Barockmusik - nein danke (???)

  • Zitat

    Original von Blackadder


    Das stimmt und es ist fantastisch, was da alles komponiert wurde und jetzt erst wiederentdeckt und auf CD gepresst wird.


    Es bedarf nicht der "Wiederentdeckungen" um zu erkennen, dass Bach nicht genialer ist als Monteverdi und Schütz. Man nehme noch G Gabrieli, Gesualdo, Sweelinck, Dowland und Gibbons und erkenne, dass in den ersten Jahrzehnten nach 1600 genausoviel los ist (auf höchstem Niveau) wie zur Zeit Bachs. Und das geht ganz ohne "Wiederentdeckungen" so löblich die auch sind - die sagen nur was darüber aus, dass es noch viele andere interessante aber nicht gar so zentrale Komponisten gibt.

  • Mit den Wiederentdeckungen meinte ich auch nicht die Erscheinungen der letzten drei Jahre, sondern beziehe da defintiv Erscheinungen wie Monteverdi oder Schütz mit ein, auch wenn deren "Wiederentdeckung" länger her ist (aber noch lange nicht abgeschlossen). Worauf ich nur aufmerksam machen wollte, und damit stimme ich salisburgensis überein, ist der Umstand, dass vor Bach nichts im luftleeren Raum herumschwirrte und das 17. Jahrhundert noch viel Potenzial böte...


    Ich bin weder professioneller Musiker noch Musikwissenschaftler, aber ich lehne mich mit meiner These, dass das 17. Jahrhundert als Ausgangspunkt heute immer noch genug Anreiz böte, eine völlig andere Musikgeschichte zu entwickeln, nicht zu weit aus dem Fenster. Ich betrachte gerade das 17. Jahrhundert als ein Jahrhundert der Möglichkeiten, der Vielfältigkeit. Etwas, was ich im 19. Jahrhundert sehr vermisse. Dort erscheint mir der Spielraum sehr eng... Aus diesem Grund ist die Zeit des Barocks für mich alles andere als langweilig.

  • Zitat

    Original von Blackadder
    Mit den Wiederentdeckungen meinte ich auch nicht die Erscheinungen der letzten drei Jahre, sondern beziehe da defintiv Erscheinungen wie Monteverdi oder Schütz mit ein, auch wenn deren "Wiederentdeckung" länger her ist


    Wann war denn deren Wiederentdeckung? Um 1840 herum oder doch später?

    Zitat

    Ich bin weder professioneller Musiker noch Musikwissenschaftler, aber ich lehne mich mit meiner These, dass das 17. Jahrhundert als Ausgangspunkt heute immer noch genug Anreiz böte, eine völlig andere Musikgeschichte zu entwickeln, nicht zu weit aus dem Fenster.


    Was soll das heißen? Wie entwickelt man eine andere Musikgeschichte?
    ?(

  • Zitat

    Original von Blackadder
    Ich betrachte gerade das 17. Jahrhundert als ein Jahrhundert der Möglichkeiten, der Vielfältigkeit. Etwas, was ich im 19. Jahrhundert sehr vermisse. Dort erscheint mir der Spielraum sehr eng...


    Das halte ich für einen Irrtum, ich denke aber, dass ich erklären kann, wie Du dazu kommst.


    Ich schätze, die Musik des 19. Jh. erscheint Dir "enger" als die Barockmusik, da im 19. Jh.
    1) die Funktionsharmonik und
    2) relativ komplexe Formen
    hoch entwickelt sind. D.h., dass Akkorde z.T. eine klare Menge an "Bedeutungen" resp. Funktionen haben, mit denen man spielen kann, die aber als etwas "enges" verstanden werden können, ebenso verhält es sich mit den Formen. Eine große komplexe Form kann man nur entwickeln, wenn manches standardisiert ist, sonst gibt es nicht genug Bezugspunkte. Der Freiheiten innerhalb dieser Form gibt es freilich nach Belieben, aber wenn Du diese Form selbst als "Enge" empfindest, wirst Du die Freiheiten wahrscheinlich nicht erkennen können.


    Dass der Spielraum so eng nicht war, wie Dir erscheint, zeigt ja schon die Entwicklung selbst. Die Harmonik erreicht um 1900 eine Gestalt wie sie freier nie war. Und neben den Symphonien gibt es auch freie Formen, sodass Schönbergs op. 11 nicht vom Himmel fiel.

