Bach: h-Moll Messe BWV 232

  • Zu Bachs Zeiten war es wohl ein und dasselbe. Heute ist das anders. Religiosität kann sich im simplen Glauben an vorgegebene Glaubenssätze erschöpfen oder sie wird zur Suche nach dem Höheren. Hingabe ist auf jeden Fall eine Form der Religiosität.


    Also ich ändere:
    Bach ohne Hingabe ...

  • Zitat

    Original von Draugur


    denkst du da eher an christliche Religiosität oder Religiosität im Sinne von Hingabe an die Musik?


    Ich verstehe nicht, warum oben sakral in Anführungszeichen steht. Die h-moll-Messe oder Kantaten sind doch fraglos sakrale Werke. In jedem Fall halte ich die Argumentation für wenig überzeugend. Das wäre so ähnlich, wie wenn ein Darsteller des Richard III. diese Rolle nur gut verkörpern könnte, wenn er wirklich das Zeug zum eiskalten Mörder und Intriganten hätte oder ein Sänger der Winterreise unglücklich verliebt und depressiv sein müßte. So funktioniert Kunst wohl kaum, dass der Interpret notwendig eine bestimmten Bewußtseinszustand oder eine bestimmte Haltung einnehmen muß, die irgendwie den in der Msuik ausgedrückten Emotionen oder Glaubenshaltungen entspricht.
    Ein gutes Bsp. für den umgekehrten Fall (nicht hinreichend) sind m.E Suzukis Kantatenaufnahmen (ich kenne zugegeben nur eine CD). Das christliche Bekenntnis des Dirigenten wird im Beiheft hervorgehoben, dennoch scheinen mir diese Interpretationen eher kühl, distanziert und nicht besonders idiomatisch zu sein. :rolleyes:


    Als "Showstück" würde man außerdem mit einigen wenigen Ausnahme (BWV 51) ja kein Bachsches Sakralwerk bezeichnen, egal wie heidnisch dargeboten...


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ein guter Darsteller des Richard III. muss nicht zu jeder Mord- und Intrigentat fähig sein, aber er muss sich m. E. in die Mentalität einer solchen Persönlichkeit einarbeiten. Und das wohl auch über intellektuelle Kalkulationen hinaus. Das muss bei einer solchen Rolle bis an den Rand der Besessenheit gehen (ich habe gerade Klaus Kinski vor Augen...), sonst bleibt es bei unzureichender Textrezitation.


    Ein guter h-Moll-Sänger muss absolut kein Christ sein, aber er sollte die Musik mit der genannten "Hingabe" vortragen. D. h. sich auf einen transzendenten Zenit ausrichten. Ich hoffe, dass das von mir gemeinte hieraus verständlich wird...

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Ich verstehe nicht, warum oben sakral in Anführungszeichen steht.


    Zu Bachs Zeiten machte man noch keine strikte Trennung in sakral und weltlich. "Weltliche" Werke wurden ja oft genug für Kantaten wieder verwendet.
    Die h-moll Messe ist im engeren Sinn sicher kein sakrales Werk, denn im Gegensatz zu den Kantaten und den 4 lutherischen Messen war sie nicht zur Aufführung innerhalb des Gottesdienstes bestimmt.
    Ebenso sicher ist sie der Gipfel des Lebenswerkes eines zutiefst religiösen Menschen und wie kein anderes Werk Bachs kündet sie vom Göttlichen.


    Hingabe hat nichts mit dem Glaubensbekenntnis zu tun.

  • Zitat

    Original von Gerhard


    Zu Bachs Zeiten machte man noch keine strikte Trennung in sakral und weltlich. "Weltliche" Werke wurden ja oft genug für Kantaten wieder verwendet.


    Auch für die h-Moll-Messe (genauer gesagt, das Osanna) wurde der Eingangschor der Kantate "Preise dein Glücke, gesegnetes Sachsen" wiederverwendet.


