Anton Bruckner: 8. Sinfonie c-Moll - Das Mysterium

  • mal eine praktische frage an den wissenschafter: diese versionen -schalk, haas, nowak und vielleicht nochwas-, wie sehr unterscheiden sie sich bei der 8.?
    ich war gestern beim dr.rienzi, und wir haben uns seine ca. 10 finali intraaural gespritzt. bei vielen cds weiß man nicht, welcher edition gefolgt wurde.


    :hello:
    :beatnik:


    zusatzfrage: kennst du einspielungen, die deinen oben beschriebenen metronomzahlen und proportionen folgen?

  • In aller Kürze:
    Zur Achten gibt es zwei Versionen von Bruckner, die beide in der Kritischen Gesamtausgabe von Leopold Nowak vorgelegt wurden, außerdem eine von Dermot Gault edierte Zwischenfassung des Adagio. Dann gibt es noch den von Max von Oberleithner edierten, bearbeitenden Erstdruck.
    Haas kam bezüglich der Zweitfassung in seiner Ausgabe aus den 30er Jahren zu anderen Ergebnissen als Nowak, da vor dem Krieg der Quellenstand auch noch anders war. Außerdem hat er aus tiefster musikalischer Überzeugung einige Passagen aus der Erstfassung in die Zweitfassung eingebaut.
    Freilich: Der Vorwurf einer "Idealen Mischfassung" ist nicht zu halten, da er selbst beabsichtigte, auch die erste Fassung separat herauszugeben, was der II. Weltkrieg verhinderte. Die Akten sind überdies längst noch nicht geschlossen. Wolfgang Doebel listet in seinem Buch "Bruckners Sinfonien in Bearbeitungen" (Bei Schneider, Tutzing erschienen) etliche Abweichungen auch der Nowak-Ausgabe der Zweitfassung vom Manuskript.
    Man muß also die Ergebnisse des kritischen Berichtes abwarten, der zur Zeit von Paul Hawkshaw für die Gesamtausgabe vorbereitet wird und eigentlich zu Korrekturen zumindest in der Zweitfassung führen müßte.
    Einen echten Favoriten für die Achte habe ich eigentlich nicht, da keine mir bekannte Einspielung dem Werk vollends gerecht wird. Am gelungensten halte ich von der interpretatorischen Konzeption her trotz einiger Manieriertheiten die Einspielung von Harnoncourt, aber das Zusammenspiel der Berliner läßt sehr zu wünschen übrig (Nowak II), gleich daneben der Stuttgarter Mitschnitt unter Celibidache (Nowak II) und die alte Knappertsbusch-Aufnahme mit den Münchnern (Erstdruck). Von der Haas-Fassung besonders empfehlenswert finde ich die Haitink-Aufnahme mit dem Concertgebouw von, ich glaube, 1981, und ein Geheimtipp ist auch die Aufnahme von Kempe mit den Münchner Philharmonikern. Die Erstfassung am ehesten unter Tintner.
    Aber sonst...? Man gebe mir ein Orchester... ;-)

  • Nach dieser teilweise etwas wild geführten Diskussion möchte ich mich der Meinung von ‚oberservator’ anschließen, dass es nur zum besseren Verständnis des Werks führen kann, wenn Fragen wie die von Wolfgang ‚Tastenwolf’ gestellt werden. Ich jedenfalls könnte jetzt viel klarer sagen, warum mir der 4. Satz schon immer so gut gefallen hat und höre ihn intensiver als vorher, nicht zuletzt dank der erhellenden Ausführungen von Ben. Selbst wenn „meine Stelle“ und die von Wolfgang `Teleton’ nicht identisch waren, kann ich mich ihm ganz anschließen (und im Grunde gilt das auch für die anderen exponierten Pauken-Stellen in diesem Satz). (Nur am Rande: Wolfgang, ich teile auch Deine Einschätzung von Giulini, und war dennoch jetzt beim nochmaligen Hören überrascht, mit welcher ungewöhnlichen Schroffheit unter seiner Leitung die Wiener Philharmoniker dies Werk zu spielen vermögen. Oft bricht der volle Orchesterklang mit einer Wucht herein, wie es sonst selten zu hören ist.)


    Ben hat den Kosaken-Ritt und damit überhaupt die militärischen Elemente in dieser Sinfonie angesprochen, und das ist das Thema, mit dem ich noch einige Schwierigkeiten habe und es hier daher zur Diskussion stellen will.