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Wann war denn deren Wiederentdeckung? Um 1840 herum oder doch später?


    Es war an einem lauen Sonntagnachmittag 1878 in Südfrankreich. Die Lavendelfelder streckten sich und gähnten, der Himmel seufzte und wischte sich die letzten Schweißtropfen von der Stirn. Jaques de Sauciere rieb sich den Schlaf aus den Augen und schaute aus seinem Ausguck... (so ausführlich solls dann nicht sein? okay...) :D
    Wenn ich von Wiederentdeckung z.B. Monteverdis spreche, so ist mir bewußt, dass er (für Experten) wohl nie ganz weg war, aber eine oberflächlichere Rezeption hat ihn wohl erst mit NHs Aufnahme registriert (und dann womöglich erscchrocken weggehört, als die Bläser loslegten). Ich meine natürlich all die herrlichen Aufnahmen unter Jacobs, Herreweghe, Savall (warum ist der bei den Top100-Interpreten noch nicht dabei????), die die herrliche Musik des 17. Jahrhunderts dem Normalhörer erschlossen...


    Zitat

    Was soll das heißen? Wie entwickelt man eine andere Musikgeschichte?


    Nun, wäre ich Komponist, würde ich mir das 17. Jahrhundert und seine Formensprache anschauen und den Weg, der im 18. Jahrhundert begann vermeiden. Ich würde vielleicht keine Symphonien entwickeln, sondern eben aus einer damals anerkannten Form etwas neues schöpfen. Dergleichen würde ich mir die Instrumente vornehmen. Ich würde sozusagen eine neue Umwelt schaffen und die "musikalische Evolution" oder besser gesagt, den "musikalischen Lamarkismus" irgendwo anders hin driften lassen. Das wäre ein Haydnspaß...

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  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Ich schätze, die Musik des 19. Jh. erscheint Dir "enger" als die Barockmusik, da im 19. Jh.
    1) die Funktionsharmonik und
    2) relativ komplexe Formen
    hoch entwickelt sind.


    Da bin ich völlig einverstanden. Ich empfinde es als Korsett, was mich persönlich am Atmen hindert. Desenungeachtet ist ein Fachmann sicherlich sehr entzückt darüber und kann Feinheiten schmecken, die mir verborgen bleiben. Das gebe ich gerne zu. Letzen Endes ist das aber auch die Crux des eingeschlagenen Weges, der seinen Ursprung eben aus dem Ende des Barocks herleitet. Die Zuspitzung der Formensprache, die Regelung des Musikverkehrs, nurmehr der Zugang für Experten, der dann im Zustand der heutigen Modernen Musik gipfelt.

  • Zitat

    Original von Blackadder
    Ich meine natürlich all die herrlichen Aufnahmen [...], die die herrliche Musik des 17. Jahrhunderts dem Normalhörer erschlossen...


    Jaja, es lebe der "Normalhörer". Tut mir leid, aber an die Wiederentdeckung Monteverdis durch den Normalhörer glaube ich nicht.


    Zitat

    Nun, wäre ich Komponist, würde ich mir das 17. Jahrhundert und seine Formensprache anschauen und den Weg, der im 18. Jahrhundert begann vermeiden. Ich würde vielleicht keine Symphonien entwickeln, sondern eben aus einer damals anerkannten Form etwas neues schöpfen. Dergleichen würde ich mir die Instrumente vornehmen. Ich würde sozusagen eine neue Umwelt schaffen und die "musikalische Evolution" oder besser gesagt, den "musikalischen Lamarkismus" irgendwo anders hin driften lassen. Das wäre ein Haydnspaß...


    Du wirst Dir schon irgendwie blaue Flecken holen. Erstmal mußt Du definieren, an welchem Zeitpunkt Du die Musikgeschichte stoppst. Und dann muss Dir was einfallen, was mit dem Stand der Musikgeschichte, an dem Du gestoppt hast, irgendwas zu tun haben soll, dennoch aber nicht bereits existiert. Das Endergebnis müßte dann aber gegen die gesamte Musikgeschichte ab dem Zeitpunkt bestehen können in dem Sinn, dass Dir keine eklektische Vermischung aus Verweisen auf spätere Musik passieren darf. Das wird kein Spaß sondern ein Krampf, fürchte ich ...