    Abgesehen davon denke ich aber: Auch wenn die Begriffe "geistlich" und "weltlich" noch nicht in der heutigen Form bekannt waren, gab es wohl schon ein Bewusstsein dafür. Man bedenke z. B. den Skandal, als Händel seinen "Messiah" in einem weltlichen Konzertgebäude in Dublin aufführte.


    Die h-Moll-Messe war für den liturgischen Gebrauch m. W. zu umfangreich - daher kein sakrales Werk? Ich weiß nicht so recht.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Hallo,


    bei der Bach´schen "h-Moll-Messe" handelt es sich sicher nicht um Kirchenmusik, die für den Gottesdienstgebrauch bestimmt war. Dafür hätte schon der zeitliche Rahmen der damaligen etwa 4-stündigen (!)Gottesdienste in den Leipziger Hauptkirchen nicht ausgereicht, der höchstens Raum für eine etwa halbstündige Hauptmusik zuließ.


    Allerdings muss man sich vergegenwärtigen, dass die "h-moll-Messe" nicht "aus einem Guss" entstanden ist, vielmehr kann man davon ausgehen, dass die zuerst entstandenen Teile der Missa (Kyrie und Gloria) durchaus in der katholischen Hofkirche in Dresden im Rahmen einer Messfeier aufgeführt worden sein könnten.


    Zum Thema "weltlich-geistlich" möchte ich noch erwähnen, dass Bach sehr wohl zu unterscheiden wusste! Es gibt ausschließlich Umarbeitungen (sogen. "Parodien") von "weltlichen" Werken in "geistliche" Werke, nie umgekehrt! ;)


    Gruß Bernhard

  • Zitat

    Original von Orpheus
    Klanglich weniger präzise und opulent wie in seinen späteren Bach-Aufnahmen (z. B. in der großartigen Matthäus-Passion aus dem Jahr 2001) finde ich auch die geistig-emotionale Durchdringung im direkten Vergleich zu Klemperer letztlich nicht so überzeugend.


    Genau denselben Aufnahmen-Vergleich (Klemperer 1967 vs. Harnoncourt 1986) machte ich grad eben - und komme zum selben Ergebnis.
    Klemperers Aufnahme ist in meinen Augen viel stimmiger, der Chor besser (sic!), das Sängerensemble (Giebel, Baker, Gedda, Prey, Crass) sowieso.
    Bisher gefielen mir nur die Richter-Aufnahmen ähnlich gut.
    Wenn schon Harnoncourt, dann die alte Aufnahme von 1968.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Ist dies eine andere (ältere) Aufnahme der h-Moll-Messe? Dem Chor nach zu urteilen (Philharmonia Chorus) ist es nicht die von 1967.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Habe eine Aufnahme mit dem Wiener Singakademiechor und dem Stuttgarter Kammerorchester unter Karl Münchinger - für eines DER Werke der Weltmusik ein bißchen schwach, zugegeben - zumal mich die Aufnahme klanglich auch nicht gerade vom Hocker reißt - ist nicht schlecht aber auch nicht besonders gut (tendentiell schlechtes Zeichen: habe die Aufnahme nicht im jpc-Katalog wiedergefunden) - werde an dieser Stelle wohl auch mal "nachrüsten" müssen

  • Erst 'mal ein "Hallo" an meinen (fast) Namensvetter !


    obwohl ich Dir dezidiert widersprechen muß, daß Richter angeblich nichts von Beethoven verstanden habe (zahlreiche Livemitschnitte geben fürs Gegenteil Zeugnis), soviel noch als Ergänzung:


    Die von Dir erwähnte "Hohe Messe" (Moskau, 1968 ) wurde von der russischen "Melodya" auf Schallplatte mitgeschnitten und auch publiziert - leider ist das Exemplar restlos vergriffen und kursiert nur mehr als privates Sammlerstück in Fanarchiven; tatsächlich, zusammen mit seiner letzten Aufführung desselben Werks 1980, eine der ergreifendsten "Hohen Messen" unter dem Dirigat Karl Richters.


