Christoph Willibald Gluck: Orfeo ed Euridice

  • Liebe Forianer,


    bei einem Aufenthalt in London soll Händel über den Förstersohn C.W. Gluck gesagt haben, sein Kompositionsvermögen sei nicht stärker als das seines Kochs.
    Für die große Reformoper Orfeo und Euridice (1762 Wiener Fassung), die nach der Begegnung mit Händel in London entstand, wird man dies sicher nicht sagen können. Nach Opernerfahrungen in Italien war Gluck gemeinsam mit seinem Librettisten Calzabigi bemüht, die italienische opera buffa und die französische tragedie lyrique durch Rückkehr des Operngesangs zu Leidenschaftlichkeit und Wahrhaftigkeit des Ausdruck wieder zu beleben. Zugleich wollte er die nationalen Operntraditionen europäisch überwinden.
    Dieses neue Ausdrucksvermögen vermag uns noch heute in Schwingungen zu versetzen. Orfeo ed Euridice von Gluck (in der italienischen Fassung) hält mich deshalb seit langen Jahren fest wie die besten Mozart-Opern. Geht es Euch ebenso und welches sind Eure liebsten Einspielungen?


    Ich habe diese Oper kennen gelernt in einer Aufnahme mit Vaclav Neumann (seinerzeit noch auf LP, dann auf CD), Grace Bumbry - Orfeo und Anneliese Rothenberger - Eurydice; eine Aufnahme, die ich immer noch schätze, die im Ausdruck mit neueren Aufnahmen aber nicht standhalten kann.
    Heute schwanke ich zwischen der Aufnahme von Rene Jacobs (2001) und einer der Aufnahmen von Gardiner (Mai 1991) mit Sylvia Mc Nair und Derek Lee Ragin. Etwas abseits vom Wege - aber nicht uninteressant - die Aufnahme von Peter Maag mit Ewa Podles als Orfeo - (1998 Arts Music) diese Stimme muss man mögen. Eine schwere Enttäuschung war für mich die Aufnahme der Pariser Fassung (1774) von Marc Minkowski, ein echter Fehlkauf. Eine DVD vom Glyndebourne Festival 1982 mit Janet Baker war auch nicht besonders überzeugend.


    Also: Bewegt Euch dieses Stück ebenfalls und welche Einspielung (auch DVDs) sind für Euch besonders überzeugend?


    Gespannt auf Eure Antworten:


    Mit herzlichen Grüssen


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Tag,


    "Hände weg von Gluck!", so herrscht Herr Gardiner im Beiheft, etwas ist dran an der Mahnung, macht die Oper einen nicht froh, kommt es zum Spiel mit den Fassungen. Georg Solti soll dem Werk eine Darstellung in der Manier einer großen Oper gegeben haben, in der Absicht es zu erretten. Nach Gardiner, Ragin, McNair kommt man ins Grübeln. Es gibt ganz bestimmt eine enorme Bedeutung in historischer Situation, die Literatur ist davon übervoll, aber heutzutage?


    Von Händels Opern ziehe ich noch fast jede (fast = nicht Floridante, Almira, Teseo) der Gluck'schen Orpheus und Euridike vor. Man nehme nur Alcina, Ariodante, Scipione, Julius Cäsar, Serse, Ottone, Tamerlano ... .


    MfG
    Albus

  • Hallo Matthias,


    gern möchte ich diese DVD unter Gardiner empfehlen:



    Ich denke diese Aufnahme ist brilliant. Hier besonders der vokale Teil
    mit M. Kozena und dem Monteverdi Chor. Ebenfalls wurde hier eine tolle
    ästhetische Umsetzung unter Robert Wilson gefunden. Ich mag diese
    total reduzierte Inszenierung sehr.
    Auch das Dirigat von Gardiner, den ich sonst stets als zu zügig empfinde,
    wirkt hier völlig überzeugend.
    Auch die Klangqualität der DVD ist super.


    Gruß
    Rüdiger

    Gruß
    Rüdiger


    ________________________
    Lärm ist ... nur eines der Übel unserer Zeit, wenn auch vielleicht das auffälligste. Die anderen sind Grammophon, Radio und neuerdings die verheerende Television.