  • Zitat

    Original von Blackadder
    Die Zuspitzung der Formensprache, die Regelung des Musikverkehrs, nurmehr der Zugang für Experten


    Interessant. Schumann ist nur für Experten verständlich, Schütz für alle?
    :hahahaha:

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Wann war denn deren Wiederentdeckung? Um 1840 herum oder doch später?


    Genau weiß ich es nicht. Schütz' Musik war Brahms bekannt und wurde damals (1870er/80er) meines Wissens zum ersten Mal wissenschaftlich herausgegeben (auch von Spitta oder so) .
    Monteverdi wurde erst im 20. Jhd. wiederentdeckt (Werkausgabe von Malipiero ab 1916 lt. Wikipedia).


    Blackadders Blick aufs 19. Jhd. scheint indes ähnlich eingeschränkt wie der der meisten andern aufs 17. ;)
    Bei aller Vielfalt zwischen Monteverdi, Lully, Purcell und Buxtehude finde ich
    das 19. Jhd. noch wesentlich bunter; hier gibt es kaum eine Einheit. Im Barock hat man Generalbassprinzip, einigermaßen verbindliche Formen dun oft sogar eine gemeinsame musikalische Rhetorik und Poetik.


    Aber was sollen die zentralen Gemeinsamkeiten von Berlioz, Donizetti, Wagner, Mendelssohn und Reger sein?


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    jaja, es lebe der "Normalhörer". Tut mir leid, aber an die Wiederentdeckung Monteverdis durch den Normalhörer glaube ich nicht.


    :D Ich auch nicht, denn ich habe selbst ganz schön gestutzt und ein Wort gesucht, das sich besser eignen würde... Aber dessenungeachtet, es gibt Aufnahmen von Monteverdi erst seit wenigen Jahrzehnten, als es schon die 1364. Gesamtaufnahme Beethovenscher Sinfonien gab...


    Zitat

    Du wirst Dir schon irgendwie blaue Flecken holen. Erstmal mußt Du definieren, an welchem Zeitpunkt Du die Musikgeschichte stoppst. Und dann muss Dir was einfallen, was mit dem Stand der Musikgeschichte, an dem Du gestoppt hast, irgendwas zu tun haben soll, dennoch aber nicht bereits existiert. Das Endergebnis müßte dann aber gegen die gesamte Musikgeschichte ab dem Zeitpunkt bestehen können in dem Sinn, dass Dir keine eklektische Vermischung aus Verweisen auf spätere Musik passieren darf. Das wird kein Spaß sondern ein Krampf, fürchte ich ...


    Davon gehe ich aus, dass man sich da blaue Flecken holt. Aber ich habe eher die Möglichkeiten im Kopf, die man sich aus dem 17. Jahrhundert "entleihen" kann. Und ich glaube, dass da einiges zu holen wäre. Man muss ja nicht "alles" anders machen :O

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  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Blackadders Blick aufs 19. Jhd. scheint indes ähnlich eingeschränkt wie der der meisten andern aufs 17.


    Auf diesen Einwand habe ich gewartet und ich muss ihn ENTSCHIEDEN... bestätigen. Was aber damit zu tun hat, dass die Entwicklung des 19. Jahrhunderts schon durch eine gewisse Scholarisierung (gibt's das Wort?) sehr expertenhafte Züge trägt. Mir selbst ist bewußt, dass das 19. Jahrhundert für mich noch kaum stattfindet, weil ich erst den Zugang durch Barock und Klassik finden muss. In zehn Jahren möchte ich schon gerne spätromantische Sachen hören, aber ich fürchte, ich brauche dafür mehr Rüstzeug, um sie entsprechend wert schätzen zu können, wie z.B. ein Concerto grosso von Händel, das sicherlich ebenfalls von einem Korsett eingeschnürt wird, dessen Regeln mir aber wesentlich eher ins Auge springen, als die Regeln eines 75-Minuten-Adagios...