    Beste Grüße,


    GERD

    Einmal editiert, zuletzt von Gerd ()

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  • Guten Tag



    Zitat

    Original von r1100s
    Allerdings muss man sich vergegenwärtigen, dass die "h-moll-Messe" nicht "aus einem Guss" entstanden ist, vielmehr kann man davon ausgehen, dass die zuerst entstandenen Teile der Missa (Kyrie und Gloria) durchaus in der katholischen Hofkirche in Dresden im Rahmen einer Messfeier aufgeführt worden sein könnten.


    Bei dem imensten Bedarf auch an geistlicher Musik am Drechsner Hof durchaus denkbar.



    Zitat

    Zum Thema "weltlich-geistlich" möchte ich noch erwähnen, dass Bach sehr wohl zu unterscheiden wusste! Es gibt ausschließlich Umarbeitungen (sogen. "Parodien") von "weltlichen" Werken in "geistliche" Werke, nie umgekehrt! ;)


    Fast, zumindest der Schlußchor der Kirchenkantate BWV 184 diente später auch als Schlußchor der weltlichen Kantate BWV 213 "Lust der Völker, Lust der Deinen".


    Meine Lieblingsaufnahmen sind:



    und



    Gruß aus der Perle der Kurpfalz -auch an die Hauptstadt der Kurpfalz-


    Bernhard

  • Bei Hengelbrock schliesse ich mich sofort an: nicht nur die CD-Einspielung ist eine sehr gelungene, auch live war das für mich ein Erlebnis.


    Die Aufnahme unter Max mag ich auch gerne - und bei zwei Mitwirkenden dieser Produktion, Johanna Koslowsky und Stephan Schreckenberger, ist der Weg dann nicht mehr weit zu einer Einspielung, die zu meinen absoluten Favoriten zählt: die solistisch besetzte Aufnahme unter Konrad Junghänel und seinem "Cantus Cölln". Neben der bestechenden Perfektion der Solist/innen ist hier eine sehr intime, bewegliche, einzelne Stimmen freilegende, filigrane Aufnahme entstanden, die die "h-moll-Messe" wohl so präsentiert, wie man sie noch nie gehört hat.


    Klemperer oder Karajan kann ich mit Bach schon lange nicht mehr ertragen...

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von Alviano
    Bei Hengelbrock schliesse ich mich sofort an: nicht nur die CD-Einspielung ist eine sehr gelungene, auch live war das für mich ein Erlebnis.


    Das will ich bestätigen, die "szenische" Uraufführung ( 1996 ) in der Inzenierung von A. Freyer war schon anfangs verwirrend dann begeisternd. :jubel: :jubel:


    Zitat

    Die Aufnahme unter Max mag ich auch gerne - und bei zwei Mitwirkenden dieser Produktion, Johanna Koslowsky und Stephan Schreckenberger, ist der Weg dann nicht mehr weit zu einer Einspielung, die zu meinen absoluten Favoriten zählt: die solistisch besetzte Aufnahme unter Konrad Junghänel und seinem "Cantus Cölln". Neben der bestechenden Perfektion der Solist/innen ist hier eine sehr intime, bewegliche, einzelne Stimmen freilegende, filigrane Aufnahme entstanden, die die "h-moll-Messe" wohl so präsentiert, wie man sie noch nie gehört hat.


    Die "Cantus Cölln" h-moll-Messe kenn ich nicht, obwolh ich das Ensemble sehr schätze.



    Zitat

    Klemperer oder Karajan kann ich mit Bach schon lange nicht mehr ertragen...


    War auch noch nie mein Geschmack :(


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Bernhard


    Das will ich bestätigen, die "szenische" Uraufführung ( 1996 ) in der Inzenierung von A. Freyer war schon anfangs verwirrend dann begeisternd.


    Ist klar, Du hast die Schwetzinger Produktion gesehen - ich nur eine konzertante Aufführung in der "Alten Oper" in Frankfurt.


