Operninszenierungen - modern vs. "altmodisch"

  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    Oh Mann, die Thalbach hat in Dresden Hänsel und Gretel verwurstet: Krachbuntes Getümmel ohne nennenwerten Tiefgang. Weit und breit keine Poesie! Keine Romantik! Dafür aber überdimensionale Lebniz-Butterkekse und ein Rotkäppchen, das den Wein der Großmutter trinkt. Der übliche Schwachsinn eben.


    Wenn ich da noch an mein erstes Knusperhaus denke, den verträumten Tannenwald,die windschiefe Besenbinderhütte. Davon zehre ich noch heute - muß ich ja wohl, dank der Dürre an deutschen Theatern.


    Ich habe nur einen Teil der Fernsehübertragung gesehen, liebe Knusperhexe, aber ich vermute eins: wenn ich als sechsjähriges Kind da gesessen hätte, hätte ich Bauklötze gestaunt. Über die Hexenerzählung des Vaters im ersten Akt, über den überaus kitschigen Traum, über die Butterkeks-Hütte nebst Riesenbonbons....


    Nun bin ich einige Jährchen älter inzwischen und fand das, was ich da sah, eher albern. Freilich nicht "der übliche Schwachsinn" (was ist das?), sondern schlichtweg die operettige, betuliche Schauspielerei, und vor allen Dingen die grottige musikalische Leistung. Ich mag die Staatskapelle sehr, und ich habe vom Dirigenten Michael Hoffstetter auch schon sehr gutes gehört - dieser Abend gehört eher nicht dazu. Wieviele Diskrepanzen zwischen Graben und Bühne! Eieiei. Da war wirklich der Wurm drin... Und die Schauspielerei von Vater, Mutter, Hänsel und Gretel (die Hexe ausgenommen eigentlich) war wirklich auf einem Niveau, das aller Beschreibung spottet. Freilich: als Sechsjähriger hätte ich zweifellos Bauklötze gestaunt......


    Naja.


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Vor kurzem habe ich mir mal den Spielplan der Semperoper aus reinem Interesse angesehen. Einige Opern hätten mich durchaus interessiert - aber mich haben dann die Photos von den meisten Inszenierungen auf der Internet-Seite abgeschreckt - rein optisch.
    Es ist mir persönlich einfach unerträglich, mehrere Stunden lang derart misslungene, sog. "modernisierte" Inszenierungen zu ertragen - mögen sie musikalisch noch so gut sein. :rolleyes:
    Dann lieber eine alte, aber auch optisch überzeugende DVD-Aufnahme der jeweiligen Oper - oder gleich auf CD, da bleibt einem dieser Anblick wenigstens erspart (und zudem günstiger). :beatnik:
    So locken die Opernhäuser meiner Meinung nach keine Leute in die Vorstellungen ...

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo, Felipe!


    Zitat

    Original von Felipe II.
    Es ist mir persönlich einfach unerträglich, mehrere Stunden lang derart misslungene, sog. "modernisierte" Inszenierungen zu ertragen - mögen sie musikalisch noch so gut sein. :rolleyes:


    Es zwingt einem keiner, die Augen in der Oper etwas auszuruhen und nur die akustischen Reize aufzunehmen. Ich hab das auch schon so gemacht.


    Viele Grüße,
    Pius.


  • Lieber Pius!


    Das ist ja keinesfalls zu verurteilen, nur gehe ich ja (persönlich) in die Oper, grad um etwas zu sehen. :D ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von C.Huth


    Ich habe nur einen Teil der Fernsehübertragung gesehen, liebe Knusperhexe, aber ich vermute eins: wenn ich als sechsjähriges Kind da gesessen hätte, hätte ich Bauklötze gestaunt. Über die Hexenerzählung des Vaters im ersten Akt, über den überaus kitschigen Traum, über die Butterkeks-Hütte nebst Riesenbonbons....


    C.


    Hallo C. Huth,


    nee, also das hätte mir auch nicht als Kind gefallen: Viel zu grell. Viel zu verstörend. Viel zu wenig romantisch. Die Dame hat mehr das Musical "In the Woods" inszeniert als den Humperdinck. Völlig frei vom Libretto - und das meinte ich mit üblichen Schwachsinn. Ohne mich. Für so einen Dreck gebe ich kein Geld mehr aus.


