Liebe Taminos,
auch auf die Gefahr hin, daß das alles schon gesagt und x-mal durchgekaut ist: Ich finde die Entwicklung um Frau Netrebko vor allem bedauerlich. Da verfügt jemand über ein lyrisches Stimmaterial, das es lange nicht gegeben hat, und hat unüberhörbare Stärken: durchaus gut fokussierte Töne, mühelose Höhenlage, gute Verblendung nach oben.
Der Markt verlangt aber nach einer zwische Lolita und Vamp pendelnden russischen Putzfrau, die auch jenen erreichbar scheint, die mit Operngesang sonst nicht viel am Hut haben. Daher legt man Wert auf Outfit, Marketing und willige Regisseure, die schlichtweg jede Inszenierung zum Schaulaufen für eine mehr oder weniger bekleidete AN umfunktionieren. Dessous, kokette Augenaufschläge, möglichst viel Bein - wenn es dabei mal bleibt.
Die Schwächen dieser Stimme werden hingegen überhaupt nicht mehr bearbeitet, als da wären: eine geradezu erschreckende Schwerfälligkeit für das Repertoire, das sie singt (Netrebko als Koloratursopran, komplett abwegig), eine auf sonoren Wohlklang ausgelegte Allerweltsästhetik sowie eine nur selten klingende Diktion. Noch dazu sehe ich ihr schauspielerisches Talent als zurückgeblieben an.
Die ersten Kritiken in Feuilletons verlassen das mittelmäßige Schiff nun auch; womöglich geht der Hype vorüber, und was bleibt dann: eine von Management und verantwortungslosen Dirigenten verformte Karriere und eine weggeworfene Begabung, die wirklich eine war.
Hoffentlich ist Frau Garanca vorsichtiger, die steht aber auch auf sichereren gesanglichen Fundamenten.
Gruß an alle,
Christian