    Wenn Du die Junghänel-Einspielung nicht hast: kaufen! Die Wirkung ist umwerfend. Junghänel stellt auch klar fest, dass diese Version der "h-moll-Messe" nur eine mögliche Interpretation ist, nicht etwa die einzig richtige. Und unter dieser Prämisse ist sie eine absolute Bereicherung.


    Der nächste Live-Auftritt von "Cantus Cölln" mit "h-moll-Messe" ist meines Wissens im September im sächsischen Freiberg.

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Alviano



    Wenn Du die Junghänel-Einspielung nicht hast: kaufen! Die Wirkung ist umwerfend. Junghänel stellt auch klar fest, dass diese Version der "h-moll-Messe" nur eine mögliche Interpretation ist, nicht etwa die einzig richtige. Und unter dieser Prämisse ist sie eine absolute Bereicherung.


    werd´s mir merken. Die einzig richtige Interpretation gibts doch nie (wenn´s auch einige behaupten :D :D :D )
    Und die solistische Besetzung ist überzeugend ?


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Bernhard
    werd´s mir merken. Die einzig richtige Interpretation gibts doch nie (wenn´s auch einige behaupten :D :D :D )
    Und die solistische Besetzung ist überzeugend ?


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard


    Nun, soweit weg von Hengelbrock ist Junghänel ja nicht - aber natürlich ist das Klangbild ein anderes, wenn gerade mal 10 Sänger/innen eine "h-moll-Messe" interpretieren, als wenn das ein Ensemble von rund 30 Mitwirkenden (Hengelbrock) tut.


    Die Ausführenden bei Junghänel sind perfekt aufeinander abgestimmt, aber klar ist auch: beim "Sanctus", "Osanna" und beim "Dona nobis pacem" erzeugen die Künstler nicht die Klangfülle eines grösser besetzten Chores.


    Die Aufnahme ist, wie ich finde, total spannend.

  • Zitat


    Gerhard:


    Andererseits sind sie auch technisch allzu anspruchsvoll, als das irgend ein Kleinstadt-Orchester ung Kirchenchor diesen Werken gerecht werden könnte, trotz aller Freude an der Musik.


    Zitat


    Sagitt:


    wer sie je gesungen hat, weiss, dass die h-moll Messe in erster Linie ein Chorwerk ist. Seitdem Profi-Chöre sich dem angenommen haben, ist eigentlich nicht recht einzusehen, warum mehr oder weniger qualifizierte Laien-Chöre da noch " mithalten" könnten.


    Laienchöre dürfen eine Komposition nicht aufführen, weil Profichöre es besser können? :no:


    Zitat

    Deswegen war die Version von Gardiner im Jahre 1985 eine solcher Quantensprung. Grosse Chöre,über 100 Sänger, machen das Filigrane der Komposition ziemlich kaputt. Ausserdem geht normalerweise der differenzierte Klang im Soprangeschwader unter.


    Besetzungen auf Kammermusikformat mögen differenzierter klingen, aber das Klangbild bleibt eben immer sehr leichtgewichtig. Und je mehr man aus dem Chor eine kleine Ansammlung von Solisten macht, geht die Differenzierung zwischen dem Chor und den eigentlichen Solisten verloren. Ich will kleine Besetzungen nicht schlecht machen, aber jede Option hat ihre Vor- und Nachteile.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Hier etwas zu meiner - seit gestern - Lieblingsinterpretation.


    In der Oper Bonn gab es einen Zyklus von 3 Händel-Oratorien. Dabei hatte ich den Dirigenten Jos van Veldhoven zum erstem Mal gesehen und war mehr als begeistert von seiner Herangehensweise an den Jephtha und Saul (den Belsazar habe ich leider verpasst). Gestern hatte ich nun das Glück, Veldhovens 'Nederlandse Bachvereniging' (Netherlands Bach Society) zu sehen und zu hören, die jetzt kurz vor einer Amerikatournee noch in Maastricht die h-Moll-Messe aufgeführt hat.