    Zum besseren Verständnis sei die ganze Passage angeführt. Bruckner hatte in einem Brief an Felix Weingartner seine 8. Sinfonie erläutert: „Im ersten Satz ist der Trompeten- und Cornisatz aus dem Rhythmus des Themas: die ,Todesverkündigung‘, die immer sporadisch stärker, endlich sehr stark auftritt, am Schluss die Ergebung. Scherzo: Hauptthema, Deutscher Michel genannt; in der zweiten Abteilung (NB das Trio ist gemeint) will der Kerl schlafen, und träumerisch findet er sein Liebchen nicht; endlich klagend kehrt er selber um. Finale: Unser Kaiser bekam damals den Besuch des Czaren in Olmütz; daher Streicher: Ritt der Kosaken; Blech: Militärmusik; Trompeten: Fanfare, wie sich die Majestäten begegnen. Schließlich alle Themen; wie bei ,Tannhäuser‘ im zweiten Akt der König kommend, so als der Deutsche Michel von seiner Reise kommt, ist alles schon im Glanze. Im Finale ist auch der Totenmarsch und dann (im Blech) die Verklärung.“


    Wie wörtlich ist das zu nehmen? Bruckner spart das Adagio ganz aus. Hat sich dort „der Kerl“ ganz verloren, während in der wirklichen Welt das Leben weiterging, waffenklirrende kaiserliche Heere sich trafen und er fast den glanzvollen Abschluss verpasst? Ist das alles eine mehr oder weniger willkürliche Kette freier Assoziationen, in denen sich Bruckners Gedanken beim Komponieren, seine Sorge um Deutsch-Österreich und aktuelle Tagesereignisse mischen? Oder macht er sich einen etwas grimmigen Spaß mit uns - aber passt das zu ihm?



    Deutscher Michel is a national symbol reflecting the Germans' conception of their own character.


    Deutscher Michel started out in the 16th century as a sleepy country person. Over time the image and its meaning have changed to represent political opposition, innocent victims and many other aspects of German social life. The image can in some ways be compared to others such as the British John Bull, the American Uncle Sam and the French Marianne.Now Deutscher Michel is portrayed as a sleepy character with a night cap.
    Quelle


    Klingt dort schon etwas mit, was dann 1940 in zeitgemäßer politischer Radikalisierung Laux in einem Buch über Bruckner in die Worte fasste: "Der ‚deutsche Michel' und ‚Parsifal' sind miteinander zu identifizieren. Der deutsche heldische Mensch tritt uns strahlend aus den Tönen dieser Sinfonie entgegen. .... Im einzelnen könnte man sagen, dass uns im ersten Satz der deutsche Mensch im Kampf, im zweiten Satz der deutsche Mensch in der Natur, im dritten Satz der deutsche Mensch in der mystischen Zwiesprache mit Gott und im letzten Satz der deutsche Mensch als Sieger entgegentritt." (zitiert nach Christa Brüstle: Anton Bruckner und die Nachwelt) So war es ja wohl nicht gemeint ...


    Michel kann die Verniedlichung oder Koseform Gottes mächtigsten Engels Michael sein. Oft wird diese Figur bei Bruckner gedeutet als eine Mischung aus Angst vor einem erstarkenden Nachbarn (aus österreichischer Sicht) und Sorge vor einem ungeschützten Vaterland, machtlos seinen Nachbarn ausgeliefert. Bruckner soll gesagt haben: "Der deutsche Michel ziagt dö Zipfelhaub'n über die Ohren, halt sie' hin und sagt: 'haut's na zua, i' halt's schon aus!" Wie bei den meisten überlieferten Zitaten ist unsicher, ob ihm das nur nachträglich in den Mund gelegt wurde.


    Wenn er das so gesagt hat: Identifiziert er sich, der selbst so viel verbale Prügel von der Wiener Kritik hat einstecken müssen, mit dem Michel? (Nur ein Beispiel: Die 7. Sinfonie war sein ein erster großer Erfolg, aber Hanslick kommentierte: „unnatürlich, aufgeblasen, krankhaft und verderblich erscheint sie mir“.) Sieht er seine eigenen persönlichen Schwächen in der politischen Schwäche Deutschlands gespiegelt, dem es damals nicht gelang, mit den weltweiten kolonialen Eroberungen Englands und Frankreichs, dem Eroberungszug Russlands in den Osten Asiens und der USA zur pazifischen Westküste mitzuhalten? Wie kam er auf solche Parallelen? Fühlte er sich ähnlichen persönlichen Intrigen ausgesetzt, wie er Deutschland von politischen Intrigen bedroht sah? Oder sollte nicht ernst genommen und am besten ignoriert werden, wenn Bruckner politische Bilder wählt?