    C.G. Jung

  • Was die Französische Fassung von Orphée et Eurydice angeht, so bin ich komplett anderer Meinung als MStrauch, grade in Minkowskis Einspielung. Ich finde diese Fassung der Wiener um Längen überlegen. Schon allein wegen des Air des Furies, welches die Musiciens du Louvre in einer Weise spielen, dass man tatsächlich die Fratzen und Furien wirbeln sieht. Auch schlüssig: statt eines Altus als Orpheus setzt Gluck in Paris einen Tenor ein. Ich habe nicht prinzipielles gegen einen Altus, aber in dieser Rolle gefällt mir der Tenor einfach besser.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Hallo Thomas,


    na, dann werde ich ja unbedingt die Minkowski-Aufnahme noch einmal in großer Ruhe anhören müssen. Ich wäre beglückt, wenn ich da noch einen weiteren Schatz im Regal stehen habe. Sehr gedukldig war ich beim letzten Hören nicht, das gebe ich zu, aber weggegeben habe ich sie auch noch nicht. Von Minkowski hatte ich natürlich wichtiges erwartet. Wenn ich recht erinnere, waren die Besprechungen der Aufnahme letztlich auch nicht berauschend. Aber ist begebe mich noch einmal zum Selbsttest.


    Aber wie gesagt, bisher höre ich die Jacobs-Aufnahme am liebsten.


    Was mich überrascht ist, dass es anscheinend recht wenige Gluck-Freunde hier im Forum gibt.


    Mit freundlichen Grüßen


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

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  • Christoph Willibald Gluck gehört für mich zu den ganz Großen, doch ich bevorzuge eher seine anderen Werke. Zwar war ich von Orfeo ed Euridice total begeistert als ich sie zum ersten Male hörte (Einspielung Tafelmusik / Bernius / erschienen bei Sony) Aber seine anderen Opern, wie Armide, Iphigenie en Aulide und ganz besonders Alceste haben mich vom Stuhl gerissen.
    Die frz. Fassung (Minkowski) will ich mir auch demnächst zulegen, auch wenn die Kritiken eher mau ausgefallen sind. - Aber wenn ich immer auf Kritiker gehört hätte wäre mir vieles entgangen, ich brauche niemanden um mir sagen zu lassen "das ist Großartig" , ich denke ich bilde mir lieber selbst eine Meinung.
    Aber in jedem Fall sollte man auch die drei oben genannten Werke mal anhören, sie übertreffen die "Reformoper" bei weitem.

  • Die Armide habe ich in der Aufnahme von Marc Minkowski DG 1990 (da habe ich keinerlei Vorbehalte - ganz im Gegenteil) und die Iphigenie en Aulide in der Gardiner Einspielung von 1990 (Erato). Aber jeweils nur eine Aufnahme. Gibt es noch - vielleicht sogar interessantere - Alternativen?


    Gruß


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Leider kenne ich auch nur die von Dir angesprochenen Einspielungen.
    Gerade bei Iphigenie ist es nicht zu glauben, dass es nur diese Einspielung zu geben scheint.
    Alceste und Armide von Minkowski sind wohl die erste Wahl, Alceste gibt es noch in einer ziemlich alten Aufnahme von 1941, erschienen bei Naxos.
    Leider scheinen die großen Opern Glucks nicht so gefragt zu sein ?(

  • Alceste von Minkowski habe ich auch nach intensiverer Suche gar nicht gefunden. Was ist bei Alceste vorzuziehen, die italienische oder die französische Fassung? Wie ist Eure Meinung?


    Es gibt eine interessante Aufnahme mit der Callas "unter" oder wohl besser mit Guilini und dann diese:



    Wer kennt die DVD mit Gardiner und kann eine Einschätzung abgeben?


    Mit freundlichem Gruß


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Ich Depp :wacky: ,
    Alceste wurde von Gardiner eingespielt, man kann halt nicht alles im Kopf haben.
    Ich würde persönlich IMMER die frz. Fassungen vorziehen :D
    Jedenfalls war diese Oper eine der wenigen bei der es mir etwas feucht um die Augen wurde ;(
    Alceste ist meine persönliche Lieblingsoper von Gluck.
    Die DVD kenne ich noch gar nicht, mal sehen wann sich das ändert, die Einspielung ist jedenfalls sehr überzeugend.