    Das Orchester spielte auf historischen Instrumenten, sehr schlank, klar, durchhörbar, 3 erste, 2 zweite Violinen, 1 Altvioline, 1 Cello, Kontrabass, 2 -3 Traversflöten, 3 Trompeten, 3 Oboen, 2 Fagotte, 1 Horn, 1 Pauke, Orgel, Cembalo. Die Sänger waren mir völlig unbekannt (Maria Keohane und Johannette Zomer, Sopran), William Towers (Counter), Charles Daniels (Tenor), Peter Harvey (Bass), Chor in Minimalbesetzung (10 Sänger/innen).
    Aber was soll ich sagen: das war überhaupt nicht minimalistisch, sondern so kammermusikalisch klar, wie ich dieses riesige Werk noch nie gehört habe. Veldhoven wählt rasche Tempi, dennoch ist nichts verhuscht, auch deshalb, weil jede einzelne Stimme und jedes Instrument auf den Punkt perfekt ist. Die Bläser so wunderbar präzise, der unerschütterliche Kontrabass, die vibratolos spielenden Streicher - jeder ein Solist.


    Allein die (nicht plakativ-überdeutlichen) Stimmungsschwankungen waren atemraubend: z.B. vor dem 'Et expecto' - leise, mysteriös und unmittelbar jubelnd dann wie die Bewusstwerdung der Hoffnung auf das Leben (et vitam venturi saeculi). Die Stelle also, die aus dem Chor 'Jauchzet, ihr erfreuten Stimmen' der Ratswahlkantate BWV 120 stammt. Oder, ganz leise, die berühmte Passage nur für Tenor und Continuo.
    Jedenfalls eine höchst beeindruckende Aufführung. Es gibt auch von dieser Produktion eine SACD bei Channelclasics, ich probiere, sie mir noch zu kaufen.


    http://www.channelclassics.com…20only/25007/25007_th.jpg


    (nachträglich das Bild noch eingefügt, weiss jetzt erst, wie das geht...)

    Beste Grüße!

    Einmal editiert, zuletzt von wimmus ()

  • Zitat

    Original von wimmus
    Die Sänger waren mir völlig unbekannt Maria Keohane und Johannette Zomer, (Sopran), William Towers (Counter), Charles Daniels (Tenor), Peter Harvey (Bass)


    Servus wimmus,


    erst einmal ein herzliches Willkommen im Forum! :lips:


    Zu den Sängern, die du gehört hast: Das sind alles wohlbekannte Namen, wenn es darum geht, barockes Repertoire in sog. HIP-Manier wiederzugeben - die Stars der Szene sozusagen (bis auf Marie Keohane, die kenne ich auch noch nicht).



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Danke für die nette Begrüssung, Salisburgensis.
    Habe mal schnell nachgesehen, was HIP bedeutet, bin ja noch neu hier.


    Da ichs jetzt weiss, fällt mir die Bemerkung eines Konzertbesuchers ein, der nach einem umwerfenden Abend in der Kölner Philharmonie mit dem Los Angeles Philharmonic unter Esa-Pekka Salonen lachend sagte: "nie mehr Alte Musik".
    Immer kann man glaub ich das glasklare Kammermusikalische wohl nicht hören, manchmal muss es auch satt und saftig klingen, aber wenns so sinnreich und doch warmherzig interpretierte ist, wie von den hier Genannten...

    Beste Grüße!

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  • aufgrund der vielen hier ausgesprochenen Empfehlungen habe ich bei der elektronischen Bucht eine Einspielung von Richter ersteigert - von 1962, auf 4 Schallplatten.


    Klingt für eine so alte Aufnahme noch richtig frisch, insgesamt eine gute Interpretation (obwohl mir die in der Brilliant-Gesamtausgabe enthaltene Version mit The Sixteen Choir & Orchestra doch in fast allen Aspekten besser gefällt).


    In Bezug auf Rilling - man gebe bei youtube mal "Rilling b-minor" ein, kriegt man ein Video vom Gloria und Laudamus te. Diese überirdisch schöne Musik hat Rilling nicht nur um einen Zahn zu schnell spielen lassen, sondern gleich um ein ganzes Gebiß.