    Welche überraschenden Wendungen Bruckners nationale Ideen nehmen konnten, zeigt „Helgoland“: "Den Sieg tragen ... nicht die kampf- und opferbereiten 'Söhne Teutonias' davon, sondern die hilflos preisgegebenen Helgolandeinwohner, die sich in ihrer Not an den 'Allvater' wenden, der - beinahe wie im Alten Testament - die Wogen der See über den herannahenden Schiffen todbringend hereinbreichen läßt." (Brüstle)
    Manche wollen im 4. Satz die St. Michael Sage sehen, die auch auf vielen Kriegsdenkmälern angesprochen wurde. Bruckners Freund Weinwurm hatte zum Michel-Lied einen Chorsatz geschrieben:


    Michel, horch, der Seewind pfeift,
    auf, und spitz die Ohren.
    Wer jetzt nicht ans Ruder greift,
    hat das Spiel verloren.
    Wer jetzt nicht sein Teil gewinnt,
    wird es ewig missen.


    Sieh die Nachbarn! Meer um Meer
    sperren sie mit Ketten.
    Michel schärf die alte Wehr,
    rette, was zu retten!
    Michel, bist du taub und blind?
    Hurtig aus den Kissen!.


    1892 schrieb Bruckner einen Männerchor Das deutsche Lied, in dem eine ähnliche Aussage vorkommt:


    ...wie die Meerflut tost an klippigem Strand.


    so schalle, so schmett're die Feinde zu schrecken,
    die schafferen Brüder vom Schlafe zu wecken,
    der deutsche Gesang durchs gefährdete Land.


    (zitiert nach Albrecht Riethmüller (Hg.): Bruckner-Probleme)


    Wie so häufig ist am Ende wohl jeder Hörer auf seine eigene Intuition angewiesen, Bruckner zu verstehen und für sich zu entscheiden, was Bruckner beim Komponieren inspiriert hat, und was er später gesagt und geschrieben hat, um seinem Werk in einer keineswegs nur freundlich gesinnten Umgebung mehr Anerkennung zu sichern.


    Viele Grüße,
    Walter

  • Ich möchte nur einen Punkt zur Diskussion stellen: In wie weit kann man Bruckner trauen, wenn er über sich selbst spricht (schreibt)?
    Kann es nicht sein, dass er für seine Musik eben nicht die rechten Worte fand und hoffte, er würde sie verständlicher machen, wenn er diverse Bilder hinzuerfinden würde?

    ...

  • Zu der Problematik empfehle ich dringend die Lektüre des Bruckner-Kapitels in dem fantastischen Buch von Martin Geck "Von Bach bis Mahler"
    Bruckners Aussagen zu den "charakteristischen Bildern" in seiner Symphonie sind sowohl urschriftlich durch Briefe wie auch aus den glaubhaften Erinnerungen ihm nahestehender Schüler und Freunde bestätigt. Wenn dann noch der Affekt in der Musik den Charakter des Bildes unterstreicht, besteht an der Glaubhaftigkeit für mich kein Zweifel.

  • Zitat

    ...urschriftlich durch Briefe wie auch aus den glaubhaften Erinnerungen ihm nahestehender Schüler und Freunde bestätigt.


    Daran zweifle ich auch gar nicht.
    Ich glaube allerdings an ein gewisses Missverhältnis von Bruckners musikalischer und seiner verbalen Ausdruckskraft. Alle schriftlichen Zeugnisse, die wir von Bruckner besitzen, zeugen von einem zutiefst unliterarischen Geist. Soviel ich weiß (wenn's nicht stimmt, bitte ich um Korrektur), hat Bruckner auch nichts gelesen außer Heiligenlegenden.


    Meiner Meinung nach ist es so gewesen, dass Bruckner absolute Musik komponiert hat. Da er gemerkt hat, welche unglaublichen Stücke er da komponierte, versuchte er, sie für seine Zeitgenossen in Worte zu fassen. Und dann kam eben das "kecke Beserl" für die absolut unglaubliche, verrückt moderne 1. Symphonie heraus und der "Deutsche Michel" nebst Truppenparade in der 8. Also (meiner Meinung nach): Zuerst Musik, dann Bild - und nicht umgekehrt.