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  • In der Iphigenie En Tauride gibt es ein Stück, welches ich als einen großen Geniestreich von Gluck ansehe: Le Calme Rentre Dans Mon Coeur. Oreste belügt sich aber damit selbst und das malt Gluck in einer hypernervösen, von synkopen gezeichneten Streicherbegleitung. Diese Zerissenheit gibt Gardiner viel besser wieder, als Minkowski in seiner neueren Einspielung.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
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    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Das habe ich Heute endeckt - bin immer noch dabei es zu verschlingen:



    Orphée et Euridice (1774 Pariser Version)
    Jean Paul Fouchécourt als Orphée :jubel:
    Catherine Dubosc als Euridice
    Suzie Le Blanc als Amour
    Es spielen und singen das Opera Lafayette Orchestra und Chor
    unter der Leitung von Ryan Brown.


    Bis zu dieser Einspielung war die einzige modernere Aufnahme der Pariser Version ja nur von den Musiciens du Louvre unter Marc Minkowski zu bekommen.
    Manche fanden die Aufnahme ja eher mies, wegen überzogener Tempi und der ruppigen Spielweise.
    Diese Aufnahme von Naxos ist nicht nur viel preiswerter, sie gleicht qualitativ der Interpretation der "Wiener Version" von Bernius.


    Die französische Fassung unterscheidet sich in erster Linie dadurch, dass Orphée nun nicht mehr von einem Kastraten gesungen wird, sondern von dem "Haute Contre", der typischen Heldenstimme der frz. Oper des 18. Jahrhunderts. Desweiteren finden sich hier zusätzliche Arien und Ballette - eben für das Ballettbesessene frz. Publikum des Anciènne Regime.


    Also ich bin angenehm überrascht :yes:

  • Danke, Lullist,


    für die erste Einschätzung, hatte die Aufnahme vor kurzem auch irgendwo gesehen und mir im Hinterkopf gespeichert wegen des wunderbaren Fouchécourt. Werde sie wohl kaufen, Orchester und Dirigent sagen mir gar nichts, gibt das Beiheft da Hilfestellung?


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Also das Beiheft ist für Naxos Verhältnisse gar nicht mal so übel, die Biographie der Künstler ist allerdings (wie das ja meistens bei Naxos der Fall ist) nur auf Englisch.
    Sogar die vollständige Besetzungsliste des Orchesters und Chor ist mit dabei.
    Also die 12 Euros kann man ohne weiters investieren ;)


    Aber das Ensemble Opera Lavayett kannte ich bisher auch nur vom Hörensagen, auch ein Orchester mit "original Instrumentarium, gegründet 1994 von Ryan Brown, damals noch als die "Violins de Lafayette" bezeichnet.
    Mir waren zwar Aufführungen bekannt wie Charpentiers Actéon und Le Malade Imaginaire, aber CD Aufnahmen sind mir bisher keine begenet - aber das muß nichts heißen.

  • Guten Morgen,


    dass die Künstlerbiographien bei Naxos stets nur in Englisch sind, habe ich noch nie so recht verstanden - das aber nur nebenbei.


    Inzwischen habe ich über google einmal nach Ensemble und Dirigent gesucht - in der Tat sagt es wenig, dass bisher keine Aufnahmen vorhanden sind, aber die Neugier ist eben groß. Und siehe, sie haben eine eigene Homepage:


    http://www.operalafayette.org/index.html


    Auf die Aufnahme bin ich nun doch gespannt.....Mal schauen, wann ich dazu komme.


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

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  • Hallo Lullist,


    ich habe die Aufnahme unter Ryan Brown inzwischen auch, und bin gerade dabei, sie zum zweiten Mal durchzuhören. Noch fehlt mir der direkte Vergleich zu Minkowskis Aufnahme.


    Vokal finde ich diese Aufnahme hier ganz exzellent. Fouchécourt ist mir auch in anderem Zusammenhang schon positiv aufgefallen, ein Bild, das sich hier bestätigt. Es dürfte wohl wenig Sänger geben, denen die unangenehme Lage der Rolle in der Pariser Version derzeit so wenig Mühen bereitet wie ihm. Le Blanc erschien mir zu Beginn etwas zu schwachbrüstig, ich muss das allerdings nach dem Durchhören ihres Auftritts im 1.Akt korrigieren. Erstaunlich langsam nimmt Brown übrigens ihre Arie "Soumis au silence". Dubosc als Euridice lässt wieder keine Wünsche offen - wohingegen ich dem Chor in den ersten Minuten etwas mehr stimmliche Geschlossenheit gewünscht hätte. Bemerkenswerterweise geht es im 2. Akt wesentlich besser....