  • ich freu mich daß dieser Thead - spät aber doch - auf solch hefrtige Resonanz stösst. Das trifft sich gut, denn ich habe (unter anderem) vor, im Jahr 2007 den Bereich "Barockmusik" sowohl in meiner privaten Sammlung - als auch hier im Forum ein wenig auszubauen.


    Um Barockkomponisten fair beurteilen zu können, muß man sich vor Augen halten, daß es den Begriff "Genie" im 17. und 18. Jahrhundert in der von uns verwendeten Form gar nicht gab - bzw, daß viele Komponisten, die wir heute anmaßenderweise als Kleinmeister und als Mittelmaß einstufen, zu Lebzeiten anerkannte und geschätzte Musiker waren.


    Heute wird ja alles an Mahler und Bruckner gemessen, ja man hat sogar gewagt MOZART als "langweilig" zu bezeichnen, sowie bei Beethoven und Schubert eine "Auswahl der besten Werke" zu treffen - und manches als kitschige "Entgleisung" darzustellen.


    Es ist nötig zu akzeptieren, daß barocker Zeitgeist und Geschmack sich mit unserer Zeit nur wenig verträgt.
    Bach selbst sah sich nicht als Genie (und sein Umfeld übrigens auch nicht) sondern als "fleissigen Handwerker" Dem widersprach jahrhundertelang niemand - bis Bach - in Etappen - "wiederenteckt" und für die jeweilige Zeit adaptiert wurde. Ob Bach jetzt tatsächlich "überschätzt" wird - oder nicht - ist weniger eine Frage der musikalischen Qualität - sondern eine des momentanen Zeitgeschmacks und momentaner Aufführungspraxis. Wenngleich ich die derzeitig forsche Interpretation, wie sie der zeit mehrheitlich in der HIP-Szene praktiziert wird - NICHT für authentisch halte - so ist doch nicht zu leugnen, daß (vor allem) Bach (und auch Vivaldi) wesentlich an Kontur gewinnt - interessanter und lebendiger wird.


    Auch Bach war (ähnlich wie heute Hydn) lange Zeit eher geachtet als geliebt. Im Moment ist das anders, Seien wir froh.


    Kommen wir zu den Komponisten, welche immer wieder als "langweilig" oder "seicht" beschrieben werden.


    Vivaldi - dieser Meister der Leichtigkeit und Virtuosität wurde erst in der zweiten Hälfte des 20 einigermaßen erforscht. Das Verdikt von Strawinsky, Vivaldi habe nur EIN Konzert komponiert - und das 600 mal - kann man als "Dummheit" einstufen - oder aber als Bonmot - aus einer Weinlaune heraus entstanden. Es stimmt in keinem Falle. Dazu werde ich mich in dem speziellen Threads ausführlicher äußern.


    Telemann - man höre seine Violinkonzerte - manche etwas spröder als jene Vivaldis - grundverschieben von jenen Bachs - in den meisten Fällen hörenswert - gelegentlich begeisternd.


    Heinichen - ehrlich gesagt - es gibt zu wenig auf Tonträger um ein endgültiges Urteil fällen zu könne - aber das was ich kenne ist sicher sehr gut.


    Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man seine Ohren (Hörgewohnheiten) auf Barockmusik "einschulen" muß - was ganz automatisch geschieht, wenn man sie länger hört. Dann entwickeln sich plötzlich Ohrwürmer aus dem "barocken Einheitsbrei" man stelle sich vor man würde einem Musikfreund des 17. Jahrhunderts Bruckner, Mahler oder Webern vorsetzen !!!


    Mit meinem Parallelthread:


    Ohrwürmer und Schlager orchestraler Barockmusik


    habe ich das Thema Barockmusik bereits zu forcieren begonnen - ich glaube daß hier viel Interssantes empfohlen werden kann, was "Barockneulinge" zum Schnuppern einlädt (auch ich selbst hoffe einiges Unbekanntes zu hören, was mich zu begeistern imstande ist)


    Letztlich sollten wir uns vor Augen halten, daß Musik unterhalten und gefallen soll - ein Aspekt dem man im Barock mehr Gewicht beimaß als heute - Heute wird Musik vor allem dann anerkannt, wenn man erschüttert und schweißüberströmt den Konzertsaal verlässt :P


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man seine Ohren (Hörgewohnheiten) auf Barockmusik "einschulen" muß - was ganz automatisch geschieht, wenn man sie länger hört.