    ...

  • Hallo Ben,



    Zitat

    Original von ben cohrs
    Die Erstfassung am ehesten unter Tintner.


    Was häst Du von Dennis Russel Davies' neuer Aufnahme mit dem Bruckner-Orchester Linz? Intensiv habe ich seine Aufnahme der vierten Sinfonie gehört und fand sie ziemlich gut, die achte steht hier zwar im Regal, aber ich bin über einen - unzuverlässigen - ersten Höreindruck noch nicht hinaus (das passt jetzt zufällig grade zu Diskussionen an anderer Stelle ;) ).


    Mich würde Deine Meinung sehr interessieren.


    Beste Grüsse,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Dennis Russell Davies? Über einen Todkranken soll man nichts schlechtes sagen, deswegen halte ich meine Meinung zu seinen Bruckner-Einspielungen hier öffentlich vornehm zurück.
    Zu der von Edwin weiterkolportierten "Unbelesenheit" Bruckners: Ich finde immer wieder traurig, wie sich uralte Klischees bis heute fortschreiben.
    Der Mann hat immerhin eine exzellente Volksschullehrer-Ausbildung; als Theorielehrer war er, wie von einigen seiner Schüler durch Mitschriften bezeugt ist, beständig darum bemüht, für musikalische Sachverhalte entsprechende verbale Bilder zu finden. Warum soll man seine eigenen Angaben dann nicht ernst nehmen?

  • Hallo Ben,


    das war eine klare Aussage. Danke.


    Beste Grüße,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo Ben!
    Ausbildung und eigene sprachliche Formulierung sind zwei paar Schuhe.
    Dass Bruckner nicht ungebildet war, habe ich seinerzeit in einer Diskussion, als ich Musikwissenschaft studierte, behauptet - und hatte ausschließlich Gegner, die ihn offenbar für einen halbdebilen Dorftrottel hielten. Ich bin also sicher der letzte, der Bruckners Bildung anzweifelt - im Gegenteil: Ich bin froh, mit dieser Meinung nicht allein zu sein.
    Ich zweifle nur an, dass Bruckner im Umgang mit Worten sonderlich geschickt war. Seine Briefe sind voll mit Floskeln und lassen keine literarische Formulierung erkennen.
    Ich werde das Gefühl nicht los, dass ihm die Worte zur Erklärung seiner Musik fehlten. Und sein Umfeld machte es nicht besser, indem, ganz im Sinne der romantischen Programmmusik, mitunter geradezu grotesk übersteigerte Bilder als Erklärung für die Symphonien erfunden wurden. Im Adagio der 8. war's, wenn ich mich recht entsinne, sogar der Liebe Gott, dessen man quasi akustisch ansichtig wurde.
    Für mich klafft ein Zwiespalt zwischen der Musik und ihrer Erklärung: Wenn der letzte Satz der 8. nur eine Truppenparade schildert, dann behaupte ich, dass Bruckner sein Thema verfehlt hat. Denn diese Schroffheit, diese harmonisch geradezu verwegene Musik scheint mir weder besonders festlich noch besonders kriegerisch oder militärisch. Ich assoziiere eher aufgetürmte Granitquadern als paradierende Soldaten und einen Kaiser, der sagt: "Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut."

    ...

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  • Lieber Edwin!
    Wenn man die Briefe, die in zwei Bänden in der Gesamtausgabe erschienen sind, liest, ergibt sich zumindest ein differenzierteres Bild. Er hat sich zum Beispiel manchen Kritikern gegenüber ziemlich deutlich geäußert. Im Übrigen hat er sich ja überwiegend in Tönen ausgedrückt und keine Romane geschrieben. Gleichwohl helfen einige seiner Äußerungen manche Aspekte seiner Musik besser zu verstehen. Mehr wollte ich damit gar nicht sagen.

  • Hallo,


    ich habe in den vergangenen 2 Wochen die Achte ziemlich oft gehört, in der letzten Woche wollte ich mich verstärkt mit der Siebten beschäftigen. Ich habe das auch geschafft, sie hat mich aber bei Weitem nicht so gefangen genommen wie die Achte.


