Anna Netrebko - Einzigartig oder nur Marketing?

  • Liebe Taminos,


    auch auf die Gefahr hin, daß das alles schon gesagt und x-mal durchgekaut ist: Ich finde die Entwicklung um Frau Netrebko vor allem bedauerlich. Da verfügt jemand über ein lyrisches Stimmaterial, das es lange nicht gegeben hat, und hat unüberhörbare Stärken: durchaus gut fokussierte Töne, mühelose Höhenlage, gute Verblendung nach oben.
    Der Markt verlangt aber nach einer zwische Lolita und Vamp pendelnden russischen Putzfrau, die auch jenen erreichbar scheint, die mit Operngesang sonst nicht viel am Hut haben. Daher legt man Wert auf Outfit, Marketing und willige Regisseure, die schlichtweg jede Inszenierung zum Schaulaufen für eine mehr oder weniger bekleidete AN umfunktionieren. Dessous, kokette Augenaufschläge, möglichst viel Bein - wenn es dabei mal bleibt.
    Die Schwächen dieser Stimme werden hingegen überhaupt nicht mehr bearbeitet, als da wären: eine geradezu erschreckende Schwerfälligkeit für das Repertoire, das sie singt (Netrebko als Koloratursopran, komplett abwegig), eine auf sonoren Wohlklang ausgelegte Allerweltsästhetik sowie eine nur selten klingende Diktion. Noch dazu sehe ich ihr schauspielerisches Talent als zurückgeblieben an.
    Die ersten Kritiken in Feuilletons verlassen das mittelmäßige Schiff nun auch; womöglich geht der Hype vorüber, und was bleibt dann: eine von Management und verantwortungslosen Dirigenten verformte Karriere und eine weggeworfene Begabung, die wirklich eine war.


    Hoffentlich ist Frau Garanca vorsichtiger, die steht aber auch auf sichereren gesanglichen Fundamenten.


    Gruß an alle,



    Christian

  • Lieber Christian,


    das ist zwar alles schon gesagt worden, aber Du fasst es nochmal wunderbar zusammen, und genau so sehe ich es eigentlich auch. AN ist ein grosses Talent, das allerdings verheizt wird und viel zu frueh (wenn denn ueberhaupt) etwas singt, fuer das sie noch nicht bereit ist oder tw. auch nie bereit sein wird.


    Was ihr Schauspiel angeht, sagte ich das ja auch schon an anderer Stelle: Da waere viel Arbeit angebracht (allerdings auch bei anderen Saengern, da steht sie ja nicht allein), und gerade deshalb ist mir ganz persoenlich immer voellig schleierhaft, wie jemand ernsthaft finden kann, dass AN eine phantastische Darstellerin sei. Sie ist huebsch und strahlt das auf der Buehne aus. Das ist aber ein grosser Unterschied zu wirklicher Ausstrahlung und Buehnenpraesenz ...


    Da Darstellung gerade im Kunstgesang aber leider immer noch sehr oft (waehrend der Ausbildung) stiefmuetterlich behandelt wird, wundert es mich nicht wirklich, dass man das vielelicht ueberhaupt nicht wahrnimmt oder schon mit klitzekleinen schauspierischen "Anwandlungen" zufrieden ist :untertauch:

  • Hallo Eponine2,
    nun habe gerade ich absolut nichts dagegen, wenn jemand Anna Netrebko auch die Schauspielkunst abspricht, obwohl sie in den Vöslauer-Spots eine Leistung hinlegt, die schon atemberaubend ist. Das soll ihr die Verona Pooth erst einmal nachspielen...


    Aber im Ernst: Welche Sängerin von den heute aktiven würdest Du im Vergleich schauspielerisch (nur schauspielerisch, also ohne Diskussion über Intonationstrübungen etc.) höher stellen? Bei mir wären es sicher die Denoke und die Schäfer. Aber sonst?


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Aber im Ernst: Welche Sängerin von den heute aktiven würdest Du im Vergleich schauspielerisch (nur schauspielerisch, also ohne Diskussion über Intonationstrübungen etc.) höher stellen? Bei mir wären es sicher die Denoke und die Schäfer. Aber sonst?


    Ganz genrell oder gleiches Fach?


    Also, wenn wir die Stimme mal ganz aussen vor lassen: Christine Schaefer, Diana Damrau, Agnes Baltsa, Nathalie Dessay fallen mir ganz spontan ein und sicher noch einige mehr, wenn ich genauer drueber nachdenke.