  • Zitat

    Original von sagitt
    Die h-moll Messe ist ja keinesfalls nur kalte Pracht des Kompositionskönnens von Bach[...]
    Für mich ist die h-moll-Messe ein ultimatives Werk- ich habe sie mehrfach mitgesungen und stehe immer wieder staunend vor der Größe dieses Kosmos.


    Ich habe mich noch nicht so in diesen Kosmos hineingehört. Zunächst einmal fällt mir auf, dass Bach verglichen zu vielen seiner Zeitgenossen offenbar einen ziemlichen horror vacui hatte, der vor allem bei der h-mol-Messe reichlich anstrengend ist. Ich sehe da eine Parallele zu den neo-manieristischen Tendenzen in der Malerei des Spätbarock etwa bei Maulpertsch - wohingegen ich Händel eher parallel zu Tiepolo mit Übersichtlichkeit und Klarheit identifizieren würde.


    Diese (zwanghafte) Dichtheit bei Bachs h-moll-Messe ist freilich bei ungeduldigen oder nicht barockgewohnten Hörern, die insbesondere mit Monodie ihre Probleme haben (wie ich es lange einer war), etwas sehr angenehmes (ich unterstelle jetzt keinem von Euch, Monodieprobleme zu haben). Wenn man dann ausgehend von Bach diese Überfülle bei anderen Komponisten nicht findet, ist man rasch bei dem Urteil "fraglos das Größte aus der Zeit", oder man hält gar Bach für den ältesten brauchbaren Komponisten, wie es viele Musikliebhaber und Instrumentalisten tun.


    Das sind jetzt mal ein paar ganz zwang- und sinnlose Gedanken ...

  • Zitat

    Original von Gerhard
    Die h-moll Messe ist in meinen Augen eines der bedeutendsten Werke der Musikgeschichte. Sie ist eigentlich mehr, als ein Mensch aus seiner eigenen Schöpferkraft heraus zu schaffen vermag und spricht für den Genius Bachs, der über die Begrenzungen des Verstandes hinaus gewachsen war.


    Solchen Käse lese ich besonders gerne.

    Zitat

    Bachs "sakrale" Werke sind von tiefster Religiosität geprägt. Sie ohne diese Religiosität zu singen, degradiert diese Werke zu Showstücken.


    "Showstück" passt ja ganz gut zu meinem Manierismusverdacht. (Allerdings hoffe ich, dass niemand auf die Idee kommt, dass ich Manierismus als etwas negatives ansehen würde!)

    Zitat

    Es war die h-moll Messe, die mich irgendwann erkennen ließ, dass es eine Kraft geben muss, die größer ist als der menschliche Geist und mich mit der Suche danach beginnen ließ.


    Na dann ...

  • Zitat

    Original von Felipe II.

    Ist dies eine andere (ältere) Aufnahme der h-Moll-Messe? Dem Chor nach zu urteilen (Philharmonia Chorus) ist es nicht die von 1967.


    Lieber Felipe,


    das sind Probeaufnahmen aus dem Vorfeld der vollständigen Aufnahme, entstanden an verschiedenen Orten und mit dem anderen Chor - erst in einer Kirche, was zu hallig war und zu extrem langsamen Tempi führte, dann in der Abbey Road, was zu trocken war. So kam am Ende die Kingsway Hall mit dem BBC - Chor dabei 'raus.


    Eine der wenigen Klemperer-Platten mit denen ich nichts anfangen kann - und zwar hauptsächlich wegen des Chors. Die unHIPpe Interpretation stört mich gar nicht so sehr, aber den Chor halte ich nicht aus...


    :hello:
    BBF

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Ich habe mich noch nicht so in diesen Kosmos hineingehört. Zunächst einmal fällt mir auf, dass Bach verglichen zu vielen seiner Zeitgenossen offenbar einen ziemlichen horror vacui hatte, der vor allem bei der h-mol-Messe reichlich anstrengend ist. Ich sehe da eine Parallele zu den neo-manieristischen Tendenzen in der Malerei des Spätbarock etwa bei Maulpertsch - wohingegen ich Händel eher parallel zu Tiepolo mit Übersichtlichkeit und Klarheit identifizieren würde.