    LG,


    Knusperhexe

  • Hallo Forianer,


    ich habe alle eure Beiträge gelesen, finde aber einige Formulierungen sehr bedenkenswert...


    Für mich ist eine Operninszenierung immer dann okay, wenn die Werksubstanz nicht angetastet wird. Diese beizubehalten und dennoch eine moderne Lesart anzubieten, das stellt für mich die Herausforderung an die Regisseure unserer Zeit dar.


    Alles andere, was man zu xehen bekommt, ist blanker Populismus, der Drang nach skandalträchtigen Selbstdarstellungen sollten wir Opernliebhaber durch Fernbleiben der Aufführungen bestrafen.


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:


  • Aber ist das nicht traurig, Herbert! Hast du den Leitbrief des Kulturredakteurs der Kölnischen Rundschau letzte Woche gelesen? er antwortete auf die Kritk eines Lesers an der Neuenfels´schen Zauberflöteninszenierung/vergewaltigung derart belehrend und vom elfenbeinturm herab... :hahahaha: oder dann die Rezensionen der FAZ bzgl. Hänsel und Aida - Nee, ich unterstützte diesen Krampf auch nicht mehr mit meinem sauerverdienten Geld und spare lieber für Opernaufführungen weit weg vom Regietheatermist. Schon komisch, früher hat man geguckt, wer singt. Heute, wer inszeniert. Irgendwie krank.


    Cu,


    Knusperhexe

  • Hexa dixit:


    Cnusper, cnusper cnasa,
    quid cnusper ad mia casa?


    :D

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Salve hexa,


    ich kenne es nur so pseudolateinisch, wie ich es zitiert habe [stammt m. W. aus einer Pfälzer Karnevalsveranstaltung].


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)


  • So, So - und Du möchtest also knuspern? :rolleyes:

  • Bevorzugt Achtzehnjahrundzweiminütige... :D


    Lieber die Katze im Sack, als auf dem Buckel... :rolleyes: :stumm:


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)


  • O.K. Papageno, aber bevor wir einen berechtigten Rüffel erhalten, teile mir doch lieber mal mit, wie Du zu modernen Inszenierungen stehst.

  • Salut,


    das werde ich gerne in aller Kürze tun:


    meistens stehe ich mit dem Rücken dazu. Ich habe bisher nur ganz wenige Ausnahmen gesehen, die mir tatächlich zugesagt haben. Eine davon würde ich sogar einer historisierenden Inszenierung mittlerweile Vorziehen [Rodelinda / München / Bolton]. Da wurde lediglich die Zeit verändert, in der das Stück spielt - nicht der Inhalt. Zudem war es sehr witzig gemacht und hervorragend interpretiert. Ansonsten habe ich keine Lust darüber nachzudenken, was andere wohl gedacht haben mögen: Ich bin kein Psychiater, sondern Kunstgenießer.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)


  • Na, das sind doch mal Aussagen! Da brauche ich´ja gar nicht den Holderbusch zu schwingen! ;)

  • Da wäre es ob meiner gnadenlosen Schlankheit eh die Frage, wem es weher täte - dem Busch oder mir. Koch lieber 'nen lecker Teechen draus.


    Gruß in die Dreikönigsstadt


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Oh, ja, und dann tun wir eine ordentliche Portion Rizinusöl mit hinein, dann kommen die Herren nicht mehr vom stillen Örtchen runter und wissen auch gleich, wo das, was sie mit den Opern machen, hingehört!

  • Zitat

    Original von Maddalena Coigny
    Oh, ja, und dann tun wir eine ordentliche Portion Rizinusöl mit hinein, dann kommen die Herren nicht mehr vom stillen Örtchen runter und wissen auch gleich, wo das, was sie mit den Opern machen, hingehört!


    :yes: :yes: :yes: :yes: :yes: :yes: :yes: :yes: :yes:

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  • Zitat

    Original von Maddalena Coigny
    Oh, ja, und dann tun wir eine ordentliche Portion Rizinusöl mit hinein, dann kommen die Herren nicht mehr vom stillen Örtchen runter und wissen auch gleich, wo das, was sie mit den Opern machen, hingehört!



    Ich denke, die Herren bösen Regisseure würden den dann tatgeständigen, selbsternannten Lordsiegelbewahrern der Oper für diese Attacke sogar Applaus spenden, immerhin zeigen sich ja darin schon erste Ansätze eines Aufstandes des sonst so der politischen Untätigkeit gescholtenen Bürgertums .