    Was für jede Epoche ernster Musik gilt. Jeder tut sich woanders leichter und schwerer.

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Was für jede Epoche ernster Musik gilt. Jeder tut sich woanders leichter und schwerer.


    Lieber KSM,


    Es gibt Epochen, woraus die Musik mich schmerzt. Wirklich peinigt. Das trifft besonders zu für Musik aus dem 20. Jhdt. Und sie nervt mich auch.
    Muß ich dann Masochist werden, um letztlich - obwohl schon öfter versucht - wieder zu konkludieren "Das ist nicht meine Musik"?


    LG, Paul

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  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Was für jede Epoche ernster Musik gilt. Jeder tut sich woanders leichter und schwerer.



    Vollkommen richtig! Und ich habe mich des Öfteren schon gefragt, warum ausgerechnet über (Spät- :baeh01: ) Barockmusik so kontrovers und oftmals pauschalisierend diskutiert wird. Keiner käme auf die Idee, ähnliches mit der Romantik zu machen. Da käme niemand auf die Idee, Mendelssohn, Brahms, Berlioz oder Wagner als Kleinmeister abzuqualifizieren.


    Und dazu passt auch irgendwie, dass wir Barockliebhaber als Spezialisten eingestuft werden, solche Klassikfreunde, die mehr oder weniger ausschließlich in der Romantik zuhause sind aber nicht. Echte Alleshörer (epochenmäßig betrachtet) gibt es im Forum ja kaum.



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Zitat

    Original von musicophil
    Muß ich dann Masochist werden, um letztlich - obwohl schon öfter versucht - wieder zu konkludieren "Das ist nicht meine Musik"?


    Ich sag ja nicht, dass sich jeder den Zugang zu allen Epochen ebnen muss. Ich habe so meine persönlichen Schwierigkeiten mit Musik vor 1600, ich kann mich bislang immer nur kurzfristig begeistern und langweile mich viel zu schnell. Das ist zwar im Lauf der letzten Jahre besser geworden, aber ich zwinge mich nicht diesen Prozess mit Bracchialmethode (jetzt 3 Monate nur noch Josquin oder so) zu beschleunigen. Wenn jemand irgendwo gar keinen Erfolg hat auf dem Weg zu einer Epoche oder einem Komponist, liegt es mir fern, ihm zu sagen, er müsse jetzt unbedingt das ändern. Ebenso wenn jemand mit ernster Musik überhaupt nichts anfangen kann und lieber Techno hört.

    Zitat

    Original von salisburgensis
    Echte Alleshörer (epochenmäßig betrachtet) gibt es im Forum ja kaum.


    O ja, ich muss wieder mehr an mir arbeiten und die Gotik- und Renaissancescheiben hervorholen ...
    :untertauch:

  • Zitat

    Original von salisburgensis
    Keiner käme auf die Idee, ähnliches mit der Romantik zu machen. Da käme niemand auf die Idee, Mendelssohn, Brahms, Berlioz oder Wagner als Kleinmeister abzuqualifizieren.


    Lieber Thomas,


    Du hast meine Stimme. Wagner: Kleinstmeister. :D


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von salisburgensis
    Und dazu passt auch irgendwie, dass wir Barockliebhaber als Spezialisten eingestuft werden


    Oder als Freaks oder Nerds der Klassik oder als Noch-Nicht-Soweit-Seiende :D

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  • Lieber Paul,


    das hab ich aber gar nicht gesagt, deswegen kannst du mir auch gar nicht zustimmen. Ich schätze zwar Wagners Musik nicht sonderlich und kenne sie auch nicht gut, aber trotzdem (z.T. auch gerade deswegen) würde ich niemals in Abrede stellen, dass er einer der Großen am Klassikhimmel ist.



    :hello:
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Zitat

    Echte Alleshörer (epochenmäßig betrachtet) gibt es im Forum ja kaum.


    Ich würde mich doch zu den "echten Alleshörern" (bis zur klassischen Moderne :P ) zählen - allerdings mit Schwerpunkt Klassik.