    Meine Vergleichsaufnahmen waren die Dresdner Aufnahme von Eugen Jochum und die Berliner Philharmoniker mit Lorin Maazel.
    Maazel braucht insgesamt ca. 4 bis 5 Minuten mehr als Jochum, trotzdem gefällt er mir entschieden besser.
    Bei Jochum erscheint mit die Interpretation (ich kenne übrigens keine anderen als die beiden) viel brachialer und monströser als die etwas ruhigere, aber spannungsgeladenere Lesart Maazels. Dieser leuchtet IMO die Tiefen des Werkes viel deutlicher aus und macht auf Details aufmerksam, die mir bei Jochum nicht auffallen oder die einfach nur überspielt werden.


    Ich finde Jochum nicht schlecht, glaube auch, dass es viele gibt, die damit mehr anfangen können. Mich hat Maazel hier aber mehr berührt, mich emotional einfach viel stärker bewegt.




    Liebe Grüße, Peter.

  • Wer sich neben dem symphonischen Werk von Bruckner auch für sein Leben interessiert, dem empfehle ich unbedingt das Buch von Wolfgang Johannes Bekh "Anton Bruckner-Biografie eines Unzeitgemässen".



    sowie von Constantin Floros, Anton Bruckner Persönlichkeit und Werk



    Beide Autoren haben sich intensiv mit dem Leben und dem Werk Bruckners beschäftigt, bei Floros kommt ein wenig mehr der "Musikwissenschaftler" zum Vorschein, während Bekh wirklich auf viele minutiös recherchierte Details in Bruckners Leben eingeht.


    Beide Bücher sind absolut lesenswert, und machen dem "Dorftrottel-Image" Bruckners den Garaus.


    Zurück zur Achten:


    Ich habe am Wochenende noch ein wenig in meiner Sammlung gestöbert.
    Es gibt eine Einspielung mit dem Prague RSO unter Lovro von Matacic, die meiner Meinung nach sehr nahe an das herankommt, was hier von den Bruckner-Kennern gefordert wird. Leider ist die Aufnahmequalität nicht so besonders (1967), aber die CD lohnt in jedem Fall (Matacic hat mir bei der 5. und 7. auch ausnehmend gut gefallen).


    Hier mal die Anfangstakte des Finales, ich glaube, sowohl Ben, als auch teleton und Walter.T kommen hier auf Ihre Kosten :D :


    Klick

  • Bezüglich der beiden Bruckner-Bücher möchte ich allerdings einwenden, daß beide ausgesprochene Defizite hinsichtlich der Fakten aufweisen und auch in wissenschaftlichen Fachkreisen überwiegend kritisch gesehen werden.
    Ich wüßte aber im Moment keinen besseren Tip.


    Hinsichtlich meiner Bemerkung zu Russell-Davies würde ich gern für alle, die mit meiner speziellen Ironie und Selbstironie nicht klar kommen, hier einmal ganz ernsthaft präzisieren:


    Herr Russell Davies ist in der Tat lebensbedrohlich an Krebs erkrankt (so weit ich weiß, Lymphkrebs). Es scheint mir nicht angemessen, angesichts dessen im Moment in einem solchen Forum das Für und Wider seiner Bruckner-Sicht zu diskutieren.


    Zu seiner Einspielung der Vierten möchte ich mich insbesondere nicht öffentlich äußern, da ich zu der CD den Booklet-Text geschrieben habe. Das wäre unfein. Selbstverständlich habe ich aber eine Meinung und Einsichten zu dem WERK, die ich gern teile; wer Interesse daran hat, möge mir bitte privat schreiben.

  • Das Bekh-Buch empfinde ich als Rückschritt in die "Der gute alte Toni"-Zeit. Floros steht meiner Meinung nach höher, ist aber, wie Ben anmerkte, auch nicht unbedingt das Gelbe vom Ei.
    Ich bin sehr zufrieden mit einem Taschenbüchlein, das seinerzeit bei Reclam Leipzig herauskam, Autor ist Mathias Hansen. Kann man antiquarisch finden, etwa über zvab.com .


    @Ben,
    auch wenn Du es nicht so meinst: Es ist ein Seitenhieb auf einen Dirigenten, wenn man sagt: "Er ist so krank, da will ich mich nicht zu seiner Bruckner-Sicht äußern". Heißt doch im Klartext: Einem schwer erkrankten Musiker sage ich nicht nach, dass er Mist liefert.