    Ryan Browns Ansatz dürfte sich, wie ich schätze, von dem Minkowskis sehr unterscheiden: Eher zurückhaltend, die Instrumentation auskostend geht er vor, die Tempi sind selten ins extreme zugespitzt, und Brown gelingt eine ganz natürlich wirkende, fliessende Interpretation der Gluck'schen Oper, die für meinen Geschmack sehr gut zur französischsprachigen Fassung passt. Nur: an ein, zwei Stellen wünschte ich mir doch etwas mehr zupackende Dramatik: Vor allem in der Furienszene zu Beginn des zweiten Aktes sind mir die Furien von Beginn an zu brav. Da geht Bernius in der von Dir erwähnten Aufnahme mit Recht weiter, ebenso Rosbaud in der historischen Aufnahme der 1774er-Fassung mit Simoneau, Danco und Alairs und Runnicles in seiner Aufnahme der Berlioz-Fassung.


    Unterm Strich: Nicht nur angesichts des Preises empfehlenswerte, vokal glänzende Aufnahme mit vielen delikaten Details. Ich bin froh, sie zu haben....


    Beste Grüsse,


    C.

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  • Nun Du hast alles gesagt,


    ich habe mir die Aufnahme nun auch schon mehrmals angehört und kann nur alles unterstreichen was Du geschrieben hast.
    Die Minkowaski Aufnahme habe ich noch nicht, aber das wird sich ändern.
    Den Furientanz finde ich persönlich etwas zu langsam und brav gespielt, aber das ist eigentlich die einzige Passage die ich kritisieren würde. Den hab ich schon flotter gehört. (Am liebsten ist er mir in der Boccherini Bearbeitung :D )
    Fouchecourt macht diese Aufnahme zu einem wahren Freudenfest!


    Jedenfalls ist es seltsam weshalb es von der frz. Fassung so wenige Einspielungen gibt, meiner Meinung ist sie der italienischen Fassung weit überlegen - nicht nur weil ein Tenor für uns glaubwürdiger ist als ein "Kastrat", bzw. Counter Tenor.

  • Hallo,


    auch ich bin erstaunt über den Mangel an Einspielungen der französischen Fassung und stimme dem Lullist voll zu, wenn er schreibt, dass die französische der wiener Fassung weit überlegen ist.


    @Lullist: Die wirst den Furientanz bei Minkowski lieben. Das geht ab, sag ich dir...


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
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    - H. Heine -

  • Nun hab ich mir auch die Naxos-Einspielung gekauft. Und finde eigentlich alles bestätigt, was bisher hier darüber geschrieben wurde. Allerdings liegt mein Geschmack anders, ich bevorzuge das Extreme und teilweise Ruppige von Minkowski. Diese Aufnahme allerdings mit Fouchécourt statt Richard Croft als Orphée wäre mein Ideal. Es ist toll wie leicht diese sehr anspruchsvolle Partie bei Fouchécourt klingt; das ist sehr beeindruckend und klangschön.


    Thomas

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  • Wieso findet Glucks Orfeo ed Euridice bei vielen keinen Anklang?
    Gluck gilt jedenfalls zu den ganz großen Opernkomponisten, der auch von Mozart sehr verehrt wurde.


    Ich selbst finde im Orfeo die Arie "Che farò....." traumhaft schön, und den "Reigen der Geister" auch, sie sind auch sehr oft zu hören, da sehr beliebt. Fast wie Albinonis "Adagio".
    Ich finde, vor Gluck kann man sich nur verneigen.