    Auch meine Barocksammlung ist - aus der Sicht eines Alleshöreres betrachtet - nicht so übel. (J.S. BACH - G.F. Händel. A. Vivaldi - Heinichen - Telemann - Graupner - Purcell - Vivaldi -Albinoni - Locatelli -Zelenka - Lully- Rameau - Charpentier- Delalande - Buxtehude - Biber -Corelli - Hotteterre - D.Scarlatti - Veracini - Molter u.a.) - aber Barockspezialist bin ich natürlich keiner. Kenner weden sofort eine Fülle von Lücken in der Sammlung bemerken - vor allem im Frühbarock - wobei ich mir über die Grenze von Renaissance und Frühbarock und Renaissance oft nicht ganz im klaren bin - aber das sind Themen, denen man heuer - wenn es nach mir geht - heuer verstärkte Aufmerksamkeit in diesem Forum schenken wird.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Wenn jemand irgendwo gar keinen Erfolg hat auf dem Weg zu einer Epoche oder einem Komponist, liegt es mir fern, ihm zu sagen, er müsse jetzt unbedingt das ändern. Ebenso wenn jemand mit ernster Musik überhaupt nichts anfangen kann und lieber Techno hört.



    Das unterschreibe ich sofort! Aber ich verlange dann im Gegenzug, dass nicht respektlos aus der Verschanzung im eigenen Repertoire heraus auf die Komponisten, Epochen oder Genres geschossen wird, zu denen man keinen Zugang hat, oder die man aus der bisherigen Erfahrung damit heraus abgelehnt.* Nach meinem Dafürhalten ist die Musik des Barock am häufigsten davon betroffen, aber eventuell bin ich da auch besonders empfindlich... :D



    herzliche Grüße,
    Thomas



    *wichtig: ganz allgemein geschrieben ohne jemand konkret damit anzusprechen!

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Zitat

    Original von salisburgensis
    Nach meinem Dafürhalten ist die Musik des Barock am häufigsten davon betroffen, aber eventuell bin ich da auch besonders empfindlich...


    Ich habe eher den Eindruck, dass zwar die Barockmusik eher gemocht wird, die Barockmalerei dafür weniger. Im Gegenzug mag man die Renaissancemalerei eher als die Renaissancemusik.


    Und am häufigsten wird ja wohl doch gegen die gute alte Moderne geschimpft, oder?
    ;)

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Ich würde mich doch zu den "echten Alleshörern" (bis zur klassischen Moderne :P ) zählen - allerdings mit Schwerpunkt Klassik.


    [offtopic]
    Hallo Alfred,


    bevor JR antwortet, dass alles sei ja nur Spekutalion, es gäbe ja keine Zahlen dazu ;) könnte ich mir eine Abstimmung zum Hörverhalten der TaminosInnen vorstellen. Mit Auswahlmöglichkeiten so in der Art wie diese:
    (1) Ich bin Spezialist und höre fast ausschließlich Musik aus einer Epoche.
    (2) Ich habe bestimmte Vorlieben, die meine Hörgewohnheiten dominieren, höre aber auch mal etwas anderes.
    (3) Ich bin nicht wählerisch und höre alles, was im entferntesten als Musik bezeichnet werden kann.
    (4) Mir kommt nur Musik eines einzigen Komponisten auf den Plattenteller.
    etc...


    [/offtopic]



    :hello:
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

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  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Und am häufigsten wird ja wohl doch gegen die gute alte Moderne geschimpft, oder?
    ;)


    Hast Recht... :O

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Zitat

    Original von salisburgensis
    (3) Ich bin nicht wählerisch und höre alles, was im entferntesten als Musik bezeichnet werden kann.


    :hahahaha:
    Nicht schlecht. Um ein aussagekräftiges Ergebnis zu bekommen, sollte man an den Auswahlmöglichkeiten etwas feilen ...
    :hello:

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ich würde mich doch zu den "echten Alleshörern" (bis zur klassischen Moderne :P ) zählen - allerdings mit Schwerpunkt Klassik.


    Das erstaunt mich sehr.


    Deine Barockliste enthält weder die wichtigsten Frühbarocker (dafür alles mögliche spätbarocke Kleinvieh) noch hätte ich gedacht, dass Du regelmäßig Gregorianik, Notre-Dame-Epoche, ars antiqua, ars nova und Renaissance hörst.