    Fairerweise sollten unsere Mitleser wissen, dass Deine Fehde mit Davies darin besteht, dass dieser nicht das von einem Wissenschaftler+Komponisten-Team, dem auch Du angehörst, vollendete Finale der 9. aufführen will, sondern eine Finale-Paraphrase bei einem Komponisten in Auftrag gab.
    Wer mag, kann unseren Disput zu dem Thema in dem Thread über die 9. nachlesen.


    Wenn Du nun ein kleines Foul gegen Davies begehst, muss ich Dir auf der anderen Seite sagen, dass ich Davies' Interpretation der 8. sehr interessant finde. Sie ist frisch, scharf konturiert, das Orchester realisiert die Partitur weitgehend genau, wenn auch die letzte Klangschönheit fehlt. Ich finde diesen ruppigen, herben, mitunter brutalen, aber auch sehr klaren und meiner Meinung auch sehr durchdachten Bruckner erfrischend unkonventionell, es ist eine Interpretation, die über das reine Aufsagen der Partitur weit hinausgeht. - Und mir ist diese Interpratation wesentlich lieber als die Haitinks, bei der ich mit dem Schlaf zu kämpfen anfange.
    So hat halt jeder sein eigenes Bruckner-Bild, aufgrund dessen man sich eben für die eine oder für die andere Lesart erwärmt. Objektivierbar ist das nicht. (Objektivierbar sind für mich hingegen die Schlampereien der Harnoncourt-Einspielung - die ich insgesamt nichts desto weniger für interessant und in einigen Details für sehr gut geglückt halte.)

    ...

  • Hallo Taminoaner,


    ich habe jetzt mehrere Beiträge zu Dennis Russel Davies in diesem Thread gelesen und möchte dazu etwas am Rande sagen.


    In Bonn beim Orchester der Beethovenhalle Bonn war D.R.Davies mehrere Jahre Chefdirigent.
    :motz: Als regelmäßiger Konzertbesucher habe ich diese Konzerte damals gemieden - mehr sage ich dazu nicht !


    Für seine Genesung wünsche ich ihm als Mensch auch viel Glück und Heil !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    Original von teleton
    [...]ich habe jetzt mehrere Beiträge zu Dennis Russel Davis in diesem Thread gelesen und möchte dazu etwas am Rande sagen.


    In Bonn beim Orchester der Beethovenhalle Bonn war D.R.Davis mehrere Jahre Chefdirigent.
    :motz: Als regelmäßiger Konzertbesucher habe ich diese Konzerte damals gemieden - mehr sage ich dazu nicht !


    ...wir sollten Herrn Davies wenigstens soviel Respekt zollen, und seinen Namen richtig schreiben, damit es nicht zu Verwechslungen führt.


    Davies ist schwer krank, ja, aber nicht todkrank. Wenn die Medikamente anschlagen, ist die Krankheit heilbar.


    Ich wünsche ihm von dieser Stelle aus alles Gute, und hoffe, daß er im Sommer 2006 wieder am Pult steht.

  • Lieber Edwin: Zum einen habe ich keine Fehde mit dem Mann, den ich nicht mal persönlich kenne, und wenn ich auf all die Dirigenten sauer oder beleidigt wäre, die sich nicht dazu entschließen können, von ihrer Bevorzugung des dreisätzigen Torso abzurücken, hätte ich nichts anderes mehr zu tun... ;-) Und daß er seinen Spezi Herrn Winbeck fördert, ist in diesem absurden Karussell gegenseitiger Gefälligkeiten auch nichts besonderes und auch nicht zu kritisieren (ich kritisiere allein die Art und Weise, eine solche Nach-Komposition anmaßend an Stelle von Bruckners eigenem Satz setzen zu wollen, was den Komponisten schlicht entmündigt; aber das hat weniger mit DRD zu tun).
    Meine Meinung über seine Dirigierfähigkeiten und Interpretationen sind differenziert; im Moment ist es vielleicht einfach geschmacklos, darüber zu reden.
    Mehr wollte ich damit nicht sagen.
    Ich sollte hinzufügen, daß ich die Bearbeitung von Dvoraks wunderbaren Bagatellen von Russell Davies für Kammerorchester ungemein schätze und auch seine Schwertsik-CD fantastisch finde. Ich habe nichts gegen ihn!!


  • Ich sehe das genauso und teile die große Freude, am 16.2. in Minden die Achte, allerdings das ersten Mal live zu hören. Ich gehe davon aus, dass es sich auch bei Dir, Holger, um die NWD Herford handeln wird. Weißt Du, welche Fassung gespielt wird?