    Ich gebe Dir aber recht, und nichts anderes meinte ich ja mit meinem Beitrag, dass die szenische Darbeitung geneell ein Problem ist. Und selbst diese Vorbedingung miteinbeziehend und daher "gnaedig" ;), finde ich eben nicht einmal, dass AN es besonders gut macht. Aber das ist wahrscheinlich wirklich Geschmackssache ...

  • Das ist allerdings Geschmackssache!!!! :yes:
    Ich muss mich zwar nun wiederholen, aber ich finde , dass sie es in PASSENDEN Rollen absolut phantastisch macht, weil man wirklich das Gefühl hat, sie IST die Person, die sie darstellt. Ich fand, sie hat sowohl die Manon als auch die Traviata hervorragend gespielt-mal ganz abgesehn von ihrer physischen Erscheinung, die sie für diese Rollen geradezu prädestiniert.
    Ich finde auch, dass Nathalie Dessay noch besser spielt, aber sie ist nun geradezu ein SchauspielGENIE(genau wie ihre Landsmännin Patricia Petibon). Christine Schäfer habe ich als Cherubino klasse gefunden, aber ihr liegen eben auch nciht alle Rollen, genausowenig wie Netrebko.
    Damrau fand ich als Constanze sehr gut, ansosnten kenne ich sie leider nur von Aufnahmen.
    Wriklich noch besser finde ich auch aus der "alten Garde"Felicity Lott(sowie Gruberova und Baltsa)-sowas gibts aber ohnehin kein zweites Mal, denn sie muss ncihtmal hübsch sein um als Belle Hélène zu begeistern-ihr Charme ist umwerfend. :jubel:
    Allerdings ist Netrebko für mcih wenngleich nciht die Beste so doch eine überdurchschnittlcihe gute Bühnendarstellerin, solange es nciht gerade die Sonnambula oder ein ähnlich zartes Geschöpf sein soll.


    Fairy Queen

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  • Liebe Petra,


    Daß AN zunehmend Partien singt, die sie meiden sollte, darüber sind wir uns wahrscheinlich alle einig; in punkto Schauspielbegabung, finde ich persönlich, ist sie für eine Opernsängerin weit überdurchschnittlich begabt. Ihre Adina im Wiener "L'Elisir" war diesbezüglich eine absolute Spitzenleistung. Sicher liegen ihr nicht alle Rollen und Regisseure gleich, und man kann auch nur hoffen, daß ihr Management sie nicht hauptsächlich auf räkelnde Sofa-Posen beschränkt. Da ist sie in anderen Darstellungen besser...


    LG


    Waldi

  • Dass ich AN so gerne live erlebe, liegt zu 90% an ihren in meinen Augen enormen schauspielerischen Qualitäten, die Stimme alleine treibt mich nicht dazu, mich stundenlang für eine Karte anzustellen, wenn sie an der WSO singt. Ich gebe Fairy recht, dass Nathalie Dessay eine noch bessere Schauspielerin ist (sie bezeichnet sich selbst ja auch als "singende Schauspielerin", nicht als Sängerin!), aber dahinter kommt für mich schon AN, die mich bisher in jeder in ihrer Rollen absolut überzeugt hat. Sie begreift einfach das Wesen einer Figur, macht alles instinktiv richtig, nichts wirkt bei ihr eingelernt, aufgesetzt. Genau deshalb gibt Rolando Villazon ja einen so kongenialen Partner ab, weil er der gleiche Instinktschauspieler ist, er sich ebenso natürlich auf der Bühne bewegt wie sie, und die beiden als Romeo und Juliette erlebt zu haben wird wohl für immer zu meinen persönlichen Sternstunden zählen. Wie die beiden das gespielt haben, war so unglaublich authentisch, so intensiv, dass die gesangliche Leistung beinahe nebensächlich wurde, obwohl es auch daran nur wenig auszusetzen gab.
    lg Severina :hello:


  • Hallo Thylon,


    ich habe mir gerade mal die Trackliste angesehen - diese CD ist IMO keine Neuerscheinung, sondern eine neue Zusammenstellung der Recitals, die AN mit Noseda (Opera Arias) und Abbado (Sempre libera) für die DG aufgenommen hat.


    Und ob ein neues Cover allein die Anschaffung lohnt?