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  • Vielleicht liegt es mal wieder an Vorurteilen (wie immer)
    Oft ist es ja so, dass der Zeit vor Mozart bis auf Bach kein Interesse entgegengebracht wird, dann kommt meist noch dazu, dass man fremdsprachige Opern nicht hören will - weil man sie nicht auf Deutsch sind :rolleyes:



    Ach, es gibt noch tollere Statements, die ich bisher mir anhören durfte...
    Ich selbst halte Gluck für den größten Opernkomponisten der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, allerdings gebe ich zu, dass mir seine Opern
    "Iphigenie en Aulide" und "Alceste" wesentlich besser gefallen als "Orfeo ed Euridice" (und da bevorzuge ich die frz. Fassung :D )

  • Auf das Libretto von Calzabigi hat zur selben Zeit noch einer eine Oper gemacht: Ferdinando Bertoni (1725 - 1813). "Sein" Orfeo kam 1776 zur ersten Aufführung, also 12 Jahre nach der italienischen Fassung von Gluck und 2 Jahre nach dessen Umarbeitung des Stücks für Paris.


    "Sein" habe ich deswegen in Anführungsstriche gesetzt, weil nicht viel echter Bertoni drinnen steckt. Der hat teilweise ganze Szenen von Gluck übernommen, höchstens leicht bearbeitet. Die ganze Furienszene ist so ein Beispiel. Da stammt alles fast wortwörtlich von Gluck! Die Zeitgenossen scheint´s wenig gestört zu haben. Der Orfeo von Bertoni hielt sich eine ganze Weile nicht nur am Ort der Uraufführung Venedig, sondern wurde auch europaweit gespielt, wie Aufführungen in London, Rom, Kassel, Hanover, Florenz, Berlin oder Esterháza bezeugen. Dann verschwand das Plagiat aber für etwa 200 Jahre in der Versenkung.


    1990 entstand diese Aufnahme davon:

    Bruce Ford, Cecilia Gasdia, Delores Ziegler, I Solisti Veneti, Ambrosian Opera Chorus unter Claudio Scimone,
    erschienen bei ARTS


    Dieser Orfeo ist übrigens so kurz, dass er auf eine CD passt.



    Thomas

    Da freute sich der Hase:
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    - H. Heine -

  • Ich habe gerade aus der Stadtbücherei Orfeo ed Euridice mit Frieder Bernius ausgeliehen (Tafelmusik on period instruments, Kammerchor Stuttgart). Mit Nancy Argenta und Michael Chance. Kann mal bitte jemand von den Experten schreiben, wie diese Aufnahme qualitativ und stilistisch einzuordnen ist?


    Ist nämlich meine erste Barockoper überhaupt, und leider auch die einzige, die ich bisher in der Bücherei finden konnte.


    Nachtrag: Dieser Beitrag muß zum Thread über Glucks Orfeo verschoben werden, der Moderator möge bitte seines Amtes walten :(


    Ich dachte, Gluck wäre der deutsche Künstlername Monteverdis 8)

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Hallo Robert, da bist Du wohl in den falschen Thread abgerutscht :D


    Hast ja schneller reagiert, als ich den Fehler ausbessern konnte! Danke, ich bin den Links nachgegangen. Mal sehen, wie mir eine Barockoper zusagt... :hello:

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  • Hallo Robert,


    Orfeo ed Euridice ist aber alles andere als eine typische Barockoper.
    Stilistisch ist das ja schon recht klassisch.
    Aber der größte Unterschied besteht darin, dass es nur 3 Rollen gibt, den größten Part hat Orfeo, Euridice und Amor haben nur kurze Auftritte, der Chor übernimmt hier fast die Hauptrolle.


    In den Barockopern gibt es manchmal dermaßen viele Rollen dass man sich eine Zeichnung machen könnte um nicht den Überblick zu verlieren.
    Das der Chor einen so großen Raum bekommt ist auch eigentlich nur in den frz. Opern üblich, italienische Opern verfügen im Normalfall nur über den Schlußchor.


    Bin mal gespannt ob Dich die Aufnahme begeistern kann.



    :hello:

  • Hallo Robert


    *Mod-Modus an*wie leicht zu sehen, befindet sich dein Beitrag nun an der richtigen Stelle. *Mod-Modus aus*



    Ich bin auch auf deinen Bericht gespannt.


    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
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    - H. Heine -

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Orfeo ed Euridice ist aber alles andere als eine typische Barockoper.
    Stilistisch ist das ja schon recht klassisch.