    Wobei die Vertreter des galanten/empfindsamen Stils selbst Händel altmodisch und "zu gelehrt" fanden...
    Es ist aber jedenfalls sehr interessant, dass Du hier einen Aspekt als ambivalent ansprichst, der praktisch durchgehend Ursache überschwenglicher Lobeshymnen gewesen ist. ;)


    Zitat


    Diese (zwanghafte) Dichtheit bei Bachs h-moll-Messe ist freilich bei ungeduldigen oder nicht barockgewohnten Hörern, die insbesondere mit Monodie ihre Probleme haben (wie ich es lange einer war), etwas sehr angenehmes (ich unterstelle jetzt keinem von Euch, Monodieprobleme zu haben). Wenn man dann ausgehend von Bach diese Überfülle bei anderen Komponisten nicht findet, ist man rasch bei dem Urteil "fraglos das Größte aus der Zeit", oder man hält gar Bach für den ältesten brauchbaren Komponisten, wie es viele Musikliebhaber und Instrumentalisten tun.


    Man findet aber die Überfülle doch weder bei allen späteren Komponisten (bei Donizetti eher nicht), andererseits ähnlich bei früheren. Monteverdis Marienvesper fiele mit hier ein, oder auch einiges in der Renaissance-Polyphonie. Insofern kann das keine vollständige Erklärung des (unbestrittenen) Phänomens sein.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Man findet aber die Überfülle doch weder bei allen späteren Komponisten (bei Donizetti eher nicht), andererseits ähnlich bei früheren. Monteverdis Marienvesper fiele mit hier ein, oder auch einiges in der Renaissance-Polyphonie. Insofern kann das keine vollständige Erklärung des (unbestrittenen) Phänomens sein.


    Das ist wirklich eine gute Frage: Wieso ist Bach so beliebt, seine Vorbilder aus der Renaissance aber nicht? Ich würde sagen, dass das mit dem Stand der Harmonik zu tun hat: Bach lehnte zwar den Vorreiter der Funktionsharmonik (Rameau) ab, war ihm aber doch recht nahe verglichen zu den Komponisten des Frühbarock, die dem Romantikhörer dann einfach doch "zu weit weg" sind. Außerdem beziehen sich ja ausreichend viele Komponisten der klassisch-romantischen Epoche auf Bach, sodass dessen Stil nicht ganz ungewohnt ist.


    Dass die beliebten Komponisten des 19. Jahrhunderts in der Regel nicht so dicht sind, machen sie durch nachpfeifbare Melodien wett und durch einen Formablauf, der Erlebnisse suggeriert und zum Nachfühlen anhält.


    Wenn diese Dinge dann wieder wegfallen und stattdessen mal wieder "so kompliziert wie möglich" im Klangbild komponiert wird (Stockhausen, Ferneyhough), hat der normale Musikhörer dann auch wieder zu wenig, um sich anzuhalten, während es mir bei Bachs h-moll-Messe so ähnlich geht wie bei Stockhausen: Ich frage mich, ob ich nicht eigentlich viel zu wenig mitbekomme.

  • KSM:


    Zitat

    Wieso ist Bach so beliebt, seine Vorbilder aus der Renaissance aber nicht?


    Hallo KSM, also an der wirklichen "Beliebtheit" Bach wage ich doch zu zweifeln.
    Nachdem die Musikwissenschaft des 19. Jahrhunderts ihn auf einen Sockel hob
    und das "Denkmal Bach" derart weit hoch in die Wolken verpflanzte, daß oberhalb jenes Sockels von Sebastian allenfalls noch die Schuhe zu sehen sind,
    muss man wohl davon ausgehen, daß der "bildungsbürgerliche Bach" des 19. Jahrhunderts noch immer Allgemeingut ist. Noch in der bekannten Bach-Biografie Albert Schweizers (1920) finden sich Spuren davon !