    Konwitschny würde die geniale Idee aber wohl vermutlich auch sofort aufgreifen. Anstelle von Schwindsucht hat die Traviata ab Mitte des ersten Aktes nun ganz andere Probleme. Mit durstigen Zügen ward das von Alfredos Vater heimlich in den Schampus gemixte Rizinussöl geschlüft, alsbald lädt ein feurig lockender Klang Violetta aufs Stille Örtchen ein, ...vogelfrei .... :angel:


    Gruß
    Sascha



  • Also, ich finde ja auch, dass sich die als Bildungsbürger verunglimpften Opernliebhaber viel zu ruhig verhalten gegenüber den arg militanten Regietheaterjüngern. Es ist freilich ein arrogantes Totschlagargument, dass man die intellektuell anspruchsvollen Bilder der modernen Regie nicht verstehen würde. Um ehrlich zu sein, lache ich mich ob solchen Elefenbeinturmgehabes mittlerweile nur noch schlapp. Aber mal im Ernst, warum sollte man nicht mal eine Petition starten, die sich einsetzt für Inszenierungen à la Textbuch? Bzw. mal eine kleine Presseaktion starten und die Medien einbinden.


    Vive la revolution,


    Knusperhexe

  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    Aber mal im Ernst, warum sollte man nicht mal eine Petition starten, die sich einsetzt für Inszenierungen à la Textbuch? Bzw. mal eine kleine Presseaktion starten und die Medien einbinden.


    ich bin für demokratie - einfach nicht hingehen, wenn einem die inszenierung nicht
    gefällt. ich mache das auch so - ich geh in keine "altmodischen" ,-)


    faun

    die kritik ist das psychogramm des kritikers (will quadflieg)

  • Zitat

    Original von faun


    ich bin für demokratie - einfach nicht hingehen, wenn einem die inszenierung nicht
    gefällt. ich mache das auch so - ich geh in keine "altmodischen" ,-)


    faun


    Von Demokratie ist gerade seitens des Regietheaters nichts zu erwarten. Rezensionen brandmarken traditionelle Inszenierungen generell als vermufft und spießig. Sollte es da wirklich demokratisch zugehen, dann wären mal die Liebhaber alter Inszenierungen in Realation zu setzen zu den Anhängern des Regietheaters. Daher noch mal die Überlegung einer Unterschriftensammlung.

  • servus herbert


    aus erfahrung - also wenn alfred (willkürlich herausgegriffen ,-) eine inszenierung
    loben würde, dann hätte ich bedenken hinzugehen. genau so kann man auch
    kritiken einschätzen. da ich premieren meide, habe ich ein wenig zeit, mir ein
    ungefähres bild zu machen.



    servus knusperhexe


    gebe dir recht, mein vorschlag sollte nicht demokratisch, sondern marktwirtschaftlich
    bezeichnet werden.


    faun

    die kritik ist das psychogramm des kritikers (will quadflieg)

  • @ Herbert: In der Regel kennt man ja die Handschrift diverser Regisseure und weiß daher in etwa, was einen erwartet. Man kann also von vornherein gewisse Produktionen für sich ausschließen, je nachdem, welchem Regiestil man sich verpflichtet fühlt.
    @ Faun: Demokratie wäre für mich, wenn beides, also Regietheater und traditionelle Regie, gleichberechtigt nebeneinander stehen dürften ohne Diffamierung von der jeweils "gegnerischen" Seite. Das ist nämlich genau mein Problem bzw. mein Ärger, dass man sich ständig aufgefordert fühlt einen Offenbarungseid abzulegen. Für mich haben beide Regieformen ihre Daseinsberechtigung, ich kann eine Konwitschny-Inszenierung genauso genießen wie eine herrlich altmodische von Otto Schenk, weil ich offen für beides bin. Mist gibt es hier genauso wie dort, wobei auch diese Bewertung vom Standpunkt des Betrachters abhängt. Was für mich Mist ist, ist für einen anderen vielleicht genial. Im Unterschied zu den Berufskitikastern und vielen Fanatikern aus beiden Lagern maße ich mir nicht an, meinen persönlichen Geschmack zu einem allgemein gültigen Wertmaßstab zu erheben. (Motto: Was mir gefällt, ist Qualität, alles andere ist Mist!) Ich wünsche mir allerdings, dass sich moderne und traditionelle Inszenierungen in etwa die Waage halten, so dass jeder auf seine Kosten kommt. Aber das ist wohl ziemlich utopisch.....
    Liebe Grüße, Severina