    In der Oper gilt für mich: Alles vor Wagner ist Barock! :D


    Ich war schlicht überwältigt!
    Dazu muß man wissen: Mit Ausnahme von Hersants zeitgenössischer Oper Le Chateau des Caparthes und der einen oder anderen Einspielung der Entführung aus dem Serail habe ich schon ewig keine Oper mehr gehört oder gekauft. Von früher habe ich lediglich Wagner behalten, von Mozart noch die Zauberflöte, den Don und den Figaro, sonst nichts. Alle schon länger nicht mehr gehört.


    Angeregt von den einzelnen Opernthreads hier im Forum, vor allem aber von den Empfehlungen und den Amazon-Rezensionen des Lullisten, sowie durch den Film Farinelli (meine Frau und ich lieben Corbiaus Filme!), habe ich wieder erste Schritte in Richtung Oper unternommen. Die CD Arias for Farinelli habe ich bei cduniverse bestellt, sie ist aber noch nicht eingetroffen.


    Ich bin sozusagen jungfräulich und von jeder Sachkennntnis ungetrübt (daher die Einstufung von Orfeo als Barockoper) an die Aufnahme herangegangen.


    Sozusagen ins Ohr fiel mir die eindrucksvolle Stimme von Nancy Argenta. Der Umstand, daß die Oper nur drei Rollen hat, hilft ungemein, weil man sich - die Handlung kennt man als humanistisch gebildeter Mensch eh - ganz auf die wunderbare Musik konzentrieren kann. Ich kann sie mangels Kenntnis anderer Einspielungen schlecht vergleichen, aber die Musik klingt außerordentlich lebendig, spritzig und frisch. Andererseits wird man nicht von einem riesigen Orchesterapparat erschlagen. Wie würde wohl mein Urteil ausgefallen sein, wenn es keine HIP- Einspielung wäre?


    Ich habe mir von den Empfehlungen hier noch eine Aufnahme der franz. Fassung notiert (Naxos, Minkowski). Mal sehen, ob ich mir auch eine DVD zulege...


    Als nächstes werde ich weiter in die Vergangenheit zurückgehen, da ist wohl eine Oper von Händel dran.

  • Hallo Orpéeliebhaber,


    Da muß ich unbedingt diese Aufnahme auch haben. Denn der Orpheus ist es wert.


    Bis jetzt habe ich "nur"
    und


    Der letzte Orpheus, unter Fricsay, ist in der deutsche Sprache, mono, und hat Dieskau als Orpheus. Meine LPs habe ich mehrmals ersetzen müssen, bis endlich diese CD-Ausfuhrung kam.


    Diese Fricsayaufnahme ist noch zu bekommen bei JPC.


    Es ist aber nur als eine GA von Dieskau ad € 60,99 (CD 6+7).


    LG, Paul

  • Da bin ich beruhigt, dass Dein Urteil so begeistert ausfiel - alles andere hätte mich auch zum grübeln gebracht.
    Mit der Farinelli CD bekommst Du auf alle Fälle einen Einblick in die typischen Opera Seria Arien, allerdings ist diese CD etwas ganz besonderes, denn viele dieser Arien galten lange als unsingbar.


    Da bin ich ja mal gespannt ob Du auch das Wagnis eingehen wirst die frz. Barockoper auszuprobieren :P


    Orfeo ed Euridice ist in jedem Fall eine der schönsten Opern.
    Ich finde das alles einfach nur genial gemacht, gerade die ersten beiden Akte - im ersten gleich die Trauer die allein vom Chor getragen wird, dann die sehnsüchtigen weinerlichen Rufe des Orfeo "Euridice!"
    das ist einfach nur göttlich.


    die Szenen in der Unterwelt ist nicht minder genial, der Chor der Verdamten der auf gleiche Weise von dem Gesang des Orfeo unterbrochen wird.
    Das ganze kommt aber noch besser in der frz. Fassung.


    allerdings finde ich die Entscheidung von Bernius den Armor mit einem Knabensopran zu besetzen wesentlich besser.
    Das ist nicht nur glaubhafter - man stelle sich nur mal so eine dicke Operndiva als Amor vor :D :kotz: - die Stimme eines Knaben paßt auch wesentlich besser zu dieser Rolle.


    Die Naxos Einspielung ist auf alle Fälle wegen Jean Paul Fouchecourt lohnend, schade dass er nicht bei Minkowski singt - dann wäre es die perfekte Aufnahme....


    :hello:

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