    Fux oder Purcell z.b., die es an schöpferischer Potenz mit dem Leipziger Director Musices durchaus aufnehmen könnten, wurden NICHT in den Himmel vesetzt sonden mussten auf der Erde bleiben; der erstgenannte gilt gemeinhin IMMER NOCH als "trockener Theortiker" und der zwote als bedeutendster englischer Komponist VOR Händel ! X(



    Die "Liebe zu Bach" halte ich bei vielen, die davon palavern, für wenig glaubhaft, besonders dann nicht, wenn sie ihn allenfalls in den travestierten Versionen der Herren Gould, Stadtfeld und dgl. goutieren können. Das sind, und da spreche ich aus jahrzehntelanger Erfahrung, oft dieselben Leute, die einem Wunderwerk wie z.b. BWV 106, das noch ganz aus der geistigen Welt Buxtehudes kommt, absolut verständnislos gegenüber stehen und denen die vom modalen musikalischen Denken geprägten Werke etwa eines Schütz, Byrd
    oder Senfl ein "Buch mit sieben Siegeln" sind !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Ich habe mich auch schon gefragt, ob die Gould-Bach-Jünger überhaupt die Matthäuspassion oder die h-moll-Messe mögen oder doch eher genauso ignorieren wie die Werke Corellis oder Lullys, habe aber noch keine Feldforschung dazu betrieben.


    Ob man nun zu dem traditionell als solches angesehenen Dreigestirn des deutschen Barock: Schütz-Bach-Händel noch den einen oder anderen Kollegen (Schein, Scheidt, Buxtehude, Telemann) hinzufügen soll oder nicht, ist eher eine andere Frage, ich persönlich versuche im Gegensatz zu Dir meine "erste Reihe" bis aufs minimal mögliche zu reduzieren, was nicht heißt, dass ich nicht Legionen von Komponisten hochschätze und gern höre.
    :hello:

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von r1100s
    Hallo,


    bei der Bach´schen "h-Moll-Messe" handelt es sich sicher nicht um Kirchenmusik, die für den Gottesdienstgebrauch bestimmt war. Dafür hätte schon der zeitliche Rahmen der damaligen etwa 4-stündigen (!)Gottesdienste in den Leipziger Hauptkirchen nicht ausgereicht, der höchstens Raum für eine etwa halbstündige Hauptmusik zuließ.


    Allerdings muss man sich vergegenwärtigen, dass die "h-moll-Messe" nicht "aus einem Guss" entstanden ist, vielmehr kann man davon ausgehen, dass die zuerst entstandenen Teile der Missa (Kyrie und Gloria) durchaus in der katholischen Hofkirche in Dresden im Rahmen einer Messfeier aufgeführt worden sein könnten.


    Der amtierenden Leipzier Thomaskantor G.C. Biller schreibt in dem aktuellen "Bach-Magazin" dass die h-moll-Messe von Bach für einen bestimmten Anlass komponiert wurde. Und zwar für die Einweihung der Dresdener Hofkirche 1751; ein reizvoller Gedanke !


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von wimmus
    Hier etwas zu meiner - seit gestern - Lieblingsinterpretation.


    .Gestern hatte ich nun das Glück, Veldhovens 'Nederlandse Bachvereniging' (Netherlands Bach Society) zu sehen und zu hören, die jetzt kurz vor einer Amerikatournee noch in Maastricht die h-Moll-Messe aufgeführt hat.


    Das Orchester spielte auf historischen Instrumenten, sehr schlank, klar, durchhörbar, 3 erste, 2 zweite Violinen, 1 Altvioline, 1 Cello, Kontrabass, 2 -3 Traversflöten, 3 Trompeten, 3 Oboen, 2 Fagotte, 1 Horn, 1 Pauke, Orgel, Cembalo


    Diese hervorragende



    CD kann ich nur empfehlen; nicht nur die Musik ist ein Ohrenschmaus, auch die ganze Aufmachung dieses Album ist ein Augenschmaus :jubel: :jubel:


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

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