  • Zitat

    Original von severina
    @ Faun: Demokratie wäre für mich, wenn beides, also Regietheater und traditionelle Regie, gleichberechtigt nebeneinander stehen dürften ohne Diffamierung von der jeweils "gegnerischen" Seite. Das ist nämlich genau mein Problem bzw. mein Ärger, dass man sich ständig aufgefordert fühlt einen Offenbarungseid abzulegen. Für mich haben beide Regieformen ihre Daseinsberechtigung, ich kann eine Konwitschny-Inszenierung genauso genießen wie eine herrlich altmodische von Otto Schenk, weil ich offen für beides bin. Mist gibt es hier genauso wie dort, wobei auch diese Bewertung vom Standpunkt des Betrachters abhängt. Was für mich Mist ist, ist für einen anderen vielleicht genial. Im Unterschied zu den Berufskitikastern und vielen Fanatikern aus beiden Lagern maße ich mir nicht an, meinen persönlichen Geschmack zu einem allgemein gültigen Wertmaßstab zu erheben. (Motto: Was mir gefällt, ist Qualität, alles andere ist Mist!) Ich wünsche mir allerdings, dass sich moderne und traditionelle Inszenierungen in etwa die Waage halten, so dass jeder auf seine Kosten kommt. Aber das ist wohl ziemlich utopisch.....
    Liebe Grüße, Severina



    Hallo Severina,


    ich fand das Regietheater am Anfang richtig gut, weil es mal andere Sichtweisen lieferte, aber mittlerweile ist die Chose zum Selbstläufer geworden. Zu 98% gibt's nur noch Neuinszenierungen im modernen Stil - so nenne ich das jetzt mal plakativ. Und wehe dem Regisseur, der mal traditionelle Wege geht, da wird gleich der Stab drüber gebrochen. In der Waage ist da schon lange nix mehr. In Köln hat der letzte Intendant radikal alle alten Inszenierungen entsorgt und sich dann gewundert, dass das Haus meist leer stand bzw. er hat's als Bestätigung seiner hehren Kunst aufgefasst. Mir ist diese Radikalität sehr unsympathisch und ich wünschte sehr, es könnten beide Geschmäcker bedient werden. Aber einw eiters Problem dabei sit, dass es immer weniger Fachkräfte gibt, die traditionelles Theater machen können. Die Schneidereien, Malersäle und Rüstkammern haben - dank des riesenbruchs - kaum noch Wissen über die alten Techniken. Da muss man schon Künstler aus dem Osten oder den USA heranschaffen.


    LG,


    Knusperhexe

  • Knusperhexe: Ja, da gebe ich dir hundertprozentig recht, auf die richtige Balance käme es an, und die fehlt leider zur Gänze. Meine Kölner Freundin, die ich über die Oper kennen gelernt habe (in Salzburg), hat sich auch schon komplett zurückgezogen und konsumiert Oper nur mehr über Tv oder Video. Jammerschade. Dabei erinnere ich mich an so tolle Aufführungen in Köln, z.B. eine "Carmen" mit Luis Lima (ich glaube in einer Ponnelle-Inszenierung), die mir immer unvergesslich bleiben wird.
    Ich trauere jetzt schon unserer schönen "Manon" (Ponnelle) nach, die im Mai einer Neuinszenierung weichen muss. Mal sehen, was da auf uns zukommt, noch bin ich ja optimistisch..... (Die moderne L.A. "Manon" würde ich allerdings gerne sehen, sie übersiedelt ja nach Berlin, ist aber leider schon seit einem Jahr ausverkauft :()
    lg Severina :hello:

  • Hallo Severina,


    ja, die Carmen war von Ponelle. Die neue von Loy machte aus der Micaela ein Biest und aus Carmen eine fromme Helene. Ätzend. Und dann erst der neue Rosenkavalier im Bambuswald. Der letzte vom Hampe war ein Traum. Allein diese sattblaue Kuppel und dann der 2. Akt, wo alles, wirklich alles in weiß und silbern glänzte. Solche optischen Sehnsüchte bedient heute keiner mehr. Habt Ihr eigentlich noch den alten Tannhäuser im Repertoire? Den habe ich damals geliebt, als ich in Salzburg studiert habe.


    LG,


    Knusperhexe

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