    :hello:


    Elisabeth

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  • Ich habe AN live nur im einem Recital gesehen (mit Calleja in einer großen Halle), da kam der schaupielerische Aspekt zwangsläufig nicht vor.
    In der Salzburger Traviata Aufführung, die ich im Fernsehen genoß, hat AN mich durch Ihre Ausstrahlung und absolut glaubwürdige Darstellung der Rolle überzeugt.


    Das Schauspielerische ist mE bei AN ein absoluter Pluspunkt.


    Die abweichende Sichtweise von Eponine basiert eventuell auf ihrer Musicalbasis, wo in Hinsicht Schaupielkunst andere Kriterien gelten mögen.

  • Lieber Achim,


    da liegst Du sicherlich richtig ;)


    Das ist es fuer mich aber nicht ausschliesslich. Um Missverstaendnissen vorzubeugen: Ich habe grossen Respekt vor Anna Netrebko, sehe ganz persoenlich ihre Staerken aber anderswo und gerade nicht im schauspielerischen Bereich. Das liegt bei mir v.a. an genau den Argumenten, die hier angebracht werden, um ihre Darstellungskunst zu unterstreichen: Dass sie (nur) in passenden Rollen, hier werden ja v.a. oft die Manon und die Traviata angebracht (beides kenne ich uebrigens auch nicht live sondern nur von DVDs/TV), glaubwuerdig wirkt. Fairy sagte, dass das durch ihre physische Erscheinung noch unterstrichen wird. Das ist unbestritten so, aber ist das grosse Kunst? Wenn man gut aussieht, sieht man gut aus. Ebensowenig ist es fuer mich grosse Kunst, in etwas ueberzeugend zu wirken, was total meinem Rollentypus entspricht. Die Kunst faengt da an, wo ich auch glaubwuerdig in Rollen bin, an die an eben erst mal nicht vordergruendig denkt. Wie gesagt, jetzt den rein stimmlichen Aspekt mal aussen vor.


    Um mal wieder den abgehalfterten Vergleich zu bemuehen: Maria Callas hat vieles gesungen, was ich stimmlich nicht nur passend fand, obwohl sie sicherlich eine der groessten stimmlichen Bandbreiten hatte, die man sich denken kann. Trotzdem war sie fuer mich sogar in den stimmlich vielleicht nicht ganz ueberzeugenden Partien darstellerisch IMMER ueberzeugend. Das ist der feine, aber betraechtliche Unterschied zu einer wirlich ueberzeugenden Darstellering (fuer mich).


    Anna Netrebkos schauspielerische Schwaechen treten fuer mich v.a. dort zutage, wo sie sich mehr im Recitalbereich betaetigt. Achim, Du sagst, da kommt der schauspielerische Aspekt nicht vor. Sehe ich anders. Gerade dort, wo man keine Requisiten, Buehnenbilder und Kostueme hat, zeigt sich, ob jemand auch darstellerisch mit "kleinen Gesten" ueberzeugen kann. Wenn man da auch sicherlich keine "grosse Show" abliefert, wirkt sie dort auf mich jedesmal geradezu hoelzern und irgendwie verloren. Vielleicht sind ihr solche Situation generell nicht angenehm, vielleicht braucht sie auch die ganze Rolle und das szenische Umfeld, um "warm" zu werden. Das ist ja auch alles nichts Schlimmes. Ich, und das sage ich ganz egoistisch, will aber auch bei solchen Gelegenheiten in den Bann gezogen werden. Viele andere schaffen das allein mit ihrer Mimik und dem Ausdruck in ihrem Gesicht, und da sehe ich bei AN leider jedesmal nur relative Leere. Tut mir Leid, aber so empfinde ich das. Irgendwas fehlt, es ist schwer zu greifen, aber bei mir stellt sich die Faszination einfach nicht ein ...

  • Hallo Eponine,


    ich glaube, ich habe mich insoweit mißverständlich ausgedrückt, als ich gerade den Recitalabend meinte, dem ich in der Preussag-Arena (alles klar ? :D ) beiwohnte.
    Obwohl die Karten teuer waren, war ein direkter Blick auf die Protagonisten fast nicht möglich. Gesehen habe ich das Konzert über die Videoleinwände und das ist kein Konzert für mich :motz:
    (hoch lebe der kleine Jazzclub).
    Da kam erstens kein schauspielerische Leistung rüber und war zweitens auch nicht nötig.


    Im übrigen stimme ich Deinen Ausführungen zu, daß auch im Recitalbereich ruhig mehr als nur Gesang geboten werden darf.


