würde ich sagen, das Beethoven hervorragendstee Werke, was die Konsistenz betrifft, jene aus seiner frühen Periode sind, bevor sein Gehör nachließ - machen wir uns nichts vor, das hat sein späteres Werk beeinträchtigt - und bevor sein Ego voööständig das Kommande übernahm. Fast alle jene frühen Klavierwerke sind makellos ausbalanciert - von oben bis unten, Register für Register. In diesen Stücken stimmte all das, wofür Beethoven ein Gespür hatte, Struktur, Phantasie, thematische Kontinuität, harmonischer Antrieb und kontrapunktische disziplin, absolut, ja, auf wunderbare Weise, pastorale Austrahlung, und jede textur ist so sorgfältig ausgebreitet wie in einem Streichquartett. Was ich jetzt sagen werde, wird Sie vielleicht überraschen . angeblich haben Musiker ja einen raffinierteren Geschmack ., aber ich glaube, dass eines von Beethovens wireklichen Meisterwerken die Mondscheinsonate ist.
    Aber auch was diese frühen Jahre angeht, muß ich doch sagen, dass Mr. Beethoven und ich uns nicht einig sind, was gute Musik ausmacht. Um 1801 hat Beethoven einen Brief geschrieben, in dem er behauptete, das op. 22 seine bis dahin beste Klaviersonate sei. Und so sehr ich die frühen Sonaten mag - und ich mag sie wirklich -, so ist doch ein Blindgänger darunter ... und das ist op. 22.



    Aber Gould war ja schon immer für seinen etwas "provokanten" Thesen bekannt. Man erinnere sich nur daran, dass es behauptete, dass William Byrd sein Lieblingskomponist sei. ?(



    Was das Mitsummen betrifft:


    Gould hat immer gesagt, ich habe es schon einmal erwähnt, dass er es nicht vverstehen kann, wie man bei außergewöhnlicher Musik nicht mitsummen kann. Er war halt immer voll dabei und hat alles gegeben.

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • hallo,


    jetzt mal gould als kammermusiker. unvergessen ist das zusammentreffen gouls und yehudi menuhins. und darüberhinaus:


    j.s. bach


    sonaten für klavier und violine BWV 1014-1019


    glenn gould, piano, jaime laredo, violine


    CBS/sony, ADD, aufn. 1975



    interpretation: 8/10 (IMO)
    klang: 7/10 (IMO)


    ich habe oben das klavier nicht nur deswegen an erste stelle erwähnt, da bach es vermutlich so titulierte (als cembalo), sondern weil gould hier eindeutig der kopf des gesamten unternehmens ist. eine der bedeutendsten einspielungen dieses zyklus. die aufnahmen wurden jeweils in den frühen morgenstunden zum leidwesen laredos gemacht. als der geiger, der IMO etwas zuviel vibrato ansetzt, anfing, es gould mit improvisierenden verzierungen gleichzutun, wurde er vom bach-meister in die schranken verwiesen, doch bitte nur das zu spielen, was im text verankert sei. ich höre diese aufnahmen wirklich gerne, weil sie neben dem typischen gould-bach-feeling auch dank des vollen laredo-tones eine so warme und musizierfreudige athmosphäre verbreiten.


    ich sehne mich allerdings immer noch nach der wiederauflage der legendären einspielung leonid kogans und karl richters (cembalo) damals für eurodisc/melodiya !


    gruß, siamak

    Siamak

  • Ich hatte in den vergangenen Tagen Gelegenheit, Goulds erste Doppel-CD mit Mozart etliche Male zu hören. Mein Stil ist das nicht. Ich bin kein Mozart-Sonatenexperte und habe als Vergleich derzeit nur die GA von der jungen Pires (auf Brilliant) sowie vereinzelte Sonaten von Gieseking und einigen anderen. Ich finde, Goulds Mozart klingt wie Bach. Es fehlt das Singende, Tänzerische. Den Sonaten haftet etwa Strenges an, was mE nicht zu ihnen paßt. Die von Alfred erwähnte mechanische Spieluhr als Vergleich schoß auch mir beim ersten Hören durch den Kopf.


    Mit seinem hier zuletzt diskutierten Beethoven habe ich mich noch nicht befaßt, es stehen lediglich einige seiner Bacheinspielungen im Schrank.


    Mozart: Legitime Einspielungen? Ganz sicherlich. Etwas für meinen Geschmack? Nein!

  • Interessantes neues Film- und Musikmaterial von Glenn Gould:


    Hereafter von Bruno Monsaingeon aus dem 2006


    Unter Anderem:
    Im vierten Teil 3te Minute Chopin von Gould!
    Eroica-Variationen in Teil 6.
    Am Ende von Part 8 dann Mozarts KV 331 in A-Dur einmal anders. :D


    Francophile haben Vorteile :yes:

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

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