    Außerdem gibt es kein "Alleshörer bis" so wie es kein "Alleshörer ab" gibt. Über die antiken Fragmente können wir ja streiten aber Gregorianik und Minnesang ist für einen Alleshörer Pflichtprogramm.
    :baeh01:

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Das erstaunt mich sehr.


    Deine Barockliste enthält weder die wichtigsten Frühbarocker (dafür alles mögliche spätbarocke Kleinvieh) noch hätte ich gedacht, dass Du regelmäßig Gregorianik, Notre-Dame-Epoche, ars antiqua, ars nova und Renaissance hörst.


    Die Liste erstaunt höchstens jemand, der Alfred und seine grundsätzlichen Vorlieben nicht kennt ;)


    Zitat


    Außerdem gibt es kein "Alleshörer bis" so wie es kein "Alleshörer ab" gibt. Über die antiken Fragmente können wir ja streiten aber die Gregorianik ist für einen Alleshörer Pflichtprogramm.
    :baeh01:


    Alleshörer in diesem Sinne dürfte wirklich kaum jemand sein. Und selbstverständlich werden, auch hier im Forum, Musik vor 1600 oder gar vor 1450, und Musik nach 1960 oder so noch wesentlich stiefmütterlicher behandelt als das 17. Jhd.!
    Im Rahmen dieses Forums sehe ich mich als einen ziemlich breitgefächerten Hörer (sowohl historisch als auch genreübergreifend), wobei ich sowohl bei einem Großteil der Musik der letzten 4 Jahrzehnte als auch vor 1600 sehr wenig kenne und auch sonst natürlich Lücken bestehen (kürzlich extra je eine CD mit Perotin und Dunstable gekauft) . Du oder C.Huth und einige andere können diese Breite gewiß leicht übertreffen.
    Aber verglichen mit den geschätzten Spezialisten wie Salisburgensis, Guercoeur oder Ulli bin ich ziemlich breit :D


    @ Salisburgensis: Deine Frage, warum der Biberhörer als Spezialsit gilt, der Schumannianer dagegen nicht, ist doch wohl rhetorisch, oder? Wir schauen ja nicht vom Mars auf die gesamte abendländische Musikgeschichte und suchen uns dann eine Epoche, die uns gefällt. ;) In unserer Musikkultur dominiert (aus historischen, sozialen und was weiß ich was für Gründen) die Musik von ca. Haydn bis Mahler. Völlig klar, dass einer, der die bekannten Komponisten der Romantik favorisiert, kein Spezialist ist.
    Was übrigens Pauschalaussagen zu anderen Epochen betrifft, so verweise ich auf einige kürzliche postings eines recht neu hinzugekommenen Barockfans :D ...man findet gewiß auch noch mehr davon.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
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    (Bob Dylan)

  • Oh Gott, der Thread ist ja sehr lang geworden.


    Ich habe begonnen ihn sehr aufmerksam zu lesen. Da stoße ich doch gleich auf etwas, zu dem ich auch etwas sagen möchte.


    Gesagt wurde, Barock sei empfindsamer und feinsinniger, Gefühle würden nicht offen gezeigt und brutal herausgeschrien. In diesem Zusammenhang viel mir noch die Aussage auf, in welcher nach der Aussage hinter den Werken gefragt wurde. "Was will uns der Künstler damit sagen".


    Schon stellt sich für mich ein Knackpunkt dar.


    Im Barock ist keine Romantik! Im Barock wird mit Stimmungen und Färbungen gearbeitet, aber der Komponist will nichts mit dem Werk sagen. Er will musizieren, will einladen, der Musik zu folgen, aber man findet hier sicherlich keine "Schicksalssinfonie". Das ist in meinen Augen einer der Gründe, warum einige keinen Zugang zum Barock finden mögen (oder auch zur Wiener Klassik hier und da). Sie suchen die in Musik gefassten Tiefen menschlichen Empfindens in allen Details Abgründen und Ausprägungen. Dies wird man wohl nicht im Barock finden. Und so wird oftmals beim Hören auf derartiges gewartet und nicht gefunden, wonach man sucht und viele empfinden dann die Musik als undramatisch und langweilig, verpassen aber dabei die ganze "vornehme" Schönheit dieser Musik.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

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