    Gruß
    Christian

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Kamioka hat in Wuppertal Haas gewählt, ich denke er wird dabei bleiben :D

  • Da gibt es ja genau genommen 2 Arten von Vorschlägen, normal (kurz) notierte und die durchgestrichenen, wie es im Finale die Achtelnoten sind. Bei der Tempoangabe 69 Halbe sind es dann immerhin 138 Viertelnoten, bei denen ein kurzer Vorschlag schon sehr kurz zu spielen ist.
    Das wäre meine bescheidene Auffassung, Edi :jubel:

  • Damit der "Faden" da ist, Edmunds Beitrag bezieht sich wohl hierauf:


  • Die Übergänge von einem Satz zum nächsten empfinde ich als einen hochinteressanten Augenblick in der Sinfonie. Bekanntlich gibt es ein breites Spektrum, von ansatzlos (z. B. Schumann 4 von 3 nach 4) bis zu mehrminütigen Pausen bei Mahler. Das Konzert hat seine eigenen Gesetze (Nachstimmen, Schweißtupfen, Räuspern, Abhusten :D). Zu Hause mußte man mindestens die LP umdrehen, Störer aller Art kann auch die CD nicht eliminieren. So weit, so schlecht.


    Insbesondere bei der Achten Bruckner ist der Raum zwischen dem Verklingen des Adagios und dem Beginn des Finales für mein Empfinden mit einem Mal mit großer Spannung und Erwartung gefüllt. Gut, wenn man das Stück kennt, weiß man natürlich, was bevorsteht. Aber mir geht es stets so, daß ich in der ausgebreiteten Ruhe der letzten Adagio-Takte plötzlich die Fanfaren schon hineinklingen höre, sie gewissermaßen schon 'vorhöre' wie ein unabwendbares Ereignis, das ja dann auch eintritt. Es ist, wie wenn man sinnend in sich gekehrt harrt und noch ausruht und plötzlich den Kopf hebt und die Augen erstaunend eine neue Szenerie erblicken - wie wenn die Zeit einen fortgetragen und bereitet hat für eine neue Sicht der Außenwelt (die sich am Ende nach grandiosen Schilderungen in anderem Bewußtsein wiedererkennt?).


    Soviel aus meiner Sicht zur Bedeutung des Satzbeginns und dessen innerer Kohärenz mit dem voraus Gegangenen in Bruckners letzten Finalsätzen ;)


    :hello:

  • Meiner persönlichen Meinung nach sind folgende Aufnahmen der 8. Sinfonie "unverzichtbar":


    Furtwängler, Berliner Philharmoniker, Studio und Live/1949
    Furtwängler, Wiener Philharmoniker, 1944
    Knappertsbusch, Berliner Philharmoniker, 1951
    Kubelik, SO des BR, 1963
    Haitink, Concertgebouworkest, 1969
    Karajan, Berliner Philharmoniker, 1975


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Hallo heldenbariton,


    mich als Brucknerdummy - aber an den Sinfonien des Komponisten durchaus interssierten Hörer - würden schon die Gründe interessieren, weshalb du die genannten Aufnahmen anderen vorziehst. Einfach so in den Raum geworfene Dirigentennamen und Aufnahmedaten helfen mir dabei nicht weiter. :no:


    In diesem Sinne hat sicher Holger seine Frage auch gemeint. Schade, dass du dafür nur so eine pampige Antwort übrig hast.



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Da ihr ja wahrscheinlich alles auf die Goldwaage legt, hier meine Begründungen zu den Aufnahmen (im übrigen war meine Antwort an Holger nicht pampig, sondern zu seiner Frage passend..).


    Die Furtwängler-Aufnahmen sprechen für sich was den interpretatorischen Tiefgang angeht; Kubelik hat eine eigene Auffassung,die hervorragend durch das Orchester realisiert wird, eine Aufnahme, die neben heutigen noch bestehen kann; Knappertsbusch zeigt getragene Tempi (3.Satz), hält aber einen großen Spannungsbogen durch alle vier Sätze; Haitink setzt starke instrumentale Akzente, besonders im 4. Satz (Paukeneinsatz nach Bläserakkorden); Karajan zeigt Schönklang und großangelegten Aufbau des Werkes (seiner letzten Aufnahme vorzuziehen).


    Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

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