  • Liegt eigentlich ein Poster bei? Oder eine CD-ROM mit Bildmaterial? Andernfalls reicht es mir, die vorangegangenen Netrebko-CDs nicht zu haben.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Andernfalls reicht es mir, die vorangegangenen Netrebko-CDs nicht zu haben.


    :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    Schade nur, dass Stefania Bonfadelli (noch?!) keine eigene CD aufgenommen hat. Gehe ich recht in der Annahme, dass Dir die (natürlich musikalisch) eher zusagen würde?


    :hello:


    Elisabeth

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  • Heute kam in den „Seitenblicken" im ORF 2 eine für mich interessante Aussage über A. Netrebko von Christa Ludwig, die noch immer rüstig ist. Der Inhalt:


    Es sei schön für die Netrebko, dass sie Erfolg habe. Sie (Christa Ludwig) habe in St. Petersburg anlässlich eines Gesangwettbewerbes als Jurorin allerdings gesehen, dass es dort viele „Netrebkos“ gebe. Wichtig für einen Sänger sei es allerdings, dass seine Stimme von Dauer sei, und sein Können.


    :angel:

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  • Der Pressetext zu der Sendung ist sehr vielversprechend:


    Zitat

    Man sieht die elegante Künstlerin bei der Verleihung des russischen Staatspreises durch Präsident Putin und erfährt im nächsten Augenblick, dass sie ein Faible für Frauenboxen hat und gerne mehr Zeit für die Disko hätte. Der sehr lebendige Film erlaubt bislang unbekannte, sehr persönliche Einblicke in das Privatleben von Anna Netrebko und porträtiert einen liebenswerten Menschen, der sich trotz der manchmal erdrückenden Popularität seine Natürlichkeit bewahrt hat.



    Ein klarer Favorit um den Preis für die "Lobhudelei des Tages".

    Man kann wirklich sagen, daß ich Mozart sehr, sehr viel verdanke; und wenn man sich ansieht, wie z. B. meine Streichquartette gebaut sind, dann kann man nicht leugnen, daß ich das direkt von Mozart gelernt habe. Und ich bin stolz darauf!
    Schönberg

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  • Zitat

    Original von Antracis
    Komischerweise steht da von Singen gar nix. ?(


    Wird am Ende gar Tausendsasser Putin ein "Di Provenza" schmettern ? :D


    Wird wohl eher ein "Di provincia" sein.


    Wobei das alles eher gegen die presseabteilung des ZDF geht, denn damit hat AN wirklich nichts zu tun. Die kriegt hier schon mehr als geng Fett weg, und wahrlich nicht nur verdientes.


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Rideamus


    Wobei das alles eher gegen die presseabteilung des ZDF geht, denn damit hat AN wirklich nichts zu tun. Die kriegt hier schon mehr als geng Fett weg, und wahrlich nicht nur verdientes.


    :hello: Rideamus


    Es zeigt mE deutlich, daß es bei AN nicht mehr um das künstlerische Ergebnis geht, sondern nur noch um die Person als solche :(.
    Eine Ausstrahlung im ZDF am Sonntag um 18.00 Uhr läßt natürlich, bezogen auf die avisierte Zielgruppe, auch nur "Menschelndes" zu.
    Ich glaube, man verpasst nichts, wenn man sich lieber eine gute Platte auflegt, gerne auch mit AN.


    Grüsse
    Achim :hello:

  • Die Nachricht, die das ZDF zur Ankündigung ihrer Sendung verbreitet, scheint von der Marketing-Abteilung ihrer Plattenfirma (Universal) zu stammen, die auch ihre Kunden anschrieb:


    Zitat

    ......aber wer ist Anna Netrebko eigentlich? Das hat sich auch ein junges russisches Fernsehteam gefragt und hat die Künstlerin zu verschiedenen Orten ihrer Lebensgeschichte begleitet.
    Man reiste gemeinsam nach St. Petersburg und zu ihrem Heimatort Krasnodar, erlebt Anna Netrebko als quirlige Sängerin und eigenwillige Designerin ihrer Wohnungseinrichtung, trifft Freunde und Weggefährten aus Familie und Prominenz. Das Ganze ist eine Stunde lang am Sonntag, 25. November zur besten Sendezeit um 18 Uhr im ZDF zu erleben. Also dick anstreichen im Fernsehprogramm und nicht verpassen!


    Nachzulesen auch bei Klassik-Akzente online "mehr über Anna"....

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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